UNSERE REZENSION
Bauen im Antiken Frankreich
Burdigala
Eher Weinkeller denn Wein
Burdigala – schon mal gehört? Bordeaux, klingt schon viel bekannter, aber der Gedanke an guten Wein könnte zu sehr von diesem Spiel ablenken, so wurde halt der alte römische Name als Titel gewählt. Oder ist es einfach nur Mode, altrömische Städtenamen für neue Spiele zu verwenden, nachdem schon sämtliche karibischen Inseln durch-dekliniert wurden. Dieses Spiel von Bruno Cathala jedenfalls ist im letzten vorchristlichen Jahrhundert angesiedelt und thematisiert die Errichtung Burdigalas.
Ein römischer Stadtplaner - Publius Crassus - soll im Auftrag Cäsars die aufstrebende Handelsstadt repräsentativ gestalten, ob ihm das damals gelang, kann ich nicht sagen, aber das heutige Bordeaux wirkt durch seine großzügige Anlage fast wie eine alte Millionenmetropole, obwohl es nur rund 700 000 Einwohner hat.
Wir Spieler sollen Crassus bei seiner Aufgabe helfen und dabei nicht unseren kleinen Vorteil aus dem Auge verlieren (ein durchaus moderner Aspekt, wie gerade zahlreiche Untersuchungsausschüsse in Österreich belegen). Wir verdienen gut an der Errichtung von Gebäuden - wenn wir mit bauen dürfen.
Dazu müssen wir zum richtigen Zeitpunkt zur Stelle sein, indem wir unsere Spielfigur zum Bauplatz ziehen. Weitere Einnahmen warten im Hafen (den Handelszentren), wo Waren erworben werden können (d.h. Handels-Karten).
Eine dritte Einnahmequelle sind sogenannte „Plot-Karten“, die außerdem auch Spielvorteile gewähren.
Selbstverständlich streben wir nicht nach Geld, sondern steigern unser Ansehen („Prestige“– Punkte).
In „Burdigala“ wirft ein Spieler in seinem Zug 2 Würfel und entscheidet, welchen er zur Bewegung nimmt; dann zieht er eine seiner beiden Spielfiguren auf einen Kontrollpunkt (Straßenfeld) eines freien Bauplatzes und setzt dort einen Baustein ein. Die Anzahl der noch verbliebenen freien Felder darf er auf der Prestige-Leiste am Spielfeldrand vorrücken. Wer das letzte Feld besetzt und damit das Gebäude fertig stellt, entfernt das Bausteinplättchen und erhält die auf der Rückseite angegebenen Punkte.
Bordeaux ist hier in 14 Bezirke gegliedert auf die 16 Gebäudeplättchen verteilt sind. Diese zeigen die Anzahl der Baufelder, je mehr, desto höher ist der Prestige-Gewinn.
Auf jedem Kontrollpunkt darf nur eine Spielfigur stehen, ist ein Bauwerk vollendet, dürfen seine Straßenfelder nicht mehr besetzt werden. So nimmt die Anzahl der Zielfelder laufend ab, wer für seine Figur kein Ziel mehr findet, muss diese aus dem Spiel nehmen.
Das Spiel endet, wenn ein Mitspieler keine Spielfigur mehr hat, oder alle Gebäude errichtet sind. Dasselbe passiert, wenn die Handels-Karten aufgebraucht sind.
Im Prinzip handelt es sich um ein sehr einfaches Spiel, welches durch einige pfiffige Tricks den Spielverlauf bereichert und so immer wieder für Überraschungen sorgt – was die Lust auf eine weitere Partie steigert.
Zunächst bieten die 2 Würfel die Auswahl aus 2 Möglichkeiten zu ziehen, wobei aber jede Strecke nur einmal im Zug benützt werden darf. Wer „Pasch“ wirft, wird für die fehlende Wahl aber fürstlich entschädigt: die Spielfigur darf eine am Zielfeld stehende gegnerische schlagen und an einen beliebigen Platz versetzen - beliebt ist das Gefängnis-Feld, von wo man schwer wegkommt (nämlich mit „Pasch“), außerdem dürfen Wasser und Expresswege benützt werden (nützliche Abkürzungen) und zu guter Letzt darf der Spieler sich bestechen lassen: er nimmt eine der verdeckt liegenden Bestechungs-Marker (das sind Minuspunkte bei der Abrechnung) und kann dann einen zweiten kompletten Zug machen.
Auch wer 7 als Würfelsumme erzielt hat Glück: er darf entweder eine der verdeckten Handelskarten ziehen oder einen weiteren Baustein auf denselben Bauplatz setzen - allerdings auch nur, wenn er sich bestechen lässt (ja, ja, wie in der Gegenwart: „eine Hand wäscht die andere“). In diesem Fall erhält man allerdings nur die Gewinnpunkte des zuletzt gesetzten Steines, schön, wenn so -unverhofft- ein hochwertiges Gebäude fertiggestellt werden kann.
Neben den Gebäudeplättchen - um die es letztlich geht - bietet Burdigala aber noch weitere Spielelemente: neben den bereits erwähnten Bestechungsmarkern können Handelskarten (zeigen verschiedene altertümliche Waren) erworben werden (in den Hafenzonen oder bei der Zahl 7 (s.o.) und „Plotkarten“. Eine erhält man zu Spielbeginn, weitere erwirbt jeder, der bei der Fertigstellung eines Gebäudes auf einem der dazugehörigen Kontrollpunkte eine seiner Spielfiguren stehen hat - nicht aber derjenige der fertig gebaut hat (die Plotkarte ist sozusagen ein „Trostpreis“ für die, die nicht die Punkte für das erbaute Haus ernten).
Diese Karten sind quasi das Tüpferl auf dem “I“ (für deutsche Freunde „das Sahnehäubchen“) von Burdigala. Sie bringen zusätzliche Bewegungs- oder Gewinnpunkte oder Handelskarten, erlauben das Einsetzen eines zusätzlichen Bausteines, oder den Diebstahl einer Handelskarte eines Gegners und anderes mehr. Ein Spieler darf 3 davon haben, sobald er sie offen vor sich auslegt gilt ihr Bonus.
Die schon mehrfach erwähnten „Handelskarten“ stellen heimliche Siegpunkte dar, da sie verdeckt gesammelt werden. Bei Spielende werden sie aufgedeckt, je mehr unterschiedliche jemand hat, desto mehr Prestige-Punkte erbringen sie. (Eine Kombination dreier verschiedener Waren ist 6 wert, 5 davon aber schon 15 Punkte.)
So ist auf der Randleiste unschwer erkennbar, wer in Führung liegt, auch Plotkarten zeigen offen ob sie Prestige bringen (ein beliebtes Ziel für gegnerische Spieler), aber die Bestechungsmarker und Handelskarten werden erst am Schluss gewertet und können so für Überraschungen bei der Ermittlung des Siegers sorgen. Soll ich noch erwähnen, dass man Bestechungsmarker im Laufe des Spiels auch wieder loswerden kann, aber nicht mehr an dessen Ende...
Burdigala ist hübsch gestaltet (leicht angelehnt an Asterix), die Regel ist einfach und übersichtlich gegliedert mit Beispielen in Wort und Bild und die Fähigkeiten sämtlicher Plotkarten sind genau erklärt (man kann schon mal erahnen, was auf einen zukommt oder womit die Anderen geärgert werden können; schade, dass man sie nicht aussuchen kann.)
Die Regeln des Spiels sind im Prinzip einfach, Glück spielt sicher eine wesentliche Rolle, aber durch die zusätzlichen Mechanismen kommt eine Prise Taktik hinzu, so dass zu guter Letzt nicht nur der Zufall über den Sieg entscheidet. Langes Denken oder Vorausplanung ist nicht nötig, aber es spielt sehr wohl eine Rolle, wo man baut oder ob man im richtigen Moment bestechlich ist; etwas getüftelt wird meist unmittelbar nach dem Würfeln, da „viele Wege nach Rom führen (respektive nach Burdigala)“.
Für Vielspieler ist dieses Spiel wahrscheinlich zu einfach, sehr gut geeignet erscheint es für Familien und solche, die gerne etwas Anspruchsvolleres als „Mensch ärgere dich nicht“ oder „Risiko“ ausprobieren wollen, aber keine langen oder komplizierten Regeln mögen. Auch unsere Runde, die schon seit Jahrzehnten spielt, war durchaus angetan von den „netten kleinen Überraschungen“ und wir waren uns einig: „Das Spiel hat was, es macht Spaß.“ Es ist ein Spiel unter Freunden, kaum länger als eine Stunde und lädt durchaus ein, es gleich noch einmal zu probieren.
Ursula Vlk und Dr. Christoph Proksch
Spieler: 2-4
Alter: 8+
Dauer: 45+
Autor: Bruno Cathala
Grafik: Maria-Paz Matthey
Preis: ca. 27 Euro
Verlag: Id&aL éditions
Web: www.ideal-editions.com
Genre: Setz- und Punktesammelspiel
Zielgruppe: Mit Freunden
Version: multi
Regeln: de en es fr it
Text im Spiel: no
Kommentar:
Thema anschaulich umgesetzt
leicht erlernbar
Interaktives Punktesammelspiel
Deutlicher Glücksfaktor.
Vergleichbar:
Alle Setzspiele mit würfelbestimmter Auswahl
Andere Ausgaben:
Derzeit keine
Meine Einschätzung: 5
Ursula Vlk und Christoph Proksch:
Ein empfehlenswertes Spiel für spielerfahrene Familien und fröhliche Runden, nichts für Tüftler
Zufall (rosa): 3
Taktik (türkis): 2
Strategie (blau): 0
Kreativität (dunkelblau): 0
Wissen (gelb): 0
Gedächtnis (orange): 0
Kommunikation (rot): 0
Interaktion (braun): 2
Geschicklichkeit (grün): 0
Action (dunkelgrün): 0