MIDGARD Das Fantasy-Rollenspiel

 

MIDGARD - durch Simulation zum Abenteuer

Freunde des minimalistischen Rollenspiels mit einfachem Regelwerk wie D&D oder Das Schwarze Auge werden über dieses Fantasy-Rollenspiel nicht allzu begeistert sein. All denjenigen, welche komplexere und umfassendere Systeme vorziehen, oder einfach einmal ausprobieren möchten, ist MIDGARD sicherlich zu empfehlen.

Geschichtlich gesehen, erschien MIDGARD erstmals 1981 in Deutschland und ist somit das älteste deutschsprachige Rollenspiel. 1985 erschien eine revisierte Ausgabe mit teilweise verbesserten und überarbeiteten Regeln in anspruchsvoller und professioneller Aufmachung, die jener anderer auch angloamerikanischer Systeme um nichts nachsteht.

 

Doch nun zum Spiel: um MIDGARD spielen zu können, benötigt man sechs-, zehn- und zwanzigseitige Würfel sowie natürlich das ca 150seitige Regelbuch "MIDGARD", in dem auch ein qualitativ hochwertiges Anfängerszenario ("Das Hügelgrab von Caetherlach") enthalten ist.

Überhaupt scheint Ausgewogenheit und Qualität ein Credo der MIDGARD-Macher zu sein, was auch durch die drei bisher erschienenen Module ("Unter den Nebelbergen", eine Tolkien-Adaption, - "Die Insel des Widdergottes" und "Die Krone des Drachen") bewiesen wird. 1986 wird das System durch ein weiteres Regelbuch ("Schlüssel zum Abenteuer") ergänzt, das sich im wesentlichen an den Spielleiter wendet und sich mit der Beschreibung solch nützlicher Dinge wie Magische Artefakte, Monstren und Behandlung von Nichtspielerfiguren beschäftigt.

Wie in fast jedem Rollenspiel üblich, würfelt der Spieler die persönlichen Werte seiner Spielfigur aus, bevor er sich mit ihr ins Abenteuer stürzt. In MIDGARD umfassen diese Werte Stärke, Geschicklichkeit, Konstitution, Intelligenz, Zaubertalent, Aussehen, Persönliche Ausstrahlung und so seltsam es auch klingen mag, Selbstbeherrschung.

 

In dieser Anfangsphase werden auch andere Charakteristika wie Handgemengewert, Reaktionswert, Beruf, Herkunft, Größe, Ausdauer und Lebenskraft (sogen. Lebenspunkte) usw. ermittelt.

Einer der größten Vorteile von MIDGARD ist jedoch dessen Flexibilität in Bezug auch die Charakterklassen, deren es sage und schreibe 24 verschiedene gibt. Da wimmelt es nur so von Magiern, Druiden, Hexen, Söldnern, Meerespriestern und Meuchelmördern.

Trotz dieser immensen Anzahl von verschiedenen Klassen ist man aufgrund des Fertigkeitensystems nicht die gesamte Lebensspanne seines Charakters an dessen Grundfertigkeiten gebunden. Es ist üblich und notwendig, daß die Spielfigur Fertigkeiten anderer Klassen lernt und gebraucht. Zum Beispiel kann im Extremfall ein Krieger auch die hohe Kunst der Magie erlernen, falls er die nötige Zeit und das Geld dafür aufbringen kann. Oder ein Magier übt die Fertigkeit "Kampf in Vollrüstung" aus (was im Prinzip nicht anzuraten ist, da er in Metallrüstung nur schwer zaubern kann, doch das nur nebenbei).

 

Das Kampfsystem in MIDGARD trachtet danach, "realistisch" und dennoch spielbar zu sein.

Der Realismus führt dazu, das Spiel nicht zum "Hack and Slay" degenerieren zu lassen, weil die Spieler lernen müssen, statt ihre Waffen zu ziehen und hinzuschlagen, das Problem mit Köpfchen anzugehen. Falls dies nicht begriffen wird, so besitzt man jedoch 2 Alternativen:

1) an jedem Spielabend einen neuen Charakter auszuwürfeln, da der vorherige den Jordan hinabgeschwommen ist, oder

2) auf eines der populären Rollenspiele umzusteigen, in denen ein halbwegs geübter Kämpfer soviele Hitpoints sprich Lebensenergie besitzt, daß er sich getrost in die Tür auf - Monster hack - Schätze raff - Tür zu-Mentalität stürzen kann, ohne gleich ernsthaft tot zu sein.

 

Neben der "einfachen" Version des Kampfsystems existiert noch eine weitere, sogenannte "detaillierte". Diese bildet leider eine der wenigen Schwachstellen im System, da die Spieler angeregt werden, mit Zinn- oder anderen Figuren auf einem vorgefertigten, gerasterten Spielbrett den Kampfablauf usw. zu simulieren.

Meiner Meinung nach schränkt diese Art, Handlungen durchzuführen, die Phantasie stark ein und zögert das eigentliche Spiel zu sehr hinaus, aber das bleibt natürlich Geschmackssache.

 

Weiter besitzt MIDGARD ein umfangreiches und gut ausgearbeitetes Magiesystem, das ich jedoch wie zuvor das Kampfsystem aufgrund seiner Komplexität nicht im Detail beschreiben möchte. Nur soviel, wie gut man zaubern kann, hängt vom persönlichen Zaubertalent und von der Konstitution des Charakters ab, da jeder Zauberspruch, unabhängig vom Zeitaufwand und von dem Umstand, ob der Zauber wirklich gelungen ist, dem Anwender Kraft kostet (je nach Schwierigkeitsgrad mehr oder weniger).

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß MIDGARD ein ziemlich komplexes aber dennoch nach einiger Eingewöhnung gut spielbares Rollenspielsystem ist. Auch kann es für völlige Neulinge im Rollenspiel nur beschränkt empfohlen werden.

Für etwas erfahrenere Spieler jedoch, die Neuland in Form von "realistischeren" und vielfältigeren Systemen suchen wollen als z.B. D&D (ja, ich weiß, ich rüttle am Hl.Gral, R.T., I.S. und all die anderen mögen es mir armen Wurm verzeihen), dem muß man MIDGARD einfach empfehlen.

Klaus Deckenbach

(Titelbild entnommen einem Midgard-Modul aus der Zeitschrift SPIELWELT des CFS e.V.)