2 Besprechungen
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BOOMTOWN
Boomtown
Ian Livingston
Livingston Games
Sicherlich gibt es einige, die Boomtown noch nicht
kennen (was man in Spielerkreisen schon fast als Bildungslücke bezeichnen muß.)
Dem wird aber nun durch die folgende Rezension Abhilfe geschaffen.
Vorausschickend sei noch gesagt, daß ich für meine Person dieses Spiel
besonders mag, da es trotz seiner (Regel-) Einfachheit eine unglaubliche
Faszination ausüben kann.
Boom Town simuliert eine Kleinstadt in den fünfziger
Jahren. Es werden in Stadtteilen Häuser gebaut und Gewerbe angesiedelt. Da die
Gewerbe die einzelnen Bezirke positiv bzw. auch negativ beeinflussen können,
sind diese unterschiedlich attraktiv, was sich in einer positiven oder
negativen Punktezahl dann ausdrückt.
Entwickelt wurde Boomtown von Ian Livingston, der
dieses Spiel anläßlich der Essener Messe vorstellte. Insgesamte eine auf 1000
Stück limitierte Auflage erzeugt. Produziert wurde das Spiel von Ravensburger, auch
wenn auf der Packung Livingston Games draufsteht. Der Spielplan besteht aus
sechs Bezirken. In jedem Bezirk ist Bauplatz für zwanzig Häuser, fünf kleine
und fünf große Gewerbe. Am besten spielt sich Boomtown zu sechst, denn dann
sind die Interaktionen am größten und die Vorausberechnungen am schwersten bzw.
spannendsten. Bei sechs Spielern erhält jeder Spieler zu Spielbeginn zwanzig
kleine Holzhäuschen einer Farbe - die mich übrigens an alte DKT-Versionen
erinnern, fünf kleine Gewerbeplättchen (gelb) und fünf große Gewerbeplättchen
(blau), sowie eine Permission Card (Ablehnunskarte)
Nachdem ein Startspieler ermittelt wurde, beginnt
dieser ein Haus auf einen beliebig freien Bauplatz zustellen, dann folgen im
Uhrzeigersinn die anderen Stadtgründer. Dieser Vorgang wird ein zweites Mal
wiederholt. Anschließend muß jeder Spieler ein kleines Gewerbe ansiedeln.
Kleine Gewerbe haben eine Wertigkeit von -3 bis -1 bzw. von +1 bis +3.
Ist diese Phase beendet, setzen die Spieler wieder
zwei Häuser. Danach werden die Großen Gewerbebetriebe angesiedelt. Die
Wertigkeiten liegen zwischen -6 und -2 bzw. +2 und +6. Nach dem Anbau das großen
Gewerbes ist eine Runde beendet. Die nächste Runde beginnt ein anderer Spieler
usw. bis alle Häuser gesetzt wurden.
Um das ganze aber so richtig spannend zu machen,
haben die Spieler Einspruchsrechte. Pro Runde kann jeder Spieler gegen das
Legen eines kleinen oder großen Gewerbeplättchens protestieren. Dazu wird die
Permission Card offen aufgelegt, um den Protest anzuzeigen. Tritt dieser Fall
ein, dann muß das eben gelegte Gewerbe wieder entfernt werden und wandert auf
den Gewerbestapel zurück. Der Spieler muß dann ein anderes Gewerbe ansiedeln,
welches wiederum abgelehn werden kann, allerdings muß es ein anderer Spieler
als der vorherige sein.
Zu Beginn einer neuen Runde dürfen dann alle Spieler
ihre Gewerbeplättchen wieder auf je fünf Stück ergänzen, damit die Ablehnungen
der Vorrunde keinen Nachteil haben, denn sonst würden einem früher oder später
die Plättchen ausgehen und dann hätte man nichts mehr mitzureden (was aber eine
sehr realistische Erweiterung das Spielgedankens wäre).
Sind alle Häuser gesetzt und alle Gewerbe gelegt,
dann wird abgerechnet. Dazu wird jeder Bezirk für sich selbst betrachtet. Zunächst
wird die Summe aller Gewerbe eines Bezirkes ermittelt. Die Werte auf den großen
und kleinen Gewerbeplättchen werden dabei einfach aufaddiert. Dabei können auch
negative Bezirke entstehen. Anschließend wird für jeden Spieler die Summe mit
der Anzahl seiner im Bezirk befindlichen Häuser multipliziert. Dieses Verfahren
wird auf alle sechs Bezirke angewendet. Die Teilergebnisse werden ein letztes
Mal aufsummiert und als Sieger steht der Spieler mit den meisten Punkten fest.
Vielleicht liest sich das Ganze kompliziert oder langweilig,
aber dieses Spiel sollte man unbedingt einmal gespielt haben, um sich selbst
ein Urteil bilden zu können. Je öfter man es spielt desto interessanter wirdes.
Besonders auch dann, wenn man die Mitspieler und ihre Taktiken schon zu kennen
glaubt. Da werden kurzfristig Allianzen gebildet um sie im nächsten Zug wieder
aufzulösen, da wird verhandelt und es werden Vorschläge gemacht, wer wo was
setzen soll usw. Bei einer durchschnittlichen Spieldauer von zwanzig bis dreißig
Minuten eignet sich Boomtown auch hervorragend zum öfter spielen oder sogar als
Wettbewerbsspiel.
Was weniger gefällt sind die Gewerbeplattchen, die
aus einem minderwertigen Karton hergestellt wurden. Die blauen bzw. gelben Rückseiten
reißen beim Auscountern sehr leicht ein. Ein Spieler mit guten Erinnerungsfähigkeiten
kann so sehr schnell die guten Gewerbeplättchen sich merken und so einen
Vorteil gegenüber anderen herausholen. Vielleicht sollte man wirklich einen
Stapel machen, von dem immer nur das oberste Plättchen abgenommen werden darf.
Die abgelehnten Plättchen kommen einfach unter den Stapel.
Auf alle Fälle kann man lan Livingston für Boomtown
nur gratulieren. Selten habe ich ein Spiel gesehen, welches trotz einfachster
Regeln so spannend sein kann.
WIN Wertung:
*** Boomtown m W SS II UUU
6, (2-6)
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Drei Sterne für BOOMTOWN? Ein Widerspruch!
Von Peter Schmitt, A.Gstöttnerg. 6/37, 1200 Wien,
Tel. 0222/334408
Kürzlich - in WIN 102 - hat Thomas Martin das neue
Spiel BOOMTOWN besprochen und durch Vergabe von drei Sternen der creme de la
creme der Spiele zugeordnet. Da ich diesem Urteil nicht - ganz und gar nicht! -
bestimmen kann, Drängt es mich zum Widerspruch: Nein - BOOMTOWN ist kein
Spitzenspiel - meiner Ansicht nach verdient es nicht einmal einen einzigen
Stern!
Natürlich möchte ich diese Ansicht auch begründen:
Wie schon aus der Beschreibung durch Thomas
hervorgeht, können die Spieler das Spielergebnis auf zweierlei Art
beeinflussen: Sie können erstens entscheiden, wo sie ihre Häuser aufstellen,
und zweitens, wo sie ihre - Gut- oder Schlechtpunkte bringenden - Betriebe
ablegen.
Natürlich hat jede einzelne dieser Entscheidungen
Einfluß auf Sieg und Niederlage, denn schließlich gewinnt, wer am Schluß mehr
seiner Häuser in "guten" Nachbarschaften untergebracht hat. Doch läßt
sich dieses Ergebnis praktisch nicht bewußt steuern:
Zu Beginn hat man überhaupt keine Anhaltepunkte dafür,
wie sich ein Zug bei der Abrechnung auswirken wird - später (wenn schon mehr Häuser
und Betriebe verteilt sind) könnte man zwar theoretisch den Wert eines Zuges
etwas genauer abschätzen, doch ist die Situation dann schon viel zu unübersichtlich,
um dies tatsächlich durchzuführen: Es würde sich daher praktisch nicht viel ändern
wenn die Betriebe durch einen Zufallsmechanismus verteilt würden!
Für das Aufstellen der Häuser gilt ähnliches - auch
dabei läßt sich der Wert eines Zuges kaum abschätzen. Allerdings könnte man in
diesem Fall eine simple Strategie anwenden, die - würde sie von allen
Mitspielern angewendet - das Spiel noch spannungsloser werden ließe:
Wenn alle Spieler solange in dasselbe Gebiet setzen,
bis dieses "voll" ist, so kommt bei der Abrechnung für jeden Spieler
fastdasselbe Ergebnis heraus!
Übrigens: Auch die Möglichkeit, das Ansiedeln eines
Betriebes durch ein Veto zu verhindern, ist nur scheinbar ein wirkungsvolles
Mittel, das Spiel zu beeinflussen. Einerseits ist es aus den bereits aufgezählten
Gründen nicht wirklich möglich, die Vor- und Nachteile der geplanten
Ansiedelung abzuwägen, und andererseits hat man auch keinerlei Anhaltspunkt,
was für einen Ersatzzug man sich durch die Ablehnung einbrockt: Man könnte
genausogut knobeln!
Für mich ist daher BOOMTOWN ein uninteressantes, ein
völlig reizloses, Spiel. Ich kann mir zwar durchaus vorstellen, daß man sich -
in entsprechend gelaunter Gesellschaft - bei BOOMTOWN gut unterhält: nämlich
dann, wenn man sich vom Spielverlauf (und insbesondere von den
Betriebsansiedlungen) zu sarkastischen oder launigen Bemerkungen anregen läßt!
Aber dann unterhält man sich bei einem privaten Konversations- oder
"Rollen"spiel, nicht aber bei BOOMTOWN. BOOMTOWN wirkt dann
(unverdienterweise) nur als eine Art Katalysator! Auch als wir das Spiel
ausprobierten, hat es Konversation angeregt: Wir fragten uns nämlich, warum
wohl der eine Betrieb mehr, der andere Betrieb weniger Gut- oder Schlechtpunkte
bringt (diese Frage ist allerdings für das Spiel völlig irrelevant!). Unsere
Meinung über das Spiel hat dies jedoch nicht beeinflußt: Keiner war begeistert.
Keiner von uns war an einer zweiten Partie interssiert.
Freilich: Es kann schon sein, daß ich BOOMTOWN
Unrecht tue (auch wenn ich dies nicht glaube). Die Besprechung durch Thomas
beweist, daß man auch anderer Ansicht sein kann! Daher: Für alle jene, die
jetzt, nach unseren Beschreibungen, verwirrt sind und nicht wissen, welchwer
Meinung sie glauben sollen, gibt es eine einfache Methode, die übrigens schon
Thomas empfohlen hat:
Selbst ausprobiere! Selbst urteilen!
Meine WlN-Wertung lautet jedenfalls:
Boomtown WW 13-6