UNSERE REZENSION

 

Progress: Evolution of Technology

 

Die Menschheitsgeschichte durch die Augen des Erfinders sehen

 

Erfindungen entdecken und seinen Technologiebaum aufbauen

 

Erfindungen fallen nicht vom Himmel. Aber sie bauen aufeinander auf. Wohl eine der wichtigsten Erfindungen der Menschheit ist das Rad. Man stelle sich nur vor, wie viele Maschinen und Geräte es nicht geben würde, hätte bis jetzt niemand das Rad erfunden. So sind viele für uns heute als sehr einfach erscheinende Erfindungen ganz entscheidend für unsere jetzige hoch-technologische Welt. Viele Generationen der Menschheitsgeschichte mussten vergehen und viele kluge Köpfe haben dazu beigetragen, dass genau diese, unsere Geschichte von ständigen, stetig komplexer werdenden Erfindungen begleitet wurde. Und es ist ziemlich wahrscheinlich, dass sich unsere zukünftigen Generationen darüber wundern werden, mit welchen simplen Technologien wir unser Auslangen finden mussten.

 

In Progress ahmen die Spieler diese Entwicklungsgeschichte der Menschheit nach. In mehreren Zeitaltern gilt es, Erfindungen des jeweiligen Zeitalters zu entdecken und dabei bereits entdeckte Erfindungen zu nutzen. Wir beginnen mit Erfindungen des ersten Zeitalters von ca. 10.000 bis 500 v. Chr. und enden im 3. Zeitalter mit der Renaissance. Jede Erfindung bringt sofortige Vorteile und hat positive Begleiteffekte, man kann dadurch sein Prestige steigern, zur Stärkung der Armee beitragen oder das Bevölkerungswachstum aufgrund des gewonnenen Wohlstandes erhöhen.

Jeder Spieler baut an seinem eigenen Erfindungen-„Stammbaum“, erarbeitet sich dadurch Verbesserungen seiner Aktionsmöglichkeiten im Spiel und sammelt dabei Siegpunkte für die Endwertung. Auch wenn Progress bei dem einen oder anderen Assoziationen zu 7 Wonders hervorrufen könnte, so ist es doch ein komplett anderes Spiel. Zwar sind auch hier Karten das zentrale Spielelement, allerdings ist Progress bei Weitem nicht so flüssig und kurzweilig. Ab einer bestimmten Spieleranzahl muss man sich sogar ziemlich sicher mit Spielpausen bis zum nächsten Zug zufrieden geben.

 

Im Grundspiel wird Progress über 3 Zeitalter gespielt. Jedes Zeitalter hat seinen eigenen Technologiekarten-Stapel, der je nach Spieleranzahl individuell zusammengestellt wird. Jede Technologiekarte entspricht einer Erfindung. Zu Beginn des Spieles ist nur das Zeitalter 1 verfügbar. Die Spieler sammeln diese Karten auf ihrer Hand und spielen sie durch Aktionen in ihrem Zug aus, d.h. sie legen diese vor sich ab und entdecken damit ihre Erfindungen. Als Aktionsmöglichkeiten gibt es daher nur 2 grundsätzliche Aktionen: Karten Nehmen oder Karten Ausspielen, diese aber in verschiedenen Varianten. Das Ausspielen von Karten verursacht in der Regel Kosten, als Zahlungsmittel wird Wissen verwendet, das es allerdings in 3 verschiedenen Ausprägungen gibt (Kultur-Wissen, Naturwissenschafts-Wissen, Ingenieurswissenschafts-Wissen).

 

Schauen wir uns nun die Technologiekarten etwas genauer an:

Zuallererst ist jede Technologiekarte einer von drei Technologiearten zugeordnet: Naturwissenschaft, Ingenieurswissenschaft und Kultur (sie sind also ident mit den Wissensarten).

Jede Karte hat ihre eigenen Kosten für ihre Entdeckung, entweder sind sie in einer oder in zwei Wissensarten zu bezahlen. Pro Wissensart ist neben dem „Kaufpreis“ auch eine Erfindung angegeben. Hat der Spieler diese bereits vor sich liegen, braucht er diese Kosten nicht mehr zu bezahlen. Durch geschicktes Ausspielen der Erfindungen lassen sich also die Kosten reduzieren (auch hier wieder eine Parallele zu 7 Wonders). Liegen schon alle geforderten Erfindungen beim Spieler aus, ist der Bau sogar gratis. Wer diese Kartenfolge am günstigsten schafft, hat große Chancen auf den Sieg.

Auch die Vorteile, die die Entdeckung einer Erfindung bringt, sind auf der Karte abzulesen. Dies ist eine Mischung aus Siegpunkten, Steigerung des Prestige-, Armee- oder Bevölkerungs-Wertes für den Spieler, Aufwerten seiner eigenen Aktionsmöglichkeiten und Aneignung von dauerhaftem Wissen.

Eine Karte aus der Hand kann nicht nur ausgelegt, sondern auch als Zahlmittel ausgegeben werden. Daher hat jede Karte auch einen „Geldwert“. Dieser Geldwert besteht immer aus allgemeinem Wissen, das quasi als Joker anstelle einer der drei Wissensarten verwendet werden kann. Dieser Geldwert steigt mit höherem Zeitalter bis zum Wert 4, im ersten Zeitalter ist er maximal 2.

Schließlich entscheiden einzelne Karten über den Beginn eines neuen Zeitalters, in dem sie das entsprechende Symbol beinhalten.

Für die Kennzeichnung der Aufwertung der eigenen Aktionsmöglichkeiten hat jeder Spieler sein eigenes Tableau mit sieben verschiedenen Fähigkeitsleisten. Eine davon bestimmt die Anzahl der Aktionen seines Zuges, eine das Handkarten Limit, alle anderen werten eine bestimmte Aktion auf. Jede Leiste hat einen Startwert, mit dem alle Spieler beginnen.

Die Erhöhung von Prestige, Bevölkerung und Armee aufgrund einer ausgelegten Erfindung wird auf einem zentralen Spielbrett, dem Machttableau, eingetragen, das für jede dieser Eigenschaften eine Zählleiste enthält. Hier fahren alle Spieler gemeinsam auf diesen Leisten ihre gewonnenen Punkte ab.

Als Spielhilfe erhält jeder Spieler noch einen Technologiebaum, auf dem jede Erfindung mit ihrer Abhängigkeit zu anderen Erfindungen ersichtlich ist. Dies ermöglicht die Entdeckung der Erfindungen strategisch zu planen – zumindest in der Theorie. Der Technologiebaum informiert auch über die Boni der Karte und wie oft sie im Spiel ist.

Am Beginn des Spieles erhält jeder Spieler je nach Position zum Startspieler 5 bis 7 Technologiekarten des ersten Zeitalters auf die Hand. Beginnend beim Startspieler läuft das Spiel nun reihum weiter bis zum Spielende. Der Spieler am Zug kann eine bestimmte Anzahl an Aktionen in beliebiger Kombination ausführen, wie viele dies sind, gibt ihm die Fähigkeitsleiste für die Aktionsanzahl auf seinem Spielertableau vor, zu Beginn sind dies zwei. Pro Aktion hat der Spieler fünf Aktionsmöglichkeiten zur Auswahl. Von den fünf Aktionen dienen zwei zum Ausspielen von Karten und drei zum Nehmen.

Die beiden Aktionen zum Ausspielen einer Karte sind Entdecken und Erforschen. Wird die Erfindung entdeckt, muss die Karte mit dem darauf angegebenen Wissen bezahlt werden. Der Spieler legt seine Karten vor sich in Spalten aus, pro Technologieart eine, wobei die Kartentitel lesbar bleiben sollten, damit man leichter erkennen kann, ob bei neuen Erfindungen ein Wissen noch bezahlt werden muss oder schon durch eine ausliegende Karte entfällt. Müssen Kosten durch Wissen bezahlt werden, kann der Spieler in beliebiger Mischung aus Handkarten oder bereits dauerhaft erworbenem Wissen in Form von Wissensplättchen bezahlen. Ein bereits erworbenes Wissensplättchen behält der Spieler bis zum Ende, er kann es pro Zug allerdings nur einmalig zur Bezahlung nutzen. Bezahlt er mit Karten, muss er diese abwerfen. Sind die Kosten bezahlt und ist die Karte ausgelegt, erhält der Spieler sofort die Vorteile auf der Karte.

Kann oder will ein Spieler die Kosten nicht aufbringen, so kann er eine Erfindung erforschen anstelle sie zu entdecken. In diesem Fall ist das Auslegen der Karte immer kostenlos, sie ist aber nicht sofort verfügbar, sondern erst ein paar Runden später. Wie viele Runden die Erforschung dauert, hängt vom Fortschritt auf der entsprechenden Leiste am Spielertableau ab. Zu Beginn sind dies 4 Runden. Dazu legt der Spieler die Karte in einem eigenen Bereich vor sich ab und legt die entsprechende Anzahl schwarzer Würfel auf die Karte. Zu Beginn seiner nächsten Züge entfernt er nun jeweils einen schwarzen Würfel. Entfernt er dabei den letzten Würfel, gilt die Erfindung als entdeckt und wandert in den Bereich der entdeckten (aktiven) Erfindungen. Der Spieler erhält nun sofort die Vorteile der Karte. Bereits während die Erforschung läuft, gilt diese Karte als vorhanden für die Bezahlung einer anderen Erfindung. Die Erforschung muss auch nicht komplett durchgespielt werden. Zu Beginn des Zuges kann der Spieler auch Erfindungen, die sich in Erforschung befinden, wieder zurück auf die Hand nehmen um sie z.B. zu entdecken.

Die gleichzeitige Zahl der Erfindungen, die ein Spieler erforschen darf, ist beschränkt. Auch dafür gibt es wieder eine Leiste auf dem Spielertableau, so dass sich ein Spieler auch hier im Laufe des Spiels verbessern kann. Zu Spielbeginn ist der Wert 1.

Egal ob eine Karte entdeckt oder erforscht wird, ein Spieler darf nie die gleiche Karte nochmals auslegen.

Drei Aktionen ermöglichen dem Spieler zu neuen Karten zu kommen. Für jede Art hat er seine Zählleiste auf dem Spielertableau, so dass er sich im Laufe des Spieles bei jeder dieser Aktionen verbessern kann. Die simpelste Möglichkeit ist die des Karten Ziehens. Am Spielanfang sind dies drei Karten. Beim Ziehen der Karten darf der Spieler beliebig mischen: Von den Nachziehstapeln oder von den Ablagestapeln bereits offener Zeitalter. Diese Aktion liefert im Allgemeinen die meisten Karten, hat aber einen Nachteil: Nach Ausführung dieser Aktion endet der Zug sofort.

Daher gibt es noch die Aktion Schnell Ziehen, bei der je nach Position auf der Zählleiste eine bestimmte Anzahl an Karten gezogen werden darf und anschließend wieder eine bestimmte Anzahl an Karten abgeworfen werden muss, wobei der Spieler aus allen Handkarten wählt. Am Beginn der Leiste ist dies eine Karte ziehen, null abwerfen.

Die dritte Aktion ist Mischen und Ziehen. Hier mischt man zuerst Nachzieh- und Ablagestapel eines Zeitalters zusammen und zieht danach die oberste Karte. Auch hier kann man sich verbessern, indem man dies mehrfach und auch bei verschiedenen Stapeln durchführen darf.

Hat ein Spieler seine Aktionen ausgeführt, überprüft er noch, ob sein Handkartenlimit überschritten ist und wirft gegebenenfalls Karten ab. Danach ist sein Zug zu Ende und der nächste Spieler ist an der Reihe.

Dieser beschriebene Ablauf wird nur durch den Beginn eines neuen Zeitalters unterbrochen, der durch die Entdeckung von Erfindungen ausgelöst wird. Auf einzelnen Technologiekarten befindet sich ein Symbol für das nächste Zeitalter. Je nach Spieleranzahl und Zeitalter muss eine bestimmte Anzahl an Symbolen ausliegen, damit das neue Zeitalter beginnt. Sobald das neue Zeitalter begonnen hat, ist sofort der Kartenstapel dieses Zeitalters offen und verfügbar, d.h. bereits der Spieler, der den Beginn des neuen Zeitalters ausgelöst hat, darf von diesem Kartenstapel in seinen nächsten Aktionen ziehen. Zu Beginn des zweiten Zeitalters passiert sonst nichts weiter, zu Beginn des dritten Zeitalters kommen alle Karten des ersten Zeitalters aus dem Spiel, die sich entweder auf der Hand eines Spielers befinden, die in Forschung sind oder die den Nachzieh- und Ablagestapel bilden. Würden die Kartensymbole das vierte Zeitalter auslösen, so endet das Spiel sofort.

Zum Spielende folgt noch die Schlusswertung, indem die während des Spiels erworbenen Siegpunkte zusammengezählt werden: Aktive Erfindungen mit Siegpunkten, Fortschritte auf den Zählleisten des eigenen Spielertableaus bringen die abgebildeten Siegpunkte und die Zählleisten am Machttableau werden ausgewertet. Hier zählt die Position der Spielsteine der Spieler untereinander. Je Leiste erhält der führende Spieler sowie der zweite, dritte und vierte die angegebene Anzahl an Siegpunkten. Wer nun die meisten Siegpunkte hat, hat gewonnen.

 

Einzelne Spielelemente in Progress geben dem Spiel einen strategischen Anstrich. Die Strategie zielt darauf, dass die Erfindungen ja aufeinander aufbauen, wodurch das Entdecken sehr billig ausfallen kann, wenn man in einer bestimmten, geplanten Reihenfolge entdeckt. Dieser Effekt kann sich auch wirklich einstellen, muss aber nicht, da der Faktor Zufall hier noch ein entscheidendes Wort mitredet, mit Sicherheit zu viel für ein Strategiespiel. Schon bei der Starthand sind Spieler durch den Zufall bevorteilt bzw. benachteiligt, denn nicht alle Erfindungen des ersten Zeitalters kann man als Basis für andere Erfindungen dieses Zeitalters nutzen. Wenn man also nur selten aufeinander aufbauende Karten auf die Hand bekommt und meistens für die Entdeckung bezahlen muss, ist das ein gravierender Nachteil gegen Spieler die mehr Glück haben, oft wahrscheinlich auch ein spielentscheidender. Das Spiel benachteiligt führende Spieler auch nicht.

Daher läuft die „Spielstrategie“ oft darauf hinaus, nicht gezielt sondern eher möglichst viele Erfindungen zu entdecken und damit zu spekulieren, dadurch im späteren Spielverlauf bessere Chancen auf Gratis-Entdeckungen zu haben.

Den höchsten Verbesserungsbedarf an Progress sehe ich aber in der Interaktion. Jeder Spieler baut völlig unabhängig von den anderen Spielern seine Erfindungen, ist also während der Spielzüge der anderen Spieler am Spielgeschehen nicht beteiligt. Denn seinen Zug im Voraus zu planen ist nur sehr bedingt möglich, da die vom vorigen Spieler abgeworfenen Karten sehr entscheidend für die Gestaltung des eigenen Zuges sein können. Daher heißt es meist, zuerst das Ende des Spielzuges des vorigen Spielers abwarten und dann aufgrund der aktuellen Situation seinen Zug planen – dies bewirkt zwangsläufig auch eine Verlängerung eines Spielzuges im Allgemeinen. Der Effekt dessen ist, dass sich das Spiel je nach beteiligten Spielertypen in die Länge ziehen kann. Auch wenn Progress für bis zu 5 Spieler vorgesehen ist, ist es daher nur für 1 – 3 Spieler zu empfehlen.

Progress hat aber durchaus auch seinen Reiz und macht auch Spaß, man darf das Spiel jedoch nicht zu strategisch spielen wollen, denn dann würde man damit nicht glücklich werden. Dazu ist der Zufall einfach zu groß.

Dem Basisspiel sind bereits Erweiterungen hinzugefügt wie ein viertes Zeitalter (Industrielle Revolution), Berühmtheiten und Meilensteine, die als Varianten zum Grundspiel gespielt werden können. Weitere Zeitalter sind angekündigt, ob sie erscheinen werden, wird sich noch zeigen. Das Spiel ist bisher nur in englischer Sprache erschienen, bis auf die Erfindungstitel ist im Spiel aber kein Text vorhanden. Eine deutsche Spielregel ist zum Download verfügbar und eine deutsche Ausgabe vom Heidelberger Spieleverlag ist angekündigt.

 

Bernhard Czermak

 

Spieler: 1-5

Alter: 12+

Dauer: 90+

Autor: Andrei Novac, Agnieszka Kopera

Grafik: David Szilagyi, David J. Coffey

Preis: ca. 40 Euro

Verlag: NSKN Games

Web: www.nskn.net

Genre: Aufbauspiel, Kartenmanagement

Zielgruppe: Für Experten

Version: en

Regeln: en + de

Text im Spiel: nein

 

Kommentar:

einfache Regeln

Zufall entscheidet

hoher Platzbedarf

 

Vergleichbar: 7 Wonders

 

Andere Ausgaben:

Heidelberger Spieleverlag

 

Meine Einschätzung: 5

 

Bernhard Czermak:

Ein Kartenspiel mit einfachen Regeln, das zwar strategische Möglichkeiten bietet, aber meist bestimmt dann doch der Zufall. Mit Rücksicht auf die anderen Spieler nicht für Grübler zu empfehlen, sonst besteht das Spiel Großteils nur aus Wartezeiten.

 

Zufall (rosa): 2

Taktik (türkis): 3

Strategie (blau): 2

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 0

Kommunikation (rot): 0

Interaktion (braun): 1

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0