Rezension

 

Luke, ich bin Dein Brettspiel

 

Star Wars: Rebellion

 

First order for boarding Death Star  

 

So, so, alt gewordener Padawan, für ein Duell mit Deinem Meister bereit Du Dich fühlst? Dann die Spielschachtel öffnen Du darfst – ja, diese hier, fast so groß wie ein eckiger Todesstern. Was Du sagst? Sehr viel Luft in der Schachtel sein? Falsch Du liegst – 70 Prozent Dunkle Energie darin sich befinden – genau gleich wie auch sonst im Universum das ist. Offenbar noch viel lernen Du musst, auf Dagobah besuchen Du mich sollst. Auf den beiden Spielplänen der Planet rechts unten das ist. Zu groß für Deinen Tisch die Spielpläne sind? Dann einen größeren Tisch kaufen Du musst. Für die 150 Spielfiguren, für viele Marker und Karten Du nämlich auch noch Platz brauchen wirst.

 

Und endlich haben wir es nach Dagobah geschafft, ab hier darf es grammatikalisch korrekt weitergehen. „Star Wars Rebellion“ ist die spielerische Umsetzung der ersten, rund vierzig Jahre alten Film-Trilogie, welche aber auch schon damals mit „Episoden IV bis VI“ bezeichnet gewesen ist. Wem das alles gar nichts sagt, der braucht wohl auch nicht weiterzulesen, wer aber zumindest etwas Sympathie für diese Geschichte aufzubringen vermag (bzw. früher einmal vermochte), der sollte sich durchaus die (lange) Zeit für einen spielerischen Versuch nehmen, denn „Star Wars Rebellion“ hat auch dem bereits alleskennenden Vielspieler etwas zu bieten. Der Kern-Mechanismus kann nämlich als eine Art von „multifunktionales Worker-Placement“ bezeichnet werden, das bislang noch gänzlich neu und unverbraucht zu sein scheint.

 

Beide Mitspieler starten mit je vier „Arbeitern“, deren Anzahl sich in den Folgerunden auf acht verdoppelt. Hier werden die Arbeiter aber natürlich „Anführer“ genannt, deren Funktionsweise ist jedenfalls vergleichbar: Jeder Anführer bietet zunächst einmal eine Aktion pro Runde. Die Einsetzfelder befinden sich aber nicht (nur) auf dem Spielplan, sondern werden durch die jeweiligen Handkarten gesteuert. Genannt werden diese „Missionskarten“ und sind in ihrer Wirkung mit (für den Ausspielenden stets positiven) Ereignissen verbunden. Damit aber eine derartige Missionskarte ausgespielt werden darf, muss ihr erst einmal ein Anführer zugewiesen werden; ich lege also eine gewünschte Karte verdeckt vor mir ab und stelle einen passenden Anführer darauf. Jeder Anführer weist nämlich mehr oder weniger unterschiedliche Eigenschaften auf (dargestellt durch vier verschiedene Symbole in unterschiedlicher Kombination und Anzahl) und jede Missionskarte erfordert für deren Gelingen ein bestimmtes dieser Symbole (samt einer Anzahl von eins bis drei). Hat mein Anführer zu wenig dieser Symbole, kann ich ihm noch einen zweiten zur Verstärkung zugesellen; das empfiehlt sich auch dann, wenn ich eine höhere Wahrscheinlichkeit haben möchte, dass diese Mission später auch erfüllt werden wird. Das Ereignis einer Missionskarte tritt häufig nämlich noch nicht automatisch sein, selbst wenn ihre Voraussetzung durch meinen (oder meine beiden) Anführer erfüllt sein sollten. Vielmehr hat der Kontrahent oft noch die Möglichkeit dagegen zu intervenieren, sofern ihm dafür bislang unbeschäftigte Anführer zur Verfügung stehen (wenn er also nicht etwa bereits alle seine Anführer eigenen Missionskarten zugewiesen hat).

 

Ein Beispiel könnte so aussehen: Der Rebellenspieler möchte mit einem seiner Anführer eine Sabotageaktion auf einem Planeten des Imperiums versuchen. Nachdem die entsprechende Missionskarte aufgedeckt ist und der Rebellenspieler den Anführer auf diesen Planeten gestellt hat, kann der imperiale Spieler entscheiden, ob er dagegen etwas unternehmen will. Sofern er das möchte (und noch kann), schickt er selber einen seiner Anführer auf diesen Planeten; ob die Mission letztlich gelingt oder nicht, entscheiden dann die Würfel (je mehr passende Symbole, desto mehr dürfen geworfen werden). Aber selbst wenn die Mission des Rebellenspielers fehlschlagen sollte, hat auch der imperiale Spieler für einen seiner Anführer im Grunde eine Aktion verloren, denn er hat mit diesem ja nur verhindert, dass die Aktion des Rebellenspielers gelingt, aber keine eigene Mission vornehmen können! So heißt es jede Runde für beide Kontrahenten abzuwägen, ob lieber eigene Missionen versucht oder die Missionen des Gegners verhindert werden wollen.

 

Verschärft wird dieses stete Entscheidungs-Dilemma noch aufgrund des Umstandes, dass Anführer auch für das Bewegen der eigenen Truppen auf dem Spielplan bzw. für das Erobern und Verteidigen von Planeten benötigt werden. Ein Anführer, der eine Mission verhindern soll, kann also nicht nur keine eigene Mission erfüllen, er kann in dieser Runde auch keine militärische Angriffs-Aktion mehr auf dem Spielplan durchführen. Grundsätzlich sind beide Mitspieler von dieser Qual der Wahl betroffen; Spielziel des Rebellenspielers ist aber „bloß“ sein Überleben über eine ausreichend lange Zeit zu sichern, wohingegen der imperiale Spieler nicht nur den geheimen Stützpunkt der Rebellen (auf einem von rund 30 Planeten) finden und aufdecken, sondern diesen auch noch vernichten muss; der Zwang zur Initiative liegt somit mehr auf Seiten des imperialen Spielers.

 

Und gemeinerweise verhindert ein eigener Anführer auf einem Planeten auch noch, dass sich eigene Truppen von dort wegbewegen könnten. Interveniert der imperiale Spieler im obigen Beispiel also gegen die Sabotageaktion des Rebellenspielers, sind seine auf diesem Planeten sich befindlichen Truppen für diese Runde blockiert. Ein weiterer, spielerisch schön bewirkter Effekt von Anführern auf einem Planeten ist außerdem, dass für eine nachfolgende auf demselben Planeten versuchte Mission für alle sich bereits dort befindlichen Anführer gewürfelt werden darf; je mehr eigene Anführer auf einem Planeten, desto chancenreicher also der Erfolg einer eigenen Mission. Weiters können mehrere Anführer auf demselben Planeten auch bei einem später dort noch abzuwickelnden Gefecht nützlich sein (deswegen die Genre-Beschreibung als „multifunktionales Worker-Placement“).

 

Damit sich der Rebellenspieler in seinem Geheimversteck aber nicht gar zu wohlig fühlen kann, muss er sich nicht nur mit einer dramatischen, bereits zu Spielbeginn vorhandenen und sich jede Runde verstärkenden militärischen Übermacht des imperialen Spielers abfinden. Eine Mission auf einem Planeten des Imperiums kann vom imperialen Spieler auch mit dem Versuch der Gefangennahme des gar zu tollkühnen Anführers des Rebellenspielers beantwortet werden. Und schnell kann es gehen, auf einmal stehen dem Rebellenspieler in der Folgerunde ein bis zwei Anführer bzw. Aktionen weniger zur Verfügung und er muss seinerseits versuchen, den/die gefangenen Anführer wieder frei zu bekommen (was natürlich weitere Aktionen kostet). Außerdem sollte der Rebellenspieler auch noch wiederholt „kleinere“ sonstige Aufträge erfüllen, mit denen die verbleibende Rundenanzahl und somit auch die zeitlichen Möglichkeiten des Imperiums reduziert werden. Und die meisten dieser Aufträge haben es durchaus in sich, erscheinen zunächst oft sogar unmöglich oder können nur dann gelingen, wenn der imperiale Spieler nicht aufpasst bzw. zu riskant spielt. Ohne gelegentliches Einlassen auf ein Risiko wird das eigene Spielziel aber wohl auch nicht erfüllt werden können – und das gilt für beide Seiten gleichermaßen und macht einen Gutteil der Spannung aus.  

 

Aber es gibt ja nicht nur die Anführer, auch die wirklich sehr toll und detailliert gestalteten Plastikspielfiguren möchten lobend erwähnt werden: Hier tummeln sich u.a. Bodentruppen, AT-ST, AT-AT, Luftgleiter, X-Flügler, Y-Flügler, TIE-Jäger, (Super-)Sternenzerstörer, zwei Todessterne und sogar ein Todesstern im Bau! Wie zu erwarten, werden deren Kämpfe – von denen sich im gesamten Spielverlauf gar nicht so viele ereignen, wie man zunächst vermuten würde – grundsätzlich ebenfalls über Würfel abgewickelt. Doch gibt es auch hier eine interessante und spielerisch elegant gelöste Idee: „Kleine“ Einheiten können nämlich grundsätzlich nur bei „kleinen“ Einheiten einen Schaden verursachen, etwa kann ein X-Flügler nur einen TIE-Jäger treffen, nicht aber einen Sternenzerstörer. Mit einer Chance von 1:6 pro Würfel gelingen aber auch „Glückstreffer“, mit welcher diese Regel ignoriert werden darf; wobei das natürlich auch in die andere Richtung gehen kann, sodass ein X-Flügler zufällig auch durch das Abfeuern der großen Laserkanone des Sternenzerstörers vernichtet werden kann. 

 

Und wenn wir schon beim Zerstören sind: Wie funktioniert denn der berühmt-berüchtigte Todesstern? Bereits zu Spielbeginn hat das Imperium einen davon zur Verfügung, doch taugt dieser vorerst nur zum Abfeuern von Laserwaffen gegen die größeren Raumschiffe der Rebellen (wieder abgesehen von „Glückstreffern“ gegen die kleinen Jäger-Raumschiffe). Erst über das Nachziehen bestimmter Karten ist der „Superlaser einsatzbereit“ und das Imperium kann damit dann einen ganzen Planeten samt dessen „Inhalt“ platt machen; dies auch im wahrsten Sinne des Wortes, im Spielmaterial gibt es dafür nämlich eine beeindruckende Platte mit einem Durchmesser von acht Zentimetern, die danach auf das entsprechende Feld auf dem Spielbrett gelegt wird – hier wächst kein Gras mehr! Das kann das Imperium aber nur maximal drei Mal pro Partie machen, außerdem kann der Rebellenspieler für jeden zerstörten Planeten einen Siegpunkt erhalten (das ist zwar unlogisch, funktioniert spielerisch aber sehr gut). Für das Zerstören eines Todessternes benötigt der Rebellenspieler wiederum eine (von zwei) bestimmten eigenen Karten; nach jeder Runde einer Weltraumschlacht, an der ein Todesstern beteiligt ist und welche die dortige Flotte der Rebellen überlebt, gibt es für diesen eine sogar fast 50%ige Chance auf eine wirklich dramatische „Abrüstung“. 

 

Die Spielanleitung erfreut zunächst mit relativ kurzen „nur“ zehn Seiten bebildertem Text; dazu gibt es aber auch noch ein Referenzhandbuch, das zwar bloß als Nachschlagewerk gedacht ist, ohne dessen (zumindest zweimaliges) Studium vor dem ersten Duell aber eher kein regelkonformes Spielen möglich sein wird. Dort finden sich auf 13 eher engbedruckten A4-Seiten zahlreiche Einträge zu nahezu allen relevanten Themen und wird dort auch alles auf im Wesentlichen gut verständliche (manchmal aber etwas ungeschickte) Weise erklärt. Leider wird mit wiederholten Erläuterungen unter den unterschiedlichen Überschriften zu sparsam umgegangen, sodass man manches nicht dort (wieder-)findet, wo man es eigentlich vermuten würde. Im Internet wird noch eine zweiseitige FAQ (aus Mai 2016) zur Verfügung gestellt, die in der deutschen Ausgabe überhaupt nicht berücksichtigt ist. Immerhin wirken die Texte der verschiedenen Karten sehr gut verständlich formuliert, obgleich diese jedenfalls genau gelesen und verstanden werden wollen.

Das in der Anleitung ebenfalls angebotene Teamspiel (2 gegen 2) ist zum einen mit weiterem Regelbedarf verbunden – für die Aufteilung der Kompetenzen innerhalb eines Teams – und zum anderen wohl nur für jene gedacht, die auch sonst gerne kooperative Spiele spielen; andernfalls würde ich für diese Variante keinen Bedarf sehen.

 

Nach dem Spiel brummt einem zwar erst einmal etwas der Kopf und man hat ein Gefühl wie nach einem gar zu üppigen Festmahl. Eher unbefriedigend erscheint jedenfalls der Umstand, dass der Rebellenspieler auch dann gewinnen kann, wenn das Imperium nahezu das ganze Universum unter seine Kontrolle gebracht hat, ein bis zwei Todessterne nur darauf warten, aus den noch nicht besetzten Planeten Weltraummüll zu machen, auch noch die beiden „Oberbösewichte“ weiterhin eifrig ihren Dienst versehen, und der Held der Rebellion vielleicht sogar die Seite gewechselt hat. Bloß das ausreichend lange Ausharren eines „kleinen gallischen Dorfes“ soll jetzt die alles entscheidende Wende bringen können?

 

Und möglicherweise wird durch das stundenlange Hin- und Her bloß der Umstand verschleiert, dass es letztlich eigentlich nur auf einen (un-)glücklichen Würfelwurf des Rebellenspielers ankommt (und zwar bei dessen Versuch, den Todesstern zu zerstören). Insgesamt geht es aber ohnehin weniger um Gewinnen und Verlieren als um das gemeinsame Einflussnehmen auf eine spannende Geschichte. Das Konzept schafft es deswegen auch, die Fantasie anzuregen und es wird wohl bald wieder Zeit und Gelegenheit gesucht werden, die mit einem Mitspieler und „Star Wars: Rebellion“ verbracht werden könnte. Denn obwohl das jeweilige Spielziel und die jeweilige Ausgangslage bei jeder Partie im Wesentlichen stets gleich sind, gibt es doch erstaunlich viel Varianz innerhalb dieses Erzählbogens: Die Startaufstellung kann anders sein, die Abfolge und Auswahl der Missions- und Zielkarten unterscheiden sich, ebenso die Reihenfolge und Auswahlmöglichkeiten der Anführer (welche in weiteren Partien zusätzlich noch mit einmalig nutzbaren „Aktionskarten“ ins Spiel kommen können); nicht zuletzt entscheidet die Spielweise des Gegners, wie man selbst darauf am besten zu reagieren glaubt.

 

Im Ergebnis mag es einem nach dem Spielen ähnlich wie beim (Wieder-)Sehen der Filme ergehen:

 

Es ist faszinierend, sagt die Nostalgie.

Es ist unplausibel, sagt die Logik.

Es ist wahnsinnig geil, sagt das innere Kind.

Es ist völliger Blödsinn, sagt die Vernunft.

Es ist ja nur eine Geschichte, sagt die Toleranz.

Es ist was es ist … sagt die Macht.

 

[Fried(e) dem Universum!]

 

Harald Schatzl

 

Spieler: 2-4

Alter: 14+

Dauer: 240+

Autor: Corey Konieczka

Grafik: Brian Schomburg + Team

Preis: ca. 90 Euro

Verlag: Heidelberger Spieleverlag 2016

Web: www.heidelbaer.de

Genre: Worker Placement, Würfel-Kampf

Zielgruppe: Experten

Spezial: 2 Personen

Version: de

Regeln: cz de en es fr it pl

Text im Spiel: ja

 

Kommentar:

 

Wunderbare und tolle Ausstattung

Extrem atmosphärische Umsetzung der bekannten Filmgeschichte

Sehr stimmige und auch interessante Spielmechanismen

Lange Spieldauer

Bewertung für Fans: ein bis zwei (Todes-)Sterne mehr

 

Vergleichbar:

Der Herr der Ringe Der Ringkrieg

 

Andere Ausgaben:

ADC Blackfire (cz), Fantasy Flight (en), Edge Entertainment (es, fr), Asterion Press (it), Galakta (pl)

 

Gesamt: 6

 

Harald Schatzl

 

Go, Dame, Mühle, Schach: Der ewige Kampf zwischen Schwarz und Weiß – „Star Wars: Rebellion“ setzt diese Tradition asymmetrisch, weit regel- und glückslastiger sowie zeitintensiver fort, dafür jedoch nicht auf abstrakte Weise, sondern mit einer extrem atmosphärischen Umsetzung. Nach dem ersten Öffnen der Spielschachtel fühlt man sich tatsächlich wieder wie ein elfjähriger Bub, der mit großen Augen im Gartenbau-Kino sitzt und dem es beim optischen „Mitfliegen“ mit einem Luftgleiter aus dem Sitz hebt. Das Konzept ist aber nicht bloß für nerdige „Fanboys“ geeignet, sondern das Spiel kann auch für jene Vielspieler, die gewillt sind sich auf diese Parameter einzulassen, ein sehr intensives und erfüllendes Erlebnis sein.

 

 

Zufall (rosa): 2

Taktik (türkis): 3

Strategie (blau): 2

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 1

Kommunikation (rot): 2

Interaktion (braun): 3

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0