UNSERE REZENSION

 

Puzzlen mit Schiffsteilen

 

NAUTICUS

 

Gratis kostet fast nix

 

„Ein Schiff wird kommen, und das bringt mir den einen Siegpunkt, den ich so lieb wie keinen und der mich glücklich macht; ein Schiff wird kommen und meinen Traum erfüllen und meine Sehnsucht stillen, die Sehnsucht mancher Spiele-Nacht.“ Ein Schiff allein reicht für den Sieg jedoch noch lange nicht aus, je mehr Schiffe desto besser, und je größer (bzw. länger) desto siegpunkteträchtiger. Der Zusammenbau der diversen Schiffsteile erinnert an den Turmbau in „Asara“ (ausgezeichnet als Spiel der Spiele 2011). Wir erinnern uns: Jeder Turm hat (zumindest) aus einem Sockel und einer Spitze zu bestehen, weiters konnten noch beliebig viele Mittelteile bzw. Stockwerke – unlogischerweise auch noch nachträglich – eingebaut werden, alles musste jedoch die gleiche Farbe aufweisen.

 

Die Schiffe bestehen wiederum aus Rumpf-, Mast- und Segel-Plättchen und müssen auch genau in dieser Reihenfolge zusammengesetzt werden; (nur) Mast und Segel müssen (grundsätzlich) wieder die gleiche „Farbe“ (hier Symbol) haben. Ein derart vollständiger Einmaster wirkt allerdings nicht sehr hochseetauglich, eher schaut es danach aus, als müsste er gleich nach vorne oder hinten umkippen und im Meer versinken, sobald er zu Wasser gelassen wird. Das Auge – sowie das Siegpunkte-Konto – erfreut da schon mehr ein Zwei- oder Dreimaster; außerdem ein herzliches „Ahoi“ dem Viermaster! Jeder Rumpfteil muss hier mit einem (weiterhin) gleichfarbigen Mast und Segel ausgestattet sein, dafür unterscheiden sich die einzelnen Rumpfteile in Bug, Heck und (ein oder zwei) Mittelteil(e). Nachträgliches Erweitern eines Schiffes – durch Einschieben von Mittelteilen – ist hier explizit verboten. Die strengeren Bauregeln sind somit etwas stimmiger ausgefallen, streng logisch geht es dennoch nicht zu. Erlaubt ist nämlich etwa ein zur Hälfte voll ausgestattetes Schiff, das leider völlig in der Luft hängt und noch auf die Ergänzung durch seine zweite Hälfte warten muss. Noch seltsamer erscheint, dass man auch eine derart erst halbfertige „Schiffsruine“ bereits mit einer Ware beladen darf (immerhin ist das Ausladen noch nicht möglich).

 

Wie kommen wir nun zu unseren Schiffsteilen? Dazu stellen uns die Autoren ein (jede Runde neu zusammengestelltes) Aktionsrad (bzw. Rondell) zur Verfügung, mit welchem acht verschiedene Aktionen genutzt werden können. Die Spielmechanismen übernehmen dabei die bereits vielfach bewährte Idee, dass der jeweils Auswählende einen exklusiven Bonus erhält, aber auch die Mitspieler in weiterer Folge die gleiche Aktion (natürlich ohne Bonus) ausführen dürfen. Drei dieser Aktionen dienen dem Einkauf von Rumpfteilen, Masten oder Segeln. Das ist natürlich nicht gratis, sondern kostet pro Teil null bis drei Münzen (der Preis ändert sich jede Runde). Moment, für null Münzen gibt es auch etwas im Angebot, dann ist ja doch etwas gratis? Nein, denn als zweite Währung fungieren hier Arbeiter(würfel), welche ebenfalls – wie das stets eher knappe Geld – nach jeder Nutzung ausgegeben werden müssen [offenbar ist jede Lohntätigkeit mit einem letalen Arbeitsunfall verbunden]. Also muss man auch den „Gratis-Teil“ noch mit einem Arbeiterwürfel bezahlen. Neu und gelungen ist der Umstand, dass jede Aktion null bis drei „virtuelle“ Gratis-Arbeiter zur Verfügung stellt, welche jedoch verfallen, wenn auf die Aktion verzichtet wird. Dass man dennoch nicht immer bei jeder Aktion mit dabei sein will bzw. kann, ist neben der sonstigen Knappheit auch darin begründet, dass Passen Siegpunkte bringt.

 

Wirklich ganz und gar gratis, also sogar ohne Arbeiterkosten, ist jeweils der fünfte eingekaufte Teil, sofern es sich zuvor um ein Set von vier verschiedenen Teilen gehandelt hat. (Dagegen schlägt der Einkauf von weiteren gleichen Teilen sehr teuer mit jeweils generell vier Münzen plus Arbeiter zu Buche). Dann wird man doch so gut wie immer daran interessiert sein, einen derart fünften Teil abzustauben? Nein, denn im ganzen Spiel gilt folgende „goldene Regel“: Alle (mehr oder weniger) gratis erworbenen Teile dürfen nicht gleich verbaut, sie müssen erst auf einem privaten Spielertableau zwischengelagert werden. Für den Weitertransport bzw. den späteren Einbau muss dann eine andere Aktion genutzt werden, welche zwar kein Geld, dafür pro transportiertem Teil wieder einen Arbeiter kostet. Das Schicksal eines Zwischenstopps im Lager ereilt auch jene Schiffsteile, die aus logischen Gründen nicht gleich verbaut werden dürfen: Etwa Segel, für die noch keine Masten bereit stehen. Dieses Ungemach lässt sich bei etwas Planung zwar noch ganz gut vermeiden, die Gier nach Gratisteilen kann aber dennoch leicht zu einem überquellenden Lager führen, in dem die diversen Schiffsteile langsam verstauben, ohne dass man es vielleicht noch rechtzeitig schafft, aus diesen prächtige Schiffe entstehen zu lassen.

 

Derart haben die Mitspieler also ihre jeweiligen Optimierungsaufgaben zu lösen, wobei das „Zusammen-Puzzlen“ der Schiffsteile sowie die ebenfalls notwendige logistische Lager-Verwaltung auch deswegen eine spannende und reizvolle Angelegenheit darstellen, als man sich für jedes fertige Schiff (neben den Punkten zu Spielende) sofort (je nach Anzahl der Masten eine bis vier) schöne Belohnungen aussuchen darf. Und diese Belohnungen sind wirklich gratis! Das Dilemma ist hier, dass man sich nur schwer entscheiden kann, welche Belohnung man sich gönnen soll, am liebsten möchte man natürlich alle haben. Auch „Joker“-Masten und -Segel stehen zur Auswahl: Diese können nicht nur problemlos auf jedes Schiff gesetzt werden, sondern liefern bei einer bestimmten Aktion auch noch Siegpunkte während des Spiels. Erhält man derartige Joker-Schiffsteile im Rahmen der Transport-Aktion, kann das sogar zu einer Kette von weiteren fertigen Schiffen und damit zu weiteren beglückenden „Geschenken“ führen.

 

Mit fertigen Schiffen Fische verschiffen: Neben dem Bauen von Schiffen stellt der Waren-Ein- und Verkauf bei der Abrechnung zu Spielende eine entscheidende Siegpunkte-Quelle dar. Diese Waren gibt es in vier Sorten, wobei mit mehreren Waren der gleichen Sorte die meisten Punkte zu erzielen sind. Bei der Einkaufsaktion kostet jede gleiche Ware jedoch (siehe oben) weitere vier (statt null bis drei) Münzen, sodass es gar nicht so leicht ist, sortenrein zu sammeln. Auch Mitspieler können einem natürlich die letzten gewünschten Waren wegkaufen, sodass man sich gleich zu Beginn besser für eine Sorte entscheiden sollte, die bislang noch nicht nachgefragt worden ist. Wichtig ist – was anfangs gerne vergessen wird – dass der Waren-Verkauf keinen Münzertrag bringt! Immerhin stellt das Aktionsrad auch eine Möglichkeit zur Verfügung, an Geld zu kommen. Anders schaut es mit den Arbeitern aus: Diese können nur mit manchen der Startspieler-Boni angeheuert werden, sodass man sich als Erstwählender häufig gezwungen sieht, eine weniger attraktive Aktion zu aktivieren, um auf diese Weise wieder ein wenig die eigene Belegschaft aufstocken zu können. Alternativ kann man drei Arbeiterwürfel auch als Belohnung bei fertiggestellten Schiffen nehmen, doch sind Joker-Schiffsteile meist die bevorzugte Wahl. Immerhin darf man auch dann noch bei der eigentlichen Aktion passen, nachdem man sich zuvor den Aktions-Bonus genommen hat.

 

Und damit kommen wir zur dritten Möglichkeit, mit welcher sogar während der fünf Runden Punkte zu lukrieren sind, und die nicht zu verachten ist: Mit der achten (und letzten) Aktion erhält man nämlich Siegpunkte für jeden „Joker“-Schiffsteil im eigenen Besitz – selbst wenn dieser noch im Lager dahin dümpelt – sowie für jedes vorherige Passen in der aktuellen Runde. Eine zweite Motivation für das Passen ist der Umstand, dass ein (Mit-)Nutzen jeder Aktion zum Rundenende mit sechs Minuspunkten bestraft wird, ein bis zweimal pro Runde sollte also besser jedenfalls auf eine Aktion verzichtet werden. Bei manchen Aktionen fällt einem dieser Verzicht leicht – möchte ich mich etwa auf das Bauen von Schiffen konzentrieren, muss ich nicht auch noch beim Waren-Handel mit dabei sein; will ich hingegen viele Waren verschiffen, werde ich vermutlich im letzten Spiel-Drittel kein neues Schiff mehr beginnen. Eine Misch-Strategie erscheint weniger empfehlenswert, zumal sich hier das Risiko einer „Verzettelung“ erhöht. Dennoch entsteht auch beim Passen immer wieder ein schönes Entscheidungs-Dilemma, insbesondere dann, wenn sich eine Aktion, auf die man gerade eigentlich ganz gut verzichten könnte, mit drei „virtuellen“ Gratis-Arbeitern schmückt.

 

Die Anzahl dieser Gratis-Arbeiter wird jede Runde neu und zufällig auf die acht Aktionen aufgeteilt, sodass der eigenen Strategie aufgrund der Willkür des Meeres-Gottes eine feine Brise oder gar ein starker Gegenwind entgegen schlagen kann. Besonders bitter ist es, wenn vielleicht sogar zwei Runden hintereinander die präferierte Aktion nur über einen oder gar nur 0 (in Worten: Null) Gratis-Arbeiter verfügt. Zwar lässt eine rechtzeitige Vorratshaltung derartigen Unbill etwas vermeiden, gutes Personal ist aber leider nur schwer in ausreichender Menge zu bekommen. Außerdem werden jede Runde nur sieben der acht Aktionen aktiviert, sodass der (Miss-)Erfolg der eigenen Spielweise auch stark von den Wünschen der Mitspieler abhängt. Sehr unangenehm wäre es etwa, wenn ein Mitspieler bereits die Aktion Waren-Verkauf wählt, noch bevor man selber die Gelegenheit gehabt hat, Waren auf die eigenen Schiffe zu verladen. Oder wenn ein Mitspieler schon Segel einkaufen und verbauen geht, einem selber aber dafür noch die passenden Masten fehlen und somit alles erst einmal ins Lager muss. Als gewisser Ausweg steht jedem Mitspieler einmalig eine private Sonder-Aktion zur Verfügung, die man aber natürlich auch lieber effizienter denn als bloße Not-Lösung einsetzen möchte.

 

Das Spielmaterial ist von adäquat guter Qualität, etwas nervig fühlt sich aber das Sortieren der vielen Plättchen vor und nach einer Partie an. Die Anleitung erklärt alles sehr gut, manche Details (welche außerdem ohnehin nur eher selten zur Anwendung kommen) wirken jedoch zu sperrig bzw. eher als Regel-Ballast.

 

Harald Schatzl

 

Spieler: 2 - 4

Alter: 12+

Dauer: 120 min

Autor: Wolfgang Kramer und Michael Kiesling

Grafik: Alexander Jung

Preis: ca. € 40,-

Verlag: Kosmos Verlag 2013

Web: www.kosmos.de

Genre: Bau- und Ressourcenmanagementspiel

Zielgruppe: Mit Freunden

Version: de

Regeln: de

Text im Spiel: nein

 

Kommentar:

Sehr gute und ausführliche Spielanleitung

Spielmechanismen passen thematisch nur bedingt zur Hintergrundgeschichte

Grundsätzlich gute grafische Gestaltung, dennoch Verwechslungsmöglichkeiten bei manchen Aktionen

 

Vergleichbar:

Spiele mit Bonus bei Aktionswahl (wie Puerto Rico, Race for the Galaxy)

 

Andere Ausgaben:

 

Meine Einschätzung: 5

 

Harald Schatzl:

Ein taktisches und strategisches Bau- und Optimierungsspiel mit geringem Glücksanteil, das ein spannendes Spielvergnügen bietet; nach „Die Paläste von Carrara“ vermutlich wieder ein sicherer Kandidat für die Nominierungsliste zum „Kennerspiel“ 2014.

 

Zufall (rosa): 1

Taktik (türkis): 3

Strategie (blau): 2

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 0

Kommunikation (rot): 0

Interaktion (braun): 2

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0