Schwerter für den Alcazar

Toledo

 

Mit Metall und Edelsteinen auf der Straße zum Ruhm

 

Ganze vier Seiten genügen, um Martin Wallaces neuesten Streich „Toledo“ in allen Einzelheiten zu erklären. Es kann also so komplex nicht sein, was uns der Kosmos-Verlag hier präsentiert. Laut Spielregel sind wir Vertreter verschiedener Familien, die durch die Stadt wandern, ihren Reichtum mehren, (Konkurrenz-) Kämpfe austragen, Edelsteine, wertvolle Gemälde und Metall erwerben und letztlich ihre berühmten, selbst gefertigten Schwerter aus Toledo-Stahl im Alcazar, der berühmten Festung in der Oberstadt Toledos, dem Herrscher präsentieren. Für all dies gibt es Punkte und die benötigen wir zum Sieg.

 

Reduziertes Aktionspotenzial

 

Lediglich eine einzige Aktion steht jedem Spieler reihum pro Runde zu, um am Ende möglichst als derjenige mit den meisten Punkten im Alcazar zu stehen, den Grafiker Jo Hartwig ebenso wie den Rest der Stadt, stimmungsvoll auf dem Spielbrett eingefangen hat. Entweder nimmt man zwei Geldkarten auf die Hand, legt alternativ eine seiner insgesamt acht zur Verfügung stehenden Geschäftetafeln auf ein beliebiges freies Straßenfeld, setzt eine seiner Figuren zurück auf das Startfeld (die Kathedrale) oder – und das ist die Aktion, die das Spiel interessant macht – man bewegt eine oder mehrere seiner Spielfiguren und nutzt die Möglichkeiten der Spielplanfelder, auf denen die Figuren ihre Bewegung beenden. Und damit sind wir auch schon beim Herzstück von „Toledo“ angekommen: dem Nutzen der Geschäftetafeln. Wer sich beim Anblick des Straßenverlaufs und den nach und nach dort errichteten Geschäften ein wenig an die Gebäude bei Caylus erinnert fühlt, hat zwar durchaus Recht, bis auf die Tatsache jedoch, dass auch bei „Toledo“ die Gebäude Sonderfunktionen besitzen, die von den Spielern genutzt werden können, besitzen beide Spiele keine weiteren Gemeinsamkeiten. Auch die Gebäudenutzung an sich ist ja nun kein Element, das von dem allseits gelobten Strategieschmankerl erfunden wurde, denkt man nur einmal an Puerto Rico oder zuletzt an Cuba. Also Schluss mit der Suche nach Gemeinsamkeiten, denn „Toledo“ kann durchaus aus sich heraus mit eigenen Stärken aufzuwarten, die nun näher betrachtet werden sollen.

Die Geschäftetafeln zeigen entweder einen oder zwei Kreise, auf denen im Laufe des Spiels die Figuren landen können. Interessant regelt Wallace dabei die Karten gesteuerte Fortbewegung der jeweils 5 Spielfiguren, die den Spielern zur Verfügung stehen. Zunächst legt der Spieler eine Geldkarte aus seiner Hand vor sich ab und bewegt eine seiner Figuren um exakt die angezeigte Zahl in Richtung Alcazar, wobei die Bewegung nur auf einer eigenen oder fremden Geschäftetafel enden darf. Dann kann er das Geschäft nutzen oder darauf verzichten, falls er keinen Vorteil darin sieht oder die dafür anfallenden Preise nicht bezahlen kann. In jedem Fall darf der Spieler anschließend (auch mit anderen seiner Figuren) so lange weiterziehen, wie er in der Lage ist, Karten des ursprünglich ausgelegten Kartenwertes abzulegen. Dadurch ist bei glücklicher Kartenhand so mancher Durchmarsch möglich. Eigene Geschäfte können dabei kostenfrei genutzt werden, fremde Geschäfte kosten je nach Nähe zum Alcazar mindestens 1, 3 oder 5 Münzen. Je näher ein Geschäft an der Festung liegt, desto höher ist der Betrag, den der Besitzer der Geschäftetafel von dem Spieler am Zug erhält. Da man grundsätzlich nur mit einer einzigen Karte bezahlen darf und nicht gewechselt wird, ist sinnloses Überzahlen zur Freude der Mitspieler an der Tagesordnung, wenn jemand beispielsweise nur noch 5er oder 6er Karten auf der Hand hat und eigentlich nur 3 Münzen zahlen muss.

 

Zahlen bitte!

 

Man kommt, vorausgesetzt man hat Interesse am Sieg, nicht umhin, häufig die Geschäfte der anderen zu nutzen und ordentlich dafür zu blechen, um die Vorteile der Läden nutzen zu können. So lässt sich beim Metallhändler ein Metall (aus fester Pappe) erstehen, der Edelsteinhändler veräußert einen Edelstein (aus buntem Kunststoff) und der Schwertschmied schließlich schmiedet aus den gerade erwähnten Materialien Schwerter in unterschiedlicher Wertigkeit, die nur dann die volle Siegpunktzahl bringen, wenn sie im Laufe des Spiels den Alcazar erreichen. Zusätzlich liegen auf dem Weg dorthin zwei fest auf dem Plan aufgedruckte Tavernen, in denen man gleich drei neue Karten vom Zugstapel erhält. Wer lieber in Bildung investiert, stattet dem ortsansässigen Künstler einen Besuch ab und erwirbt von ihm die jeweils oberste Karte eines Stapels aus sechs Gemäldekarten von El Greco (der übrigens tatsächlich In Toledo lebte, wirkte und 1614 dort auch starb), die ebenfalls am Ende des Spiels Punkte bringen.

 

En Garde!

 

Eine Regelpassage wurde bislang nicht angesprochen, da sie auf mich irgendwie wie ein Notnagel wirkt und sich nicht so nahtlos in das Gesamtgefüge von „Toledo“ einfügt wie die übrigen Spielelemente, und das sind die Duelle. Offensichtlich musste eine Lösung für den Fall gefunden werden, dass jemand eine Geschäftetafel nutzen möchte, die bereits voll besetzt ist. In diesem Fall lässt Wallace die beteiligten Spieler in einem Duell gegeneinander antreten, das der neu auf die Tafel gezogene Spieler als Angreifer beginnt und das wiederum mit Hilfe der Geldkarten abgewickelt wird. Am unteren Rand jeder Karte ist eine Kampfsituation mit stilisierten Fechtern in unterschiedlichen Farben abgebildet. Nacheinander werden bis zu drei Geldkarten aufgedeckt und es gewinnt der Spieler, der zuerst zwei Duelle für sich entscheiden kann, der Verlierer wird zurück zum Startfeld auf die Kathedrale gesetzt. Um seine Chancen im Duell erhöhen zu können, gibt es unter den Geschäftetafeln auch noch den bislang nicht erwähnten Schwertmeister, der demjenigen, der das Geschäft nutzt, eines der offen ausliegenden Fechtmeister-Plättchen einbringt. Bis zu drei davon darf man gleichzeitig vor sich liegen haben. Es gewinnt, wer ein Plättchen in der aufgedeckten Farbe vor sich liegen hat. Besitzen beide Spieler ein passendes Plättchen (oder eben keiner von ihnen), siegt, wer auf dem Piktogramm auf der Geldkarte deutlicher dargestellt ist. Entweder der Angreifer oder der Verteidiger. Fortuna lässt hier dann doch recht ordentlich grüßen.

Der Vollständigkeit halber, und weil es einen starken Vorteil für seinen Besitzer mit sich bringt, sei an dieser Stelle auch noch das so genannte Bewegungsplättchen erwähnt, das es ebenfalls beim Schwertmeister gibt und das es erlaubt, während der Bewegung ein Mal zu einem beliebigen Zeitpunkt eine Karte mit einem von der ursprünglich gelegten Karte abweichenden Wert auszuspielen und zum Vorankommen zu nutzen. Praktisch, spieltechnisch stark und daher auch am Ende des Spiels zwei Minuspunkte wert, wenn man das Plättchen dann noch besitzt.

 

Kein Strategiehammer

 

So zieht man munter reihum, sammelt Edelsteine, Metall, Gemälde und Karten und zieht schließlich seine Figuren in den Alcazar, wo sie ein eventuell mitgeführtes Schwert abliefern und aus dem Spiel sind. Wer zuerst seine dritte Figur zum Alcazar zieht, beendet das Spiel und läutet nach einer letzten Runde die Schlusswertung ein. Dann gewinnt derjenige mit den meisten Ruhmespunkten, die folgendermaßen berechnet werden: Jedes Schwert im Alcazar bringt die aufgedruckte Punktzahl, Schwerter, die quasi auf der Strecke geblieben sind, bringen die (abgerundete) halbe Punktzahl, die Gemäldekarten sind so viel wert, wie auf der Karte angegeben und schließlich bringen je zwei Edelsteine noch einmal je einen Ruhmespunkt. Oft kommt man am Spielende über eine Summe von 20 nicht heraus, zumal jeder sofort versuchen wird, das Spiel zu beenden, wenn er sich im Vorteil sieht (der aktuelle Punktestand ist jederzeit ersichtlich), und schnell den Sack zu machen will. Die Spieler haben also das Spielende in ganz erheblichem Maße selbst in der Hand.

Apropos Hand: Es gibt kein Handkartenlimit, was zur Folge hat, dass sich im Verlauf einer Spielrunde schnell herausstellt, wer unter den Teilnehmenden eher Sammler als Jäger ist und die Hälfte des Spiels damit zubringt, ausreichend Geldkarten für Endloszüge zu bunkern. Glücklicherweise muss auch solch ein Spieler immer die anderen im Auge behalten, denn ein Blitzstart mit anschließendem Durchmarsch, um das Feld quasi von hinten her aufzurollen, ist riskant und bringt gar nichts, wenn er auch nur eine Runde zu spät gestartet wird. So wird schnell klar, dass es viele mögliche Strategien gibt. Durch die zufällige Anordnung der Karten und die nach einer Spielrunde häufig grundlegend geänderte Situation auf dem Brett kommt jedoch eine nicht ganz unerhebliche Glückskomponente hinzu, die an sich nicht tragisch ist, wenn man sich darauf einzustellen weiß. Man darf lediglich durch die eingangs erwähnten optischen Parallelen zu anderen Spielen nicht auf einen hochkarätigen, knallharten Taktik- und Strategiehammer schließen, denn das ist „Toledo“ nicht und das will es auch nicht sein.

 

Dennoch findet sich – vor allem nach mehreren Spielen – weitaus mehr Tiefe darin als es nach dem Studium der Anleitung den Anschein hat. Es lässt sich prima aus dem Bauch heraus spielen und ist daher ideal für Familien und Freunde, bietet aber auch Vielspielern genügend Optionen, um zumindest einmal zum Ausprobieren die Straße zum Alcazar zu betreten. Der Verlag selbst schreibt am Ende der Regel über Martin Wallace: „Mit „Toledo“ beweist er, dass auch ein einfaches Spiel trickreich sein kann.“ Ich hätte es nicht besser formulieren können.

 

Stefan Olschewski

stefan@pierrot.tobit.net (von ihm angegeben)

 

 

Spieler: 2-4

Alter   : ab 10 Jahren

Dauer : ca. 30-45 Min

 

Autor           : Martin Wallace

Grafik          : Jo Hartwig

Vertrieb        : Kauffert

Preis            : ca. 30,- Euro

Verlag          : Kosmos 2008

           www.kosmos.de

 

Strategie                : *****
Taktik                    : *****
Glück                    : ****
Interaktion             : ******
Kommunikation      : ******
Atmosphäre           : *****


Bewertung:

Genre          : Lauf- und Optimierungsspiel
Zielgruppe    : Familie und Freunde

Mechanismen: Möglichkeiten optimal nutzen

Kommentar:

Material und Grafik ansprechend und stimmig
Gut verständliche Spielregeln
Spielreiz steigt bei mehreren Spielen
Unbegrenzte Handkarten ermöglichen Kettenzüge

Schnell erklärtes

 

Vergleichbar:

Straßenverlauf und Gebäudenutzung: Caylus (Istari)
Karten sammeln: Zug um Zug (Days of Wonder)

 

Stefan Olschewski

Ein nettes, gut ausgestattetes Spiel mit einfachen Regeln und mittlerem Anspruch, dass nicht nur Familien mit seinem interessanten Bewegungsmechanismus kurzweilige Unterhaltung bietet.