Das Zepter von Zavandor

 

Ein grelles Schimmern blendete sie, als sie den Nebenraum betraten. Als sich ihre Augen and das hellere Licht gewöhnt hatten, erkannten sie an einer Wand einen länglichen Gegenstand, von dem das Strahlen ausging. „Ich wusste es!“ freute sich Flermin der Kobold. „Das ist das Zepter der Erzmagier!“

 

Botilo der Magier schüttelte den Kopf. „Unsinn. Seit Hunderten von Jahren gibt es keinen Erzmagier mehr in Zavandor.“ „Eben“, konterte Flermin. „Seit das Zepter verschollen ist! Und wir haben es wieder gefunden!“

 

Botilo griff nach dem Zepter, doch kaum hatte er es berührt traf ihn ein Blitzschlag und der vorwitzige Student der Universität von Zavandor wurde zu Boden geschleudert. „Na so einfach geht es sicher nicht“ sagte Flermin. „Erinnert ihr euch an die alte Sage! Neun Erzmagier hat es im Laufe der Zeiten in Zavandor gegeben, und jeder war mächtiger als der vorangegangene. Nur wer mächtiger ist als der letzte Erzmagier, kann das Zepter ergreifen und die neun Wächter, die das Zepter umgeben, überwinden.“

 

„Ich habe trotzdem keine Lust mehr, mich weiter mit langweiligen Prüfungsaufgaben herumzuärgern!“ brummte Erdikt der Druide. „Herumärgern? Nur der mächtigste kann Erzmagier werden und da werden wir noch ein wenig studieren müssen. Aber Erzmagier werden kann nur einer!“ stellte Botilo fest. „Das stimmt …“ Jeas Augen glänzten beim Anblick des Zepters. „Nur eine …“

 

Die Schachtel hat das Aussehen eines alten Zauberbuches in der Größe A4. Die 6 Spielbretter, die jeweils einen Charakter darstellen der unterschiedliche Startbedingungen hat, werden an die Spieler verteilt. Dazu bekommt jeder 2 Opale (grüngelber Edelstein) und einen Saphir (blauer Edelstein). Diese werden auf die rechts abgebildete Steinspirale gelegt. Auf dieser befinden sich fünf Felder, wo Edelsteine platziert werden können. Die abgebildeten Steine haben für das Spiel keine Bedeutung.

 

Die Spieler erhalten unterschiedlich viel Zauberstaub, die Währung in diesem Spiel. Sollten weniger als 6 Spieler teilnehmen, werden von den Artefaktkarten die doppelten und dreifach vorhandenen Karten aussortiert. Danach sortiert man sie nach den auf der Rückseite abgebildeten Buchstaben A bis D und legt sie verdeckt bereit. Es werden so viele Karten aufgedeckt wie Spieler teilnehmen.

 

Eine Spielrunde besteht aus 4 Phasen. Der Regeltext beinhaltet teilweise Ausdrücke aus der Zaubersprache, das mag authentisch wirken, ich werde diese aber bewusst nicht benutzen, denn beim Regelstudium wurde ich teilweise dadurch irritiert. Die Regel ist zwar übersichtlich und klar strukturiert, aber auch ein wenig eigenwillig, aber das ist das Recht des Autors. Gewohnte Strukturen mit Beispielen fehlen zur Gänze. Die Angabe des Spielmaterials befindet sich im Index, und die Abbildungen mit den Namen der Spielutensilien finden sich auf dem rückwärtigen Teil des Umschlages der Regel. Die beiden letzten Punkte sind mir erst vor kurzem aufgefallen, nachdem ich angenommen hatte man hätte sie vergessen.

 

In der 1. Phase wird die Spielreihenfolge festgelegt. Der Spieler mit den meisten Siegpunkten ist Startspieler und die anderen Spieler folgen anhand ihrer Punkte nach. Bei Gleichstand gibt es eine Regelung. Die offen ausliegenden Artefaktkarten werden aufgefüllt.

 

In der 2. Phase erhalten die Spieler Zauberstaub. Edelsteine, die in der Steinspirale liegen oder in den Erweiterungsfeldern, sind aktiv und erzeugen Zauberstaub. Es gibt auch ein Feld für nicht aktive Edelsteine. Für einen aktiven Opal (grüngelber Edelstein) erhält man Zauberstaub im Wert von 2, für zwei aktive Zauberstaub im Wert von 5, für drei aktive im Wert von 10, für vier aktive 10 + 2 und für fünf aktive 10 + 5 usw. Für jeden aktiven Saphir (blauer Edelstein), jeden Smaragd (grüner Edelstein), jeden Diamant (weißer Edelstein) und jeden Rubin (roter Edelstein) jeweils eine Karte vom farblich passenden Stapel.

 

Sollte dieser Mechanismus dem einen oder anderen bekannt vorkommen, ist dies richtig. Outpost, der Klassiker aus dem Jahre 1991 von Jim Hlavati  und Timothy Moore bei TimJim/Prism Games hat dafür Pate gestanden. Jens Drögemüller erwähnt dies aber ausdrücklich und bedankt sich auch dafür, diese Mechanismen wieder aufleben lassen zu dürfen.

 

Wenn ein Spieler 4 Einzelkarten einer Sorte bekäme erhielte er stattdessen eine passende Karte mit geballter Ladung. Das ist für blau der Wert 20, für grün der Wert 30, für weiß der Wert 40 und für rot der Wert 60. Das entspricht einem Mittelwert, denn bei den Einzelkarten sind verschiedene Werte abgebildet. So befinden sich im blauen Stapel die Zahlen von 3 bis 7, wobei die 5 am stärksten vertreten ist. Man hat hier gegenüber Outpost dem Spieler die Entscheidung abgenommen, ob er Einzelkarten nimmt oder eine geballte Ladung. Bei Outpost hat man immer gezockt und sich dann fürchterlich geärgert wenn es schief ging. Dieser Punkt ist entschärft und daher wird das Glücksmoment entscheidend zurück genommen.

 

Die 3. Phase wird beim Startspieler begonnen. Alle Aktionen können beliebig oft und in beliebiger Reihenfolge durchgeführt werden. Alle Aktionen sind zu bezahlen und im Gegensatz zu Outpost bekommt man hier Retourgeld, so der Wert nicht kleiner ist als 2, denn es gibt keinen 1er Zauberstaub.

 

Bevor wir uns aber diesem Abschnitt widmen, seien die Wissensgebiete kurz erklärt. Auf einem separaten Spielplan befinden sich die Zählleiste und die 6 Wissensgebiete. Jeder der Spieler fängt zu Beginn in einem Wissensgebiet bereits bei Stufe eins an. In seinem Zug darf der Spieler in einem Gebiet um eine Stufe aufsteigen. Ist er dort bereits auf Stufe eins oder höher bezahlt er nur die Aufstiegskosten. Ist er in diesem Wissensgebiet noch nicht vertreten, dann muss er einen Wissensstein bezahlen. Der erste kostet 20, der zweite 25 und die folgenden 30, 35 und 40 Zauberstaub. Die Kosten der ersten Stufe sind aber zusätzlich zu bezahlen. Wissenssteine kann man auch kaufen und legt sie auf das Feld für nicht benutzte Edelsteine, man könnte es als Vorratsfeld bezeichnen, wenn man so möchte.

 

Das Wissen über Edelsteine verringert pro Stufe die Kosten eines Edelsteins um 10%. Allerdings wirkt sich das auch auf den Preis aus, wenn man verkaufen möchte. Dafür erhält man die Hälfte des aktuellen Einkaufspreises. Das Wissen des Energieflusses bewirkt, dass der Spieler jede Runde zusätzlich Zauberstaub bekommt. Diese beiden Wissensgebiete verringern das Handkartenlimit um eins.

 

Das Wissen über Feuer erlaubt es, ab der 4. Stufe Rubine zu kaufen. Ansonsten kann man diesen Edelstein nicht erwerben. Das Wissen der 9 Weisen ermöglicht es, einmalig zusätzliche Edelsteinkarten zu erhalten. Das Wissen über Artefakte reduziert deren Preis und das Wissen der Speicherung erlaubt, zusätzliche aktive Edelsteine zu besitzen. Die beiden letzten Wissensgebiete erhöhen das Handkartenlimit um eins.

 

Kommen wir zurück zu den Aktionen der Phase 3. So kann der Spieler Edelsteine kaufen oder verkaufen und es ist ihm während seines Zuges erlaubt, diese zu aktivieren oder zu deaktivieren. Es ist erlaubt, die Summen der Transaktionen am Ende des Zuges auf einmal abzurechnen. Wie schon oben erwähnt kann man sein Wissen erweitern und man kann Artefakte und Wächter ersteigern. Es sind immer so viele Artefaktkarten offen ausliegend wie Spieler teilnehmen.

 

Der aktive Spieler kann ein Artefakt oder einen Wächter auswählen und zur Versteigerung anbieten. Die Versteigerung läuft in der aktuellen Spielreihenfolge und wer passt, scheidet aus der Versteigerung aus. Rabatte und Aufpreise werden erst bei der Bezahlung berücksichtigt. Bietet niemand mit, muss der Spieler das Artefakt oder den Wächter selbst kaufen. Bietet ein Spieler mehr als er Geld zur Verfügung hat scheidet er aus dem Spiel aus. Eine drastische Maßnahme, aber so wird man gezwungen über seine Finanzen genau Bescheid zu wissen. Wie schon bei Outpost ist die Versteigerungsphase eine etwas länger dauernde, denn die Spieler müssen ständig auf Rabatte, Aufpreise usw. acht geben und rechnen daher ständig nach wie viel Geld sie für welche Aktionen benötigen.

 

Mit dem Artefakt Zauberbuch und Elixier haben die Spieler die Möglichkeit, Smaragde und Diamanten zu kaufen. Ansonst ist dies nicht möglich. Mit den anderen Artefakten bekommt man teilweise Preisreduktionen auf andere Artefakte oder sie nehmen direkt Einfluss auf das Spiel, indem sie das Wissen verbessern oder es ermöglichen mehr aktive Edelsteine zu haben.

 

Hat der Kauf eines Artefakt direkt Einfluss auf das Spiel, wird dies sofort durchgeführt und erst dann kommt das nächste Artefakt zur Versteigerung. Sobald ein Spieler aktuell die meisten Siegpunkte besitzt, muss er beim Kaufen von Artefakten 10 Zauberstaub mehr bezahlen und der Spieler mit den zweitmeisten 5 Zauberstaub. Als Ausgleich muss der fünfte um 5 Zauberstaub und der sechste um 10 Zauberstaub weniger bezahlen, sobald der Führende die zehn Siegpunkte erreicht hat. Bei den Wächtern verdoppeln sich die Werte sowohl bei Rabatt als auch bei Zuschlag.

 

Am Ende der 3. Phase wird das Handkartenlimit überprüft. Unter Berücksichtigung der Wissensgebiete und der Artefaktkarten die es beeinflussen, ergibt sich eine Zahl von 4 aufwärts. Dem gegenüber stehen folgende Werte: Eine Edelsteinkarte egal welcher Farbe zählt eins, ein 2er Zauberstaub ebenfalls, ein 5er Zauberstaub zählt 2 und ein 10er Zauberstaub oder eine geballte Ladung zählen als 3 Handkarten. Man kann jederzeit umwechseln um so eine Verbesserung zu erzielen.

 

Danach werden die Siegpunkte überprüft, ob sie mit der Zählleiste übereinstimmen. Durch Kauf und Verkauf von Edelsteinen, Ersteigern von Artefakten und Wächtern kann sich dies ständig ändern. Jeder Edelstein bringt nach Wertigkeit unterschiedlich Siegpunkte, die abgeschlossenen Wissensgebiete, die Artefaktkarten und die Wächter bringen zusätzliche Punkte. Die Wächter sind auch noch mit einem Siegpunktebonus versehen, für den man gewisse Bedingungen erfüllen muss.

 

Sind nach der Siegpunkteermittlung 5 oder mehr Wächter in den Händen der Spieler, endet das Spiel und der Spieler mit den meisten Punkten gewinnt.

 

Das Zepter von Zavandor ist sicher eines der Highlights des heurigen Spiele-Jahrganges. Kein Spiel für Otto Normalverbraucher, dafür ist es zu komplex. Ich möchte aber betonen, dass es nicht kompliziert ist. Der Spielablauf ist einfach und die Regeln sind in einem akzeptablen Rahmen. Wie aber schon sehr oft erlebt, möchte man vielmehr Entscheidungen treffen und Züge durchführen als man dann am Ende tatsächlich machen darf oder kann. Es ist definitiv ein Spiel für Spieler, die über ausreichend Spielerfahrung verfügen sollten. Hat man diese nicht, wird es zu einem Marathon des Frustes, da man speziell in der 3. Phase auf vielerlei Dinge acht geben muss.

 

Was ich von der Machart der Regel halte habe ich schon oben erläutert, aber sie beantwortet alle Fragen wenn auch auf eine eigenwillige Art und Weise. Das Thema mit den Zauberstudenten wirkt für mich aufgesetzt. Ich habe aber herausgefunden, dass ich auf Grund meiner Kenntnisse des Spieles Outpost vorbelastet bin und es deswegen so empfinde. Jemand der Outpost nicht kennt, sollte diesen Eindruck nicht gewinnen. Ob aufgesetzt oder nicht, Fantasythemen speziell mit Zauberbezug á la Harry Potter sind zur Zeit aktuell und für die Liebhaber dieses Genres eine nette Umrahmung für ein ausgezeichnetes Spiel.

 

Der Autor hat es verstanden den starren Ballast von Outpost abzuwerfen und dadurch ist es ihm gelungen ein Spiel zu schaffen, das erstens mit 6 verschiedenen Charakteren sechs verschiedene Startbedingungen vorgibt und in dem daher auch die Strategien anders liegen. Bei Outpost gibt es nur 2 Strategien und die zweite funktioniert nur, wenn die richtigen Karten aufgedeckt sind und der Spieler genau dann das nötige Kleingeld zur Verfügung hat. Im Gegensatz zu Outpost wirkt sich die Versteigerungsphase nicht so stark aus. Ob man das Artefakt nun besitzt oder nicht ist nicht Spiel entscheidend und zeitig gemachte Fehler kann man im Laufe des Spieles ausmerzen. Dazu trägt auch der Mechanismus mit der Preiserhöhung und Reduktion beim Artefaktekauf auf Grund der Spielreihenfolge bei.

 

In welchen Trancezustand allerdings der Autor war, als er ab 60 Minuten Spieldauer auf die Schachtel drucken ließ, kann ich nicht beurteilen. Aber wir kamen in keiner unserer Partien auch nur annähernd an diese Zeit heran. Zur Verteidigung des Autors sei aber erwähnt, ich habe keine Partie zu zweit oder zu dritt gespielt. Wobei ich Bedenken habe, ob die Versteigerung zu zweit einen Sinn macht. Vielleicht erreicht man dann diesen Wert. Wir haben zu sechst ungefähr 3 Stunden gebraucht. Mit ein wenig Praxis ist dies sicher um eine halbe Stunde zu verkürzen.

 

Möge der eine oder andere dem Autor vorwerfen, sich bestehender Mechanismen bedient zu haben, so hat er doch genügend eigene Ideen eingebracht um ein Spiel zu präsentieren das auch nach der 10. Partie noch Spaß macht. Für die Liebhaber von Outpost und auch für die anderen Taktiker und Strategen kann ich es uneingeschränkt empfehlen und sollte mich jemand zu einer Partie einladen, dann muss er mich vorher nicht verzaubern. Ich komme gerne freiwillig.

 

Das Zepter von Zavandor

Spieler         : 2 - 6

Alter            : ab 10 Jahren

Dauer          : 60 Minuten

Verlag          : Lookout Games, 2004

                     www.lookout-games.de

Vertrieb        : Im beratenden Fachhandel

Autor           : Jens Drögemüller nach einer Idee von Jim Hlavarti und Timothy Moore

Grafiker        : Andrea Boekhoff

Preis            : ca. 33 EUR

 

Win Wertung

Genre          : Wirtschaftsstrategiespiel

Zielgruppe    : Taktiker + Vielspieler

Mechanismus: Wirtschaftssimulation mit Fantasythema

Strategie                : ******

Taktik                    : ******

Glück                    : **

Interaktion             : ****

Kommunikation      : **

Atmosphäre           : *****

 

Kommentar:

taktisch anspruchsvoll, die Mechanismen von Outpost in einer verbesserten Variante verwendet, umfangreiches Spielmaterial,  einfacher Spielablauf, unübersichtliche Regel

 

Kurt Schellenbauer: „ Der Autor hat es geschafft den starren Ballast von Outpost abzuwerfen und mit einem erfrischenden Fantasyhintergrund a la Harry Potter ein interessantes und schwungvolles Spiel zu kreieren.“

 

Wenn Sie gerne Outpost und taktisch strategisch anspruchsvolle

Spiele spielen, dann wird ihnen auch „Das Zepter von Zavandor“ gefallen.