Unsere Besprechung

 

Wein oder Whiskey?

 

Ora et Labora

 

Klosterwirtschaft aufbauen in Frankreich oder Irland

 

Seit die beiden Rosenbergspiele Agricola und Le Havre bei Lookout Games veröffentlicht wurden sind schon einige Jahre vergangen. Ich kann mich noch erinnern dass ich bei meiner Le Havre-Rezension geschrieben habe dass dies der Start einer Serie sein könnte, die die Großschachtelserie von Alea, Anfang dieses Jahrhunderts, in den Schatten stellen könnte.

Nun, seitdem sind zwar einige große Rosenbergspiele erschienen, Vor den Toren von Loyang (Hall Games) und Mercator (Lookout Games). Diese erreichen aber doch bei weitem nicht das Niveau von Agricola oder Le Havre, zumindest meiner Meinung nach. Bei meinen Spielpartnern scheint dies ähnlich zu sein, kenn ich doch niemanden bei dem Vor den Toren von Loyang oder Mercator regelmäßig auf dem Spieltisch landet, außer in der Zeit kurz nach ihrer Veröffentlichung.

Nun steht mit Ora et Labora ein weiteres Spiel im Regal und optisch fügt es sich nahtlos ein, denn nicht nur Autor (Uwe Rosenberg) und Verlag (Lookout Games) sind die Selben, auch als Grafiker wurde mit Klemens Franz jener Mann beschäftigt der auch für alle anderen oben genannten Spiele gezeichnet hat. Und während Mercator zuletzt einen leichten Stilbruch darstellte, da etwas naturalistischer gezeichnet, kehrt Ora et Labora wieder zu dem Comicstil zurück der schon Agricola und Le Havre sein unverkennbares Äußeres gab.

Außen also alles beim Alten und auch wenn man die Schachtel aufmacht bekommt man das was man schon aus Le Havre kennt, unzählige Kartonplättchen, mehrere Spielpläne, viele Spielkarten und ein paar passend geformte Holzspielsteine.

Abgesehen vom Spielmaterial findet man gleich vier Spielregeln und vier beidseitig bedruckte A4-Spielübersichten – WOW!

Aber keine Angst, eigentlich sind die Regeln recht einfach, denn eine der Spielregeln ist nur der Spielaufbau, eine ist die eigentliche Spielregel, mit allem was für den Spielablauf wichtig ist, eine ist die Gebäudeübersicht, in der man nachschauen kann falls man Detailfragen zu einzelnen Karten hat, muss aber eigentlich nie komplett gelesen werden. Die vierte ist eine Erklärregel die einen guten Überblick verschafft der ausreicht das Spiel spielen zu können.

Man merkt dass sich die Leute etwas dabei gedacht haben die Regeln so zu strukturieren und ich denke es ist auch durchaus sinnvoll. Wenngleich ich die Erklärregel nicht in der Form benutzt habe, sondern anhand der Spielübersicht erklärt habe, was auch gut funktioniert. Die Erklärregel ist aber auf jeden Fall sinnvoll wenn man das Spiel schon länger nicht gespielt hat und sich nochmal einen kurzen Überblick verschaffen möchte.

Nun aber genug über das Drum und Dran geplaudert, das Wichtigste bei einem Spiel ist und bleibt das Spiel selbst und darüber habe ich noch gar nichts geschrieben.

Vor dem Spiel muss man sich einigen ob man in Frankreich oder in Irland spielen möchte. Diese grundlegend unterschiedlichen Spielvarianten bieten unterschiedliche Gebäudesets und teilweise auch unterschiedliche Rohstoffe. Die beiden Varianten spielen sich zwar etwas unterschiedlich, der Spielablauf ist aber der Gleiche.

Das Spiel wird in Runden gespielt, 24 Runden + 1 Bonusrunde im langen Spiel, 12 Runden + 1 Bonusrunde im kurzen Spiel.

In der Mitte des Tisches wird eine mehreckige Scheibe gelegt auf der ein drehbarer Pfeil befestigt  wird. Jedes Eck der Scheibe steht für eine Runde und jede Runde wird der Pfeil um ein Eck weiter gedreht. Grundsätzlich geht es reihum im Uhrzeigersinn. In einer Runde hat jeder Spieler genau eine Aktion, außer dem Startspieler der nach den anderen Spielern noch eine zweite Aktion macht, bevor die Runde zu Ende ist und der Startspielerstein eine Position weiter wandert.

Gleichzeitig wird auf der Scheibe die Rohstoffversorgung gesteuert. Für jeden Grundrohstoff gibt es einen Holzspielstein, der auf einem Rundenfeld liegt. Nimmt nun ein Spieler einen der Rohstoffe wird der Holzspielstein auf das aktuelle Rundenfeld gelegt, nimmt niemand den Rohstoff, bleibt er einfach liegen. Je länger ein Rohstoff nicht genommen wurde, desto mehr erhält man wenn man ihn nimmt.

Im Endeffekt ist der Mechanismus zwar vollkommen anders als bei Le Havre, aber es kommt etwas ähnliches heraus. Die Spieler kommen reihum zum Zug, bei wechselndem Startspieler, und die Rohstoffdepots wachsen an bis sie jemand aberntet.

Wer an der Reihe ist kann eine von drei möglichen Aktionen wählen:

  1. Einen Geistlichen einsetzen:
    Jeder Spieler hat drei Spielfiguren, eben die Geistlichen. Eine von ihnen ist der Prior, der beim Gebäudebauen eine Sonderfunktion hat. Dabei gilt, dass nur Geistliche eingesetzt werden können die noch nicht eingesetzt sind. Sind am Anfang einer Runde alle meine Geistlichen eingesetzt bekomme ich sie alle zurück. Eingesetzt werden die Figuren auf Karten, welche Gebäuden entsprechen, die unterschiedliche Handlungen, wie z.B. einen der oben erwähnten Rohstoffe nehmen, erlauben. Man kann auch auch einen Mitspieler dafür bezahlen dass er einen seiner Geistlichen bei sich einsetzt um dadurch dessen Gebäude zu nutzen. Da man eigene Geistliche nur auf eigenen Gebäude einsetzten kann ist dies die einzige Möglichkeit ein fremdes Gebäude zu nutzen.
  2. Ein Gebäude bauen:
    Ebenfalls in der Mitte des Tisches liegen Gebäudekarten aus die gebaut werden können. Das kostet eine Aktion und die Rohstoffe die auf der entsprechenden Karte aufgedruckt sind. Diese Karte platziert man dann in seiner Landschaft, wobei noch einige Bauregeln beachtet werden müssen, auf die ich aber hier nicht näher eingehen möchte. Hat man den Prior noch frei, darf man dann den Prior gleich auf das neu gebaute Gebäude setzen um dieses gleich zu nutzen. Eine geschenkte Aktion auf die man möglichst nicht verzichten sollte.
  3. Holz fällen/Torf stechen:
    Im Gegensatz zu den anderen Rohstoffen, die durch Aktionen auf Karten gesammelt werden, erfordert das sammeln von Holz und Torf keinen Einsatz von Geistlichen. Stattdessen muss eine Waldkarte (Holz) oder Moorkarte (Torf) aus der eigenen Landschaft abgegeben werden. Diese muss man dafür natürlich besitzen, im Normalfall ist das aber eher ein positiver Nebeneffekt, denn Wald und Moor blockieren Bauplätze, eine der oben erwähnten Bauregeln.

Vor oder nach der eigentlichen Aktion kann man noch eine neue Landschaft kaufen. Diese werden im Laufe des Spieles immer teurer, bringen neue Bauplätze und sind auch der einzige Weg neue Wald- und Moorkarten zu erhalten.

Alle paar Runden, sowie am Ende des Spiels gibt es eine Siedlungsphase. Hier können Siedlungen gebaut werden. Das sind ebenfalls Gebäudekarten, die zwar keine neuen Handlungen erlauben, aber, wenn klug platziert, viele Siegpunkte am Spielende bringen.

Mit jeder Siedlungsphase, außer der letzten, kommen auch neue Gebäude ins Spiel, die das Spiel vorantreiben.

Am Ende wird abgerechnet. Man kann schon während des Spieles viele Siegpunkte in Form von Plättchen sammeln, alle gebauten Gebäude bringen Siegpunkte und Siedlungen bringen noch zusätzliche Siegpunkte, je besser man diese platziert hat desto mehr, denn alle Gebäude, wie auch Siedlungen selbst, bringen positiven oder negativen Wohnwert für benachbarte Siedlungen der dort eins-zu-eins in Siegpunkte umgerechnet wird. Es ist also besser seine Siedlung neben ein prächtiges Schloss zu bauen, anstatt eines stinkenden Schlachthofs. Dieses optimale Platzieren der Gebäude ist ein eigenes Spiel im Spiel, das schnell über Sieg und Niederlage entscheiden kann.

All diese Regeln gelten für das "normale", sprich lange, Drei- und Vierpersonenspiel, für das geübte Spieler wohl auch die auf der Schachtel angegebenen zwei bis drei Stunden brauchen werden. Für Neulinge, die das Spiel zu viert anreißen wollen, sollte man eher vier bis fünf Stunden einplanen. In der Spielregel wird davor aber ausdrücklich gewarnt.

Für das Zweipersonenspiel und die Kurzvarianten für jede Spieleranzahl gibt es Sonderregeln, auf die ich aber hier nicht näher eingehen möchte.

Auch eine Solovariante ist, wie auch bei den anderen oben genannten Spielen, wieder vorhanden. Die spielt sich natürlich grundlegend anders, ist aber allen, die gerne vor sich hintüfteln und Spaß daran finden den eigenen Highscore zu brechen, sehr ans Herz gelegt. Auch zum Spielkennenlernen ist die Solovariante natürlich bestens geeignet.

Kommen wir also zum Fazit. Ist Ora et Labora gut genug um in einem Atemzug mit Agricola und Le Havre genannt zu werden?

Nun, die Zukunft wird es zeigen ob es regelmäßig am Spieltisch landet oder im Regal verstaubt. Mein erster Eindruck ist ausgesprochen positiv. Trotz einfacher Regeln bieten die unterschiedlichen Gebäuden sehr viele Möglichkeiten. Was das Spiel auch recht komplex macht. Es spielt sich sehr ähnlich wie Le Havre. Spielgefühl und Anspruch sind quasi die Selben. Ein direkter Vergleich drängt sich auf.

Als Vorteil von Ora et Labora sehe ich den zusätzlich Faktor des Gebäudeplatzierens. Man sollte schon von Anfang an überlegen wo man welches Gebäude baut, ohne zu wissen ob man das gewünschte Gebäude überhaupt bekommt bevor ein Mitspieler es wegschnappt. Ich habe auch den Eindruck dass Ora et Labora mehr Möglichkeiten bietet an Siegpunkte zu kommen und daher vielleicht mehrere verschiedene Strategien erlaubt.

Klingt nach einem klaren Punktsieg für Ora et Labora?

Als Nachteil könnte sich die fehlende Varianz erweisen. Bei Le Havre gibt es zu Beginn zumindest kleine Zufallsfaktoren wie Gebäudereihenfolge, Rohstoffnachlieferungsreihenfolge oder Sondergebäude. All das gibt es bei Ora et Labora nicht, alle Gebäude kommen immer zur selben Zeit ins Spiel. Unterschiede ergeben sich nur aus der Interaktion.

Natürlich gibt es mit Frankreich und Irland zwei grundverschiedene Variante. Die wieder andere Strategien erlauben und auch das Kurzspiel spielt sich sehr anders, ohne viel schwächer als das volle Spiel zu sein. Auch ist es sicher vorteilhaft mit verschiedenen Leuten zu spielen.

Aber die Frage ob Ora et Labora auch langfristig interessant bleibt, kann ich nach den zu wenigen Partien die ich bis jetzt spielen durfte, noch nicht beantworten.

Sicher bin ich mir aber, dass man bevor es langweilig wird, mehr Stunden mit Ora et Labora verbracht hat als mit den meisten anderen Spielen.

Anzumerken gilt es noch, dass Ora et Labora natürlich auch die gleiche Zielgruppe wie Le Havre hat. Die ersten Partien kann man wohl gut und gerne als Brainburner bezeichnen, bevor sich eine gewisse Routine einstellt. Wer solch eine Herausforderung mag und genügend Geduld und Sitzfleisch für ein abendfüllendes Spiel mitbringt, sollte Ora et Labora unbedingt mal ausprobieren.

 

Markus Wawra

 

Spieler: 1-4

Alter: 10+

Dauer: 180+

 

Autor: Uwe Rosenberg

Grafik: Klemens Franz

Preis: ca. 43 Euro

Verlag: Lookout Games 2011

Web: www.lookout-games.de

Genre: Sammel- und Aufbauspiel

Zielgruppe: Für Experten

Spezial: 1 Spieler

Version: de

Regeln: de

Text im Spiel: ja

 

Kommentar:

gut aufgebaute Spielanleitung

viel Spielmaterial

relativ lange Spieldauer

viele strategische und taktische Möglichkeiten

 

Vergleichbar:

Le Havre, Agricola

 

Persönliche Wertung: 7

 

Markus Vavra

Einfache Regeln, aber viele Möglichkeiten. Für mich ein besseres Le Havre und eines der interessantesten Spiele dieses Jahrgangs.

 

Zufall (rosa): 0

Taktik (türkis): 3

Strategie (blau): 2

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 0

Kommunikation (rot): 0

Interaktion (braun): 2

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0