Windschatten
Ein handgemachtes Spiel von Alfred Hansl, 1989
"Neben Peri und Piatnik diesmal der einzige
Österreicher in Essen war Heinz Taufer..." berichtete die SpielWiese.
Stimmt nicht! Eine Zeitungsente! Der vierte, der kurzentschlossen nach Essen
reiste und ein Spiel im Eigenverlag bastelt, soll dieser keine Beachtung
verdienen?
In Linz beginnt's bekanntlich, aber daß ein Linzer
zur Spiel'93 in Essen sein eigenes Radrennen präsentiert, darauf war ich nicht
gefaßt. Gelobt sei mein Begleiter, der mich auf Mister Alfred Hansl aufmerksam
machte. Keine fünf Minuten später waren wir an seinem Stand und begutachteten
ein selbstgebasteltes Radrennspiel, welches auf den ersten Blick sehr an Um
Reifenbreite erinnerte.
Brauchen wir noch ein weiteres Radrennspiel? Na,
bevor wir unsere Meinung darüber bilden, will ich lieber das Spiel erklären.
Jeder der bis zu sechs Spieler hat drei Fahrer im
Rennen, die hintereinander wegstarten. Die Fahrer sind numeriert und einer von
ihnen ist der Teamkapitän, der geheim mit einer Karte gelost wird. Alle Punkte,
die der Kapitän während der Wertungen erzielt, werden bei der Abrechnung
verdoppelt. Auf dem Plan gibts Pflastersteine und (nur) eine Bergfahrt (halbe
Bewegungspunkte beim Wegfahren), sowie eine kurze Abfahrt mit doppelter
Geschwindigkeit. Eingezeichnet sind noch zwei strichlierte Linien (Eingrenzung
der Bahnschranken, dazu noch später), sowie mehrere Wertungsabschnitte.
Gezogen wird im Uhrzeigersinn. Dazu würfelt man mit
insgesamt 5 Würfeln. Mit den drei weißen zieht man seine eigenen Fahrer vor,
einer dieser Würfel hat doppelt hohe Werte. Mit dem grünen, der ebenfalls ein
bißchen präpariert ist (eine 8 statt der 1 - was sonst noch daran geändert ist,
habe ich nicht mehr im Kopf, da Herr Hansl nur sein eigenes Exemplar nach Essen
mitgenommen hat und die Regel in diesem Fall ausnahmsweise ungenau ist), zieht
man einen der gegnerischen Fahrer, kann ihn aber in eine Blockade stellen und
damit Würfelpunkte verfallen lassen. Und zuletzt mit dem roten Würfel muß man
einen gegnerischen Fahrer zurückstellen. Zugegeben, das ist unlogisch. Den
Windschatten kann man ausnutzen, wenn man direkt hinter einem nach vorne
gewürfelten Fahrer steht und bewegt sich mit der halben Augensumme.
Nach dem Ziehen der Fahrer darf man seinen einzigen
Bahnschranken einsetzen, womit die Strecke eine ganze Runde lang blockiert ist.
Man kann nicht hinter den Schranken gesetzt werden und verfolgende Fahrer
stauen sich regelmäßig. Zu allem Übel kann sich ein Verfolger revanchieren,
indem er einen Schranken vor die Führenden setzt und damit ist überhaupt nix
gewonnen, sondern das Feld kommt höchstens näher.
Zieht ein Fahrer über eine Wertungslinie, wird
sofort eine Zwischenrechnung gemacht. Wenn zB vier Fahrer gewertet werden,
bekommt der erste vier, der nächste drei Punkte und sofort. Da die anderen
Fahrer bei der Wertung gar nicht über der Linie stehen (können! - die Bewertung
geht nach dem augenblicklichen Stand der Dinge), gibt es ein paar
Beschränkungen. Wenn man selber die Wertung auslösen will, darf nur ein
einziger Fahrer fahren.
Alternativ kann man einen fremden Radler vorziehen -
der hat zwar die meisten Punkte, dafür können sich die eigenen Teammitglieder
vielleicht noch verbessern. Wichtig beim Notieren der Punkte: Die Fahrernummer
aufschreiben, denn der Kapitän sollte bis ans Ende geheim bleiben.
Beendet wird das Rennen, wenn der erste über die
Ziellinie fährt.
Manchmal kommt es dabei zu Überraschungen, denn ein
vermeintlich zurückliegendes Team kann mit guten Plazierungen seines Kapitäns
noch sehr aufholen.
Das Blockieren hätte ich beinahe vergessen. Da man
Fahrer nur gerade oder diagonal ziehen darf, kann es vorkommen, daß einer nicht
vorankommt. Es gibt aber eine Möglichkeit, diesen Fahrer zu befreien: Mit dem
höchsten weißen Würfel darf man einen Blockierenden vorbewegen um anschließend
rauszukommen. Glücklich, wer dabei noch den Windschatten ausnützen kann.
Soviel zu den Regeln im Überblick. Was sich
einigermaßen trocken anhört, entpuppt sich als ein gewitztes Radrennspiel -
soweit man nach nur einem Spiel etwas dazu sagen kann. Trotz der
augenscheinlichen Würfelorgie ergibt sich ein meiner Meinung nach
ausgeglichenes Rennen, denn die anderen Spieler haben immer die Möglichkeit,
einen vorne liegenden Fahrer einzubremsen und müssen wohl oder übel mit dem
grünen Würfel andere Fahrer (meist die Schlußlichter, oder jemand, den man
elegant blockieren kann) nachziehen. Bei der Enge am Hügel rauf ergibt sich
garantiert immer ein Stau und dort wird am meisten gekämpft. Sollten dann
endlich doch ein paar den Weg runter geschafft haben, geht es schnell ins Ziel.
Im Vergleich zu anderen Rennspielen fehlt etwas
besonders auffällig: Windschatten hat gleich lange Außen- wie Innenbahnen. Herr
Hansl bot das Spiel bereits einigen Verlagen an, die jeweils dankend abgelehnt
haben. Obwohl Sportspiele durch ein kürzliches Spiel des Jahres etwas
salonfähiger wurden, können wir (Gerfried und ich) das teilweise sogar
verstehen. Das Zurücksetzen der Rennfahrer - a) im Allgemeinen und b) auf der
Abfahrt stehende, fallen doppelt soweit zurück - ist nicht ganz stimmig und die
Schranken sind leider auch nicht sehr effektiv eingesetzt. Um das Spiel
attraktiver zu machen, könnte man das Motiv ändern (ein Weltraumwettrennen?
Berg = Schwerkraftfeld, Pflaster = Asteroidenschwarm), was heutzutage sowieso
gerne gemacht wird. Und fest vorgesehene Bahnübergänge wären sicher besser als
die freie Wahl.
Vielleicht hören wir ja noch mehr von diesem Linzer.
Nachzutragen bleibt noch: Windschatten kostet 350
Schillinge und ist handgemacht, also keine übertriebenen Ansprüche stellen.
Herrn Hansls Adresse bitte bei mir erfragen oder der Pressemappe von Essen
entnehmen.