Unsere Rezension
Vorausdenkendes Denkmal errichten
Tumult Royal
Die Letzten werden die Letzten bleiben
Ben, ich bin Dein Vater; ich habe schon vor Jahrzehnten, lange vor dem Millennium, mehrmals den Spiel-des-Jahres-Preis gewonnen. Und gemeinsam können wir jetzt vielleicht sogar die Brettspiel-Galaxie beherrschen. Aber Du brauchst keine Angst zu haben, wir werden keinen „Star Wars“-Klon aus „Catan“ erschaffen (außerdem würden mir das die Trekkies niemals verzeihen), sondern etwas ganz Neues – Möge die Gnade des Volkes mit uns sein!
Soweit ein möglicher Dialog im Hause Teuber im Zeitalter der DRITTEN TRILOGIE. Und tatsächlich ist das bisherige Lebenswerk von Vater Teuber nicht nur ob seiner Fülle beeindruckend, sondern auch wegen der bereits zahlreich ausgezeichneten Titel (darunter allein vier Mal Spiel-des-Jahres für „Barbarossa und die Rätselmeister“, „Adel verpflichtet“, „Drunter & Drüber“ und natürlich – das alles überstrahlende – „Die Siedler von Catan“). Unter diesen Umständen wäre es sehr verständlich, wenn sich die nächste Generation lieber einer anderen Tätigkeit widmen würde, als selber weitere Spiele zu entwickeln. Nicht so jedoch Benjamin Teuber! Zwar betritt er die Brettspielbühne nicht ganz allein auf sich gestellt, sondern mit Unterstützung seines bereits berühmten Vaters, doch benötigt ja auch jeder Padawan die Unterweisung eines Meisters, um später einmal selber ein solcher werden zu können.
„Tumult Royal“ gehört zum Genre der hektischen „Grapsch- und Sammel“-Spiele (vergleichbar etwa mit „Mondo“ und „Ubongo“), die zumeist sehr vergnüglich zu spielen sind: Alle schnappen sich gleichzeitig Plättchen aus dem gemeinsamen Vorrat, um damit zum einen sofort etwas zu bauen und zum anderen bis zum Ablauf der Sanduhr noch weitere Plättchen schnappen und einbauen zu können. Nachteilig dabei ist jedoch, dass vielen Mitspielern der Zeitstress beim Zusammenbauen nicht behagt und es dabei häufig auch nicht ausgeglichen zugeht, zumal die dafür benötigten motorischen Fähigkeiten sowie auch eine ausreichend schnelle Auffassungsgabe nicht bei allen Mitspielern gleich gut gegeben sind. „Tumult Royal“ spielt sich aber etwas anders: Zunächst wird zwar ebenfalls hektisch gesammelt, das Bauen danach erfolgt jedoch in einer ruhigen Phase, sodass dabei niemand Flüchtigkeitsfehler machen kann. Und damit die schnelleren und geschickteren Viel-Sammler keinen zu starken Vorteil haben, werden sie mit dem Verlust von Plättchen bestraft. Alle sollten sich also noch vor Beginn des gemeinsamen „Raubzuges“ gut überlegen, wie gierig sie beim Sammeln sein wollen, damit die eigenen Baupläne auch erfolgreich umgesetzt werden können. Denn einmal auf die eigene Seite geschafft ist ein Plättchen sicher und darf auch nicht mehr zurückgelegt werden!
Thematisch stimmig geht es um von uns zu verkörpernde arrogante und schrullige Adelige, die das ganze Land mit ihren Statuen „beglücken“ wollen. Bei den dafür benötigten Baumaterialen handelt es sich um Warenplättchen mit jeweils ein bis drei Stück Brot, Marmor oder Werkzeuge auf ihrer Vorderseite (wobei Marmor eher wie Würfelzucker aussieht). Diese Waren werden von uns ganz einfach dem Volk entwendet, was spielerisch durch gleichzeitiges Grapschen aus dem gemeinsamen Vorrat dargestellt wird. Dabei rieselt gnadenlos der Sand in der Sanduhr hinab; nach einigen Runden stellt sich jedoch heraus, dass das zeitliche Problem geringer ist als zunächst vermutet und es diesbezüglich ohnehin ausreichend Gelegenheit gäbe, passende Plättchen zu sammeln. Das Dilemma ist hier eher die Entscheidung, ob ein genommenes Plättchen „passend“ ist oder nicht. Einfach möglichst viel zu sammeln hilft nämlich nur bedingt; wird dem Volk zu viel weggenommen, rächt sich dieses im Gegenzug wiederholt mit den (namensgebenden) Tumulten. Dazu wird mittels Drehscheibe zufällig ein Wert von Zwei bis Fünf ermittelt: Diese Menge möchte das Volk nach der (all-)gemeinen Sammelphase noch im Vorrat für sich aufgespart wissen, und zwar bei jeder der drei Warensorten. Da jedoch vor dem gemeinsamen Raubzug eine gewisse Anzahl von Plättchen zufällig entfernt wird, können wir gar nicht wissen, sondern bloß vermuten bzw. hoffen, wie viel Stück jeder Sorte zu Rundenbeginn in der verdeckten Auslage überhaupt vorhanden sein mögen.
Werden die bescheidenen Wünsche des Volkes nach dem Fallen des letzten Sandkornes erfüllt, dürfen die Mitspieler ihre gesammelten Plättchen behalten bzw. in der nachfolgenden Bauphase verwenden. Sind jedoch in den ein, zwei oder gar drei Sorten weniger Stück übrig als die Drehscheibe festlegt, ist jeweils jener Mitspieler von einem Tumult betroffen, der die meisten Stück dieser Ware (nicht die Anzahl der Plättchen) auf seine Seite schaffen wollte: Dieser muss dann alle Plättchen dieser Ware bis auf eines zurückgeben und darf sich nur jenes behalten, welches die wenigsten Stück dieser Ware aufweist. Außerdem wird er auch noch mit dem Verlust von drei Gefolgsleuten bestraft (die Gefolgsleute stellen hier quasi eine Art von Währung dar).
Taktisch gibt es im Wesentlichen also folgende Möglichkeiten: Entweder bescheiden zu sein, was hier aber weniger eine Zier bedeutet, als eine Einschränkung bei der nachfolgenden Bauphase. Oder doch mehr an sich zu raffen, dabei aber darauf Acht zu geben, zumindest weniger gierig zu sein als die Mitspieler. Das ist wiederum schon deswegen nicht so einfach, als alle ihre gesammelten Plättchen verdeckt vor sich ablegen. Oder danach zu trachten, von jeder der drei Sorten jeweils nur ein Plättchen mit jeweils drei Stück zu ergattern – denn selbst wenn man mit diesen drei Stück letztlich doch der Gierigste sein sollte, fällt die Strafe nicht so schlimm aus, weil man ja ohnehin ein Plättchen behalten darf. Aber auch das klingt (bauern-)schlauer als es sich tatsächlich spielen lässt, will doch jeder die Plättchen mit drei Stück bekommen, und ist es ja auch gar nicht bekannt, ob diese in der aktuellen Runde überhaupt im Vorrat enthalten sind. Insoweit ist es vielleicht doch (adels-)schlauer, sich mehrere Plättchen mit nur einem oder zwei Stück zu sichern in der Hoffnung, dass man in der aktuellen Runde vom Volk ungeschoren davonkommen wird?
Diese turbulente und spannende Sammel- und Tumultphase kann jedenfalls als das sehr gelungene Kernelement des Spiels angesehen werden. Der darauffolgende Verlauf jeder Runde dient dann aber leider eher nur mehr dazu, dass die eigenen en Plättchen siegpunktemäßig verwertet bzw. verwaltet werden und bedeuten in spielerischer Hinsicht mehr ein „notwendiges Übel“ als ein wirkliches Vergnügen. Die jeweils eingesammelten Waren werden in der Folge nämlich etwas zeitaufwändig noch reihum in die auf dem Spielplan aufzustellenden Statuen umgewandelt; wobei es dabei immerhin ein gewisses Maß an Interaktion gibt, als versucht werden kann, die Mitspieler in den Möglichkeiten ihrer Ausbreitung zu behindern.
Ist man nicht einmal zum Aufstellen einer einzigen Statue in der Lage, bekommt man als (sehr) kleinen Trost gratis zwei Gefolgsleute; als Ausnahme von der Ausnahme gilt dies aber wiederum dann nicht, wenn man zuvor von einem (der drei möglichen) Tumult(e) betroffen gewesen ist. Das erscheint mir für die Zielgruppe des Spieles jedoch eine mehrfach unelegante Regelung zu sein: Zum einem muss nicht nur gemerkt werden, wer zuvor Auslöser bzw. Opfer eines Tumultes gewesen ist, zum anderen verstärkt das eigentlich nur den doch vorhandenen Frustfaktor des Spiels: Ich bekomme nichts und weil ich nichts bekomme, bekomme ich erst recht nichts!
Wenig elegant (bzw. etwas zu kompliziert) ist auch das grundsätzliche „Einkommen“ hinsichtlich der eigenen Gefolgsleute gelöst: Diese erhält man nämlich stets dann, wenn beim Errichten einer Statue mit Waren überzahlt wird. Für eine Statue auf einem Wiesenfeld wird etwa ein Stück Brot und ein Stück Marmor benötigt; verwende ich dafür zwei Plättchen mit sogar zwei Brot und drei Marmor erhalte ich (zusätzlich zu der Statue) auch noch drei Gefolgsleute (also die überzahlte Differenz); so weit so nachvollziehbar. Ich darf aber wiederum nicht „unnötig“ viele Plättchen abgeben, um noch mehr Gefolgsleute zu lukrieren. Somit erhalte ich auch keine Gefolgsleute für Plättchen, mit denen ich keine Statuen habe aufstellen können, diese muss ich vielmehr ungenutzt in den Vorrat retournieren. Thematisch ist das zwar sehr stimmig – selbst schuld, hättest halt´ nicht so sinnlos gierig sein sollen – doch erhöht das spielerisch eher den Frustfaktor.
Wofür dienen nun diese Gefolgsleute? Jede Runde wird jener Mitspieler KönigIn, der die meisten davon vorweisen kann. Der neue König wird dann quasi mit Zuckerbrot und Peitsche entlohnt, er darf zum einen gratis ein bis zwei Statuen aufstellen, dafür verliert er gleich wieder fünf Gefolgsleute, sodass es in der Folgerunde leichter zu einem Machtwechsel kommen kann. Ein wenig Mitleid hat das Volk immerhin mit den royal Rückgebliebenen, diese dürfen in der Folgerunde gnädiger Weise gieriger sein als die besseren Mitspieler: Bei der Ermittlung des jeweils gierigsten Adeligen dürfen sie ihre Summe(n) nämlich um (jeweils) ein Stück reduzieren, sodass sie trotz Anhäufens weniger leicht von Tumulten betroffen sein werden (sondern erhält eher ein anderer den „rebellischen Peter“).
Unter anderem dieser Mechanismus kann zwar bei der adeligen Aufholjagd helfen; bei einem zu weit abgeschlagenen Punktestand wird das dennoch schwierig sein, zumal jede Runde – mit den sich stets wiederholenden gleichen sieben Phasen – im Wesentlichen wieder beim zuvor erreichten Status beginnt. Damit ein gar zu großer Abstand zwischen den Ersten und den Letzten aber nicht langfristig frustrieren muss, kann eine Partie sogar schon vor den (maximal) zehn Runden enden, wenn die Differenz zwischen den Siegpunkten (bzw. der Anzahl der jeweils aufgestellten Statuen) des aktuell Ersten und Letzten einen bestimmten Wert übersteigt (quasi eine neue Variante des „Königsmachereffekts“).
Das Material ist jedenfalls grafisch witzig sowie sogar geschlechterparitätisch umgesetzt und unterstützt auch den Spielablauf (u.a. mit Übersichten) sehr gut; leider aber ist in der Schachtel kein Einsatz vorhanden, sodass dort geradezu eine adelige Unordnung vorherrscht (gerade beim Kosmos-Verlag, der ja eher dafür bekannt ist, mit einem zumeist unnötig großzügig gestalteten Schachteleinsatz viel Luft in ein Spiel hineinzupacken, überrascht dieser Umstand).
Der Ablauf jeder Runde gliedert sich in eine hektische und witzige Sammel- sowie eine ruhige Bau- und Verwaltungsphase. Aufgrund der nicht zu langen Spieldauer fällt der repetitive Spielverlauf aber nicht gar zu unangenehm auf. Die etwas langatmigere Bau- und Verwaltungsphase überwiegt im Spielgefühl jedoch die gelungenere Sammelphase. Sehr gut ist jedenfalls die Möglichkeit eines vorzeitigen Spielendes gelöst.
Und mit „Schmuggler“ legten Vater und Sohn Teuber bereits ihr zweites Werk vor. Wenn sie in diesem Tempo weitermachen, werden die Beiden wohl noch heuer ihre ERSTE TRILOGIE fertiggestellt haben. Außerdem enthält Schmuggler – man lese und staune – „intelligente Knete“; offenbar soll damit auch noch der Beweis erbracht werden, dass es – wenn schon nicht unbedingt intelligentes Leben – zumindest irgendeine Form von Intelligenz in einer weit, weit entfernten Galaxie geben könnte.
Harald Schatzl
Spieler: 2 – 4
Alter: 10+
Dauer: 40+
Autor: Benjamin und Klaus Teuber
Grafik: Franz und Imelda Vohwinkel
Preis: ca. 30 Euro
Verlag: Kosmos 2015
Web: www.kosmos.de
Genre: Sammeln und Bauen
Zielgruppe: Familie
Version: de
Regeln: cz de en
Text im Spiel: ja
Kommentar:
witziges Thema und Grafik
Frustfaktor vorhanden
Zu zweit nicht empfehlenswert
Kein Schachteleinsatz
Vergleichbar:
Ubongo, Mondo
Andere Ausgaben:
Kosmos (en), Dino (cz)
Meine Einschätzung: 5
Harald Schatzl
Tumult Royal ist ein lustiges Sammel- und Bau-Spiel für Gelegenheitsspieler und Familien mit einem amüsanten Thema und einer guten Mischung aus Glück und Taktik.
Zufall (rosa): 2
Taktik (türkis): 1
Strategie (blau): 0
Kreativität (dunkelblau): 0
Wissen (gelb): 0
Gedächtnis (orange): 1
Kommunikation (rot): 0
Interaktion (braun): 2
Geschicklichkeit (grün): 0
Action (dunkelgrün): 0