Land in Sicht
Wikinger
Taktische
Inselbevölkerung im kühlen Norden
Ich glaube, ich habe noch nie eine Rezension so oft
begonnen, nur um dann den Text wieder zu löschen. Es ist einfach kaum möglich,
die vielen Feinheiten, die es vor allem im Hinblick auf die Wertungen innerhalb
des Spiels "Wikinger" zu beachten gibt, so darzustellen, dass es beim
reinen Lesen dieser Beschreibung verständlich und nachvollziehbar wirkt. Dabei
ist das Spiel an sich gar nicht kompliziert. Und auch nicht schlecht. Ganz im
Gegenteil. Jedoch hat Michael Kiesling die Mechanismen seiner neuen Entwicklung
so fein austariert, dass man eine Menge beachten muss, um letztlich als
erfolgreichster Nordmann die Entdeckung und Bevölkerung seiner persönlichen
Inselwelt abzuschließen.
Noch ein Versuch
Hier also ein weiterer Versuch, "Wikinger"
in Worte zu fassen. Beginnen wir einfach mal beim Spielaufbau, denn der ist
wirklich nicht kompliziert. Jeder Spieler erhält eine Ablagetafel, die ein
Stück Küste zeigt, und an die später Inselplättchen angelegt werden, um dort
Lebensraum für seine Mannen in Form von kleinen Holzfiguren zu schaffen.
Außerdem, abhängig von der Spielerzahl 20, 25 oder 30 Goldstücke, denn
Expansion will natürlich bezahlt werden. Auf einem von Michael Menzel und
Harald Lieske einmal mehr hervorragend und stimmungsvoll gestalteten Spielplan
liegen rund um ein Drehrad in jedem der folgenden sechs Durchgänge 12
Landschaftsplättchen und zwölf Wikingerfiguren aus, wobei deren Farbe angibt,
ob es sich dabei um Fischer (blau), Goldschmiede (gelb), Späher (grün), Adlige
(rot), Kämpfer (schwarz) oder Bootsleute (grau) handelt. Alle diese Figuren
haben verschiedene Eigenschaften, die später bei den Wertungen ins Gewicht
fallen.
Reihum erwerben nun die Spieler jeweils ein
Landschaftsplättchen und die daneben stehende Figur und zahlen dafür den auf
dem Rad angegebenen Betrag. Von der Null, also kostenlos, darf ein Spieler aber
nur nehmen, wenn die Figur neben der Null die letzte ihrer Farbe rund um das
Drehrad ist. Sind die Felder neben der Null leer, wird das Rad solange
weitergedreht, bis sich wieder ein Plättchen und eine Figur neben der Null
befinden. Dadurch verbilligen sich alle anderen Kombinationen. Dies ist ein
cleverer Einfall und funktioniert prächtig, da man so, wenn auch nur ansatzweise,
den Preis(-verfall) für die Kombinationen, die zur Auswahl stehen, aktiv
mitbestimmen kann.
Rein
damit!
Wer eine Kombination aus Figur und Plättchen
erworben hat, muss sie sofort in seine Auslage einbauen und auch das ist nicht
schwierig. Landschaftsplättchen werden immer so gelegt, dass sie grafisch
vollständige Inseln bilden können und zudem muss jedes neue Plättchen die
Ablagetafel oder ein anderes bereits ausliegendes Plättchen an mindestens einer
Seite berühren. Danach wird die Figur auf das Plättchen gestellt, sofern dieses
nun in der Reihe liegt, in der diese Figur auch stehen darf. Denn schön
hierarchisch darf jede Farbe nur in einer ganz bestimmten Reihe in der Ablage
untergebracht werden. Passt sie nicht, wird sie (temporär) auf dem „Festland“ –
also neben der eigenen Auslage – zwischengeparkt und kann später durch einen
Bootsmann doch noch auf ein passendes Plättchen verschifft werden. So geht es
reihum munter weiter, bis die Auslage rund um das Rad aufgebraucht und alle
Figuren und Plättchen verteilt und eingebaut wurden. Dann endet die erste Runde
und fünf weitere Durchgänge folgen nach dem gleichen Prinzip. Warum man welche
Figuren wie kaufen und einsetzen sollte, also die Strategie und Taktik, ergibt
sich aus dem ausgeklügelten Wertungsprinzip. Und das ist gerade das
komplizierte an dem Spiel, weshalb man – sofern man diese Wertungen noch nicht
verinnerlicht hat – zunächst einmal vor sich hin spielt und am Ende der ersten
Partien gar nicht so recht weiß, warum man eigentlich gewonnen hat.
Die
Wertungen
Also dann: Auf zur Wertung. Genau genommen zu den
drei unterschiedlichen, nämlich der kleinen, der großen und der Schlusswertung.
Auch die sind im Grunde nicht schwer – wenn man es einmal begriffen hat: Es
gibt nach jedem ungeraden Durchgang eine kleine Wertung, die für Goldnachschub
sorgt. Jeder Goldschmied (gelbe Figur) auf den eigenen Inseln bringt je drei
Goldstücke ein, sofern er nicht von einem Plättchen mit einem Wikingerschiff
bedroht wird, dessen Reichweite bis zur Reihe des Goldschmieds reicht. Hat
solch ein Schiff also beispielsweise gelbe Segel, reicht es bis zur Reihe des
gelben Goldschmieds und dieser wirft in dieser Wertung kein Gold ab.
Bei der großen Wertung, die nach jedem geraden
Durchgang erfolgt, gibt es dann doch ein wenig mehr zu beachten. Zunächst
einmal können die grauen Bootsleute Figuren, die bislang nicht eingesetzt
werden konnten, vom Festland auf die Inseln transportieren, um sie in eine
günstige Position für die Wertung zu bringen. Dabei transportiert jeder Bootsmann
entweder drei verschiedenfarbige, oder alle Figuren derselben Farbe und
scheidet dann aus dem Spiel aus. Erst dann wird gewertet. Und auch diese
Wertung ist durchweg logisch. Zunächst werden alle Figuren, die von einem
Wikingerschiff bedroht werden, hingelegt, da sie nicht gewertet werden. Alles,
was jetzt noch steht, gibt Punkte und / oder Gold. Und zwar nach folgendem
Schema:
Für jeden roten Adligen darf sich ein Spieler über
zwei Siegpunkte freuen, ein grüner Späher bringt einen Siegpunkt. Stehen unmittelbar
darunter ein Goldschmied und ein Fischer, gibt es für jeden von ihnen je einen
Bonuspunkt. Zusätzlich bringt jeder Goldschmied, wie in der kleinen Wertung
auch, je drei Gold. Kämpfer wehren angreifende Schiffe über ihnen ab und
erhalten dafür das, was auf den Schiffsplättchen angegeben ist. Je nach
Plättchen kann das ebenfalls Gold oder Siegpunkte einbringen.
Der letzten großen Wertung schließt sich dann
unmittelbar die Schlusswertung an, bei der zusätzlich noch die meisten und
größten, aus den erworbenen Landschaftsplättchen gebildeten, Inseln in der
eigenen Auslage Bonuspunkte bringen und die blauen Fischer für Nahrung sorgen.
Jeder Fischer kann insgesamt fünf Figuren versorgen, hat der Spieler mehr davon
vor sich, hagelt es Minuspunkte. Die meisten nicht eingesetzten Bootsmänner
bringen einen 10-Punkte Bonus, nicht abgewehrte Wikingerschiffe bringen Verlust
und schließlich wird auch noch das übrige Gold in Siegpunkte umgewandelt (5
Gold=1 Siegpunkt). Erst wer nach all dieser Rechnerei die meisten Punkte auf
der Kramerleiste abgetragen hat, gewinnt.
Das alles lässt sich bequem auf der Wertungstafel
ablesen, die vor jedem Spieler liegt. Dennoch bedingen sich in diesem Spiel die
unterschiedlichsten Faktoren, was es tatsächlich trotz aller Übersicht nicht
ganz einfach macht, alle relevanten Faktoren im Kopf zu behalten und seine
Strategie gewinnbringend auszurichten.
Trotz aller Taktik ist die Auslage um die
Drehscheibe im Grundspiel zufallsbestimmt, wenn also jemand unbedingt einen
Kämpfer benötigt, aber Runde um Runde nur einer auftaucht, den man nicht
ergattern kann, weil man nicht als Startspieler an die Reihe kommt und einem
die benötigte Figur vor der Nase weggeschnappt wird, kann Wikinger auch
frustrieren. Glücklicherweise ist die strategischere Erweiterung samt
Zusatzplättchen von Verlag gleich mit in die Schachtel gepackt worden. So kann
man Fortuna letztlich dann doch nicht die alleinige Macht über Sieg und
Niederlage bescheinigen.
Fazit:
"Wikinger" ist weit mehr als ein simples
Legespiel, es wird taktiert, es gibt Überraschungen, der Kaufmechanismus mit
dem innovativen Drehrad, das den Preis regelt, ist hervorragend in den Ablauf
integriert und spannender können ca. 60 Spielminuten auch für Experten kaum
vergehen. "Wikinger" lässt sich kaum in Worte fassen, man muss es
eben selbst spielen. Möglichst oft, dann klappt’s auch mit der Wertung.
Spieler :
2-4
Alter :
ab 10 Jahren
Dauer :
ca. 60 min
Autor :
Michael Kiesling
Grafik :
Michael Menzel, Harald Lieske
Vertrieb :
Schmidt
Preis :
€ 24,00
Verlag :
Hans im Glück 2007
www.hans-im-glueck.de
Genre :
Taktisches Legespiel
Zielgruppe : Familie und Freunde /
Experten
Mechanismen: Landschaften, Charaktere kaufen und einsetzen
Strategie :
*****
Taktik :
******
Glück :
***
Interaktion :
*
Kommunikation :
**
Atmosphäre :
*****
Kommentar:
Hochwertiges Material
Komplexe Wertung verwirrt in den ersten Spielen
Innovatives Prinzip zur Verteilung der Ressourcen
Gutes Verhältnis zwischen Glück und Taktik
Integrierte Profivariante mit zusätzlichem Material
Vergleichbar:
Carcassonne und weitere Legespiele
Stefan Olschewski:
Wegweisendes Legespiel mit toller Ausstattung und
viel Raum für taktische Überlegungen. Lobenswert: Die integrierte, kostenlose
Profi-Variante inklusive Spielmaterial sorgt für ein noch geringeres
Glücksmoment.