Rezension
Vom Fischerdorf zum Handelszentrum
Yokohama
Industrielle Revolution in Japan
Die Internationalisierung der Brettspielwelt ist in den letzten Jahren zügig vorangeschritten. Zahlreiche Spiele von Verlagen und Autoren aus Amerika und Asien sind mittlerweile auch in Europa angekommen. Allerdings ist mir persönlich noch kein hochklassiges, komplexes Expertenspiel aus Asien unterkommen. Diese Lücke wurde nun 2016 mit der Veröffentlichung von Yokohama endlich gefüllt. Ursprünglich vom japanischen Autor Hisashi Hayashi beim japanischen Verlag OKAZUbrand veröffentlicht, mit guter deutscher und englischer Spielregel, aber nur japanischem und englischem Kartentext, ist mittlerweile (2017) neben anderen internationalen Versionen auch eine deutsche Version von dlp games erhältlich.
Es sei angemerkt, dass mir für diese Rezension nur die Erstauflage zur Verfügung stand und folglich eventuelle Änderungen und Verbesserungen der neueren Auflagen nicht berücksichtigt sind.
Die Spieler übernehmen die Rolle eines japanischen Händlers. Runde für Runde zieht die Händlerfigur durch Yokohama um Ruhm zu erlangen. Wer am meisten Ruhm angesammelt hat gewinnt das Spiel, wer hätte es gedacht
Die Stadt Yokohama besteht in diesem Spiel aus einigen rechteckigen Gebietsbrettchen, die vor dem Spiel zufällig zusammengesetzt werden. Weiters müssen noch zahlreiche kleine Karton- und Holz-plättchen und Karten sortiert, aufgedeckt und bereitgelegt werden.
Wenn man Yokohama zum ersten Mal spielt und auf das fertig aufgebaute Spiel schaut, ist man erstmal erschlagen. Vor einem liegt ein kunterbunter, mit Symbolen überfrachteter Haufen, der optisch nicht sehr hübsch ist. ABER, kaum ist man mit der Spielregel durch und hat sich einen Überblick verschafft, ergibt plötzlich alles Sinn. An dieser Stelle sei die lückenlose Regel gelobt, wenngleich die Übersichtlichkeit nicht mit modernen Regeln größerer Verlage mithalten kann.
Die zahlreichen Symbole sind tatsächlich logisch und erlauben das Spiel fast ohne Regelheft zu spielen, was in Anbetracht der Komplexität und der vielen verschiedenen Details nicht so selbstverständlich ist. Nur auf eine Wertungsübersicht für das Spielende wurde vergessen.
Das Spiel läuft reihum. Bis eine der Spielendbedingungen erfüllt ist machen die Spieler nacheinander ihre Züge. Jeder Spieler hat einen Präsidenten, einige Assistenten, Handelshäuser und Geschäfte, sowie diverse Ressourcen.
In einem Spielzug werden zunächst Assistenten in Yokohama eingesetzt. Man kann bis zu zwei auf ein Gebiet setzen oder bis zu drei auf verschiedene Gebiete verteilen.
Dann zieht der Präsident durch die Stadt. Man darf nur angrenzende Gebiete betreten auf denen eigene Assistenten stehen. Steht ein fremder Präsident auf dem Gebiet muss man ihm 1 Yen bezahlen. Man darf beliebig weit ziehen, allerdings darf auf dem Endgebiet kein fremder Präsident stehen. Im Endgebiet darf dann die Aktion des Gebiets durchgeführt werden.
Diese Aktionen sind sehr unterschiedlich und bringen Ressourcen, neue Aufträge, Technologien, Assistenten, Geschäfte, Geld, erlauben das Spenden an die Kirche oder diverse andere Dinge.
Ihnen allen ist gemein, dass sich die Stärke der Aktion stets nach dem Einfluss richtet. Der Einfluss ist die Summe aller eigenen Assistenten, Handelshäuser, Geschäfte und des Präsidenten die sich in diesem Gebiet befinden. Erreicht man 4 oder 5 Einfluss, wobei 5 stets das Maximum ist, darf man im Gebiet ein neues Handelshaus oder Geschäft errichten, was aber rares Geld kostet. Nach der Aktion kehren alle eigenen Assistenten im Gebiet zurück in den eigenen Vorrat.
Aus diesem Mechanismus der Aktionsstärke ergeben sich interessante Überlegungen. Gerade zu Beginn des Spiels sollte man gut überlegen wo man seine Assistenten einsetzt. Denn starke 4 oder 5 erreicht man nicht sofort. Diese müssen über mehrere Züge und diverse schwache Zwischenaktionen vorbereitet werden. Und dann sind da noch die lieben Mitspieler die natürlich just dann im Weg stehen oder das Aktionsfeld blockieren, wenn man es wenigsten brauchen kann. Es ist also stets gut einen Plan B in der Hinterhand zu haben und die Mitspieler zu beobachten.
Yokohama erinnert in vielerlei Hinsicht an Istanbul, das mit ähnlichen Zugregeln und Spielplan vor einigen Jahren sehr erfolgreich war. Allerdings ist Yokohama durch seinen deutlich komplexeren Aktionsmechanismus und unterschiedlicheren Aktionsfeldern sehr viel aufwändiger und vielseitiger. Eben ein Expertenspiel, während Istanbul sich auch an weniger versiertes Publikum richtet.
Markus Wawra
Spieler: 2-4
Alter: 12+
Dauer: 90+
Autor: Hisashi Hayashi
Grafik: Ryo Nyamo
Preis: 49,95 Euro
Verlag: dlp Games 2017
Web: www.dlp-games.de
Genre: Sammelspiel
Zielgruppe: Für Experten
Version: de
Regeln: de en jp
Text im Spiel: ja
Kommentar:
Interessanter, innovativer Mechanismus
viele Möglichkeiten das eigene Spiel voranzutreiben
gut verständliche Spielregel, wenn auch nicht am letzten Stand der optischen Gestaltung
bunt und überladen
Vergleichbar:
Andere Ausgaben:
OKAZUBrand / Japon Brand (en jp)
Gesamt: 6
Markus Wawra:
Beim ersten Spiel noch mit dem Erfassen der vielen Möglichkeiten und der überladenen Grafik beschäftigt, lernte ich Yokohama schnell zu schätzen. Ich mag den Aspekt, dass ich mein Spiel über mehrere Runden aufbauen muss und vorausplanen sollte. Selbst die vielen Symbole sind bald nur noch logisch und nicht mehr überfordernd. Die vollen Punkte gebe ich trotzdem nicht, weil der Funke, wie schon beim ähnlichen, aber deutlich einfacheren Istanbul, zu mir nicht übergesprungen ist. Was ich aber nicht rational erklären kann, denn mechanisch ist Yokohama ein tadelloses und gelungenes Spiel.
Zufall (rosa): 1
Taktik (türkis): 3
Strategie (blau): 2
Kreativität (dunkelblau): 0
Wissen (gelb): 0
Gedächtnis (orange): 0
Kommunikation (rot): 0
Interaktion (braun): 2
Geschicklichkeit (grün): 0
Action (dunkelgrün): 0