Rezension
RACE TO THE NEW FOUND LAND
Mit Schiffen aus fünf Nationen
Der Titel verweist doppeldeutig auf neu gefundene Länder und bringt uns dann unter anderem nach Neufundland im nördlichen Atlantik. Als Steuermann und Kapitän fungieren Martin Kallenborn und Jochen Scherer. Beide sind für mich eher unbekannte Autoren, die beim Hans im Glück-Verlag für dieses Spiel angeheuert haben. Ersterer war zwar bereits mit Matthias Prince für „Helios“ unterwegs – ein Spiel, das mir damals sehr gut gefallen hat. Auch die „Baumhausparty“ bei Haba stammt aus seiner Feder. Mit Jochen Scherer hat er „Asselschlamassel“ beim Drei Magier Verlag herausgebracht.
Worum geht es nun bei dieser neuen Zusammenarbeit? Wir versuchen Länder bzw. Inseln zu entdecken und gegebenen falls auch zu besiedeln. Gleichzeitig handeln wir mit Holz, Tuch, Erz und Gold. Dieses ersetzt als Joker bei Bedarf alle anderen Waren. Das Cover der Box verkörpert mit Schiff und Besatzung sehr gut Entdeckerfreude und Abenteuerlust.
Kommen wir zum Inhalt. Neben dem obligaten Spielplan gibt es fünf Spielertableaus, welche verschiedene Länder wie Niederlande, England, Spanien, Frankreich und Portugal darstellen und unterschiedliche Startbedingungen aufweisen. Vier der Tableaus kommen pro Spiel zum Einsatz. Die Rückseite der unbenutzten Nation dient als Ablagefeld. Dasselbe Prinzip gilt bei den Startschiffen der jeweiligen Nation. Die restlichen Schiffe, als Plättchen gestaltet, teilen sich in groß und klein. Letztere sind im Spielverlauf um einen Einheitspreis von 1 Holz und 1 Tuch zu erwerben, während die großen Fregatten teuer und verschiedenartig zu bezahlen sind. Allerdings verhelfen sie bei Kauf auch zu drei zusätzlichen Siegpunkten. Da alle Schiffe verschieden ausgestattet sind, ist vor Erwerb zu überlegen, welches der Boote aus der Auslage einem nützlich sein kann. Weiters befinden sich in der Schachtel 34 Insel- und 18 Auftragsplättchen sowie fünf geometrische Rahmen, auf deren Funktion ich noch zurückkommen werde. Acht Kompass Platten und ein Startmarker ergänzen das Set. An Karten gibt es 21 Stück zum einmaligen Einsatz, von denen wieder fünf als Startkarten variabel ausgestattet sind. 15 Ziel - und fünf Kapitänskarten verschiedener Vorteile sind im Spielverlauf zu erwerben. Extra Punkte gibt es für den, der zuerst die 50er Marke erreicht oder überschreitet. An Holzteilen hat man pro Spielerfarbe 25 Klötzchen und eine Schiffsfigur. Das Warensortiment besteht aus je 15 Tuch und Holzsteinen, Eisen und Gold gibt es je 12 Mal.
Vor Beginn werden die erwähnten Rahmenmarker auf die Felder7, 15, 20, 25 und 35 der Punkteliste gelegt. Derjenige Spieler, der als erster eines dieser Felder erreicht oder überschreitet, kann aus einem Stapel von fünf Ziel- oder Kapitänskarten die Karte auswählen, die ihm am vorteilhaftesten erscheint. Dann zieht er den Marker bis zum nächsten Schiff, aber höchstens drei Felder zurück. Der nächste, der diese Hürde meistert hat allerdings eine geringere Auswahlmöglichkeit.
Man startet mit einer Ware Erz. Zu Beginn jeder Runde, es gibt vier, erhält man 1 Tuch und 1 Holz. Jetzt kann man in der Landphase den Hafen um eine zusätzliche Werft ausbauen oder nützliche Schiffe kaufen. In der folgenden Planungsphase gibt es Aktionen wie Beladen, Siedeln, Liefern und Entdecken. Jeder Teilnehmer entscheidet, welche der Möglichkeiten er für sich wahrnimmt. Dazu legt er eines (bei Beladen) oder bis zu drei Schiffe bei den anderen Varianten an die entsprechende Stelle.
Nun ist es notwendig, die verschiedenen Stärken der Schiffe zu erläutern. Jedes Schiff weist eine Zahl für Personen (1 oder 2), Kisten (0-4) und Fernrohre (bis zu 4) auf. Beim Beladen entscheidet die Anzahl der Kisten, welche Ware man erhält. Außerdem kann man je nach Kistenzahl aus der Menge der Einmalkarten entsprechend viele Karten ziehen und eine davon behalten. Die anderen gehen auf den Ablagestapel. Während beim Beladen die Reihenfolge im Uhrzeigersinn erfolgt, zählt bei den anderen Aktionen der Segelwert, der ebenfalls auf den Schiffsplättchen vermerkt ist, und bestimmt die Zugfolge.
Entscheidet man sich für Siedeln, kommen die Personenziffer zum Tragen. Man belegt mit seinem Farbmarker ein freies Inselplättchen. Diese haben zwei Boni zur Auswahl und man kann sich einen davon aussuchen. Weist das eingesetzte Schiff zwei Personen auf, darf man einen Stapel von zwei Marker einsetzen. Allerdings gibt es trotzdem nur einen Bonus.
Hier eine kurze Abhandlung der zur Verfügung stehenden Inseln.
Insel Anticosti:
Sie gilt mit ihren 400 Schiffwracks als Friedhof des St. Lorenz Golfs. Obschon 1534 entdeckt beherbergt sie nur rund 280 Personen und ist heute ein Naturpark.
Insel Nova Scotia:
Wie der Name schon andeutet war sie ursprünglich eine englische Kolonie, die 1867 in Kanada als Provinz eingegliedert wurde.
Insel Prince Edward:
Sie ist die kleinste der Inseln, hieß früher St. Johns Island und weist Besiedlungsspuren von 9000 vor Christus auf. Tendierte seinerzeit zu USA, wurde aber von Kanada, das die Kosten der damaligen Eisenbahn übernahm, „überzeugt“.
Neufundland:
Mit Neufundländern verband ich eigentlich nur eine Hunderasse mit über 50 kg schweren Tieren. Tatsächlich war die Insel aber für ihre Kabeljauschwärme berühmt, die so zahlreich waren, dass sie sogar das Weiterkommen von Schiffen behinderten. Die Einwohner setzen sich aus Wikingernachfahren, Franzosen, Iren und Schotten zusammen und gelten als „Ostfriesen“ Kanadas.
Sollte man sich für keine Insel entscheiden ergibt sich als Ausweg New England. Das bezeichnet eine Region mit Connecticut, New Hampshire, Maine, Massachusetts, Vermont und Rhode Island im Nordosten der USA, berühmt für die Schönheit seines „Indian Summer“. Sie beherbergt auch die bekannten amerikanischen Universitäten Yale und Harvard. Auch der Unabhängigkeitskrieg nahm mit der „Teaparty“ von hier seinen Ausgang. Setzt man hier, gibt es zwar keinen Bonus, aber zumindest einen Siegpunkt.
Beim Liefern kann man nun die beim Laden erworbenen oder durch Einmalkarte erstandenen Waren an den Mann bringen. Der dafür zuständige Bereich besteht aus den Städten Stockholm, Hamburg und Venedig. Adäquat zur Neu England – als Variante dient hier Antwerpen als Ausweg. Stockholm bietet fünf Aufträge mit verschiedener Punktezahl an, Hamburg und Venedig je drei.
Für das Entdecken zählen die Ziffern bei den Fernrohrsymbolen. Sie erlauben, insgesamt so viele Inselplättchen zu ziehen und davon eines pro eingesetzten Schiff auszulegen. Es muss allerdings mit seiner Form mit der Vorgabe auf dem Spielplan übereinstimmen. Man markiert es mit seinem persönlichen Stein und nimmt sich beide angezeigten Boni. Ein Feld bleibt frei zur späteren Besiedelung.
Ist eine der 4 Spielrunden abgeschlossen, werden weitere Inselplättchen aufgedeckt. Dazu wird eine der 8 Kompasskarten umgedreht und auf der darauf angezeigten Insel weitere Plättchen – abhängig von der Spielerzahl - angelegt. Sollte keine passende Landschaft mehr frei sein wird solange aufgedeckt bis eines davon passt.
Steht anschließend fest, dass eine der Inseln komplett belegt ist, kommt es zu einer Wertung. Die meisten bzw. zweitmeisten Personenmarker werden auf dieser Insel mit Bonuspunkten belohnt. Außerdem zählen alle darauf befindlichen Marker je einen Punkt. Gewertet wird nach Spielerreihenfolge im Uhrzeigersinn. Dieses einzuhalten, ist wichtig für das Erreichen der Rahmenmarker oder der 50/100er Karten. Anschließend werden die Städte nach gleichem Prinzip gewertet.
Nun können Zielkarten, die im Laufe der Runde erworben wurden eingesetzt werden, wobei der Einsatz der ersten kostenlos ist, aber jede weitere zwei Waren kostet.
Bei der Schlusswertung gibt es für jeden Marker auf nicht gewerteten Inseln und Städten einen Punkt. Für nicht eingelöste Einmalkarten und Zielkarten gibt es sogar zwei Punkte. Hier fehlt eine Vorgabe für die Reihenfolge, die unter Umständen für die Bonuspunkte der 50/100 Karten ausschlaggebend sein kann.
Zum Schluss noch zu den Vorteilen der verschiedenen Nationen.
Portugal - hat die Möglichkeit zum Ausbau einer zusätzlichen Werft, um mehr Schiffe einzusetzen.
Spanien - ist die Kolonialverwaltung ausgebaut, kann beim Siedeln ein weiterer Marker auf eines der zwei Felder eines ausliegenden Inselplättchens gelegt und einer der Boni nochmals gewählt werden
Frankreich - ist der Zoll ausgebaut, erhält man bei jeder Lieferung drei Extrapunkte zugesprochen.
Niederlande - ist das Marineamt ausgebaut, erhöht man bei jeder Aktion den Segelwert um 2 und beeinflusst damit die Zugreihenfolge
England - ist der Kolonialhafen ausgebaut, darf man beim Beladen eine weitere 1x-Karte ziehen, falls man mindestens zwei Karten ziehen darf.
Die Eigenschaften der Kapitäne:
Christoph Columbus platziert beim Entdecken ein weiteres Inselplättchen und kassiert vor allem beide Boni dieses Plättchens.
Ferdinand Magellan wird in der Planungsphase mit einem Schiff gespielt, dessen Segelwert erhöht sich um 7
Hernán Cortez gibt sofort und dann zu Beginn jeder Landphase ein zusätzliches Gold
Vasco da Gama wird in der Planungsphase mit einem Schiff gespielt, dieses erhält +3 Kistensymbole für Liefern oder Beladen
Francis Drake stellt eine zusätzliche Werft zur Verfügung, um Schiffe anzulegen.
Vorerst meine positiven Eindrücke. Die Variationsmöglichkeiten sind schier unbegrenzt. Es beginnt damit, dass für vier Spieler fünf Nationen zur Auswahl stehen und geht damit weiter, dass die unterschiedlichen Schiffe und Aufträge nach Zufallsprinzip auftauchen. Es setzt sich fort bei der Reihenfolge der Entdeckung der Inseln. Das gleiche gilt für die Zielkarten, aus denen drei Stapel zu je fünf Karten gebildet werden. So können zusätzliche Charterschiffe bald oder sehr spät auftauchen, was den Spielausgang durchaus beeinflussen kann. Interessant ist die Methode, dass bei Erreichen einer bestimmten Punktezahl (Rahmen) quasi ein Karten Drafting stattfindet. Auch wenn dies, wie oben gesagt, vom Glück gesteuert wird.
Nun zu meinen Kritikpunkten. Vorerst beim Design. Ich verstehe nicht warum man Schiffe auf einem gezeichneten Stoffband!! als Punkteleiste voranzieht. Auch dass man ein Riesen-Landgebiet wie Neu England wie eine Insel im Meer platziert. Ebenso geht es mir mit den Auftragsstädten. Es hätte genügend Städte aus dem Gebiet der Inseln oder Kanada wie USA gegeben, die meiner Meinung nach passender gewesen wären als europäische Städte. Wollte man unbedingt Belgien, Schweden, Deutschland und Italien ins Spiel zwingen? Die Spielregel ist sehr bemüht aber manchmal übertrieben. Ich zitiere: „Der Startspieler ruft die Reihenfolge beim Beladen auf!“ Bei der angestrebten Zielgruppe sollte man eigentlich voraussetzen können, dass eine Spielreihenfolge im Uhrzeigersinn nichts Unbekanntes ist. Oder ich zitiere nochmals: „Du darfst nicht mehr Plättchen legen als du gezogen hast!“ No Na.
Gerade als Fan von Hans im Glück Verlag hat mich Race to the New Found Land diesmal ein wenig enttäuscht. Das Spiel funktioniert, ist aber sicher nichts für Strategen. Zu viele Varianten wurden hinein gepackt, die eine langfristige Planung erschweren. Als Zielgruppe schweben mir Familien mit Spielerfahrung bzw. die Zielgruppe Freunde vor. Das Material ist wie immer bei Spielen von Hans im Glück Spielen perfekt und auch die Regel ist, von den erwähnten Punkten abgesehen, tadellos.
Spieler: 2-4
Alter:10+
Dauer: 90+
Autor: Martin Kallenborn, Jochen Scherer
Grafik: Alexander Jung
Preis: ca. 45 Euro
Verlag: Hans im Glück 2017
Web: www.hans-im-glueck.de
Genre: Entdecken, Handel
Zielgruppe: Mit Freunden
Version: multi
Regeln: de en fr nl
Text im Spiel: nein
Kommentar:
Homogenes Ganzes aus bekannten Spielmechanismen
Regel teilweise überbemüht
Plan-Design etwas fragwürdig
Vergleichbar:
Aufbauspiele mit Plättchen und Arbeiter platzieren
Andere Ausgaben:
999 Games (nl), Z-Man Games (en, fr)
Meine Einschätzung: 5
Rudolf Ammer
Das Spiel zeichnet sich durch eine Fülle von Varianten mit hohem Glücksfaktor aus
Zufall (rosa): 3
Taktik (türkis): 1
Strategie (blau): 1
Kreativität (dunkelblau): 0
Wissen (gelb): 0
Gedächtnis (orange): 0
Kommunikation (rot): 0
Interaktion (braun): 1
Geschicklichkeit (grün): 0
Action (dunkelgrün): 0