unsere rezension
Quer durch Asien
Auf den Spuren von Marco Polo
Immer eine Kamellänge voraus
Im Jahr 1260 wird der junge Marco Polo von seinem Onkel Matteo und seinem Vater Niccolo Polo, beide venezianische Juwelenhändler, auf eine Reise mitgenommen, um ihre Waren im fernen Osten zu verkaufen. Die drei Polos reisen über Konstantinopel, weiter bis nach Beijing, und von dort zurück nach Venedig. 1271 brechen die Drei erneut auf, und es wird 24 Jahre dauern, bis Marco Polo Venedig wiedersieht.
In diesem Spiel verkörpern die Spieler einen der Charaktere dieser Reisen, zum Beispiel Marco oder Matteo Polo, Berke Khan (Dschingis Khans Enkel), Wilhelm von Rubruk oder Johannes Carprini (sie reisten beide ca. 20 Jahre vor Marco Polo in die Mongolei und verfassten Reiseberichte). Gestartet wird in Venedig, von wo aus mittels Erfüllung von Aufträgen und dem Bereisen von Städten Siegpunkte lukriert werden können.
Das Spiel geht über fünf Runden. Nach der Wahl der Charakterkarten, die unterschiedlich stark sind und die Spieler auch zu unterschiedlichen Spielstrategien drängen, erhält jeder Spieler noch zwei Zielkarten, welche ihm verschiedene Orte auf dem Spielplan angeben, an denen er Handelsposten errichten soll um bei Spielende zusätzliche Punkte zu kassieren.
Zu Beginn jeder Runde werden durch Charakterkarten oder bereits erreichte Städte freigeschaltete Boni ausgeschüttet. Danach würfeln die Spieler ihre fünf Würfel, die sie dann wie Arbeiter für Aktionen auf dem Spielplan platzieren. Reihum führen die Spieler eine der sechs zur Verfügung stehenden Aktionen aus, durch Platzieren der Würfel auf die jeweiligen Felder am Spielplan, plus optionaler Zusatzaktionen vor oder nach der Aktion. Die Runde endet, wenn kein Spieler mehr Würfel hat.
Die 6 Basisaktionen sind: „Fünf Geld nehmen“ - unabhängig vom eingesetzten Würfelwert; „Zum Markt gehen“: gemäß Augenzahl der Würfel können verschieden viele Waren oder Kamele erworben werden. Kamele werden zum Reisen und Erfüllen von Aufträgen benötigt, die Waren, also Pfeffer, Tuch und Gold, zum Erfüllen von Aufträgen. Um die wertvolleren Tücher zu erhalten müssen zwei Würfel eingesetzt werden, für Gold sogar drei; „Die Gunst des Khans erhalten“: hier darf jeder Spieler einmal einsetzen. Die Augenzahl muss gleich oder höher den bereits eingesetzten Würfeln sein. Zum Lohn erhält man eine Ware seiner Wahl und zwei Kamele; „Aufträge nehmen“ - ein Würfel wird eingesetzt, aus der Auslage können bis zu zwei Aufträge genommen werden. Basierend auf der Augenzahl kann man somit aus 1-6 Karten auswählen. Zu beachten ist auch, dass der Spieler nur zwei freie Plätze für aktive Aufträge hat. Wird ein dritter Auftrag genommen muss ein anderer abgeworfen werden. „Reisen“: Zwei Würfel müssen eingesetzt werden um eine Spielfigur durch Asien zu bewegen. Die niedrigere Augenzahl bestimmt die Zugweite. Für zwei Augen sind zwei Schritte möglich, diese kosten sieben Geld. Drei Schritte kosten zwölf Geld, 5 Schritte bereits 18. Auf der Strecke angegebene Zusatzkosten (Kamele oder Geld) müssen ebenfalls sofort bezahlt werden. In der Stadt in der der Zug beendet wird darf man ein Handelshaus bauen. In kleinen Städten erhalten die Spieler einen Bonus der sofort und dann zu Beginn jeder neuen Runde ausgeschüttet wird. In großen Städten steht dem Spieler ab sofort auch das Aktionsfeld der Stadtkarte zur Verfügung. Zusätzlich erhält der erste Spieler, der einen Handelsposten in einer großen Stadt errichten einen einmaligen Kontorbonus, z.b. 5 Geld, 2 Gold, einen Auftrag, zwei Kamele, etc.; „Die Stadtkarten“: Hat ein Spieler ein Haus in einer großen Stadt errichtet steht ihm die dort ausliegende Aktion zur Verfügung. Diese werden, wie auch die Kontorboni, bei Spielbeginn zufällig zugeordnet und erlauben den Spielern meist Tauschhandel, z.b. Geld gegen Waren, Kamele gegen Siegpunkte, etc.
Was tun wenn ein Feld schon besetzt ist? Kein Problem! Die Würfel werden einfach gestapelt, es entstehen aber Zusatzkosten gemäß dem niedrigsten eigenen Würfel, also: Wer als 2. Spieler Gold erwerben möchte und dazu drei Würfel mit den Augenzahlen, 3, 4 und 5 einsetzt, muss 3 Geld Sonderkosten bezahlen. Einzige Ausnahmen: die Stadtkarte-Aktionen können immer nur von einem Spieler genutzt werden und bei der Gunst des Khans stehen genau vier Slots zur Verfügung, hier wird nicht gestapelt.
Zusätzlich zur Hauptaktion darf der Spieler noch vor und/oder nach seiner Aktion eine oder mehrere der 5 folgenden Zusatzaktionen nutzen: „1 Auftrag ausführen“: alle für den Auftrag benötigten Waren und Kamele werden abgegeben, dafür erhält der Spieler die Belohnung auf der rechten Seite. Die Aufträge benötigen Waren und Kamele und belohnen den Spieler mit Siegpunkten, Waren, neuen Aufträgen, zusätzlichen Reiseschritten, Geld oder schwarzen Bonuswürfeln für eine Runde;
“3 Geld nehmen“: einen Würfel auf den Geldbeutel am Spielbrett legen, diese Aktion bringt immer 3 Geld, kann auch mehrmals vom selben Spieler gewählt werden, Augenzahl egal. „1 Würfel neu würfeln“: Dafür muss 1 Kamel abgegeben werden; „1 Würfel rauf oder runter drehen“: um die Augenzahl auf einem Würfel um eins zu verändern müssen zwei Kamele abgegeben werden; „1 schwarzen Würfel kaufen“: Für 3 Kamele kann ein schwarzer Würfel erworben werden, dieser wird sofort gewürfelt und zu den noch verfügbaren Würfeln gelegt. Er muss am Ende der Runde retourniert werden. Sind alle 5 schwarzen Würfel bereits von Spielern gekauft worden steht die Aktion nicht mehr zur Verfügung.
Nachdem alle Spieler alle Würfel verbraucht haben endet die Runde, es werden neue Aufträge aufgelegt, Boni ausgeschüttet und der neue Startspieler bestimmt (der letzte Spieler der gereist ist). Nach 5 Runden erfolgt noch die Schlusswertung: Die Auswertung der zu Beginn ausgeteilten Zielkarten, je 10 Geld werden 1 Siegpunkt, Siegpunkte für Handelsposten in Beijing und 1 Siegpunkt für je 2 Waren (nur mit Handelsposten in Beijing), 7 Punkte für die meisten erfüllten Aufträge. Wer 8 seiner Kontore gebaut hat erhält 5 Punkte, der 9. Kontor bringt nochmals 10 Punkte extra. Sieger ist, wer die meisten Punkte erzielt hat, übrige Kamele sind Tiebreaker.
An Marco Polo scheiden sich die Geister. Eine kurze Umfrage bei unserem Spieleabend ergab Meinungen von „endlose Variabilität“ und „wir wollen eine Erweiterung“ bis zu „das Spiel ist ja schon bei der Charakterauswahl entschieden“ und „wer höher würfelt ist im Vorteil“. Meiner Meinung nach ist es durchaus richtig, dass die Charakterauswahl die Spielstrategie maßgeblich beeinflusst. Wer Wilhelm von Rubruk als Charakter wählt und sich nicht auf Reisen fokussiert wird wohl nicht gewinnen (Wilhelm darf auch beim darüber Ziehen Handelsposten platzieren und nicht nur dort wo er seinen Zug beendet). Höhere Würfel geben potenziell mehr Waren, mehr Schritte, mehr Auswahl beim Erwerb von Aufträgen, sind dafür aber teurer, wenn man eine Aktion nicht als Erster nutzt. Zum Ausgleich erhält jeder Spieler der mit seinen 5 Würfeln zu Beginn einer Runde weniger als 15 Augen erzielt die Differenz in Kamelen und/oder Geld gutgeschrieben. Da die Wegstrecken nur wenig Kreuzungen beinhalten, muss man sich hier auch schon zu Spielbeginn festlegen, welche Route man wählen wird. Oftmals hat man sich einen wunderbaren Plan zurechtgelegt, der dann nur daran scheitert, dass man die Aktion erst als 2. macht, dann zusätzlich Geld für das Einsetzen zahlen muss und sich jetzt der geniale Zug um eine Münze nicht ausgeht. Hier verbirgt sich ein Frustfaktor, zumindest für mich. Ein Umdrehen ist meist fatal, bereist man doch dieselben Wege nochmal, zahlt nochmals die Wegkosten (wertvolle Kamele) und erhält dadurch keine neuen Boni. Von den 31 Stadtkarten werden jede Partie nur 9 verwendet. Das ergibt zwar eine Spielvariabilität, die Unterschiede in den Stadtkarten sind aber nur gering und ergeben für mich keinen Wiederspielreiz, da diese ebenso wie die Aufträge monoton sind. Jeder einzelne der 44 Aufträge lautet: gib x Kamele und x Waren ab, erhalte x Siegpunkte und Bonus x.
Die Komponenten sind hochwertig und das Design des Spiels gefällt mir gut. Jedoch leicht verwirrend ist, dass ein großes Kamel (Holzfigur) drei Kamelen entspricht (ein bisschen kleinere Holzfigur) und diese so ähnlich in ihrer Größe sind, dass es hier sehr leicht zu Verwechslungen kommen kann (Selbiges gilt für Gold, Pfeffer, Tuch).
Die Regeln sind sehr ausführlich geschrieben und können einen im ersten Moment etwas überfordern. In diesem 16-Seiten-Werk (+ 4 Seiten Beiblatt mit Symbolerklärung) gibt es öfters Verweise auf andere Seiten oder das Beiblatt, was zu einem wilden Herumblättern führt. (Zur überarbeiteten 2. Fassung kann ich leider nichts sagen). Ein Spiel eindeutig nur für Vielspieler und Strategen, das aber sehr wohl viel Spaß machen kann, wenn man sich darauf einlässt und nach der ersten Partie nicht aufgibt.
Carina Katinger
Spieler: 2-4
Alter: 12+
Dauer: 100+
Autor: Daniele Tascini, Simone Luciani
Grafiker: Dennis Lohausen
Preis: ca. 40 Euro
Verlag: Hans im Glück 2015
Web: www.hans-im-glueck.de
Genre: Aufbau, Worker Placement
Zielgruppe: Für Experten
Version: de
Regeln: de en fr jp nl pl pt
Text im Spiel: nein
Kommentar:
Asymmetrische Spielerfähigkeiten aus Charakteren
Stetiger Ressourcenmangel
Komplexes Regelwerk
Für Vielspieler
Vergleichbar:
Kingsport Festival
Andere Ausgaben:
Z-Man (en), Filosofia (fr), 999 Games (nl), Albi (pl), Arclight (jp), Devir (pt)
Meine Einschätzung: 3
Carina Katinger:
Kein einfaches Spiel, sondern ein Spiel für Strategen und Experten, das einige Übungspartien erfordert um Spaß zu machen.
Zufall (rosa): 1
Taktik (türkis): 3
Strategie (blau): 3
Kreativität (dunkelblau): 0
Wissen (gelb): 0
Gedächtnis (orange): 0
Kommunikation (rot): 0
Interaktion (braun): 3
Geschicklichkeit (grün): 0
Action (dunkelgrün): 0