Die Wahrscheinlichkeit, dass ein
Buch gekauft wird, steigt mit dem Bekanntheitsgrad des Autors. Paulo Coelho,
Donna Leon, J.K. Rowling, Isabel Allende: Sie alle genießen großes Ansehen und
eine guten Ruf. Und ein Buch eines guten Autors kann doch nur gut sein – oder?
Aus diesem Grund fiebern wohl auch immer tausende Fans offen oder still nach
Neuerscheinungen dieser Autoren.
Für Spieleautoren gilt hier
ähnliches wie für Buchautoren: Manche Leute kaufen zwar Spiele prinzipiell nur
vor Weihnachten und da nach der Größe und Farbgestaltung des Kartons oder
aufgrund den Versprechungen der aktuellen Werbung. Kenner sind da aber schon
klüger und lassen sich eher durch Empfehlungen von Freunden, durch objektive
Spielbeurteilungen sowie durch die Namen bekannter Spieleautoren leiten.
„Einfach Genial“ kommt in
einer schlichten Kartonverpackung, die von schwarz-rot dominiert wird. In einem
Sechseck ist Leonardo da Vinci´s anatomische Studie eines Menschen („La Divina
Proportione“, im Original von 1490 in einem Rechteck und Kreis) abgebildet.
Von der sechseckigen Form
ist auch das Spiel dominiert, das auf den ersten Blick als Mischung zwischen
Halma und Domino erscheint. Das Spiel ist reichlich ausgestattet und besteht
aus einem Spielplan, vier Wertungstafeln, 24 kleinen Holzwürfeln als
Wertungsmarkern, einem Stoffsack mit 120 Kunststoff-Spielsteinen und vier
Kunststoffbänkchen zum Ablegen der Spielsteine.
Der Spielplan zeigt ein
einziges großes Sechseck, das selbst aus sechseckigen Feldern besteht. Die
äußerste - dunkelgrau eingefärbte - Reihe wird nur bei 4 Spielern, die
zweitäußerste, mittelgraue Reihe nur bei 3-4 Spielern verwendet. Bei 1-2
Spielern wird nur auf den inneren hellgrauen Feldern gespielt.
Die Spielsteine bestehen
aus zwei, an einer Längsseite zusammenhängenden Sechsecken, die jeweils eines
von 6 unterschiedlichen Symbolen (z.B.: roter Stern, grüner Kreis, oranges
Sechseck,...) zeigen. Sie werden während des Spieles auf die sechseckigen
Felder des Spielplanes gelegt.
Die Wertungstafel zeigt
eine Matrix mit 6 Zeilen und 19 Spalten. Jedem Symbol eine der 6 Zeilen
zugeordnet, die Spalten sind von links nach rechts mit 0 bis 18 beschriftet. Die
Wertungsmarker werden zu Beginn auf die erste Spalte mit Wert „0“ gesetzt und
rücken während des Spieles nach rechts vor.
Ziel des Spieles ist es, durch
Anlegen von Spielsteinen mit Farbsymbolen an übereinstimmende Farbsymbole
Punkte zu erzielen. Der Spieler dessen niedrigster Wertungsmarker zu Spielende
auf der Wertungstafel am weitesten vorne ist, gewinnt.
Zu Spielbeginn erhält jeder
der Mitspieler eine Wertungstafel und ein Kunststoffbänkchen. Das Bänkchen
wird, ähnlich wie bei Rummy, mit sechs Spielsteinen bestückt.
Alle Wertungstafeln sollten – im
Gegensatz zu den Steinen am Ablagebänkchen - für alle Mitspieler gut einsehbar
sein. Die Steine am Ablagebänkchen hingegen darf nur der Spieler sehen, dem sie
gehören. Das erreicht man am besten, wenn die Wertungstafeln zwischen Spielplan
und Ablagebänkchen gelegt werden.
Reihum wird jeweils ein Spielstein
auf die sechseckigen Felder des Spielplanes gelegt. Die einzigen Regeln für das
Einsetzen der Steine sind:
-
sie
dürfen dabei nicht über den Rand des Planes hinausragen.
-
sie
dürfen die bereits am Spielplan abgebildeten Symbole nicht abdecken.
-
sie
müssen in der ersten Runde an eines dieser Symbole angrenzen, das von den
Vorspielern noch „unbesetzt“ ist.
Nach dem Anlegen wird der
Spielstein gewertet. Es wird nacheinander von jedem der beiden Farbsymbole auf
dem neu angelegten Spielstein ausgegangen. Dabei werden jeweils alle fünf
Richtungen - außer der Richtung zum
zweiten auf dem Spielstein befindlichen Symbol – in gerader Linie betrachtet.
Für jeden in Strahlrichtung ausliegenden, ohne Unterbrechung durch einen
anderen Spielstein oder eine Lücke angrenzenden, Spielstein mit gleichem Symbol
gibt es einen Punkt.
Der Wertungsmarker des
entsprechenden Symbols wird dann auf der eigenen Wertungstafel um die Zahl der
erzielten Punkte weiter gezogen.
Erreicht ein Spieler mit einem
seiner Steine die Spalte 18, so darf er zur Belohnung einen zusätzlichen
Spielstein legen.
Am Ende jedes Zuges werden die
eigenen Spielsteine am Ablagebänkchen wieder auf 6 Stück ergänzt - oder unter
speziellen Bedingungen – gegen neue Steine ausgetauscht.
Das Spiel endet, wenn kein weiterer
Stein mehr angelegt werden kann. Der Clou dabei ist, dass nur der niedrigste
Wertungsmarker jedes Spielers zählt. Der Spieler, dessen niedrigster Wertungsmarker
am weitesten vorne ist, gewinnt.
Während des Spieles bilden sich
manchmal längere, zusammenhängende Reihen oder größere Flächen mit gleichen
Symbolen. Diese Konstellationen sollten unbedingt ausgenützt werden, denn nur
sie bringen gewinnbringend viele Punkte. Leider hat man nicht immer die
geeigneten Spielsteine, um optimal anlegen zu können.
Man darf aber über dem eigenen
Punktemachen auch nicht vergessen, dass diese Konstellationen auch den anderen
Spielern viele Punkte bringen, wenn diese die passenden Spielsteine besitzen.
Es gilt daher neben dem optimalen Ausnützen der Situation auch den anderen
Mitspielern eben diese guten Möglichkeiten (am besten für deren am weitesten
hinten liegende Wertungsmarker) zu blockieren.
Da am Ende nur der niedrigste
Wertungsmarker jedes Spielers zählt, hilft es überhaupt nichts, mit einigen
Wertungssteinen sehr weit zu sein, solange auch nur ein einziger eigener
Wertungsmarker noch weit hinten ist. Hier sollte man sich auch von „einmaligen“
Punktegewinnen nicht blenden lassen. Denn oft gibt es am Ende gerade für das am
meisten benötigte Symbol keine Möglichkeit mehr gute Punkte zu machen.
Eine weitere taktische
Spielmöglichkeit – besonders bei zwei Spielern - ist es, das Spiel möglichst
schnell zu beenden, wenn man selbst in Führung liegt. Das erreicht man durch
Einschließen von möglichst vielen einzelnen Leerfeldern beim Legen von eigenen
Spielsteinen. Das Spielfeld ist damit früher voll, weil keine weiteren Steine
mehr in die einzelnen Leerfelder gelegt werden können.
Das Spiel ist abwechslungsreich und
interessant, Spielsituationen wiederholen sich selten. Das Spielprinzip ist
erfrischend neu und erinnert fast an klassische Brettspiele.
Die Wartezeiten zwischen den Zügen
sind üblicherweise kurz. Neben dem Glücksfaktor beim Ziehen der Spielsteine ist
auch die Taktik beim Anlegen sehr wichtig. Zufall und Strategie stehen hier in
einem sehr gut ausgewogenen Verhältnis.
Die Regeln sind einfach und in
längstens fünf Minuten erklärt. Die Spieldauer beträgt etwa 30-45 Minuten.
Das Spiel ist für Leute ab 10
Jahren bestimmt, dürfte sich jedoch, wenn man es taktisch nicht ganz so ernst
nimmt und den Spaßfaktor in den Vordergrund stellt, wohl sicher auch für
jüngere Kinder eignen.
Eine Besonderheit von „Einfach
Genial“ ist, dass es von 1-4 Personen gespielt werden kann. Wir haben das
natürlich ausgiebig getestet. Uns hat das Spiel mit 2-4 Teilnehmern am besten
gefallen.
Im Gegensatz zu anderen Spielen ist
das Spiel zu zweit mindestens genauso lustig wie zu dritt oder zu viert, nur
ein wenig anders.
Wie bei den meisten interaktiven
Spielen üblich ist das Vorausplanen und das Verfolgen einer Taktik umso
schwieriger, je mehr Spieler beteiligt sind. Während sich bei zwei Spielern nur
geringe Änderungen innerhalb einer Runde ergeben, kann sich die Situation bei
vier Spielern bis zum nächsten Mal drankommen schon wesentlich verändern.
Dafür steigt mit der Anzahl der
Mitspieler die Herausforderung sich jedes Mal rasch an die aktuelle Situation
anzupassen. Da die Maximalzahl der teilnehmenden Spieler bei 4 liegt, sind die
Auswirkungen nicht ganz so dramatisch.
Das Solospiel ist technisch in
Ordnung, gleicht aber fast dem Patiencelegen und hat uns nicht so gut gefallen.
Hier fehlt eindeutig die Interaktion mit den Mitspielern.
Verbesserungswürdig sind die
folgenden beiden Punkte.
Die Schachtel ist gut
dimensioniert, für die Wertungstafeln bleibt allerdings kein sinnvoller Platz.
Sie müssen ganz obenauf gelegt werden, rutschen dort hin und her und tendieren
dazu heraus zu fallen. Wären die Ränder des Kunststoffeinsatzes hingegen auf
zwei gegenüberliegenden Seiten vertieft, könnte man hier die Wertungstafeln
besser hineinlegen.
Die Bestimmungen für die Wertung
sind in der Spielanleitung bei Gleichstand zweier Spieler nicht genau definiert.
So hatten wir bei einem Testspiel folgenden Stand auf der Wertungstafel:
|
13 |
14 |
15 |
16 |
17 |
18 |
Spieler A: |
rot, gelb |
- |
grün |
- |
violett |
blau,
orange |
Spieler B: |
orange |
Rot |
lila |
- |
- |
grün, blau, gelb |
Hier sollte man annehmen, dass
Spieler B gewonnen hat, weil seine Wertungssteine eindeutig weiter vorne sind
als die von Spieler A. Schließlich hat Spieler A zwei Steine auf der
niedrigsten Position, Spieler B nur einen.
Wertet man allerdings streng nach
Spielregel „... wenn zwei oder mehr
Spieler den gleichen Punktestand erreicht haben, also ein Gleichstand eintritt:
dann entscheidet die Position des nächst höheren Wertungssteines der Spieler
mit Gleichstand über den Sieg und so weiter.“, so gilt: nächst höherer
Wertungsstein von Spieler A liegt auf 15, von Spieler B auf 14. Also hätte
Spieler B eigentlich gewonnen, was vom Spielautor aber wohl nicht so gemeint
sein kann.
Alles in allem ist „Einfach Genial“
gut gelungen und hat allen Testspielern Spaß gemacht. Es deckt eine breite
Palette von Anforderungen ab und eignet sich als Gesellschaftsspiel sowohl für
Familien als auch für anspruchsvollere Spieler.
Christoph Klager
christoph.klager@andritz.com
Spieler: 1-4
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: ca. 30-60 Minuten
Verlag:
Vertrieb:
Autor:
Grafiker: Fine Tuning / Michaela Schelk
Preis: ca. € 26
Genre: Lege- und Sammelspiel
Zielgruppe: Familie
Mechanismus: Steine
anlegen und nachziehen
Strategie: ****
Taktik: ****
Glück: ****
Interaktion: *****
Kommunikation: ***
Atmosphäre: ******
Kommentar:
Elegante, abstrakte
Ausstattung
Sehr einfache Regeln
Großer Spielspaß
Auch für Anfänger geeignet
Christoph Klager: Es deckt eine
breite Palette von Anforderungen ab und eignet sich als Gesellschaftsspiel
sowohl für Familien als auch für anspruchsvollere Spieler.
Wenn Sie gerne Toscana oder
Carcassonne spielen, wird Ihnen auch Einfach Genial gefallen.