Vom Keuschler zum Gutsbesitzer

 

Agricola

 

Zaun, Ofen oder Schafe für meinen Hof?

 

Die Spiel Essen 2007 hatte mit Agricola eine interessante Neuerscheinung auf dem Spielemarkt anzubieten. Bis zu fünf Spieler müssen ihren mittelalterlichen Bauernhof in vierzehn Runden ausbauen. Das Spiel gewinnt, wer zum Schluss die meisten Siegpunkte erreicht hat.

 

Inhalt

Das Spiel ist mit Spielmaterial reichlich ausgestattet. Man findet über hundert Holzteile, mehrere Spielbretter und 360 Karten.

 

Das Spielprinzip

Jeder Spieler bekommt einen Spielplan, der seinen Hof darstellt. Auf diesen Spielplan werden zu Beginn des Spieles eine Holzhütte mit zwei Räumen und zwei Bewohner gelegt. Die übrigen 18 Felder des Hofes sind am Anfang leer und sollen im Laufe des Spiels mit weiteren Zimmern, Äckern, Ställen oder Tier-Weiden ausgebaut werden.

Die Aktionsmöglichkeiten unterscheiden sich anhand der Rundenkarten, die auf den drei aneinander gelegten Spielplänen abgelegt werden. Zu Beginn jeder neuen Runde kommt eine neue Rundenkarte aufs Spielfeld und damit auch eine neue Aktion, die bis zum Spielende auch im Spiel bleibt. So bleibt die Spannung aufrecht und jeder Spieler passt in jeder Runde seine Strategie den Aktionsmöglichkeiten an.

Außerdem gibt es einen Plan mit zehn großen Anschaffungen, die die Bauernhöfe der einzelnen Spieler aufwerten: Mit Kochstellen kann man Nahrung aus Tieren, Getreide und Gemüse erzeugen, mit Öfen Brot backen und Getreide in ganz viele Nährwerte umwandeln.

Neben diesen Spielplänen kann man dann noch alle Holzteile für die einzelnen Waren und Tiere bereitlegen, Kärtchen für Äcker und Hausbauten stapeln und seinen persönlichen Vorrat an Spielmaterial (Zäune, Ställe und Personen) neben sich legen.

Zu Beginn des Spieles bekommt jeder Spieler je sieben Ausbildungskarten und sieben kleine Anschaffungen auf die Hand. In jeder Runde beginnt der Startspieler damit, eine seiner anfangs zwei Personen auf ein Aktionsfeld zu legen und dann diese Aktion durchzuführen.

Dann legt der nächste Spieler eine Person auf eine noch freie Aktion usw. bis zum Startspieler, der dann seine zweite Person einsetzt usw. Aktionen sind z.B.:

Sind alle Personen im Spiel, endet die Runde, die Vorräte auf einigen Aktionsfeldern werden wieder aufgefüllt und die nächste Runde startet. Die einzelnen Aktionen greifen natürlich stark ineinander: Zum Bauen von Zäunen, Ställen und Wohnungen braucht man erst die notwendigen Waren, wer einen Acker bestellen, will muss erst Getreide holen, dann den Acker pflügen und dann aussäen, für mehrere Tiere braucht man Weiden und wenn man seine Bewohneranzahl erhöhen will (und somit auch seine Anzahl von Zügen pro Runde) braucht man Platz für den Nachwuchs und Essen braucht man auch genügend in den Erntezeiten. Von den Nährwerten sollte man immer genug im Vorrat liegen haben, denn jeder Einwohner will in der Erntephase ernährt werden. Wer seine Hofbewohner nicht ernähren kann, muss betteln gehen und das bedeutet Minuspunkte bei der Endabrechung. Am Ende der Erntephase können sich jetzt noch die Tiere vermehren: Wer mindestens zwei Tiere der gleichen Sorte auf dem Hof hat, kann sich in der nächsten Runde über Nachwuchs freuen - wenn dieser Platz auf dem Hof findet.

 

Ernte-Phase

Am Ende der 4., 7., 9., 11., 13. und 14. Runde kommt zuvor eine Ernte-Phase: Hier können angepflanzte Äcker abgeerntet werden und die Bewohner des Hofes müssen ernährt werden. Das funktioniert über die Nährwerte. Wer nicht genug hat, kann noch Getreide oder Gemüse umwandeln oder - bei entsprechender Anschaffung einer Feuerstelle - einige seiner Tiere in Essen umwandeln.

 

Ausbildungen und Anschaffungen

Einen besonderen Einfluss können die 302 Ausbildungen und kleinen Anschaffungen haben, von denen jeder Spieler je 7 als Karte auf der Hand hält. Diese können im Spiel nämlich entscheidende Vorteile bringen. Die einzelnen Karten bringen meist in einer bestimmten Phase des Spiels etwas, z.B. bei der Erntephase oder bei bestimmten Aktionen. Oder sie geben einmalig einen Vorteil für mehrere Runden, z.B. dass sich ein Spieler am Anfang der nächsten 5 Runden zu Beginn eine Ware nehmen kann. Diese Handkarten entscheiden dann auch mit über die Spielstrategie: Hat man z.B. Karten, die einem helfen, Zäune zu bauen und Tiere leichter zu ergattern, baut man vielleicht mehr auf Tierhaltung. Andere bekommen Vorteile bei der Landwirtschaft und setzen auf Ackerbau. Die immense Auswahl der hübsch gestalteten Karten  wird dafür sorgen, dass keine Partie der anderen gleicht.

Wenn man die richtige Auswahl der Ausbildungen und Anschaffungen getroffen hat, und im Laufe des Spieles ein Hoffeld nach dem anderen ausgebaut wird, kann man so bis zum Ende viele Punkte ansammeln.

Punkteabrechnung

Am Ende der 14. Runde wird nochmals geerntet und dann kommt die Schlussabrechnung. Jetzt zeigt sich, wer mit seiner Strategie am meisten Siegpunkte eingeholt hat.

Wichtig bei der Abrechnung: Man bekommt nicht nur Punkte für das, was man hat, sondern auch Minus-Punkte für Sachen, die man nicht hat. Hat man z.B. kein Schaf, ist ein Minuspunkt fällig, mit einem Schaf kann man sich hingegen einen Punkt gutschreiben. Für eine Herde Schafe bekommt man mehr Punkte als für ein einzelnes, doch eine gleichgroße Rinderherde zählt mehr Punkte als ein Schaf. (Die Schafe kommen über die Rundenkarten früher ins Spiel als die Rinder, daher sind letztere wertvoller). Gewertet werden in der Schlussabrechnung:

Für die Schlusswertung sind Nährwerte und Waren unwichtig, es sei den man hat entsprechende Anschaffungen am Hof, die noch zusätzliche Punkte einbringen. Wer nun die meisten Punkte hat, hat das Spiel gewonnen.

Spielbewertung

Agricola zählt klar zu den komplexeren Spielen. Wer Spaß am Entwickeln von eigenen Spieltaktiken oder Strategien hat, ist von den vielen Möglichkeiten, die das Spiel bietet begeistert. Der Spielmechanismus an sich (jede Runde eine neue Aktionsmöglichkeiten und pro Person eine Aktionsmöglichkeit) macht es dabei einfach, denn einmal erklärt, kann man sich leicht auf die Spieltaktik konzentrieren. Nach dem ersten Spiel hat man eine Ahnung davon, was vielleicht möglich ist und diese Möglichkeiten werden durch die Hunderte von Ausbildungs- und Anschaffungskarten jedes Mal aufs Neue vervielfacht.

Das Thema des Spiels schickt uns zurück in eine einfache aber harte Welt: Im Mittelpunkt ein kleiner, armseliger Hof, der von uns einigermaßen gut über die Runden gebracht werden muss. Nur derjenige, der die vielen Möglichkeiten für sich zur richtigen Zeit zu nutzen versteht, kann am Ende auf eine erfolgreiche Entwicklung seines Hofes stolz sein!

Die Zeitangabe von 30 Minuten Spielzeit pro Spieler ist – zu mindestens bei den ersten Partien - zu niedrig angesetzt, für die Auf- und Abbauphase sollte man auch noch einmal mindestens eine halbe Stunde einplanen, denn diese Unmengen von Material müssen auch erstmal richtig aufgestellt werden.

 

Trotz der vielen Details wirkt Agricola für mich wie aus einem Guss. Bei vielen komplexeren Spielen hat man manchmal das Gefühl, das einige Aktionen oder Regeln aufgesetzt wirken - aber hier stimmt alles. Die Spieler setzen sich bei Agricola ihre eigenen Ziele und tatsächlich hat man den Eindruck, dass mit jedem weiteren Spiel ein besseres Entwicklungsergebnis zu erwarten ist! So ist für Spannung gesorgt und Vorsätze zur Verbesserungen der Spieltaktik schnell ausgesprochen. Ich bin überzeugt, dass die Spielthematik auch von den jüngeren Spielern angenommen wird und es sich daher auch als – wenn auch anspruchsvolles - Familienspiel bestens eignet.

 

Spieler         : 1-5

Alter            : 12+

Dauer          : 2-3 Stunden

 

Autor           : Uwe Rosenberg

Grafik          : Klemens Franz

Vertrieb        : Heidelberger

Preis            : ca. € 33,00

Verlag          : Lookout Games 2007

                     www.lookout-games.de

 

Genre                    : Aufbau- und Entwicklungsspiel

Zielgruppe             : Freunde, Experten

Mechanismen         : komplexes Regelwerk

 

Strategie                : ****

Taktik                    : *****

Glück                    : **

Interaktion             : *****

Kommunikation      : **

Atmosphäre           : ******

 

Kommentar            :

Umfangreiche Regeln

Sehr schöne Grafik

Überfülle an Material

Dadurch viel Abwechslung in den einzelnen Spielen

Spielerfahrung von Vorteil

 

Erwin Kocsan:

Ein Spiel, bei dem man die eigene Spielweise durchaus perfektionieren kann und das einen durch die vielen Karten immer wieder vor neue Situationen und Herausforderungen stellt.

 

Vergleichbar:

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