Tal der Könige

 

Spiele des Franckh Kosmos Verlages wurden von mir bisher links liegen gelassen. Einmal, wil sie für meine Begriffe einfach zu teuer sind, und zum anderen, weil ich der Meinung war, daß ihr Spielwert nicht besonders hoch sei. Letzteres mußte ich aber anläßlich der Kärntner Spieletage '92, wo alle Franckh Kosmos Spiele in der Spielothek auflagen, grundlegend revidieren. Zwar sind nicht alle Spiele nach meinem Geschmack - bei welchem Verlag trifft dies schon zu? - aber Spiele wie Ayanu, Maritim, Janus, Forum Romanum und Terra Turium sind es durchaus wert, in jede Spielesammlung aufgenommen zu werden, wenn, ja wenn da nicht der hohe Preis wäre.

 

Und genau das dachte ich mir vor einigen Monaten, als ich in einem Spielegeschäft das Tal der Könige betrachtete. 1000.- Schilling waren ein stolzer Preis für ein Spiel, von dem man nur wußte, daß ein gewisser Christian Beierer der Autor sei, und genau das war auch der Grund, warum ich es ernsthaft erwog, das Spiel zu kaufen.

Bevor nun der eine oder andere zu grübeln beginnt, wer dies wohl sei und ob man Christian kennen müßte - vielleicht ein Pseudonym, wenngleich auf der Rückseite ein Bild von ihm zu finden ist - kurz die Erklärung: Als ich vor einigen Jahren Spiele zu sammeln begann, war Christian der erste Sammler, mit dem ich in Kontakt trat und außer ein paar Telefonaten und einigen Briefen hatte sich nie die Möglichkeit eines persönlichen Kontaktes ergeben. Also dachte ich mir, daß dies vielleicht eine Möglichkeit wäre, ihn näher kennen zu lernen.

Doch da war noch immer der hohe Preis! Und irgendwie dürfte der Verkäufer etwas von meiner Seelenpein mitbekommen haben, denn er bot mir einen Nachlaß von 10% an und das war genau der Grund, nach dem ich gesucht hatte: 100 Schilling gespart! - daß ich dafür aber 900 löhnen mußte, vergaß ich im Moment der Euphorie ganz.

 

Wie dem auch sei, seit damals war ich stolzer Besitzer eines Franckh Kosmos Spieles und es bekam einen Ehrenplatz in meiner Sammlung, aber nicht wegen der Tatsache, daß es von Franckh Kosmos bzw. von Christian Beierer ist, sondern weil sich die dreieckige Schachtel absolut nirgends einordnen lassen wollte - und damit sind wir schon beim Thema.

Wie die Schachtel, so ist auch der Spielplan dreieckig - aufgebaut aus vier gleichseitigen Dreiecken - ein wahres Meisterwerk moderner Spielplantechnologie. Das Betrachten des Spielplanes, der neben ägyptischem Schnick-Schnack eine Menge verschieden großer Quadrate zeige, motivierte mich sofort, den Lehrsatz des Pythagoras zu beweisen, aber weil es mir nicht ad hoch gelingen wollte, wandte ich mich eben den Spielregeln zu.

 

Pyramiden sollen gebaut werden, aus Holzsteinen, wobei 3 verschiedene Pyramidentypen möglich sind. Einfärbige, wo alle Steine dieselbe Farbe besitzen, Schichtenpyramiden, wo dies wenigstens für die einzelnen Schichten zutrifft, und Chameleons, die wie der Name schon sagt, eben bunt sind. Klar, daß die ersteren die wertvollsten sind und je nach Energie des Bauherrn gibt es zwei Ausführungen - kleine Einfamilien-Pyramiden und große Wohnsilos.

 

Literarisch gebildete Leser wissen nun sofort, worauf es ankommt, denn seit dem Besuch von Asterix bei Kleopatra ist bekannt, daß man zum Bauen von Pyramiden etwas benötigt, nämlich Bausteine. Also woher nehmen, wenn nicht stehlen? Behandeln wir zuerst das Nehmen.

In jeder Runde werden nämlich am freien „zum Pyramiden bauen Steine Markt“ bunt gemische Fünferpakete von Steinen - es gibt sie in 4 Farben - zum Kauf angeboten und zwar immer ein Paket mehr als Spieler vorhanden sind. Reihum gibt nun jeder Kaufwillige mit seinen Biettafeln ein Gebot ab, in dem er diese verdeckt zu jenen Paketen legt, die ihn zu interessieren scheinen. Scheinen deshalb, weil man neben 4 Biettafeln, die ein bis vier Punkte tragen, die abstrakte Währung dieser Zeit, auch vier Blankotafeln, besitzt, die ein Bluffen beim Bieten erlauben.

Nach dem Aufdecken erhält natürlich immer der Meistbietende das Paket, wobei bei Gleichstand jener, der früher geboten hat, den Vorzug erhält. Da der Startspieler aber jede Runde wechselt, ist dies kein allzu großer Nachteil und man wird seine Bietstrategie als Letzter eben danach ausrichten.

 

Hat man so einige Bausteine erstanden, geht's endlich ans Bauen, aber wo nur? Und nun betreten die Spielfiguren den Platz des Geschehens. Da sind zunächst die beiden Aufseher, die nicht so sehr die 6 Arbeiter beaufsichtigen sollen, sondern eher dazu dienen, Bauplätze in Besitz zu nehmen bzw. diese im Laufe des Spieles gegen fremde Übergriffe zu verteidigen.

In jeder Runde dürfen die beiden Figuren zu diesem Zweck zusammen bis zu 6 Felder ziehen, wobei dies ab der 2. Runde verdeckt geschieht. Dabei darf man auch durchaus fremde Bauplätze betreten, aber die Absichten eines solchen Zuges können wohl keine redlichen sein.

Nachdem alle Aufseher gezogen haben, sind nun die 6 Arbeiter an der Reihe und diese ziehen im Gegensatz zu den Aufsehern immer offen. Grundsätzlich wird man mit Arbeitern immer auf eigene Baustellen ziehen - wozu hat man sie denn schließlich angeeworben - denn dort verbaut jeder bis zu 2 Pyramidensteine.

 

Aber, und nun sind wir beim Stehlen, sie können auch dunkleren Geschäften nachgehen. Ist es einem Spieler nämlich gelungen, auf einem fremden Bauplatz mehr Aufseher zu postieren als der Besitzer dieses Bauplatzes, so darf er für jeden seiner Arbeiter, der dorthin gezogen wird, 2 Steine aus der Pyramide rauben. Gelingt es ihm sogar, mehr Arbeiter als der Besitzer zu versammeln, so begnügt er sich nit mehr mit dem Stehlen von irgendwelchen Steinen, sondern übernimmt gleich das ganze Baugelände.

Sind schließlich alle Besitzverhältnisse geklärt und so manches Gesicht um einiges länger geworden, geht's endlich ans Bauen. Wie bereits erwähnt, darf jeder Arbeiter bis zu 2 Steine verbauen. Pyramiden, die dadurch fertiggestellt werden, sind ab nun tabu und dürfen nicht mehr be(ge)raubt werden.

Bevor es nun wieder ans Versteigern von Steinen geht, muß ich noch kurz erwähnen, daß mit jenen Bausteinen, die in dieser Runde nicht verbaut wurden, weil sie aus irgendeinem Grund nicht ins Konzept gepaßt haben, eine große, 30 Steine umfassende Pyramide errichtet wird, mit deren Fertigstellung das Spiel augenblicklich endet - Rudi Hoffmann läßt grüßen!

 

Soweit also der Spielverlauf, der einem einiges an Überlegung abfordert. Das beginnt schon beim Ersteigern der Bausteine: Welche Pyramide will ich überhaupt bauen, welche Gruppe ist für mich dabei die interessanteste, oder will ich vielleicht einem anderen eine für ihn wichtige wegschnappen? Oder versuche ich möglichst viele Steine zu erhalten, um diese dann alle in die große Pyramide zu verbauen und so das Spielende schneller herbeizuführen?

Beim Setzen der Aufseher muß man sich nicht nur darüber klar werden, ob man neue Bauplätze errichten will oder fremde angreift, sondern man muß auch immer damit rechnen, daß andere versuchen werden, eigene Bauplätze zu übernehmen, vor allem dann, wenn die Pyramide kurz vor Fertigstellung ist. Ein Blick auf die von den Gegnern ersteigerten Steine gibt so manchen Hinweis.

Das Setzen der Arbeiter vervollständigt meist nur die mit den Aufsehern verfolgte Strategie, aber durch Eroberungszüge der Gegner wird man des öfteren gewzungen, Baupläne kurzer Hand fallen zu lasssen, um den Verlust einer Baustelle zu verhindern. Dies alles unter einem Hut zu bringen, ist aber wegen der großen Unbeweglichkeit der 6 Arbeiter - sie dürfen zusammen nur 6 Felder weit ziehen - gar nicht so einfach.

Und zu guter Letzt ist man in der Bauphase natürlich keineswegs gezwungen, Steine in Pyramiden zu verbauen, sondern man kann alle Steine in die große Pyramide geben, was vor allem dann sinnvoll ist, wenn man in Führung liegt.

 

Das Tal der Könige hat mir, das dürfte wohl klar geworden sein, sehr gut gefallen. Neben dar Spielmechanik, die so ziemlich alles erhält, was ein gutes Spiel ausmacht, begeisterte mich vor allem die Tatsache, daß hier wieder ein schönes Dreipersonen-Spiel vorliegt. Es läßt sich aber auch zu zweit und zu viert sehr gut spielen, wobei in beiden Fällen der Schwerpunkt anders gelagert ist. Während zu zweit mehr gebaut und weniger geraubt wird, auch wenn es weniger Bauplätze gibt, stehlen die Spieler beim Vierpersonenspiel bereits nach kurzer Zeit wie die Raben.

Noch eine kurze Anmerkung zum Spiel mit 4 Personen. Vor einiger Zeit war in der Pöppelrevuezu lesen, daß beim Vierpersonenspiel der letzte Spieler der ersten Runde benachteiligt ist, da er nicht gleich 2 große Bauplätze besetzen kann. Nach meinen Erfahrungen stimmt dies aber nicht, denn in unseren Runden wurde immer darauf verzichtet, große Pyramiden zu bauen, da der Punktewert einer großen Pyramide, im Vergleich zu kleinen Pyramiden, nach Meinung einiger Spieler viel zu niedrig ist. Und so ergibt sich auch hier noch ein weites Betätigungsfeld für Strategen, um herauszufinden, mit welchen Pyramiden man am besten fährt.

 

Also alles okay im Tal der Könige! Alles? Nein, denn, und das ist bei Franckh Kosmos Spielen eigentlich eine kleine Sensation, beim Spielmaterial wurde geschludert! Sowohl die Biettafeln verschiedener Spieler, wie auch die naturfarbenen und weißen Bausteine lassen ich sogar bei optimalen Lichtverhältnissen wegen der zu geringen Farbunterschiede nur sehr schwer unterscheiden.

Würde das Spiel nun nicht knapp 1000 Schillinge kosten, könnte man vielleicht noch darüber hinwegsehen, aber wer mit der Exklusivität des Materials diesen hohen Preis zu rechtfertigen versucht, der sollte auf solche Dinge wirklich peinlichst genau achten. Klar, daß man bei Franckh Kosmos diesen Fehler in der nächsten Auflage reparieren will, aber ob auch Käufer der ersten Auflage diesen Update-Service kostenlos in Anspruch nehmen können, war in Essen nicht zu erfahren.

Ist dieser Lapsus behoben, so kann man den Besuch im Tal der Könige - wo es übrigens überhauot keine Pyramiden gibt, aber wen stört das schon - absolut empfehlen, auch wenn es ein sehr teures Vergnügen ist.

 

WIN-Wertung:

** und 1/2* Tal der Könige W SS 1.5P II UUU 2.5A 2-4 (3-4) m