Wettlauf im eisigen Norden

 

Ice Flow

 

Völkerverbindende Meeresüberquerung für Strategen

 

Viele Rennspiele nutzen schnellere Fortbewegungsmittel wie Fahrräder, Motorräder, Autos oder Formel 1-Rennwagen als Transportmittel. Bei Ice Flow sind die Spieler ganz allein auf ihre Beine angewiesen, einziges Hilfsmittel ist ihr Köpfchen, um sich einen möglichst energiesparenden Weg übers Eis zu bauen. Schließlich geht es darum, die Beringstraße von Alaska nach Sibirien zu überqueren. Und dass dies zu Fuß nur ein mühsamer und beschwerlicher Weg sein kann, leuchtet wohl jedem ein.

Das Spiel ist sowohl für Familien als auch Vielspieler geeignet. Man kann es entweder „aus dem Bauch heraus“ spielen oder auch jeden einzelnen Spielzug strategisch planen. Ice Flow ist erstmals auf der UK Games Expo 2008 erschienen und hat dort den ersten Preis für das „Best New Boardgame“ gewonnen. Für den Verlag Ludorum Games in Serie zum zweiten Mal, nachdem sie 2007 mit ihrem Spiel „Fagin’s Gang“ ebenfalls dieses Auszeichnung gewonnen hatten. Bei der Spiel 08 in Essen hat das Spiel immerhin auf der Fairplay-Rangliste den Platz 7 erreicht.

Dennoch möchte ich Ice Flow nicht allzu sehr loben. Es ist ein nettes Spiel, gut geeignet für ein gelegentliches Spielen, ist aber meines Erachtens kein Dauerbrenner.

Interessant sind auch die zahlreichen Übersetzungen der Spielregel in die verschiedensten Sprachen, die per Internet downloadbar sind, auch wenn sich diese Regel zu der dem Spiel beiliegenden in einigen Punkten unterscheidet.

 

Öffnen wir nun die Spielschachtel und sehen einmal nach, was uns erwartet: Das Spielbrett stellt die Beringstraße mit einem Küstenstreifen in Alaska mit sechs verschiedenen Orten (mit teilweise unaussprechlichen Namen) und einem in Sibirien mit vier verschiedenen Städten dar. Den völkerverbindenden Charakter des Spiels erkennt man an den abgebildeten Flaggen von Russland und den USA. Die Beringstraße selbst besteht aus zahlreichen Strömungen, die nebeneinander her fließen. Die unterschiedlichen Geschwindigkeiten dieser Strömungen sind durch Pfeile angedeutet. In der Mitte der Beringstraße befindet sich eine kleine Insel namens Diomede. Weiters gibt es noch Ablageplätze für das weitere Spielmaterial:

-      Für den Nachzieh- und Ablagestapel der 14 Eisschollen- und der beiden Inselkarten

-      Für die fünf Eisbären

-      Für die für die Überquerung notwendigen Utensilien wie Fische und Seile

Für bis zu vier Spieler liegen je drei Forscher einer Farbe sowie eine Rucksack- und eine Spielhilfekarte bei. Die Rucksackkarte dient während des Spiels zur Ablage der Ausrüstungsgegenstände eines Spielers.

Schließlich noch das wichtigste Spielelement: die 24 Eisschollen aus Acryl samt einem zugehörigen Stoffbeutel. Die Eisschollen sind alle sechseckig, haben aber unterschiedliche Kanten (glatte und gebrochene, sogenannte Packeiskanten) in unterschiedlicher Anordnung. Sie dienen zur Überquerung der Beringstraße.

 

Das eigentliche Spiel hat einen einfachen Ablauf: es wird im Uhrzeigersinn gespielt und jeder Spieler hat zwei Aktionsmöglichkeiten, sobald er am Zug ist: eine Pflichtaktion (Eisscholle bewegen) und eine optionale Aktion (Forscher bewegen).

Bevor wir aber mit dem Spiel beginnen, noch zur Spielvorbereitung: Diese ist bei Ice Flow ein wesentlicher Bestandteil des Spieles und sollte auch genau befolgt werden. Denn nach dem Mischen der Eisschollen- und Inselkarten (in einem Stapel) und dem Ablegen der Fische, Seile und Eisbären auf den entsprechenden Ablageflächen werden hier die Eisschollen in der Beringstraße und die Forscher auf ihren Startplätzen platziert. Sich dabei gute Startpositionen für die eigenen Forscher zu sichern und sich dann auch noch mit den Eisschollen einen „leichten“ Weg zu bauen, ist für den weiteren Spielverlauf wesentlich. Das einzige Problem dabei: die lieben Mitspieler, die natürlich ihre Interessen verfolgen, wodurch ein Konkurrenzkampf um die besten Plätze entsteht – ein wesentliches Spielelement von Ice Flow.

 

Sowohl das Platzieren der Eisschollen als auch das der Forscher geht reihum, wobei jeder Spieler, wenn er an der Reihe ist, immer nur einen Teil legt. Zuerst werden auf diese Weise 12 Eisschollen platziert, danach die drei Forscher je Spieler. Besonders zu beachten ist hierbei die Spielerreihenfolge. Um nämlich den Startvorteil möglichst auszugleichen, hat sich der Autor von Ice Flow unterschiedliche Reihenfolgen ausgedacht: das Auslegen der Eisschollen beginnt der Startspieler und geht weiter im Uhrzeigersinn, das Auslegen der Forscher beginnt beim Spieler links vom Startspieler und geht weiter gegen den Uhrzeigersinn.

Gleichzeitig mit dem Auslegen der Eisschollen werden auch Fische, Seile und Eisbären auf den neu ausgelegten Schollen verteilt. Dazu deckt jeder Spieler vor dem Auslegen der Eisscholle die oberste Karte vom Eisschollenkartenstapel auf. Sie gibt an, welche Gegenstände auf der Eisscholle abgelegt werden – ein nicht unwesentlicher Aspekt für das Platzieren der Eisscholle selbst. Schließlich erschwert eine Eisscholle mit Eisbär den eigenen Weg, Eisschollen mit Seil und/oder Fisch sind dagegen umso begehrenswerter. Ganz besonders ist beim Ablegen der Eisscholle auch auf deren Anordnung der glatten bzw. Packeiskanten zu achten. Sollte beim Aufdecken übrigens eine der beiden Inselkarten aufgedeckt werden, so werden die Gegenstände auf die Insel gelegt und die neue Eisscholle bleibt leer.   

Zuletzt erhält noch jeder Spieler seine Rucksackkarte inklusive einem Fisch und einem Seil und seine Spielhilfekarte. Diese Rucksackkarte kann während des Spiels maximal drei Ausrüstungsgegenstände (Seile und Fische) tragen und gilt für alle drei Forscher zusammen. Nun kann das Spiel beginnen.

Wie bereits vorhin erwähnt, besteht jeder Spielzug aus einer Pflicht- und einer optionalen Aktion, wobei der Spieler über deren Reihenfolge entscheidet.

Der Pflichtteil des Spielzuges besteht aus einer Bewegung einer Eisscholle. Dazu gibt es drei Möglichkeiten.  

1)   Der Spieler dreht eine Eisscholle um 60 Grad. Dies macht vor allem dann Sinn, wenn die Scholle eine Packeiskante hat, die den geplanten Weg des Forschers erschwert.

2)   Der Spieler bewegt eine ausliegende Eisscholle weiter. Jede Eisscholle ist Teil einer Strömung der Beringstraße, die ja aus mehreren parallelen Strömungen besteht, und muss so viele Felder weiter bewegt werden, wie bei der Strömung angegeben (in den schwächsten Strömungen ein Feld, in den stärksten drei). Wird sie dabei von einer anderen Eisscholle behindert, so bleibt sie hinter dieser stehen und zieht nicht weiter.

3)   Der Spieler bringt eine neue Eisscholle aufs Feld. Dazu gibt es an den Spielbretträndern acht Positionen für neue Eisschollen zur Auswahl. Auch hier deckt der Spieler wieder eine Karte vom Stapel auf und befüllt die neue Eisscholle mit den entsprechenden Gegenständen. Das Anlegen von neuen Eisschollen ist wichtig, um Seile und Fische (aber leider auch Eisbären) ins Spiel zu bringen, der Nutzen einer neuen Eisscholle ist aber längerfristig zu sehen, da sie an den Randpositionen im Allgemeinen noch nicht für den eigenen Weg genutzt werden kann. Wie weit sie für den eigenen Weg nützlich ist, hängt auch von der Strömung ab, da die Eisschollen in stärkeren Strömungen ja nur an bestimmten Stellen zum Stehen kommen. Hat man dann noch Pech und deckt eine Karte mit Eisbären auf, hat die neue Eisscholle schon von Anfang an an Bedeutung verloren.

 

Wichtig bei dieser Pflichtaktion ist, dass die erste und zweite Bewegungsmöglichkeit nur mit Eisschollen durchgeführt werden darf, die entweder von mindestens einem eigenen Forscher oder von keinen Forschern besetzt sind.

Nach oder vor diesem Pflichtzug kann jeder Spieler einen seiner Forscher bewegen oder ihn angeln lassen, um ein Seil aus seinem Rucksack in zwei Fische umzuwandeln. Beim Bewegen eines Forschers müssen die entsprechenden Bewegungsregeln berücksichtigt werden, die wichtigsten seien hier genannt:

-      Das Bewegen auf bzw. von einer Eisscholle zu einer benachbarten ist grundsätzlich kostenlos und benötigt keinerlei Ausrüstungsgegenstände, ebenso das Betreten einer Eisscholle von Land aus oder das Verlassen auf die Insel oder an Land.

-      Überquert ein Forscher bei diesen Bewegungen allerdings eine Packeiskante an einer Eisscholle, so muss er für jede Packeiskante ein Seil benutzen. Diese Seile bleiben auf der Eisscholle liegen, von der aus er das Hindernis überwunden hat. Diese Regel ist insofern wichtig, da damit genug Seile im Spiel bleiben, die wiederum von anderen Forschern geholt werden können.

-      Sollte ein Forscher einem Eisbären auf einer Eisscholle begegnen, so muss er dem Tier einen Fisch verfüttern. Kann er das nicht, darf er diese Eisscholle nicht betreten.

-      Endet der Zug eines Forschers auf einer Eisscholle mit Ausrüstungsgegenständen, darf er sich einen davon in seinen Rucksack nehmen (Dies darf er auch, wenn er seinen Forscher vorher nicht bewegt hat). Sein Zug darf allerdings nicht auf einer Eisscholle enden, die bereits von zwei Forschern besetzt ist.

-      Schließlich darf ein Forscher auch ein einzelnes Wasserfeld durchschwimmen. Allerdings muss er sich dafür zuerst mit einem Fisch stärken, d.h. auch hier gilt wieder, wenn er keinen Fisch hat, kann er kein Wasserfeld überqueren.

 

Diese oben angeführten Bewegungsmöglichkeiten können vom Spieler in beliebiger Kombination ausgenützt werden, um einen seiner Forscher zu bewegen.

Neben den Hindernissen, die ihm dabei durch fremde Forscher widerfahren können, sei hier noch genauer auf das Zusammentreffen mit einem Eisbären eingegangen. Wie schon oben erwähnt bedingt das Zusammentreffen mit einem Eisbären immer einen Fisch zur Fütterung. Bleibt ein Forscher anschließend auf dieser Eisscholle stehen, so darf er den Eisbären vertreiben, d.h. ihn in einer der sechs Richtungen in gerader Linie auf eine andere Eisscholle versetzen oder ihn vom Spielbrett nehmen und in den Vorrat legen. Einzige Ausnahme: er darf niemals an Land versetzt werden. Diese Möglichkeit, den Eisbären zu versetzen, bietet natürlich wieder die Chance, andere Spieler zu behindern! Denn wird ein Eisbär auf eine Eisscholle versetzt, die bereits von Forschern besetzt ist, müssen diese sofort fliehen. Hat ein Forscher nicht die entsprechenden Ausrüstungsgegenstände, die er für die Flucht benötigen würde, so ist er gezwungen sich mit dem Hubschrauber an Land, d.h. nach Alaska, retten zu lassen.

Ein Forscher, der fliehen muss, kann aber auch wieder einen Fisch einsetzen und den Eisbären von dieser Scholle vertreiben. In diesem Fall darf er ihn aber nicht mehr an diese Stelle versetzen, woher der Eisbär kam. Ein Bumerangeffekt eines vertriebenen Eisbären ist damit ausgeschlossen.

Hat ein Spieler eine Eisscholle und eventuell einen Forscher bewegt, so ist der nächste Spieler im Uhrzeigersinn an der Reihe. Sobald ein Spieler es geschafft hat, alle drei Forscher nach Sibirien zu bringen, wobei jeder Forscher in einer anderen Stadt landen muss, ist das Spiel sofort zu Ende und dieser Spieler hat gewonnen.

 

Der Reiz von Ice Flow besteht einerseits an der strategischen Komponente, sich schnell überquerbare Wege durch die Beringstraße zu bauen und anderseits darin, sich einen Vorteil gegenüber den anderen Spielern zu verschaffen, indem man sie behindert. Für eine erfolgreiche Überquerung sind sowohl eigene, gut gebaute Wege als auch das Aufbauen von Hindernissen für die anderen Spieler von Bedeutung.

Die eigenen Wege lassen sich dabei sehr variationsreich gestalten, da sich mehrere Freiheitsgrade wie das Bewegen der Eisschollen durch Drehen, Verschieben oder Neueinsetzen, die Auswahl des Forschers und das Nutzen der eigenen Gegenstände bzw. das Gewinnen von neuen Gegenständen bieten. Auch beim Bauen ist ganz besonders auf die Interaktion mit den anderen Spielern zu achten.

Das Verbauen kann nun durch Blockieren von Eisschollen, durch Zerstören von günstigen Wegen durch Bewegen einer Eisscholle oder durch gezielte Eisbärenangriffe erfolgen. Das Spiel eignet sich daher nicht für reine Aufbauspieler, sondern wendet sich besonders an Spieler, die auch gerne durch Benachteiligung anderer Spieler ihre Vorteile im Spiel gewinnen.

Wichtig ist auch ein vernünftiges Haushalten mit seinen drei möglichen Ausrüstungsgegenständen. Sollte man sich für einen hindernisreichen Weg entscheiden und muss alle Gegenstände einsetzen, kann das für weitere Bewegungen eine starke Einschränkung sein. Derartige Wege sollte man nur einschlagen, wenn am Ende des Weges ein Ausrüstungsgegenstand winkt.

Im Allgemeinen fällt Ice Flow unter die Kategorien für Spiele für Familien, für Freunde und auch für Vielspieler. Das Spiel eignet sich gut für alle angegebenen Spielerzahlen. Das Spiel zu zweit läuft ebenso flüssig wie bei vier Spielern. Im Spiel zu zweit ist erwartungsgemäß das Angebot an Ausrüstungsgegenständen für den einzelnen Forscher größer, da ja deren Verteilung auf die 12 Eisschollen zu Spielbeginn unabhängig von der Spieleranzahl ist. Auch das Spielbrett ist gut gelungen und unterstützt die Spielatmosphäre: Die Verwendung von kalten Farben lässt einem schon beim Anblick des Spielbretts nachfühlen, dass die Forscher in kalten Regionen dieser Erde unterwegs sind.

 

Einzig die Spielregel ist ein wenig zu bemängeln. Sie lässt einzelne Fragen offen, die man aber teilweise durch das Nachlesen in der englischen Spielregel beantworten kann. Es empfiehlt sich auch, die Version aus dem Internet herunterzuladen. Sie ist vollständiger und übersichtlicher gestaltet, weist aber auch Regeländerungen auf, speziell zur Spielvorbereitung.

Ice Flow ist also ein rundum gelungenes, ausgewogenes Spiel, das sich kurzweilig und flott spielen lässt und auch nach mehrmaligem Spielen immer wieder durch neue Kombinationen Abwechslung bietet.

 

Bernhard Czermak

 

Kid                       

Family          ein    

Adult                    

Expert                           

 

Alter            11+  

Spezial                 

 

Spieler         : 2-4

Alter            : 11+

Dauer           : ca. 60 min

 

Autor           : Dean Conrad, John Streets

Grafik          : Rich Aidley

Vertrieb       : Heidelberger

Preis            : ca. 30,00 Euro

Verlag          : Ludorum Games 2008

                     www.ludorum.co.uk

 

Genre                    : Renn- und Positionsspiel

Zielgruppe             : Für Familien

Mechanismen         : Spielfiguren als Erster ins Ziel bringen

 

Zufall                     : 3

Wissen                  :

Planung                 : 6

Kreativität              :

Kommunikation      : 4

Geschicklichkeit      :

Action                   :

 

Kommentar:

Vielfältige Bewegungsmöglichkeiten

Ansprechendes Spielmaterial

Regelupdate im Internet verfügbar

 

Vergleichbar:

Das verrückte Labyrinth

 

Atmosphäre: 5

 

Bernhard Czermak:

Ice Flow ist eine gelungene Variante eines Rennspieles. Auch wenn der Glücksfaktor nicht unwesentlich ist, spielt die strategische Wegeplanung doch eine größere Rolle und ist entscheidend für den Spielerfolg.