Ackerbau im Neandertal

 

Stone Age

 

Würfeln statt Keule schwingen

 

Mit seinem sehr erfolgreichen letzten Spiel ließ uns Autor Michael Tummelhofer am Städtebau in St. Petersburg teilhaben. Diesmal schickt er uns auf eine Reise in die Steinzeit. Und woran denkt man beim Thema Steinzeit? Richtig!

An Neandertaler, Keulenschwingende Höhlenbewohner, tapfere Männer die gemeinsam auf die Jagd gehen, und so mancher denkt an starke und wilde Frauen (Leser die den Film 10.000 BC gesehen haben, werden hier mit der Vorstellungskraft wohl kein Problem haben).

Aber war diese Zeit wirklich so?

Die Steinzeit geht über mehrere Zeitalter bis hin zur Jungsteinzeit, die in Mitteleuropa vor ca. 8.000 Jahren begann und in der auch das Spiel anzusiedeln ist. Die Menschen lebten in selbstgebauten Behausungen und begannen sich neben der Jagd auch in Viehzucht und Ackerbau zu betätigen. Sie kannten nicht nur Nutzgegenstände wie Werkzeuge, sondern auch Schmuck. Diese Elemente finden sich auch im Spiel wieder: Die Menschen gehen auf die Jagd und bepflanzen Äcker, sie vergrößern ihre Siedlungen durch den Bau von neuen Behausungen, benutzen den Faustkeil für verschiedene Zwecke und entwickeln sich schließlich durch Aneignung neuer Fertigkeiten weiter. Trotzdem gilt natürlich als oberstes Ziel, die eigene Familie ausreichend ernähren zu können, die Folgen für den Einzelnen wären sonst fatal. Diesem Umstand wird auch im Spiel hohe Bedeutung zugemessen.

 

Das Spielmaterial ist, so wie die Grafik, sehr detailreich und liebevoll gestaltet und von tadelloser Qualität. Auf dem Spielplan findet man verschieden Orte wie Acker, Wald, Lehmgrube, Steinbruch und einen Fluss, wo unter anderem Gold gewaschen wird. Ebenso eine Schmiede, mit Platz für zwei Stapel von Werkzeugen, vier Felder für die Gebäudestapel mit den zu bauenden Gebäuden, eine Zählleiste für permanente Nahrung und am Flusslauf vier Ablagefelder für die Zivilisationskarten, die im Lauf des Spiels erworben werden können. Umrahmt wird der Spielplan von der Zählleiste für die Siegpunkte. Nun aber zum Spielablauf:

Zu Spielbeginn erhält jeder Spieler zur Ablage für die Spielmaterialien und als Übersicht für den Spielablauf und die Schlusswertung ein Spielertableau. Darauf platziert er 5 Spielfiguren seiner Farbe und 12 Einheiten Nahrung in Form von Nahrungschips. Außerdem stellt jeder Spieler jeweils einen Zählstein seiner Farbe auf die Felder 0 der Nahrungs- und Zählleiste und legt die restlichen Spielfiguren neben dem Spielplan bereit. Der Startspieler erhält den Startspielermarker in Form einer Häuptlingsfigur, und schon kann`s losgehen.

 

Stone Age wird in mehreren Runden gespielt, wobei jede Runde in 3 Phasen unterteilt ist, und zwar:

1. Spielfiguren auf dem Spielplan einsetzen

2. Handlungen ausführen und

3. Personen ernähren

 

Zu Beginn jeder Runde müssen sich die Spieler reihum pro Spielzug für einen der verschiedenen Orte auf dem Spielplan, die jeweils eine Handlungsmöglichkeit bieten, entscheiden und dort eine oder mehrere ihrer Spielfiguren einsetzen. Wobei es für  alle Orte bis auf einen bezüglich der Figurenanzahl und der Anzahl der Spieler, die an einem Ort setzen dürfen, Limits gibt und das Nachsetzen von Figuren nicht erlaubt ist. Wurden alle Spielfiguren eingesetzt, werden reihum die dem Ort zugeordneten Handlungen ausgeführt und danach alle Sippenmitglieder mit Nahrung versorgt. Dazu eine kleine Bemerkung am Rande: Falls den Leser dieser Rezension bezüglich der ersten beiden Phasen nun ein kleines Deja-vu befällt, so ist das kein Wunder, denn der Spielmechanismus von Stone Age ist grundsätzlich derselbe, wie der des Spiels „Die Säulen der Erde“. Allerdings, wie gesagt, nur grundsätzlich, denn das Spielgefühl und der Anspruch der beiden Spiele ist unterschiedlich, dazu aber später mehr. Jetzt geht`s erst mal ab in die Steinzeit:

 

Am wichtigsten ist hier, wie eingangs erwähnt, natürlich zuerst einmal die Nahrungsbeschaffung, denn unser Stamm soll ja schließlich keinen Hunger leiden. Dazu hat man die Möglichkeit, entweder eine Person auf den Acker oder beliebig viele auf die Jagd zu schicken, wobei der Anbau von Getreide zur dauerhaften und die Jagd eher zur kurzfristigen Nahrungsversorgung beiträgt. Die Jagderträge erhält man daher auch in Form von Nahrungschips und die Erträge des Ackerbaus, indem man seinen Markierungsstein auf der Nahrungsleiste für „dauerhafte Ernährung“ um ein Feld nach oben versetzt. Die Jagd ist übrigens auch der einzige Ort, an dem es kein Personenlimit gibt. Aber auch Rohstoffe wie Holz, Lehm, Stein oder Gold waren bzw. sind natürlich sehr wichtig für das (Über)leben in der Steinzeit (Gold natürlich eher in Bezug auf Weiterentwicklung) und so hat man auch die Möglichkeit, seine Leute in den Wald, die Lehmgrube, den Steinbruch oder zum Goldwaschen an den Fluss zu schicken. Die Rohstoff- und auch Jagderträge werden in der zweiten Spielphase dann folgendermaßen ermittelt: Jeder Rohstoff hat einen bestimmten Wert. Pro Spielfigur, die man an einem Ort eingesetzt hat, erhält man einen Würfel und würfelt. Das Gesamtwürfelergebnis dividiert man dann durch den Wert des Rohstoffes, das abgerundete Ergebnis ergibt die Anzahl der Rohstoffe die man erhält. Ein Beispiel: Holz hat den Wert 3, das Gesamtwürfelergebnis beträgt 14, man erhält also 4 Einheiten Holz. Nahrung hat übrigens den Wert zwei, Lehm den Wert vier, Stein fünf und Gold erhält man für jede volle Sechs die man würfelt. Die Nahrungs- bzw. Rohstoffbeschaffung ist also umso ertragreicher, je mehr Leute daran beteiligt sind. Wodurch der Spieler natürlich sehr bald den Wunsch verspürt, seine Sippe zu vergrößern. Und was tut man in diesem Fall? Richtig! Man schickt zwei seiner Steinzeitmenschen in die Hütte, was zur Folge hat, dass schon am Ende der laufenden Spielrunde zwar ein Mäulchen mehr zu stopfen ist, man dafür aber ab der nächsten Runde auch über eine Person mehr verfügen kann.

Immer wieder lohnend ist auch der Besuch des Werkzeugmachers, bei dem im Lauf des Spiels auch immer effizientere Werkzeuge erhältlich sind, die sich natürlich ebenfalls sehr positiv auf die Nahrungs- und Rohstofferträge auswirken. Sie können dafür verwendet werden, das Würfelergebnis beim Ermitteln der Rohstofferträge aufzubessern, wobei jedes Werkzeug allerdings nur einmal pro Runde eingesetzt werden darf, was häufigere Besuche beim Werkzeugmacher natürlich umso attraktiver macht.

Erarbeitete Rohstoffe können entweder in den Bau von Gebäuden oder in den zivilisatorischen Fortschritt investiert werden. So kann man seinen Sippenmitgliedern, indem man diese auf Gebäudeplättchen platziert, auch ein Dach über dem Kopf, sprich Gebäude, bauen, was mit einer saftigen Zahl an Siegpunkten belohnt wird, die nach dem Bau sofort auf der Siegpunkteleiste vorwärts gezogen werden dürfen. Die Anzahl der Siegpunkte hängt dabei von den Rohstoffen ab, die  für den Bau des Gebäudes verwendet wurden. Wobei es für manche Gebäude bezüglich der Rohstoffe strenge Bauvorschriften gibt, für andere wiederum eher lockere; diese können je nach Rohstoffvorrat der Sippe gebaut werden. So liegt die Entscheidung, je nach Strategie, beim Architekten bzw. Spieler: Baut man ein Gebäude beispielsweise aus relativ leicht erhältlichem Holz und Ziegel, bringt das natürlich weit weniger Punkte als ein Gebäude, für dessen Bau man viel Stein und Gold, das natürlich weit aufwändiger zu beschaffen ist, verwendet. Und setzt man auf steinzeitlichen Luxus pur und baut ein Gebäude ausschließlich aus Gold, was unter bestimmten Voraussetzungen im Spiel möglich ist, katapultiert das den Baumeister auf der Siegpunkteleiste schon ganz schön weit nach vorne. Was in unseren Partien allerdings noch lange nicht zum Sieg geführt hat! Die Gebäude, die man im Lauf des Spiels baut, können in Kombination mit den passenden Zivilisationskarten übrigens nochmals Siegpunkte einbringen. Womit wir bei der letzten und strategisch sehr wichtigen Option des ersten Rundenabschnittes wären, der Investition von Rohstoffen in den zivilisatorischen Fortschritt.

 

Am Flusslauf, unterhalb der Stelle wo die Goldwäscher zugange sind, stehen Kanus bereit, die auf so genannten Zivilisationskarten aufgedruckt sind und dort auf deren Benutzer warten. Platziert man in der Setzphase eine Person auf einem Kanu und erwirbt in der folgenden Spielphase durch Abgabe von beliebigen Rohstoffen die entsprechende Karte, kommt man dadurch in den Genuss verschiedenster Vorteile bzw. Errungenschaften.

Zum einen bringen die Karten sofortige Vorteile, beispielsweise in Form von Rohstoffen oder einer Art „Würfelroulette“, das im besten Fall sogar ständige Nahrung oder neue Werkzeuge bringen kann. Zum anderen sind die Karten ein wichtiger Bestandteil der Spielstrategie und haben großen Einfluss auf die Endabrechnung. So kann man entweder möglichst viele der acht verschiedenen Fertigkeiten wie beispielsweise Heilkunst, Schrift, Töpferei oder Weberei erlernen bzw. sammeln. Je mehr verschiedene Fertigkeiten man am Spielende vorweisen kann, desto mehr Siegpunkte fährt man ein. Oder man heuert mittels dieser Karten Werkzeugmacher, Bauern, Schamanen oder Häuslebauer an, die am Spielende dann in jeweils passender Kombination, wie z.B. Häuslebauer mit Gebäuden oder Werkzeugmacher mit Werkzeugen, ebenfalls kräftigst Siegpunkte einbringen können.

 

Erworbene Zivilisationskarten werden jedenfalls verdeckt auf dem Spielertableau abgelegt, wodurch man während des Spiels nicht weiß, wie viele Siegpunkte die Mitspieler am Spielende noch erhalten werden und der Siegpunktestand während des Spiels nicht wirklich aussagekräftig ist (es sei denn, man ist ein Gedächtnisgenie und hat den Ehrgeiz, sich alle Zivilisationskarten zu merken, die die Mitspieler im Lauf des Spiels erwerben). Doch nun wieder zurück zum Spielablauf:

Nachdem alle Spielfiguren eingesetzt wurden, alle Spieler reihum die Handlungen an den verschiedenen Orten in beliebiger Reihenfolge durchgeführt und damit ihre Spielfiguren vom Spielplan entfernt haben, geht`s an die Ernährung der Sippe. Nach einem anstrengenden Tag auf der Jagd, im Wald oder Steinbruch hat man sich das ja schließlich verdient. Pro Sippenmitglied muss jeder Spieler nun eine  Nahrungseinheit abgeben, wobei man dafür zuerst entsprechend dem Stand des Markers auf der Nahrungsleiste Nahrungschips erhält und dann pro Person eine Nahrungseinheit in den Vorrat zurücklegt. Hat ein Spieler nicht genug Nahrung um seine Sippe zu ernähren, muss er zuerst seine Nahrungsvorräte leeren und alle Nahrungschips, die er besitzt, abgeben und kann dann entweder pro fehlender Nahrungseinheit einen beliebigen Rohstoff abgeben, oder auf der Siegpunkteleiste 10 Punkte abziehen. Ist die Ernährungsphase abgeschlossen, wird die Startspielerfigur im Uhrzeigersinn an den nächsten Spieler weitergegeben und die nächste Runde beginnt wieder mit dem Setzen der Spielfiguren auf dem Spielplan. Gespielt wird so lange, bis entweder ein Gebäudestapel aufgebraucht ist, oder die Zivilisationskarten nicht mehr vollständig ausgelegt werden können. Dann endet das Spiel und es kommt – im wahrsten Sinn des Wortes - zum „Showdown“.

 

Apropos Showdown: Die Tatsache, dass man während des Spiels den tatsächlichen Spielstand nicht wirklich kennt, macht das Spiel jedenfalls bis zur letzten Sekunde spannend, da wird bis zum allerletzten Spielzug an der Taktik gefeilt und um jeden einzelnen Siegpunkt gefeilscht. Denn es kann vorkommen, dass der Spieler mit dem größten Rückstand an Siegpunkten mittels seiner gesammelten Zivilisationskarten bei der Endabrechnung plötzlich nach vorne prescht, alle anderen Spieler überholt und das Spiel letztendlich gewinnt. Und der Spieler, der bereits das gesamte Spiel hindurch mit haushohem Abstand geführt hat, kann plötzlich weit abgeschlagener Letzter sein. Das Spielergebnis erfährt man also tatsächlich erst am Spielende, nach der Endabrechnung.

Insgesamt gesehen ist Stone Age ein sehr nettes, stimmungsvolles und damit sehr Erfolg versprechendes Entwicklungs- und Aufbauspiel mit großem „Wiederspielreiz“. Wie eingangs bereits erwähnt ähnelt Stone Age von Optik und Spielmechanismus her dem Spiel „Die Säulen der Erde“. Der große Unterschied zwischen den beiden Spielen liegt im Spielanspruch und auch im Spielgefühl. Bei Stone Age kommt durch den Einsatz der Würfel beim Ermitteln der Rohstofferträge zusätzlich Würfelglück ins Spiel, außerdem können die Handlungen an den verschiedenen Orten in beliebiger Reihenfolge durchgeführt werden. Dadurch ist Stone Age einfacher und lockerer zu spielen, als taktisch und strategisch weniger anspruchsvoll zu bezeichnen und daher einer anderen Zielgruppe zuzuordnen als „die Säulen der Erde“. Was aber in keiner Weise bedeuten soll, dass Stone Age uns deshalb weniger Spielspaß gebracht hätte!

 

Unserer Meinung nach kann man Stone Age als sehr gut ausgewogenes, spannendes und abwechslungsreiches Spiel bezeichnen, das einfach Spaß macht und im Übrigen auch in allen Besetzungen gleich gut funktioniert. Wobei im Spiel zu viert der Glücksfaktor am höchsten war und im Spiel zu zweit der Strategie- und Taktikfaktor dominiert hat. Wenn nun, wie vom Verlag versprochen, ab der nächsten Auflage auch noch das Problem mit der zu klein geratenen Spieleschachtel gelöst und auch die Spielregel bezüglich einiger kleiner Unklarheiten noch etwas überarbeitet wird, gibt es an Stone Age absolut nichts auszusetzen. Ganz im Gegenteil lautet unsere klare Empfehlung: Ab in die Steinzeit!

 

Christine Kugler mit Alex Hennerbichler und Bernhard Czermak

 

Spieler         : 2 bis 4

Alter            : 10+

Dauer          : 60 – 90 Minuten

 

Autor           : Michael Tummelhofer

Grafik          : Michael Menzel

Vertrieb        : Schmidt

Preis            : ca. € 27,00

Verlag          : Hans im Glück

 

Genre                    : Entwicklungs- und Aufbauspiel

Zielgruppe             : Familie, Freunde

Mechanismen         : Figuren einsetzen, Erträge daraus nutzen

 

Strategie                : ****

Taktik                    : *****

Glück                    : ***

Interaktion             : ****

Kommunikation      : **

Atmosphäre           : ******

 

Kommentar           :       

Sehr schönes Material

Thema sehr gut umgesetzt

Abschätzen des Spielstands zwischendurch nicht möglich

Überraschende Endwertung

 

Christine, Alex und Bernhard

Ein sehr ausgewogenes Spiel mit überraschendem Showdown, das auch zu zweit sehr gut funktioniert

 

Vergleichbar:

Säulen der Erde