UNSERE REZENSION

 

Zivilisationen entwickeln

 

NATIONS

 

Wer macht es besser?

 

„Nations“, erschienen 2013 im Lautapelit Verlag aus Finnland, Autoren: Einar und Robert Rosén und Nina und Rustan Håkansson (Geschwisterpaare?), ein Spiel über die „großen Zivilisationen der Menschheit“ fiel mir in Essen auf, weil die Demonstrationstische immer von Kiebitzen umlagert waren. Ältere Vielspieler erinnern sich sogleich an die drei bisherigen „Civilization“-Spiele – an das 1981 in England erschienene von Francis Tresham, bei welchem den Mitspielern diverse Katastrophen-Karten (z.B.: Hungersnot) feixend „überreicht“ wurden – mit „endloser“ (nächtelanger) Spieldauer. In den Nuller-Jahren erschienen zwei weitere Spiele mit demselben Namen, die sich an das PC-Spiel von Sid Meyer anlehnten. Das 2002 erschienene bei Eagle Games habe ich nie gespielt, das von 2010 umso öfter – dort gab es 4 verschiedene Siegbedingungen, die nicht ganz ausgewogen waren, dennoch kommt es bis heute immer wieder gerne auf den Spieltisch (dauert meist über 4 Stunden).

 

Die vorliegende neue Bearbeitung desselben Themas vermittelt ein völlig anderes Spielgefühl: es ist hochkompetitiv mit ständiger Interaktion, ungewöhnlich für ein Entwicklungsspiel mit „Worker-Placement“, bei denen meist jeder für sich die optimale Strategie austüftelt und Berührungspunkte mit den Mitspielern eher spärlich gesät sind. 

Erreicht wird diese Spannung durch Beschränkung der Spieldauer auf 8 Runden, deren zwei jeweils ein Zeitalter darstellen (als da wären: Altertum, Mittelalter, Renaissance und Industrialisierung) und eine - zu Beginn etwas verwirrende - große Anzahl an „Stellrädchen“. Bei anderen Spielen ärgere ich mich auch, wenn ein bestimmtes Feld bereits besetzt ist oder eine Ressource mir vor der Nase weggeschnappt wird, aber hier besteht ein ganzes Netzwerk von Zusammenhängen, die es mir erlauben einen anderen erfolgreichen Weg einzuschlagen. Nahezu alles was die Mitspieler so treiben, hat Auswirkungen auf die anderen, so manche Aktion oder Ereignis zwingt die lieben Konkurrenten, Dinge zu tun, die sie vom geplanten Weg ablenken. 

 

„Nations“ will gelernt sein – wie eigentlich alle wirklich guten Spiele – die schiere Unzahl an Möglichkeiten wird im Grunde mit nur drei verschiedenen Aktionen erreicht:

1.) eine Fortschrittskarte kaufen,

2.) einen Arbeiter einsetzen und

3.) einen Architekten anstellen.

Es gibt in jeder Runde drei aufeinanderfolgende Spielabschnitte, wobei die erste (Versorgungsphase) und letzte (Auswertungsphase) reine „Verwaltungstätigkeiten“ erfordern (z.B.: neue Karten auslegen, Einkommen erhalten, Zugreihenfolge bestimmen, Auswirkungen von Ereignissen und Kriegen abhandeln und dgl.). Zentrales Element dieses Spiels ist aber die Aktionsphase, in welcher jeder reihum genau eine der drei erwähnten Aktionen tätigen kann, solange bis alle gepasst haben. In diesem Spielabschnitt „spielt die Musi“ - wie wir in Wien sagen.

 

Nun will ich diese drei Aktionen etwas erläutern: Es gibt zwei Spielpläne, den „Wertungsplan“ und den „Fortschrittsplan“ und für jeden Spieler einen eigenes Tableau, sowie über 300 Karten – der Großteil davon dient dem Fortschritt, die anderen markieren Ereignisse (bei allen zeigt sich die liebevolle Detailtreue der Autoren: jede Karte stellt historische Begebenheiten, Persönlichkeiten, Schlachten oder „Weltwunder“ mit Jahreszahlen, Gebäude und militärische Einheiten mit ihren genauen Namen vor).
Zentral ist der Fortschrittsplan, auf dem zu Beginn jeder Runde die Fortschritts-Karten offen in drei Reihen ausgelegt werden. Die Karten weisen farbige Ränder auf, die ihre Funktion anzeigen (z.B.: Gebäude blau, Militär rot) und den Farben der Ablageplätze des Spielertableaus entsprechen (dort sind bereits fünf Karten aufgedruckt, sozusagen die „Grundausstattung“ jeder Nation). Die um ein bis drei Geld käuflichen auf Fortschritts-Karten abgebildeten Gebäude, Einheiten u.a. ersetzen die bereits ausliegenden und erhöhen so die Einkünfte. Sobald die neuen Karten ausliegen, tritt Stille ein, die Köpfe rauchen: “Was hätte ich gerne, was kann ich mir leisten, liegt es noch da, wenn ich an der Reihe bin, wie kann ich meine Mitspieler von der Wunschkarte ablenken? ...“ und schon beginnen alle aufeinander einzureden.

 

Gebäude und Militäreinheiten sind nutzlos, solange kein Arbeiter darauf steht, daher benötigen wir die zweite Aktion: 1 Arbeiter einsetzen. Dadurch steigen entweder die militärische Stärke (sofort), oder die Einkünfte (in der Auswertungsphase).

 

Die dritte Aktion „1 Architekt anstellen“ erlaubt mir ein „Wunder“ (eine weitere Fortschritts-Karte, die Einkünfte oder Boni bringt ohne Arbeitereinsatz) zu errichten, leider ist die Anzahl der Architekten pro Runde limitiert, es kann somit auch mehr als eine Runde dauern, ein Wunder fertigzustellen.

 

Weitere Fortschritts-Karten stellen Kolonien (benötigen Militärstärke) und Berater (bedeutende Persönlichkeiten) dar (auch Karten, die Einkünfte (oder zusätzliche Aktionen) bringen ohne einen Arbeiter zu binden), auch diese werden auf die entsprechenden Felder des Spielertableaus gelegt. 

 

Es bleiben noch drei weitere Kartenarten, die man kaufen kann:
a) Krieg, nur einer pro Runde kann gekauft werden, wer dies tut, legt den hölzernen Kriegsstein unter seinen Stein auf der Leiste der militärischen Stärke (auf dem oben erwähnten Wertungsplan, dort befinden sich auch weitere Skalen für Zugreihenfolge, Rundenanzahl, die „Bücherleiste“ - erkläre ich später - , sowie Felder für die Kriegskarte, die Ereigniskarte - eine pro Runde, wird zufällig gezogen - und die Architektenanzahl. „Stabilität“ - eine Eigenschaft, die anzeigt wie die Nationen Kriege und Katastrophen bewältigen können ist wichtig für Wachstum und Zufriedenheit der Länder, bei niedriger Stabilität kann es zu Unruhen kommen - was Siegpunkte (SP) kostet - hat eine eigene wichtige Skala.) 

b) Schlachten – werden nach sofortiger Nutzung abgeworfen: sie bringen Ressourcen je nach Kampfstärke, aber ohne Arbeiter beim Militär, keine Stärke, daher keine Ressource.

c) Goldene Zeitalter – bringen einmalig eine Ressource oder einen (relativ billigen) Siegpunkt – sofort, Karte wird abgeworfen.
Pro Runde können mehrere Schlachten und goldene Zeitalter gekauft werden.

 

Ziel bei „Nations“ ist es, mittels Ressourcen, Gebäuden, Militär, Stabilität und erworbenem Wissen (hier als Bücherleiste) nach 8 Runden die meisten SP zu erreichen. Diese können während der gesamten Spieldauer erworben oder auch verloren werden, am Ende jedes Zeitalters gibt es SP je nach Reihung auf der Bücherleiste und zusätzlich am Spielende, indem die Werte aller Skalen addiert werden (Stabilität, Militär und Bücher) und noch die Summe aller Ressourcen dazu gezählt werden, der ermittelte Gesamtwert dividiert durch 10 erbringt weitere SP (z.B.: 108 Gesamtwert = 10 SP, 8 verfällt), weitere SP bringen die Gebäude-,  Militär-, Kolonien- und Wunder-Fortschrittskarten auf dem Spielertableau. Was meiner Meinung nach elegant gelöst wurde, ist, dass wirklich alle erreichten Leistungen (Wohlstand, Wissen, Militärstärke, architektonische Leistungen) einer Zivilisation insgesamt bewertet werden.

 

Nun zu den Ressourcen und deren Erwerb:
Es gibt Karton-Marker für Nahrung, Stein und Gold, die Anzahl der Bücher werden auf einer Leiste vermerkt, SP gibt es als Marker und als lorbeerumkränzte Zahlen auf gelbem Hintergrund auf den Fortschritts-Karten. Auf den Spielertableaus ist das Anfangsvermögen an Ressourcen und Siegpunkten aufgelistet – gleich für alle Nationen, auf der Rückseite haben die Völker unterschiedliche Startbedingungen. Die Anzahl der Arbeiter variiert ebenfalls nur auf der B-Seite. Jeder hat 5 Holzmännchen zu Beginn und eine Bevölkerungsreserve von weiteren 8 Arbeitern. Von dort kann einer je Runde anstatt Ressourcen in der Versorgungsphase (1. Phase) genommen werden. NAHRUNG wird für Hungersnöte (jede Runde, kann auch mal Null sein) und zusätzliche Arbeiter (die dadurch einsetzbar sind) benötigt; mit STEIN werden Arbeiter auf Fortschrittskarten (Gebäude und Militär) eingesetzt (Preis steigt mit jedem Zeitalter) und Architekten zum Bau von Wundern. GOLD braucht man um Fortschrittskarten zu kaufen (1 - 3 pro Stück). BÜCHER stellen eine Art Joker dar, man kann fehlende Ressourcen durch Zurückfahren auf der Bücherleiste bezahlen. Ein SP geht bei jeder Niederlage in einem Krieg verloren, ebenso wenn Ressourcen in der Auswertungsphase nicht bezahlt werden können (z.B.: zu wenig Getreide um zusätzlich genommene Arbeiter zu ernähren). Schulden müssen in Büchern bezahlt werden, aber für jede fehlende Ressourcenart auch ein SP (maximal vier möglich). Käufe können nur getätigt werden, wenn der Preis in Geld bezahlt werden kann (keine Bücher möglich).

 

Mit Arbeitern auf Militärkarten steigt die Stärke, diese ist zum Erwerb von Kolonien und Schlachten nötig, aber sie kosten meist jede Runde unterschiedliche Ressourcen und binden Arbeiter, die auf anderen Feldern verdienen würden. Andererseits wird die Zugreihenfolge nach der militärischen Stärke (Stärkster an erster Stelle usw.) bestimmt. Bei Krieg verlieren alle Spieler deren Marker unterhalb des Kriegssteines auf der Militärleiste liegt, jeder gibt einen SP ab und die auf der Kriegskarte vermerkte Ressource (z.B.: 7 Getreide), allerdings um den Wert der Position auf der Stabilitätsleiste verringert (z.B.: Position 5, somit nur 2 Getreide zu zahlen). Eigentlich eine clevere Idee, stabile Volkswirtschaften können Kriegsschäden eben besser verkraften. Hier ein Beispiel welche Überlegungen beim Kauf eines Krieges angestellt werden müssten: bin ich Pazifist, habe ich einen guten Grund einen Krieg zu kaufen, um nicht heftige Schäden zu erleiden, bin ich strammer Soldat (auf der Leiste weit oben) ist ein Krieg auch günstig, um die anderen zu schädigen oder aber dazu zu zwingen ihre Arbeiter auch auf Militärkarten zu stellen – so reduziere ich ihre Einkünfte. Zur Erinnerung: der Kriegsmarker (schwarz) wird auf die aktuelle Position des Käufers gestellt. Es kann sogar passieren, den eigenen Krieg zu verlieren, weil ich genötigt bin, Holzmännchen dringend für Ressourcen einzusetzen und sie aus dem Felde wegziehen muss und somit hinter den schwarzen Marker zurückfalle.

 

Ein Wort noch zu den jede Runde gezogenen Ereignissen: Nach dem Auffüllen des Fortschrittsplans kann jeder Spieler Wachstum erzielen. Er kann je nach gewähltem Schwierigkeitsgrad (1– 4, vor Spielbeginn am Wertungsplan einzustellen) eine bestimmte Anzahl von entweder Stein, Gold oder Nahrung wählen oder einen neuen Arbeiter von der Bevölkerungsleiste am Spielertableau ins Spiel nehmen (kostet am Ende der Runde 3 Getreide oder sofort -3 Stabilität). Erst nachdem diese Entscheidung von allen getroffen wurde, wird eine Ereigniskarte aus dem Stapel des jeweiligen Zeitalters gezogen und die können es in sich haben: Getreideverlust bis zu 6 (Hungersnot), dazu Strafen für niedrigste Stabilitäts- oder Militärposition und auch Belohnungen in Form von SP, Vorreihung in der Zugreihenfolge oder zusätzliche Ressourcen. Leider, leider weiß man beim Auswählen des Wachstums nicht was eventuell später dringend benötigt würde – das kann den schönsten Plan für diese Runde umwerfen, da ein offensichtlicher Fehlbestand dazu zwingt andere Karten zu kaufen als vorgesehen.

 

Die Auswertungsphase (Abschluss jeder Runde) beginnt mit der Produktion: jede Gebäudekarte bringt zwei Güter (z.B. die Börse – Industriezeitalter Geld 4 und Stein 2, oder z.B. die Bibliothek – Altertum Bücher 2 und Geld 1 wenn ein Arbeiter dort steht, bei zwei das Doppelte, bei drei Männchen schon das Dreifache). Die Summe aller besetzten Gebäude ist das Einkommen des Spielers, davon werden Kosten von Militärkarten (z.B. Altertum: der Elefant steigert Stärke um 4 aber verbraucht 2 Getreide), und die Kosten (Getreide) von zusätzlich am Rundenbeginn angeworbenen Arbeitern abgezogen. Dazu kommen Einnahmen von Kolonien, Beratern und Wundern. Außer Stein, Gold, Nahrung und Büchern können Fortschrittskarten auch Stabilität und militärische Stärke liefern. Die Goldkosten der Karten bleiben immer gleich, und richten sich nur nach der Reihe in der sie zufällig ausgelegt wurden. Die Steinkosten für das Setzen von einem Holzmännchen steigen mit den Zeitaltern von eins bis vier, ebenso steigt der Ertrag der Karten (die aufgedruckten am Beginn liefern nur je ein Stück der beiden Ressourcen - ohne Kauf ertragsreicherer Gebäude würde der Nation rasch der wirtschaftliche Atem ausgehen).

 

Nach der Produktion folgt die Bestimmung der Zugreihenfolge, dann wird ein eventueller Krieg abgehandelt (kann auch ausfallen, wenn keiner eine Kriegskarte erwarb). Als nächstes wird die Ereigniskarte (je zwei geschichtliche Begebenheiten) abgehandelt (Strafen, Verluste oder Boni – „Gott sei Dank konnte ich noch mit einer neuen Karte den Getreidespeicher rechtzeitig füllen!“) danach folgt die Hungersnot und nach jeder zweiten Runde das Ende eines Zeitalters, d.h. die Bücherleiste wird gewertet, jeder erhält so viele SP wie andere Spieler hinter ihm liegen (z. B. bei 5 Spielern erhält der Vorderste 4 SP, der Letzte keinen)

 

Unsere Spielerunde ist sich einig, dass „Nations“ ein absolutes Spitzenspiel ist. Es erfordert zwar eine gewisse Zeit sich einzuspielen (die Autoren empfehlen, es zunächst nur zu viert und nur mit den Basiskarten zu erlernen und erst dann Karten für Fortgeschrittene und Experten dazu zu nehmen) und dauert auch kaum weniger als 3-4 Stunden (eher mehr), funktioniert aber blendend in jeder Besetzung (die Solovariante spielt sich aber etwas anders). Hervorzuheben ist die detailgenaue, liebevolle Ausstattung und Gestaltung, die Regeln - in Deutsch – sind klar und gut verständlich, es bleiben eigentlich keine wesentlichen Fragen offen. Was an „Nations“ besonders begeistert, ist der hohe Grad an Interaktion und die Tatsache, dass dieses relativ lange Spiel über die ganze Dauer äußerst spannend ist, ein Effekt den ich sonst nur bei wenigen Erzeugnissen mit eher kurzer Spieldauer kenne. Keiner will vom Brett weg, wenn man doch mal muss ist die erste Frage: „Was hat dieser oder jener gerade gemacht?“, man vergisst sogar den Hunger. Stille Tüftler werden an „Nations“ allerdings weniger Freude haben.

 

Christoph Proksch und Ursula Vlk

 

Spieler: 1-5

Alter: 12+

Dauer: 240+

Autor: Einar & Robert Rosén, Nina & Rustan Håkansson

Grafiker: Ossi Hiekkala, Jere Kasanen, Frida Lögdberg

Preis: ca. 50 Euro

Verlag: Lautapelit / Asmodee 2013

Web: www.de.asmodee.com

Genre: Entwicklungsspiel

Zielgruppe: Für Experten

Spezial: 1 Spieler

Version: de

Regeln: de en fi fr it pl

Text im Spiel: ja

 

Kommentar:

Sehr viel Interaktion

Hoher Spannungsbogen über die gesamte Spieldauer

Einarbeiten ins Spiel bzw. Probepartien notwendig

Überdurchschnittlich lange Spieldauer

 

Vergleichbar:

Alle Entwicklungsspiele mit Thema Zivilisationen entwickeln

 

Andere Ausgaben:

Asterion, Rebel.pl, Ystari Games

 

Meine Einstufung: 7

 

Christoph Proksch und Ursula Vlk:

 

 

Hochspannendes Entwicklungsspiel mit hohem Grad an Interaktion, nichts für stille Tüftler

 

Zufall (rosa): 1

Taktik (türkis): 0

Strategie (blau): 0

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 1

Kommunikation (rot): 0

Interaktion (braun): 3

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0