UNSERE REZENSION
Höhlen und Drachen
Die Legenden von Andor
und Zwerge – oweh!
Ein liebliches, fruchtbares Land ist Andor, regiert vom König in seiner schönen Feste. Das Bauernvolk bestellt die Äcker, in den Handelskontoren rollt der Rubel, und selbst die Hexe in ihrem Nebelreich am großen Fluss hilft den Schutzsuchenden mit ihren magischen Tränken – freilich, nur wenn die sie auch bezahlen können. In den benachbarten Wäldern leben fröhlich singende Elfen, in den Bergen schaffen fleißige Zwerge, was diese Kleinwüchsigen halt so schaffen. Diese Idylle wird nur manchmal dadurch gestört, dass blutrünstige Monster auftauchen und die Burg stürmen, ein geistesgestörter Totenbeschwörer die Herrschaft an sich reißen will, der Thronfolger entführt wird oder dergleichen Kalamitäten mehr. Wie günstig, wenn sich dann Abenteuerinnen und Abenteurer (tatsächlich kann man zwischen gleichberechtigten männlichen und weiblichen Charakteren wählen) finden, die den Versuch wagen, den Frieden wieder herzustellen. Sie wollen die Legende weitertragen.
Michael Menzel, Autor der „Legenden von Andor“, dankt im Begleitheft zum Spiel ganz vielen Menschen und besonders seiner Familie, die während über zwei Jahren, welche die Entwicklung gedauert hat, so viel Verständnis und Zeit für sein Projekt aufgebracht haben. Zuvor schon als Grafiker und Illustrator in der Branche tätig, erscheint nun sein erstes ganzes Spiel bei Kosmos. Noch jetzt beantwortete er Fragen dazu umgehend und geduldig; dafür an dieser Stelle auch unseren Dank.
In „Die Legenden von Andor“ hetzen bis zu vier Charaktere (Zwerg/in, Magier/in, Krieger/in und Bogenschütze bzw. -schützin) über das Spielfeld, um mehrere Missionen zu erfüllen, die nach einer geringen Anzahl von Runden (höchstens fünfzehn, bereits einschließlich dem seltenen Sonderereignis einer Doppelrunde) alle erledigt sein müssen, um das jeweilige, von der gewählten Legende abhängige Spielziel zu erreichen. Die Grundregeln bleiben dabei immer gleich und werden im ersten Abenteuer „Die Ankunft der Helden“, an dem somit kein Weg vorbeiführt, erläutert. Man beginnt mit einer Anzahl an Stärke- und Willenspunkten, die auf dem Charakterbogen (mit Holzklötzchen) markiert werden. Die Stärke kann, außer durch besondere Ereignisse, langsam aber ständig zunehmen, die Willenskraft, gleichzusetzen mit Lebenspunkten, kann jedoch, und zwar schneller, als einem lieb ist, vor allem schwinden. Heilung ist oft teuer und meist zeitaufwendig. Die Bewegung von Feld zu Feld kostet jeweils eine Stunde auf der Tagesleiste (mit dem farbigen Plättchen vorrücken), genau so viel wie eine Kampfrunde oder einige andere Aktionen (zum Beispiel Verbündete wie den Prinzen oder die Zwergentruppe zu bewegen). Die Charaktere haben bis zu zehn Stunden pro Tag zur Verfügung, für Taten in den jeweils letzten drei Stunden ist aber mit je zwei Willenspunkten zu bezahlen. An bestimmten Orten oder manchmal bei zufällig platzierten Markierungen (entweder direkt auf Spielfeldern oder an der Rundenzählleiste, damit zu einem bestimmten Zeitpunkt) können hilfreiche Utensilien (Waffen, Tränke, auch ein Falke) erworben werden. Wenn Monster im Spiel sind – und das sind sie fast immer, und fast immer zu viele davon, noch dazu in verschiedenen Stärken – werden diese bewegt, sobald der letzte Charakter in der Runde seine Tagesaktivitäten für beendet erklärt und seine Marke aufs Startfeld der Tagesleiste legt. Die Ungeheuer ziehen entlang kleiner Pfeile auf dem Spielfeld stets in Richtung auf die Burg von Andor hin. (Im bislang einzigen Abenteuer, das in den Höhlen von Andor – auf der anderen Spielplanseite – angesiedelt ist, gilt theoretisch genau dieselbe Regel, nur ist die Burg nicht sichtbar.) Bei Tagesanbruch wird sodann eine Ereigniskarte aufgedeckt, die Anweisungen darauf werden ausgeführt. Die Heldinnen und Helden haben zusätzlich zu ihren Aufgaben (etwa Heilkräuter oder Runensteine zu finden, oder die Landbevölkerung in die Burg und damit in Sicherheit zu bringen) auch stets die Möglichkeit, Monster zu bekämpfen und zu vernichten. Der Kampf wird mittels Würfelns ausgetragen. Da kein eigener Monstermeister vorgesehen ist, würfelt für die Ungeheuer nach Möglichkeit, wessen Charakter sich nicht am jeweiligen Kampf beteiligt. Erledigte Monster werden am Spielplan abgelegt und sorgen dafür, dass der Rundenzählstein auf der mit Buchstaben (von „A“ bis „N“) versehenen Zählleiste voranschreitet. Das wiederum führt des Öfteren dazu, dass neue Legendenkarten verlesen werden. Geänderte Bedingungen kommen ins Spiel, Krisen spitzen sich zu, ein neuer Gegner oder Verbündeter taucht auf – was auch immer die gewählte Legende bereithält. Wenn das Feld „N“ erreicht ist (das kommt schneller als erwartet) wird die letzte Karte aufgedeckt, diese Legende endet.
Hübsch ausgedacht ist das alles, die Spielregel leicht verständlich und kurz genug, sodass man auch gerade noch ohne Index auskommt. Die Marker und Figuren sind aus festem Pappendeckel und grafisch durchaus attraktiv gestaltet; die Karten (dünnerer, kaschierter Karton) sowieso, wie man von einem erfahrenen Illustrator erwarten darf. Zählsteine und Würfel sind aus Holz. Ein wenig stören die Legendenkarten, besser hätte sich da ein Abenteuerheft oder jeweils eine umfangreichere Karte mit den Startbedingungen (statt Karten von „A1“ bis „A6“) gemacht. Irritierend, und nicht nur zu Beginn, ist auch die Nummerierung der Felder des Spielplanes – kaum ein Feld zeigt eine in der normalen Zahlenfolge auf- oder absteigende Ziffer zu seinem Nachbarn; sicher mit viel Gehirnschmalz ausgetüftelt, der tiefere Sinn ist aber beim Spiel nicht zu erkennen –, aber das sind nur Nebensächlichkeiten.
Gravierend hingegen wirken sich die Zugmechanik der Ungeheuer und das oft viel zu rasche Voranschreiten der Zählerfigur auf der Rundenleiste aus. Da in fast jeder der fünf Legenden eine absolute Bedingung der Schutz der Burg ist – abhängig von der Anzahl der Mitspielenden bzw. Charaktere und der ins Innere geflüchteten (dort abgelegten) Landbevölkerung darf nur eine bestimmte Anzahl von Monstern die Festung betreten; dringt ein weiteres ein, ist das Abenteuer für Heldinnen und Helden verloren –, kommt man nicht umhin, zu taktieren. Für den Kampf (respektive seine Vermeidung) ist es zum Beispiel günstiger, die stärksten Monster (Trolle oder gar die Wardraks: wilde, hundeartige Bestien) in die Festung zu lassen, und die anderen (Gors und Skrale, die urheberrechtlich unbedenklichen Pendants zu Goblins und Orks) aufzuhalten. Das widerspricht zwar irgendwie der Hintergrundgeschichte von Andor, ist aber bei der nur zaghaft zunehmenden Stärke der heldenhaften Truppe vernünftiger. Heroisches Handeln bringt hier nämlich gar nichts, mit jedem getöteten Ungeheuer gewinnt man zwar Gold (oder wahlweise Willenspunkte), es schreitet aber auch der Zählstein voran und verkürzt die verbleibende Zeit, um zum Beispiel dem todkranken Monarchen das lebensrettende Kräutlein in die (mittlerweile wahrscheinlich auch von Monstern ungestraft durchsetzte) Burg zu bringen. Zusätzlich werden die Missionen oft dadurch erschwert, dass die benötigten Gegenstände oder Personen erst gefunden sein wollen. So verbirgt sich die Hexe etwa im Nebelwald, dort harren aber auch weitere Monster oder unangenehme Ereignisse (und nur ganz wenig Gold) ihrer Entdeckung. Von den Runensteinen gibt es zwei Sätze zu je drei Stück, von denen aber immer nur fünf ins Spiel kommen. Die Chancen, einen kompletten Satz in kurzer Zeit zu sammeln, um dessen Vorteile zu nutzen (ein Sonderwürfel für den Kampf), kann man sich selbst ausrechnen. Zu viele Zufälle steuern den Ablauf, und fast immer zu Ungunsten der Charaktere. Mit allen vieren von ihnen bekommt man das Zeitproblem gerade so in den Griff, dafür steigt proportional die Macht der Endgegner. Der Drache in Legende 5 „Der Zorn des Drachens“ hat bei vier Charakteren bis zu 68 Stärkepunkte, Sonderkräfte durch Ereigniskarten noch nicht einmal mitgerechnet; zum Vergleich: die Charaktere starten mit jeweils 4 Stärkepunkten. Es ist nichts dagegen einzuwenden, ein Spiel zu einer starken Herausforderung zu machen. Völlig chancenlos sollte man aber nie sein, denn das schmälert auch das Vergnügen, das Ganze noch einmal mit besserer Taktik und geänderter Strategie zu versuchen. Dem Spiel liegen auch Blankokarten (9 Stück) bei, um sich eine eigene Legende für Andor auszudenken. Dieser Herausforderung haben wir uns dann aber nicht mehr unterziehen wollen.
Martina & Martin Lhotzky, Marcus Steinwender
Spieler: 2-4
Alter: 10+
Dauer: 120+
Autor: Michael Menzel
Grafik: Michael Menzel, Michaela Kienle
Preis: ca. 40 Euro
Verlag: Kosmos 2012
Web: www.kosmos.de
Genre: Kooperatives Abenteuerspiel
Zielgruppe: Mit Freunden
Version: de
Regeln: cz de en es fr hu it ru
Text im Spiel: ja
Kommentar:
Attraktive Ausstattung
Regeln stufenweise in den einzelnen Legenden erklärt
Intensive Kooperation und sehr viel Berechnung für den Sieg nötig
Vergleichbar:
Rückkehr der Helden, Quest Zeit der Helden
Andere Ausgaben:
In Tschechisch, Französisch, English, Italienisch, Russisch, Spanisch und Ungarisch
Meine Einschätzung: 3
Martina, Martin und Markus:
Das attraktiv ausgestattete Spiel verspricht sagenhafte Abenteuer. Leider erfüllen sich diese Aussichten nicht ganz. Den auch dann noch schwer genug zu erringenden Sieg bringen bestenfalls penible Rechnereien und komplettes Ignorieren der Legendenwelt.
Zufall (rosa): 3
Taktik (türkis): 2
Strategie (blau): 0
Kreativität (dunkelblau): 0
Wissen (gelb): 0
Gedächtnis (orange): 0
Kommunikation (rot): 3
Interaktion (braun): 3
Geschicklichkeit (grün): 0
Action (dunkelgrün): 0