Freibeuter
Das Spiel:
Freibeuter
von Reiner Stockhausen
2 bis 4 Spieler ab 9 Jahren
Hans im Glück 1998
30 bis 45 Minuten
Win-Wertung:
** Freibeuter WW S I UUU
AAA 3-4(2-4) m
Vergleichbare Spiele:
Pirat, Hexagames
(T)
Freibeuter, Demand (T)
Carat (Queen Games), (M)
Acquire (div. Firmen) (M)
Bei der Spielemesse
in Essen im Herbst 1 997 brachte ,,Hans im Glück" ein aufwendiges,
komplexes (und in Spielerkreisen etwas umstrittenes) Spiel mit dem Namen
,,Euphrat & Tigris" heraus. Umso erstaunlicher für einen Kleinverlag,
dass bereits im Frühjahr 1998 bei der
Bereits auf dem
Schachtelcover wird man gut auf das Bevorstehende eingestimmt. Der Typ mit Dreieckshut, Augenbinde, Meerschaumpfeife und einem Papagei
auf der Schulter ist unschwer als Seeräuber zu erkennen, auch wenn man einen
eventuellen Holzfuß nur vermuten kann. Totenschädel,
marineblaue Farbgebung im Seekartenmuster tun ihr übriges, und wer es noch
immer nicht kapiert hat, wird mit dem Untertitel ,,Entern, kapern, Beute
machen" restlos aufgeklärt. Die Beute, das sind Schiffe mit Frachträumen
bis an den Rand mit wertvoller Ladung gefüllt. Sie treiben da inmitten der Karibik,
in Form von 36 Plättchen, die sich auf den Kreuzpunkten einer 7 x 7 Felder
großen Seekarte befinden. Zur Vereinfachung für uns Spieler tragen
die Schiffsplättchen
Zahlenwerte. Die obere Zahl ist der Wert der Beute, die es für das Einnehmen
des Schiffes gibt. Das kann 5, 10, 15 oder gar 20 Schatzkisten bedeuten. Auf
die Bedeutung der unteren Zahl komme ich gleich zurück. Wer es auf ein
bestimmtes Schiff abgesehen hat, markiert es mit einem kleinen Holzboot der
eigenen Farbe. So sichert man sich im Falle einer erfolgreichen Kaperung die
Rechte an den Schatzkisten im Inneren des Schiffrumpfs.
Wie aber kommen die Piraten
ins Spiel? Statt ein Holzboot auf ein beliebiges Schiff zu setzen, kann ein
Spieler auch ein Piratenschiff auf den Plan rufen. Durch das Ausspielen einer
Koordinatenkarten (zum Beispiel A3 oder D5 ) wird ein
Piratenschiff der eigenen Farbe auf das betreffende Feld eingesetzt, und
anschließend eine neue Karte nachgezogen. Nun ist es aber nicht ganz so
einfach, ein Schiff zu erobern. Piraten sind da ein wenig feige (wer glaubt da
noch ernsthaft an kühne, mutige Korsaren?), und so müssen sich schon auf allen
vier Feldern um einen Kreuzungspunkt Piratenschiffe befinden, damit sich das
Schiff darauf wirklich geschlagen gibt und seine Beute rausrückt. In den
seltensten Fällen gelingt es, sein Beuteschiff mit eigenen Piratenschiffen zu
umzingeln, öfters sind die Mitspieler am Beutefang beteiligt. Dann müssen diese
für ihre wertvolle Mithilfe belohnt werden. Die untere Zahl zeigt an, wie viel
Schatzkarten jedes Piratenschiff unter fremder Flagge als Dank erhält. Für
alle, die es ganz genau wissen wollen, die Belohnung beträgt ein Fünftel des
Schiffswertes, also entsprechend 1 , 2, 3 oder 4
Kisten. Wer sich da also zuviel auf die anderen verlässt (bzw. bei sehr
lukrativer Beute drängen sich die Helfer von selbst auf!), kann da schon ganz
schön viel seines großen Fanges abtreten.
Erschwerend kommt dann noch
dazu, dass man seinen Helfern die Belohnung sofort auszahlen muss, während man die
eroberte Fracht erst zum Schluss bei der Endabrechnung gutgeschrieben bekommt.
Und da man anfangs nur mit einen knappen Vorrat an Schatzkisten ausgestattet
wurde, kann es passieren, dass man pleite geht und
sich einen Kredit aufnehmen muss. Allerdings - und das beweist, dass in der
Bank die wahren Piraten hocken! - muss man jeden Kredit am Ende doppelt
zurückzahlen! Ein wahrer Wucher (100 %Zinsen), der sich aber nicht immer
vermeiden läßt.
Eine Möglichkeit, seinen
Barbestand wieder aufzubessern, bieten die Piratenlager. Das sind vier
spezielle Plättchen, die sich so wie die voll beladenen Dreimaster auf
Kreuzungspunkten befinden. Ist so ein Piratenlager eingekreist, erhalten die
Spieler pro Piratenschiff, welches sie um das Lager haben, zwei Schatzkisten
ausgehändigt. Zudem sind die Piratenlager eines der Kriterien für das
Spielende. Dieses ist nämlich dann gegeben, wenn entweder alle Piratenlager
geplündert wurden, ein Spieler keine Karte mehr nachziehen kann oder ein
Spieler keine Boote mehr hat.
Aufmerksame Spieler werden
jetzt argwöhnen, dass da sehr viel von den richtigen Koordinatenkarten abhängt.
Damit liegen sie nur zum Teil richtig. Von jedem der 25 inneren Felder gibt es
zwei Karten, von den Randkarten hingegen nur jeweils eine. Fünf Karten hält jeder
Spieler jederzeit in der Hand, und so könnte man schon sehr stark auf ein
reines Glücksspiel tippen. Aber Reiner Stockhausen, seines Zeichens oberster
Freibeuter und Autor des Spieles, hat da schon noch einen Mechanismus
beigefügt, der den Spielern mehr Auswahlmöglichkeit bietet: den ,,Fliegenden
Holländer". 14 Karten, die mit nur einem Buchstaben oder einer Zahl
versehen sind (A bis G, 1 bis 7), gelten für ein beliebiges Feld einer ganzen
Zeile oder Spalte. Der ,,Fliegende Holländer", präsentiert durch ein Boot
in neutralem Violett, ist aber nur dann zur Stelle, wenn durch sein Setzen auch
ein Schiff erobert werden kann. Nach dem Beutefang wird der ,,Fliegende
Holländer" wieder vom Spielplan genommen, der Spieler darf sich eine Karte
nachziehen. Beim Nachziehen darf ein Spieler übrigens wählen, ob er eine
Koordinatenkarte oder eine Holländerkarte nehmen will.
Neben den Schiffen und den
Piratenlagern gibt es noch vier andere
Plättchen, und diese können
den Ausschlag über Sieg oder Niederlage geben. Es sind dies Plättchen mit dem vielsagenden Namen ,,Doppelter Wert", denn sie
verdoppeln die Beute eines bestimmten Schiffstyps. Wird also beispielsweise das
Plättchen ,,20 x 2" eingekreist, haben die Spieler im Augenblick noch
nichts davon, am Ende zählen jedoch alle 20er-Schiffe gleich 40 Schatzkisten!
Bei der Endabrechnung müssen schließlich Barstand an
Schatzkisten plus die erbeuteten Schiffsplättchen addiert und eventuelle
Kredite (verdoppelt) subtrahiert werden. Der reichste Spieler kann sich
berechtigterweise als ,,Schrecken der Karibik" fühlen.
Ich muss zugeben, anfangs
hatte ich so meine Zweifel an dem Spiel. Legespiele können ja manchmal ganz
schön eintönig sein, von mangelnder Interaktion ganz zu schweigen. Aber nach
einigen Partien ,,Freibeuter" habe ich richtig Gefallen daran gefunden.
Die vielen Optionen, die man im Laufe einer Partie wählen kann, lassen keine
Langeweile aufkommen. Wichtig ist für jeden Spieler, das Beste aus seiner
Kartenhand zu machen. Ob man ein Schiff besetzt oder eine Karte ausspielt,
sollte gut überlegt und geplant sein, wobei auch auf die Mitspieler ständig ein
Auge (jenes ohne Augenklappe) geworfen werden muss. So gesehen hat das Spiel
erstaunlich viel Tiefgang und bietet 30 bis 45 Minuten lang ausgezeichnete
Unterhaltung.