Für Experten

 

Ungeschriebene Geschichten aus J.R.R. Tolkiens Welt

 

Der Herr der Ringe – Abenteuer in Mittelerde

 

Es gibt noch immer Abenteuer zu bestehen

 

Kid                       

Family                  

Friends                 

Expert                   ein    

 

Alter                    

Spezial                 

 

“This Ring, no other, is made by the elves,
Who’d pawn their own mother to grab it themselves.
Ruler of creeper, mortal, and scallop,
This is a sleeper that packs quite a wallop.

The Power almighty rests in this Lone Ring,
The Power, alrighty, for doing your Own Thing.
If broken or busted, it cannot be remade.
If found, send to Sorhed (the postage is prepaid).”

 

aus dem Vorspann zu „Bored of the Rings“, Henry N. Beard & Douglas C. Kenney

 

Noch ein Strategiespiel in Tolkiens Welt! Gandalf und Gefährten haben bald schon alle Möglichkeiten abgegrast, sind nach den adaptierten Spielregeln von „Risiko“ bis zum Schicksalsberg vorgedrungen, haben „Stratego“-Bretter für Ork und Troll unsicher gemacht, der schurkische Sauron hat bei „Monopoly“ am Losfeld den Einen Ring auch nicht errungen, und sie alle haben sich für Schachfiguren und Sammelkartenabbildungen in Pose geworfen. Wahrscheinlich schicken clevere Lizenzproduktegeschäftemacher sie demnächst ins Herrenhaus, um herauszufinden, wer mit welcher Waffe König Isildur wo genau ermordet hat (unser Tipp: Oberst von Gatow, mit dem Seil, auf der Veranda).

 

„Abenteuer in Mittelerde“ unterscheidet sich von diesen allen, denn es kommt beinahe ohne die Helden der sogenannten freien Völker aus. Halblinge tauchen zum Beispiel gar nicht auf. Angesiedelt zwischen Bilbos elfundelfzigstem Geburtstag und dem Aufbruch seines Neffen Frodo aus dem Auenland knapp zwanzig Jahre später (die Vorgeschichte in der Spielregel präzisiert: 17 Jahre), kann man entweder Saurons Seite oder die von Elfen, Menschen und Zwergen spielen. Als Herrscher von Mordor kämpft man immer alleine, die Gegenseite stellen bis zu drei Personen dar. Ziel ist es für beide Parteien, je einen zufällig gewählten Auftrag (aus zwei unterschiedlichen Kartenstapeln) nach einer Mindestanzahl von zehn Runden zu erfüllen.

Der Spielaufbau kann sich ein bisschen in die Länge ziehen, denn, wie es sich für ein Fantasy Flight Game nun mal gehört, sind Unmengen von Karten und Markierungsplättchen auf dem und rund um das Spielbrett zu verteilen. Alle können daran mitarbeiten, die Grundaufstellung ist stets dieselbe. Kleine Variationen betreffen dann nur die ersten, ebenfalls zufällig gezogenen, Aufgaben (Saurons Aufgaben heißen „Plot“, die der anderen Seite „Queste“).

Den ebenfalls recht schematisierten Ablauf in Runden beginnt stets die Mordorpartei. Beide Seiten haben dabei unterschiedliche Züge. Sauron versucht, ständig möglichst viele Plot-Karten aufgedeckt im Spiel zu haben. Dies hält die Helden in Trab, die sich, was immer ihr eigentlicher Auftrag ist, darum bemühen müssen, die Ränke Saurons zu vereiteln. Außerdem beschleunigen aktive Plots das Fortkommen von Saurons eigenen Fortschrittsmarkern (immerhin drei, die Helden haben gemeinsam nur einen) auf der Rundenstandsleiste. Sauron darf auch eine Ereigniskarte in jeder Runde aufdecken, die meist eine zusätzliche Aufgabe für die Helden bedeutet, oft zum Ärger des Dunklen Herrschers aber die Helden mit Gunstmarken belohnt – diese benötigen die Helden (neben anderen dadurch gewonnenen Möglichkeiten), um Saurons Plot-Karten abzuwerfen. Nach der Ereignisphase kommen Saurons Aktionen (zwei, bei vier Spielern sogar drei). Jede Runde wählt er aus drei Arten: zusätzliche Einflussmarken legen (die „Schattenpool“ genannte eigene allgemeine Macht erhöhen und auf dem Spielfeld, also in Mittelerde, das Einflussgebiet wie ein Spinnengewebe dichter vernetzen und daraus resultierend die Monstergehilfen weiter aussenden); zusätzliche Plot- und Schatten-Karten ziehen (unangenehme Überraschungen für die Helden; um sie auszuspielen, muss die allgemeine Macht im Schattenpool jedoch mindestens dem aufgedruckten Kartenwert entsprechen); Monster und Schergen (bis zu fünf mächtige Anführer unter der Kontrolle Saurons) platzieren und umherziehen lassen. Eine Auswahlleiste ist in absteigender Reihenfolge mit Aktionsmarkern zu belegen, sodass eine wiederholte Aktion (also etwa zwei Mal Monster bewegen) immer weniger Wirkung zeigt (in unserem Beispiel erst drei, dann zwei Einzelzüge und zuletzt nur mehr einen für die Monsterbewegung). Dann nehmen die Helden eine je eigene Anzahl (entspricht den jeweiligen Charakterfähigkeiten) Aktionskarten aus ihrem Vorrat auf die Hand. Technisch gehört dies als letzte Phase in Saurons Zug, da das alle Helden gleichzeitig machen.

Dann spielen die Helden reihum ihre Phasen durch. In der Erholungsphase kann der Aktionskartenvorrat um den bzw. die Ablagestapel ergänzt werden, was nicht überall in Mittelerde möglich ist (etwa wenn an einem Ort Saurons Einfluss bereits zu groß geworden ist, ersichtlich an den dort abgelegten Markern und Monstern). Befindet sich die Heldenfigur zusammen mit Monstern oder Schergen an einem Ort, kann es zum Kampf mit Saurons Kreaturen kommen (an Schutzorten wie etwa Bruchtal oder Lothlórien nur auf Wunsch der Helden). Kämpfe werden mittels der Aktionskarten ausgetragen, solange bis ein Kombattant besiegt ist, oder einer oder beide erschöpft sind. Aktionskarten, hier als Kampfkarten genutzt, kommen entweder auf den normalen Ablagestapel des Kämpfers, oder auf den Schadenskartenstapel. Dies schwächt den Helden erheblich, denn diesen Ablagestapel darf man nur an Schutzorten oder unter anderen, sehr beschränkten Bedingungen wieder in den Vorrat nehmen. Manchmal werden Helden auf diese Weise ausgeschaltet, dürfen aber, frisch gestärkt und um einige Habseligkeiten und möglicherweise Gunst(punkte) ärmer, ihre nächste Runde an einem Schutzort beginnen und ihre Queste(n) fortsetzen. Besiegte Monster können später sogar erneut ins Spiel kommen, zuvor verfügt Sauron aber über ausreichend Ersatz. Über Kampfkartenlimits kann er nur lachen: „Haha!“ Besiegte Schergen – bis auf die Ringgeister – scheiden jedoch für die laufende Partie ganz aus. Nun können die Helden von Ort zu Ort reisen – ebenfalls mittels Aktionskarten. Symbole auf der Landkarte geben an, wie teuer eine Wegstrecke ist, die benutzten Karten werden auf den Ablagestapel gelegt (und in einer späteren Erholungsphase wieder in den Vorrat gemischt). Ob hinter der Kombination der Figuren mit ihren Aktionskarten allerdings auch eine bestimmte Absicht steckt, war nicht herauszufinden. Vor allem die anfänglichen Bewegungsmöglichkeiten (durch entsprechende Symbole) geben noch immer Rätsel auf. Manche Orte müssen Helden aufsuchen, um ihre Questen zu erfüllen. Bisweilen (aufgrund von Ereigniskarten oder auch aus den Aufbauanleitungen für Plots und Questen) treffen sie auch auf aus dem Roman bekannte Figuren (Theoden, Saruman, Thranduil und etliche andere), von denen sie Belohnungen, meist in Form von Gunstpunkten, erhalten. Zuletzt kann es noch eine besondere Begegnung geben – wieder werden Karten gezogen, diesmal zur Region farblich passende vom entsprechenden Stapel (zum Beispiel das Nebelgebirge, die Braunen Lande oder Eriador). An einem bedrohlichen Ort (etwa in einer von Saurons Festungen oder an einem anderen Ort mit großem Einfluss Saurons) zieht der Dunkle Herrscher die Begegnungskarten von seinem Bedrohungsstapel – für die Helden immer unerfreulich, wenn urplötzlich ein Balrog vorbeischaut. Die zweite, gegebenenfalls auch dritte Heldin macht in ihrem Zug dieselben Phasen durch, dann wird das Terrain gesäubert (manchmal muss nun Sauron Einflussmarker vom Spielbrett nehmen), die Fortschrittsleiste auf den neuesten Stand gebracht, und hat jetzt noch niemand das Zielfeld erreicht (entweder – für alle – das Feld „Finale“, oder Sauron mit allen drei Markern das etwas früher gelegene Feld „Der Schatten droht“), so beginnt Sauron die nächste Runde.

Ein wenig unübersichtlich wird es, wenn das Finale erreicht ist, aber keine Seite ihren (geheimen) Auftrag erfüllt hat. Dann muss ein Entscheidungskampf ausgetragen werden – eine Idee, die der übrigen Handlung eher widerspricht.

 

Der Spielablauf folgt, wie erwähnt, einem recht engen Korsett von Regeln. Zur leichteren Orientierung sind die einzelnen Schritte sowohl auf dem Spielfeld als auch auf der Rückseite der Spielanleitung abgedruckt. Es gibt sogar im Regelheft ein Unterkapitel über „Oft übersehene Regeln“ – und dies ist zumindest beim Einstieg in die „Abenteuer in Mittelerde“ eine nicht zu unterschätzende Hilfestellung. Denn, und damit wären wir beim ersten kritischen Punkt angelangt, die Anleitung ist zwar leicht und klar verständlich, aber überaus umfangreich. Ein rudimentärer Index ist wohl vorhanden, im entscheidenden Moment freilich findet man typischerweise die eine Ausnahme, an die man sich für die konkrete Situation dunkel erinnert, nicht. Erfreulich: fast schon zum Standard ist die freundliche Unterstützung des Verlages geworden. Die Spielregel findet sich im Internet, die unvermeidliche Errata-und-„Oft gestellte Fragen“-(Frequently Asked Questions / FAQ)-Sektion wurde seit Veröffentlichung des Spieles bereits mehrfach aktualisiert.

Bei der (ebenso typischen – eben Fantasy Flight Games!) üppigen Ausstattung mit Karten und Markern bleibt der Überblick dennoch gewahrt, die meisten Dinge bringt man bequem auf dem Spielbrett unter. Es sei aber angemerkt, dass die in zwei Hälften gelieferte Karte der Hauptschauplätze des Ringkrieges in Mittelerde enorm groß ist. Zusammengelegt bedecken die beiden Teile eine Fläche von gut 106 cm x 74 cm – fast genau so groß wie ein handelsüblicher Esstisch; und dann benötigt man ja noch Platz für die eigenen Charakterauslagen (Charakterbogen, 3 Aktionskartenstapel, Questen-Karten; zusätzliche Bonus- oder Maluskarten und Marker passen gerade so auf den Charakterbogen). Trotz der erstaunlichen Größe der Landkarte sind die einzelnen Orte darauf leider nicht immer so gut voneinander zu unterscheiden, wie es wünschenswert wäre. Das System farbiger Punkte (spielintern „Juwelen“ genannt) für die (zehn) Regionen hilft, trotzdem sind intime Kenner von Tolkiens Welt im Vorteil. Ähnliches gilt für die Spielfiguren, die alle im selben unglücklichen Silbergrau gehalten sind.

Das Spiel bietet aber trotz dieser ohnedies nur kleineren Irritationen viel mehr, und zwar durchaus überwiegend Positives. Nicht nur die grafische Ausarbeitung besticht, auch die Akribie, mit der die Stimmung dieses klassischen Fantasy-Universums eingefangen wird, erstaunt über die Maßen. Zitate aus dem Roman sind passend integriert – das allein wäre jedoch noch nichts Bemerkenswertes. Da eine Verwendung bekannter Personen aus dem Werk auf Begegnungen mit Nichtspielercharakteren beschränkt bleibt (so steigert Aragorn die Gewandtheit seiner Besucher, geizt Denethor mit Gunst und lässt sich nicht in die Karten schauen, und gewährt König Dáin II. ein Trainingsprogramm am Einsamen Berg), stehen den Spielern fünf völlig fiktive Figuren zur Auswahl: Argalad – Elb aus dem Waldland-Reich; Beravor – Waldläuferin aus Fornost; Eleanor – Kriegerin aus Minas Tirith; Eometh – Kavallerist aus Edoras; Thálin – Zwerg aus Erebor. Nicht nur, dass sie mit diesen Namen durchaus in Mittelerde nicht unangenehm auffielen, wurde gar jedem einzelnen eine stilechte Hintergrundgeschichte angemessen. Ebenso, und dem Stil der Vorlage erfreulich gut nachgeahmt, wurden Situationen und kurze Episoden ergänzt, um ein stimmiges Ganzes zu erzeugen. Die gleiche Sorgfalt findet sich auch auf den Karten für die Ränke und Handlungen des Dunklen Herrschers. Das ist mehr, als eine Spielrunde meist erwarten darf. Geradezu nekromantisch!

Nicht zuletzt wird diese Anlehnung an die literarische Vorgabe in den zielführenden Strategien für die beiden widerstrebenden Seiten deutlich. Sauron hat erhebliche Vorteile, wenn es zum Kampf zwischen Monstern und Helden kommt, diese andererseits sind beweglicher und können, ja, müssen zusammenarbeiten.

Da in „Abenteuer in Mittelerde“ für beide Parteien sehr viel (beinahe möchte man feststellen: alles) von der Abfolge in den diversen Kartenstapeln (und der Kartenhand) abhängt, sollte unbedingt auf eine gründliche Durchmischung geachtet werden. Dennoch, selbst in den Spielrunden, in denen eine Seite vom Kartenglück unverschämt begünstigt wurde, überzeugten Stimmung und Atmosphäre des Spiels derart, dass niemand übel gelaunt vom Tisch aufgestanden wäre. Lang waren die Abende, das wohl, aber langweilig nicht.

 

Martina & Martin Lhotzky, Marcus Steinwender

 

Spieler         : 2 bis 4

Alter            : ab 12

Dauer           : 150 bis 220 Minuten

 

Autor           : Corey Konieczka, Christian T. Petersen; Tim Uren

Grafik          : Kevin Childress, Andrew Navaro, Brian Schomburg, Will Springer

Vertrieb A.   : Kauffert

Preis            : ca. 45 Euro

Verlag          : Kosmos

                    

Genre                    : Fantasy-Strategiespiel

Zielgruppe             : Für Experten

Mechanismen         : Zugkarten, Kampfkarten, Aufgabenkarten

 

Zufall                     : 5

Planung                 : 6

Kommunikation      : 7

Action                   : 4

 

Kommentar.

Leckerbissen für Kenner von „Der Herr der Ringe“

Funktioniert am besten zu dritt

Trifft die Atmosphäre wunderbar

Liebevolle Aufmerksamkeit bei Details

Trotz langer Spieldauer wunderschönes Spielerlebnis

 

Vergleichbar:

Arkham Horror - Mechanismen und Karten

Atmosphäre           : 7

 

Martin, Martina und Markus:

Spannende (Schnitzel)Jagd in Mittelerde. Während 1 – 3 Helden ihr Ziel verfolgen, verfolgt Sauron die Helden und sein eigenes Ziel. Eines der stimmigsten Spiele im Geiste des „Herrn der Ringe“. Über je mehr Hintergrundwissen aus dieser Welt die Spielenden verfügen, desto größer wird die Freude damit sein.