Eines der Sieben Weltwunder

 

Die Hängenden Gärten

 

Gartenbau am Spieltisch

 

Frisch und verstaubt.


Betrachtet man die Hans im Glück Spiele der letzten Jahre, fällt auf, dass der kleine und dennoch irgendwie große Verlag aus Bayern überraschend viele neue Autoren im Programm hat. Wo sich andere Verlage fast schon erschreckend oft auf große und scheinbar sichere Namen verlassen, zeigt das Team rund um Bernd Brunnhofer, dass neue Autoren auch mitunter sehr unverbrauchte Ideen liefern können. Wenn man sie denn lässt. Und mit der entsprechend gründlichen redaktionellen Betreuung kommen dann Spiele heraus wie eben Die Hängenden Gärten von Din Li. Frisch und angestaubt, einfach im Einstieg, hinterhältig in der Ausführung, schwach im Thema aber stark im Erlebnis. Ein Spiel mit Widersprüchen, die aber überraschender Weise nicht sonderlich stören.

 

Assoziationen

Es interessant, dass Spieler während einer Partie Die Hängendne Gärten sehr oft und völlig unerwartet „Der Palast von Alhambra“ vor sich hin flüstern. Gefolgt von „Ich weiß nicht genau warum, aber es erinnert mich irgendwie an Alhambra...“. Beide Spiele haben nicht sehr viel gemein, aber wirken von der optischen Struktur - es gibt einen gemeinsamen Bereich mit Plättchen und Karten, sowie eine eigene Auslage - ähnlich. Diese Ähnlichkeit ist vielleicht auch auf die redaktionelle Arbeit zurückzuführen, die beiden Spielen zu Gute kam, denn man spürt da doch die saubere Arbeit erfahrener Handwerker.

Das Spiel selbst scheint auf den ersten Blick sehr einfach zu funktionieren, birgt aber doch einige Tücken. Jede Runde kommen alle Spieler einmal (bzw. im 2er Spiel zweimal) an die Reihe. Wer am Zug ist, darf sich eine der ausliegenden Karten aussuchen und diese in seiner Auslage - die den Entwurf zu den hängenden Gärten darstellen soll - auslegen. Regelkonform versteht sich. Und eben diese Regeln besagen, dass die auf den Karten abgebildeten Motive nicht direkt auf den Tisch gelegt werden dürfen, sondern nur auf freie Kartenfelder (Baugrund nennt das die Regel) oder andere Motive. Da es sich um dünne Karten handelt, kann es im Verlauf einer Partie schon vorkommen, dass mehrfach überbaut wird, um möglichst kompakt zu agieren. Die Karten selbst bestehen aus 2 mal 3 Quadraten, die eben entweder leer oder mit einem Motiv versehen sind. Schafft es ein Spieler auf diese Weise, ein zusammenhängendes Gebiet zu schaffen, das aus drei oder mehr gleichen Motiven besteht, darf er sich je nach Größe des Gebietes eine Tafel einer Auslage von 2, 4 oder 6 Tafeln aussuchen. Vorausgesetzt der Spieler platziert einen seiner Tempel auf dem Gebiet. Sind alle 5 Tempel aus dem Vorrat aufgebraucht, werden bereits platzierte Tempel umgesetzt. Je größer gebaut wird, desto größer ist also auch die Auswahl. Das macht irgendwie Sinn. Wer es schafft, ein Gebiet aus mehr als 5 Teilen zu legen, erhält gar noch eine Tafel vom verdeckten Nachziehstapel als Bonus.

Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile


Die Wertung selbst ist nicht neu. Hans im Glück hat einiges ausprobiert, ist aber schlussendlich bei Bohnanza hängen geblieben, dass ja seinerzeit wiederum bei Civilization hängen geblieben ist: Also ein Etwas hat einen bestimmten Wert, zwei Etwasse sind nicht bloß das doppelte wert, sondern eben mehr. Bei dem „Etwas“ handelt es sich bei Die Hängenden Gärten um die Tafeln unterschiedlicher Sorten. Somit entsteht eine Staffelung die von der Steigung her „sicher“ sein kann z.B. 3-7-12-20 für Kelche-Tafeln oder eben riskanter, wie 1-3-20 für Statuen-Tafeln. Das ist bekannt, aber nach wie vor reizvoll. Etwas aufgepeppt wird dieses Konzept durch Personentafeln, die zu gewissen Tafelarten passen und diese nochmals aufwerten. Auch wenn der Verdacht besteht, dass diese recht stark sind und im 2er Spiel mit etwas Pech oder eben Glück die Balance brechen könnten, ist dies in unseren Partien bisher nicht der Fall gewesen. Ach ja: Das Spiel endet, wenn alle Karten verbaut worden sind. Der Spieler mit den meisten Punkten gewinnt. Aus, Punkt, Ende.

Überraschende Überlegungen

 

Das Spiel ist ein Dilemma an vielen, vielen, kleinen Überlegungen. Lege ich meine Karten möglichst kompakt, um fast schon Mühle-artige Zwickmühle zu erzeugen, oder eher weitläufig? Wie groß ist mein Tisch und wie groß mache ich meine Gebiete, wie lange soll ich mit dem Palastbau warten und wo zum Henker stell ich den Palast hin, damit er in ein, zwei Runden nicht störend im Weg steht und ich mir eine Schere zum Zerschneiden der Karten wünsche?

Bei unseren ersten Runden haben wir eine kleine Regel-Unklarheit so ausgelegt, dass ein Palast nur auf die neu gebaute Karte gelegt werden darf. Was die Sache noch härter macht. Laut Hans im Glück ist es aber erlaubt, auf jeden Teil des erweiterten bzw. entstandenen Gebietes zu bauen - nicht zwingend auf die neue Karte. Das macht das Spiel netter, aber nicht trivialer.

Spannend ist auch zu sehen, wie stark sich die Spieleranzahl aufs Spielgefühl und taktische Überlegungen auswirkt. Zu zweit sieht man 4 Karten und weiß, dass man 2 davon bekommt. Da sind wesentlich mehr Überlegungen möglich, als im Dreier- und Viererspiel, wo man nur eine der Karten bekommt. So entsteht in Mehrpersonenpartien bisweilen das unangenehme Gefühl, nicht wirklich etwas weiter zu bringen. Ganz besonders, wenn man das Spiel als 2er Spiel kennen gelernt hat. Umgekehrt bedeutet dies aber eine besondere Empfehlung als 2er Spiel.

 

Charmante Puzzelei

 

Dem Puzzlecharme der Karten können sich Spieler nur schwer entziehen und die recht neue Art, wie die Auslage entsteht ist Gehirnjogging pur. Da werden Karten genommen, gedreht, nicht gedreht, aber dafür der Kopf seltsam schief gelegt. Es macht Spaß die Mitspieler zu beobachten, wie sie sich auf die neue Herausforderung einstellen und ihre grauen Zellen anstrengen, obwohl es ja eigentlich ein einfaches Spiel ist. Und das ist es, was Die Hängenden Gärten besonders gut macht: Es bricht ganz unerwartet mit unseren Spielgewohnheiten, ist aber dennoch eingebettet in eine bekannte, bewährte und funktionierende Struktur. Dieses Drumherum, die Tafeln, die Wertung und der Rundenablauf, benötigt das Spiel – der Kartenlegemechanismus, so spannend und herausfordern er sein mag, hätte alleine nicht gereicht. Das hat Hans im Glück erkannt und wurde prompt mit einer Nennung auf der Empfehlungsliste zum Spiel des Jahres 2008 belohnt. Warum keine Nominierung? Vermutlich weil thematisch mehr drin gewesen wäre. Die hängenden Gärten passen nicht wirklich, warum wir die Karten legen, bleibt etwas unklar. Dass wir die Gärten planen, zieht nicht wirklich als thematische Einbettung. Das Spiel wird nicht wegen des eigentlich ja sehr reizvollen Themas gespielt werden. Gartenfreaks müssen also weiter im Freien am Objekt selbst arbeiten. Hans im Glück hat also gewisser Weise eine Chance vertan. Solange die Jungs aus Bayern das allerdings auf so hohem Niveau machen, dürfen wir uns über Misserfolge freuen. Und das ist doch einmal was Neues, genauso wie dieses Spiel von Din Li.

 

Klemens Franz

 

Spieler: 2-4

Alter   : 8+

Dauer : 45 Min.

 

Autor           : Din Li

Grafik          : Harald Lieske

Vertrieb        : Schmidt

Preis            : ca. 25,00 Euro

Verlag          : Hans im Glück 2008

           www.hans-im-glueck.de

 

Genre          : Kartenlegespiel

Zielgruppe    : Familie

Mechanismus: Karten anlegen, eventuell werten

 

Strategie                : ***

Taktik                    : *****       

Glück                    : ******

Interaktion             : ****

Kommunikation      : *

Atmosphäre           : *

 

Kommentar:

 

Bewertungen für das Spiel zu dritt und viert

Besonders gut als 2-Personen-Spiel

Mechanismus eher abstrakt

Thema passt, aber nicht zwingend notwendig

 

Das Spiel bietet einen unverbrauchten einfachen Kartenlegemechanismus mit sauberem Drumherum, das Thema ist vernachlässigbar. Besonders stark ist das Spiel als 2er Spiel.

 

Vergleichbar:

Rattenscharf, Flix Mix