Ein echter Colovini!

Mauerbauer

Ohne Mauer keine Power

 

Oh weh, welch ein hausbackener Name für ein modernes Spiel. Vom Untertitel ganz zu schweigen: Ohne Mauer keine Power! Nicht einmal dichterische Freiheit darf hier als Erklärung  herhalten. Auch die Ziegelschrift in klobiger Blockform ist alles andere als ein Reizbild für das menschliche Auge. Erinnerungen an die DDR werden wach – immerhin hat die ältere Käuferschicht ein in vierzig Jahren gehärtetes Geschichtsbewusstsein. Fast wäre ich an „Mauerbauer“ total vorbeigeschrammt. Und nochmals oh weh, das wäre wahrlich ein Versäumnis gewesen, so viel ist mir inzwischen sonnenklar geworden. Denn wie bei allen seinen bisherigen Kreationen schafft es Leo Colovini auch diesmal wieder mit einfachen Rezepten einen langen Nachklang zu sichern. Beim ersten Durchspielen verblüfft noch die harmonische Grundmischung aus Glück und Taktik, vermeinen die Spieler eher von der Fortune zu profitieren, die uns in schönen Spielstunden immer wieder belebt. Je öfter „Mauerbauer“ aber auf den Tisch kommt, desto klarer kommt die Tiefe des Colovini-Konzepts zum Tragen. Und niemals wird es dabei schwerblütig, niemals ist die Lage auf der schönen Landkarte hoffnungslos. „Mauerbauer“ hat letztlich doch die Power, die der Werbeslogan in wenig eleganter Art suggeriert.

Die Vorbereitung für dieses taktische Optimierungsspiel ist schnell abgespult. Aus sechzig so genannten Gildekarten bekommt jede Spielerin sechs Stück. Der Rest ruht in einem verdeckten Stapel. Ein Zählstein pro Spielerin rückt auf eine Kramerleiste und zuletzt wird das umfangreiche, aus Türmen, Häusern, Palästen, Mauern und Würfeln bestehende Material schön sortiert bereit gelegt. Los geht es mit dem Abstecken der Claims, eine knappe Stunde Bauvergnügen steht ins Haus. Das Ende kommt bisweilen unvermittelt, nämlich dann, wenn entweder die letzte Mauer oder der letzte Turm oder das letzte Haus oder der letzte Palast verbaut wurden. So hart „gemörtelt“ steht es in der Regel – bitte nachlesen! Wird beim Setzen der letzten Mauer noch eine Stadt abgeschlossen, kommt es in dieser noch zu einer abschließenden Wertung. Ist dies nicht der Fall, darf sich jede Spielerin noch eine Stadt aussuchen, für die sie ein oder zwei Gildekarten ausspielen kann. Aber hier greife ich schon ein wenig auf den Spielablauf vor. Die Spielerin mit den meisten Siegpunkten gewinnt nach einer knappen Baustunde. Bei Gleichstand ist es die Spielerin, die am Ende die meisten Karten auf der Hand hat.

Der Spielplan bei „Mauerbauer“ besteht aus einer mit dünnen Dreiecken überzogenen Landkarte, die im Westen und Osten durch Meere begrenzt wird. Das gesamte Gebiet ist zudem in drei große, durch Wappen gekennzeichnete Regionen aufgeteilt. Wer am Zug ist, hat in exakt dieser Folge vier Arbeitsschritte auszuführen. (1) Eine Mauer bauen: zuerst wird auf eine der Dreiecksseiten ein Mauerteil gelegt, niemals jedoch in eine bereits abgeschlossene Stadt (siehe unten). (2) Einen Wurf mit drei Würfeln machen: Mit einem „Turmwürfel“ (der ein entsprechendes Farbsymbol – weiß, grau, schwarz – zeigt) wird entschieden, welche Turmfarbe an eines der freien Mauerenden platziert wird, sofern es ein solches gibt. Das zweite Ende, so es nicht schon belegt ist, darf durch freie Turmwahl geschmückt werden. Zwei „Hauswürfel“ legen zudem fest, welche Häuschen links und rechts von der zuletzt platzierten Mauer aufgestellt werden. Fünf Farben sowie ein Fragezeichen (als Joker) stehen zur Verfügung. Ist eine Farbe bereits völlig verbaut, darf ein beliebiger Ersatz gewählt werden. Ins Wasser wird klarerweise kein Häuschen gestellt. Dennoch werden beide Hauswürfel verwendet, um damit die Auswahl der Bauteile zu erhöhen. (3) Eine Wertung durchführen: Sobald eine Stadt durch einen letzten Mauerteil abgeschlossen wird, kommt es zur Wertungsphase. Zunächst darf die aktive Spielerin allerdings noch Verbindungsmauern von einer angrenzenden, anderen Stadt entfernen, wenn es ihr beliebt. Dadurch wird das Stadtterrain unter Umständen völlig verändert. Werden durch dieses Zusammenwachsen Mauern oder Türme frei stehend, müssen diese sofort in den Vorrat zurückgelegt werden. Die eigentliche Wertung funktioniert mit Gildekarten. Jede Spielerin, beginnend mit der aktiven, darf ein oder zwei Gildekarten ausspielen und bekommt dafür entsprechende Punkte für die Kramerleiste. Entscheidet sich eine Spielerin für eine Nullrunde, das heißt, verwendet sie keine Gildekarte zur Wertung, darf sie eine aus der Hand abwerfen und dafür später zwei Handkarten nachziehen. Was nun besagen diese Gildekarten? Grundsätzlich können zwei Arten unterschieden werden: Gildekarten für die Städte und solche für das freie Land. Für eine bestimmte Zahl von Feldern in einer Stadt, für die im Grauton passenden Türme sowie für die farblich entsprechenden Häuser oder Paläste (diese ersetzen zwei Häuser in einer abgeschlossenen Stadt) gibt es eine festgelegte Punktezahl. Beim freien Land kommen zusätzlich noch die durch Wappen markierten Regionen, die losen Mauern, die Lage am Wasser und die abgeschlossenen Städte zum Tragen. (4) Wechsel der aktiven Spielerin: Die Würfel werden einfach an die linke Nachbarin weiter gegeben.  

Der Hauptkritikpunkt wurde bereits im Einleitungsabsatz betont: der unscheinbare, marktfremde Titel. Sonst stimmt aber auch schon ziemlich alles an diesem Spiel. Das formschöne Material, die einfache Grundregel, das wechselhafte Spielglück, die Vielseitigkeit der Handkarten, deren Bedeutung dennoch fast intuitiv erfasst werden kann und letztlich die optisch beeindruckenden Landschaften, die im Laufe einer knappen Stunde auf dem Plan entstehen. Das Auge spielt eben auch mit, zuminderst in meiner Spielrunde. Vielleicht hätten die Regionen deutlichere Abgrenzungsunterschiede vertragen, vielleicht hätte eine beiliegende Teamversion dem Spiel gut getan. Denn „Mauerbauer“ ist zweifellos zu zweit und zu dritt sehr gut bis hochklassig, zu viert jedoch um einen Hauch zu glücksabhängig. Entscheidend ist jedoch die Vielseitigkeit der Möglichkeiten, die sich während der gesamten Spieldauer auftut. Fragen über Fragen – und doch keine grüblerischen, endlos ausgewalzten Denkpausen. Wohin mit der Mauer? Handkarten abwerfen oder einsetzen? Welche Turmfarbe fürs offene Ende wählen? Städte verschmelzen oder Kleinsiedlungen bilden? Einen Palast oder doch lieber zwei Häuschen planen? Bestimmte Regionen forcieren? Das Spielende provozieren? Und wieder und immer wieder die Kardinalfrage: Wohin mit der einen Mauer, die in jedem Spielzug in die Landschaft gesetzt werden muss?   

Mein persönliches Fazit: „Mauerbauer“ ist eine sehr stimmige Mischung aus Glück und Logik, für die Familie ebenso geeignet wie für die taktisch orientierten Spielfreunde. Das hölzerne Material passt wunderbar zum Thema, die leichte Erfassbarkeit der Regel lässt einen Colovini-typischen lockeren Einstieg zu und die Spannung bleibt wegen der ständig wechselnden Führungspositionen bis zur finalen Mauer aufrecht. Wie schrieb ein begeisterter Kritiker: Die Karten bieten „ein schier unerschöpfliches Reservoir taktischer Möglichkeiten …“ und „… die Würfel sorgen für das nötige Tempo und verhindern, dass uns notorische Grübler den Spaß verderben.“ Zudem kennzeichnet ein ungewöhnlicher Mechanismus diese Neukreation des italienischen Autors: Nicht die Handkarten sind der Antrieb des Baugeschehens, sondern vielmehr bestimmt das Bauen der Mauer über die Wertigkeit der Handkarten. Letztlich kommt es also nur darauf an, wohin Sie Ihre Mauern setzen. Also ist der Titel vielleicht doch Programm: Mauerbauer – was denn sonst?  

        

Hugo Kastner

Es baut sich mit locker-eleganter Hand bei dieser stimmigen Mischung aus Glück und Logik. Langatmig wird es nie, auch wenn die Spieler jederzeit von der Vielfalt der Setzmöglichkeiten geradezu überwältigt werden. „Mauerbauer“ lässt durchwegs Freude aufkommen … Sie sollten ein Eintauchen ins Baugeschäft wagen. 

 

ÜBERBLICK

Autor:                  Leo Colovini

Grafik:                 Franz Vohwinkel

Vertrieb:              Fachhandel

Preis:                            ca. 30 Euro

Verlag:                Hans im Glück 2006

                            www.hans-im-glueck.de

Spieler:      2-4 

Alter:         8

Dauer:        45

 

BEWERTUNG

Genre:                 Optimierungsspiel 

Zielgruppe:                   Taktikfreunde & Familie

Mechanismus:     Gebiete abstecken

Strategie:            **

Taktik:                *****

Glück:                  *****

Interaktion:        *****

Kommunikation: **

Atmosphäre:       *****

Kommentar:

Gute Glück-Logik-Mischung

Lockeres Regelstudium

Schönes Spielmaterial

Spannung bis zum Schluss

Wie schon so oft hat Leo Colovini auch mit „Mauerbauer“ wieder einmal seine Hand für die elegant-lockere Kombination aus Taktik und Glück bewiesen. Nach kurzem Regelstudium erspürt man fast intuitiv die vielfältigen Möglichkeiten des Mauern-, Häuschen- und Türme-Setzens – und bleibt doch immer wieder erstaunt über die unerwarteten Aktionen der Gegner. Wenn Ihnen ein Schuss Strategie, eine Ladung Taktik und eine satte Portion Glück munden, dann sollten Sie zugreifen. Colovini macht es Ihnen diesmal vielleicht etwas schwerer als bei „Clans“, aber deutlich leichter als bei den „Brücken von Shangrila“. Marke „Cartagena“, wenn Sie mich fragen!          

    

Hugo.Kastner@spielen.at