Der Herr der Wichtel

 

Irgendwo tief im Wald, dort wo die Bäume noch knorrig und das Unterholz dicht ist, dort leben die Wichtel. Sie sind ein eigenes Volk, diese kleinen Waldbewohner, schwer zu finden, menschenscheu, im Prinzip friedlich, aber wenn man sie reizt, dann werden sie böse. Es gibt für sie nur ein großes, wichtiges Ereignis: Die Wahl des Häuptlings, und dafür muss jeder Kandidat, ein Team von vier Wichteln zusammenstellen. Wenn doch jemand den Wahlleiter gesehen hätte – wo isser denn?
Mit dem richtigen Team kann man ganz schön Karriere machen: Für eine zivile Karriere benötigt man Holzschieber, Holzfäller, Vorarbeiter und Meister, für eine militärische Laufbahn sucht man sich Keulenschwinger, Speerwerfer, Waldwebel und General. Je weiter man es bringen will, um so bessere Leute muss man haben. Für eine Häuptlingskarriere braucht man die Häuptlingswitwe, den Hexendoktor und noch zwei Honoratioren. Mit einer tollen Karriere kann man beim Wahlleiter sicher punkten. Ja weiß den niemand wo denn dieser Wahlleiter steckt – wo isser denn?

Nun, solange der Wahlleiter nicht auftaucht, kann man ja schauen, ob nicht ein besseres Teammitglied über den Dorfplatz wandert. Nur ist die Konkurrenz auch interessiert und wer am meisten für den Wichtel bietet, zu dem kommt er auch. Man kann aber auch einen neuen Wichtel rufen, da weiß man allerdings nicht, wer da kommt. Und zum Glück gibt es ja noch die nette Tradition, dass man der Konkurrenz auch einen Wichtel schicken darf, die schickt einen anderen dafür zurück. Und wenn man glaubt, man hat die passende Gefolgschaft zusammen, dann geht man mal den Wahlleiter suchen – da isser ja!

Ja und jetzt, wo der Wahlleiter endlich da ist, kann ihm der nächste Kandidat (natürlich nur wenn er will) auch sein Team vorstellen. Und dann schaut mal der Wahlleiter, was den die einzelnen Kandidaten denn so haben. Je besser die Karriere um so mehr Punkte verteilt er an die Kandidaten. Sollte einer die notwendigen Punkte für einen Stammeshäuptling haben, dann wird er zum neuen Herr der Wichtel gewählt. Ansonsten verschwindet der Wahlleiter wieder und die Kandidaten dürfen sich ein neues Team zusammenstellen.

 

Jetzt wär‘s an der Zeit ein paar Wichtel näher vorzustellen: Der Meister und der General umgeben sich nur mit wichtigen Personen, wenn es zur Wahl kommt, dann schicken sie alle Holzschieber und Keulenschwinger aus dem eigenen Team fort – eine Karriere kann man dann nicht mehr machen, man hat ja nicht mehr 4 Leute im Team, aber zum Glück punktet man auch mit einzelnen Personen. Der Hexendoktor hat ein so hohes Ansehen, dass er für eine Karriere jede Position einnehmen kann und die Häuptlingswitwe wird fuchsteufelswild, wenn man keine Häuptlingskarriere eingeschlagen hat. Sie verärgert den Wahlleiter so sehr, dass dieser einem glatt wieder Punkte abzieht.


Seit kurzem gibt es einige Neuigkeiten im Wichtelwald: 

Mit einem Baumhaus kann man zwar keine Karriere machen, aber man hat hohes Ansehen und kann auch die Häuptlingswitwe gnädig stimmen. Der Koch ist nicht nur als Keulenschwinger brauchbar, nein auch alle anderen Keulenschwinger versammeln sich bei ihm und die Schankmagd hat ein ähnliches Anziehungsvermögen auf die Holzschieber. Der Stammesälteste nützt bei einer Häuptlingskarriere, vorausgesetzt, er erlebt noch die Wahl. Der Drache ist als Waldwebel einsetzbar, nur leider frisst er in der Aufregung ein paar kleinere Leut. Der Drachentöter ist als Vorarbeiter unterwegs, doch wenn er irgendwo den Drachen erspäht, dann sind die beiden mit sich selbst beschäftigt, und der Troll ist auch für eine Karriere zu gebrauchen, nicht wegen seiner sympathischen Art oder seiner Intelligenz, nein, mit seiner Kraft ist er universell einsetzbar.

Es tut sich aber auch in letzter Zeit um einiges mehr im Wichtelwald:

Man kann jetzt das große Treffen am Dorfplatz einberufen, der Wahlleiter legt eine Ruhepause ein, es gibt geheime Absprachen oder man blickt mit dem Wichtel-Orakel in die Zukunft. Es gibt nun auch einen Schichtwechsel am Dorfplatz, oder der Baumherr oder der Fressvogel taucht gar auf. Auch das gute Benehmen der Wichtel ging etwas den Bach runter, man spioniert, betrügt, täuscht, stiehlt, mordet und vergiftet noch ein wenig. Kurz gesagt, es ist mächtig was los.


Ehrlich, was tut denn nicht ein Wichtel alles um endlich Herr der Wichtel zu werden! Doch leider haben die Herren der Wichtel aus unerklärlichen Gründen eine recht geringe Lebenserwartung. Da fällt ein Baum ganz plötzlich um, dort verirrt sich ein Speer in der Gegend, Unfälle gibt es viele, und dann ist es endlich wieder Zeit für das große, wichtige Ereignis: Die Wahl des Häuptlings – die Wahl zum Herrn der Wichtel.

Der Herr der Wichtel erschien schon vor einem Jahr auf der Messe in Essen, diesmal kam dann die Erweiterung dazu. Leider ist die Spielregel sehr unübersichtlich, sie ist zwar recht witzig geschrieben, dafür muss man sie sehr genau lesen um Regelfragen klären zu können und selbst dann bleibt noch sehr viel Raum für unterschiedliche Interpretationen. Der erste Einstieg in dieses Kartenspiel wird einem dadurch sehr erschwert. Positiv zu vermerken wäre dafür, dass das Spielprinzip erfrischend neu und die thematische Umsetzung sehr gut gelungen ist. Kennt man einmal dieses Spiel (und ist sich auch über die Regeln einig), so hat man ein spielerisch und graphisch sehr ansprechendes, rasches Spiel für Zwischendurch, bei dem man immer wieder eine weitere Partie spielen möchte.