UNSERE REZENSION

 

Zöllnern ausweichen

 

Cornish Smuggler

 

Einkommen sichern

 

Kennen Sie Cornwall? – den südwestlichen Zipfel Englands – Sie sind sich nicht sicher? - aber ja! - zumindest ein erheblicher Teil der Damenwelt kennt das ganz genau: dort werden die Kitschopern fürs Fernsehen für den Samstag- oder Sonntagabend oder als Kontrastprogramm für Fußballspiele gedreht. Schöne Landhäuser, Schlösschen, hohe Klippen, grüne Wiesen bewohnt von drittklassigen Schauspielern (aber fesch müssen sie sein!), die sich meist zwischen zwei Frauen (oder Männern) entscheiden müssen (nach ca. drei Minuten ist klar für wen sie letztlich ihr Herz öffnen). Damit dieser Käse wirklich 90 Minuten dauern kann, wird er mit Eifersuchtsszenen, (meist Auto-) Unfällen (wechselweise fällt jemand auch mal vom Pferd) und Sorgen um die Erhaltung des alten Familienschlösschens gestreckt. Rosamunde P. lässt grüßen!

Die Landschaft soll tatsächlich traumhaft schön sein, wie alle die dort waren berichten, aber das wirkliche Leben der Bewohner „in der guten alten Zeit“ war sicher hart auf dieser vom Meer umtosten Landzunge: neben etwas Landwirtschaft war vor allem der Fischfang die Lebensgrundlage. Weitere Erwerbstätigkeiten gab es kaum, weshalb der Schmuggel vielen Menschen zusätzliche Einkünfte ermöglichte. Womit wir mitten im Szenario von „Cornish Smuggler“ sind.

 

Das Spielbrett zeigt eine liebevoll gestaltete Landkarte von Cornwall, eingezeichnet sind die Orte und Städtchen und ihre Verbindungen und das umgebende Meer, dessen Gefährlichkeit einige Meeresungeheuer darstellen sollen. Auch die Schiffsrouten mit ihren Knotenpunkten sind abgebildet. Am Spielfeldrand (im Wasser) ankern drei Schiffe, deren Laderaum stilisiert durch Quadrate dargestellt wird.

Jeder Mitspieler ist nun ein Schmuggler, der mit seinen Booten Waren von den großen ankernden Überseeschiffen an Land bringen, dort verstecken und - unbemerkt von der Zollwache – verkaufen soll. Um dies zu bewerkstelligen braucht man ein Schiff, womöglich ein „Storehouse“ (darin lassen sich Güter solange verstecken, bis sie verkauft werden können: d.h. kein Zöllner in Sicht ist) und viele Komplizen zur Unterstützung – ein sogenanntes „Network“, dargestellt durch farbige Holzzylinder. Die kontrollierende Staatsmacht hat schwarze Figuren (Zöllner), und manchmal ein buntes Gummiringerl in der Farbe eines Spielers, wenn die Amtsperson bestochen wurde (d.h. sie schaut beim Verkauf der Ware dieses Schmugglers in eine andere Richtung).

„Schmiermittel“ ist Gold, damit können Personen - maximal zehn - angeworben werden (d.h. eine Holzfigur, die auf einen Ort des Spielplans gesetzt wird und eine Karte für die Spielerauslage, die bestimmte Fähigkeiten verleiht), weiters Waren auf den Hochseeschiffen gekauft und Zöllner bestochen und auch manche Aktionen bezahlt werden. Zusätzlich kann der Ruf als tüchtiger Schmuggler („Reputation“ = kleine Kartonplättchen) vermehrt werden – auch mit Geld, aber auch durch Erfolg im „Geschäftsleben“ - netter Einfall: wer ehrliche Arbeit („honest work“) annimmt, vermindert seinen Ruf.

Am Spielende kürt die Summe von Gold und Reputation (auch erworbene Gefolgsleute erhöhen diese) den Sieger.

 

In den ersten Partien von „Cornish Smuggler“ hatten wir mehrmals Probleme, „Reputation“ und „Influence“ (eine weitere Ressource - durch kleine Holzwürfelchen dargestellt) nicht zu verwechseln, womöglich weil in unserer Muttersprache diese beiden Begriffe in etwa Ähnliches beschreiben. Letztere Ressource ist ähnlich einsetzbar wie Gold mit zwei wesentlichen Unterschieden: am Spielende bringt sie keine Siegpunkte, während des Spieles aber ist sie wesentlich leichter zu erwerben als Gold.

Das Spiel lauft in Runden ab: jeder tätigt eine Aktion, die mit „Influence“, Gold oder „Reputation“ zu bezahlen ist (manche auch mit Kombinationen von Ressourcen); wenn alle gepasst haben, weil sie keine weiteren Aktionen mehr bezahlen können oder nicht wollen endet eine Runde. Die Aktionen bieten einen weit gefächerten Strauß an Möglichkeiten, noch weitere erlauben manche der erworbenen Personenkarten (diese werden dabei umgedreht und stehen erst nach der Einkommensphase – Reputation auf den Karten bringt Influence-Würfelchen – wieder zur Verfügung). Bewegung im Wasser oder zu Lande sind je eine Aktion, ebenso Ankauf und Verkauf von Schmuggelware, Bestechung, Kauf von Charakterkarten oder „Secret Cards“, es gibt sogar die Aktion „Überfall auf das Zollhaus“ um an bereits beschlagnahmtes Gut zu kommen. Nur Passen kostet nichts, fast alle Ressourcen können durch eine andere zum Bezahlen ersetzt werden, wobei „Influence“-Preise meist günstiger als „Gold“-Preise sind, nicht vergessen: am Spielende zählen gerade die erstgenannten nicht als Siegpunkte.

 

Die 60 Secret Cards (siehe oben) bieten zusätzliche Aktionen, manche jederzeit oder nur bei bestimmten Ereignissen spielbar, oft müssen sie beim Einsetzen bezahlt werden, andere bringen Ressourcen, Zöllner können bewegt werden, … Wenn ein Mitspieler Waren verkaufen kann, dürfen alle Mitspieler gratis eine „Secret-Card“ nehmen, zusätzlich setzt sich die am Nächsten stehende Amtsperson in Richtung des Verkaufsortes in Bewegung. Ein netter Einfall ist das „Gold-Wheel“, ein Marker wird dort um so viele Felder weiterbewegt wie Geld verdient wurde: Dieses Rad hat sieben Felder, beim jedem Passieren des letzten Feldes wird auf dem „Customs-Track“ eine schwarze Figur weiterbewegt, dadurch wird nicht nur der Preis für Bestechung erhöht, sondern es werden auch weitere Zöllner ins Spiel gebracht, und die Gefährlichkeit beim Schmuggeln erwischt zu werden steigt – und nicht nur weil die Anzahl der Kontrolleure zunimmt. In jedem Hafenort besteht ein gewisses Risiko, dass eine Landung bemerkt wird; die Größe der Schmuggelware bestimmt wie weit sich der nächste Zöllner bewegt, erreicht er den Ort, wird die Ware konfisziert (ins Zollhaus gebracht). Durch Abgabe von Influence-Würfelchen kann das Risiko gesenkt werden (Zöllner bewegt sich weniger weit).

 

Um das „Network“ eines Spielers zu erweitern, müssen Charaktere angeheuert werden, diese erweitern die Fähigkeiten im Spiel, manche haben geheime Verstecke für Waren, bringen Geld, und - sehr wichtig - Reputations-Plättchen aus Karton (grüne Schilder mit einem Symbol, welches wie eine Weinrebe aussieht), soviel „Reben“ auf der Karte angegeben sind, ebenso viele Plättchen erhält man. Dies sind Siegpunkte(!) mit denen man aber auch bezahlen kann. Weiters erhält jeder Mitspieler in der Einkommensphase soviel Influence-Würfel wie Reputation auf allen ausgelegten offenen Karten abgebildet sind. Beachte: Wer eine spezielle Fähigkeit eines Charakters nutzt, muss die Karte umdrehen (das gute alte „Tappen“ der Trading Cards), wie oben bereits erwähnt liefern sie dann keine Influence.

Das Spiel endet wenn alle Güter verkauft sind oder wenn der Counter auf dem „Custom-Track“ das Ende erreicht (kommt unserer Erfahrung nach öfter vor).

 

Noch ein Hinweis, wer am Anfang sein ganzes Geld ausgibt, hat große Probleme weil Gold nur spärlich fließt und Charaktere nicht mit Influence alleine zu erwerben sind.

„Cornish Smuggler“ ist ein liebevoll gestaltetes Spiel mit etlichen interessanten Ideen, die Regel ist hübsch gestaltet, gut verständlich und weitgehend vollständig, einige Fehler konnten nachträglich korrigiert werden (siehe Internet). Das originelle Thema ist im Spiel gut umgesetzt und stimmungsvoll. Kurz, wenn man dieses Spiel in die Hand nimmt und ein wenig in der Anleitung liest hat man große Lust es zu besitzen und zu spielen. Die Grafiken und Abbildungen sind sehr gelungen – Charakter-Karten mit markanten Gesichtszügen, die oft wirklich nach Bösewicht, Fischer, Magd, Pfarrer oder Politiker und Geschäftemacher aussehen, auf jeden Fall sehr individuell gestaltet.

 

Nach mehreren Partien zeigt sich, dass große taktische Finten nicht entscheidend sind, sondern Spielglück. Es gibt zwar viele Möglichkeiten auszuprobieren, aber auch zu viele Karten und Aktionen die nie ausgespielt werden können, andererseits so manche zu mächtige Karte, gegen welche die anderen Spieler kein Gegenmittel finden können. Mehrmals fand sich einer von uns in der Lage als Aktion immer wieder neue „Secret-Cards“ kaufen zu müssen in der Hoffnung vielleicht etwas Brauchbares zu erhalten. Viele Karten haben zu spezielle Möglichkeiten – nur an einem bestimmten Ort, zu einem bestimmten Zeitpunkt, … und sind somit oft überflüssig. Wer in wenigen Spielsituationen das nötige Glück hat, gewinnt meist.

Die Unausgewogenheit erinnert mich an so manches altes Spiel aus den 80er/90er Jahren mit chaotischen Spielverläufen, zumeist haben wir sie geliebt und daher werden wir auch in Zukunft gerade deshalb das eine oder andere Mal zu „Cornish Smuggler“ greifen.

 

Dr. Christoph Proksch

 

Spieler: 2-5

Alter: 13+

Dauer: 120+

Autor: Henry Jasper, MNG Collective

Grafiker: Sam Brookes, Rachel Dobbs, Donald McLeoad, Francesca Stella

Preis: ca. 45 Euros

Verlag: Grublin Games 2013

Web: www.grublin.com

Genre: Simulation, Karten nutzen, Figuren bewegen

Zielgruppe: Für Experten

Version: en

Regeln: en

Text im Spiel: ja

 

Kommentar:

Wunderschöne Gestaltung

Ungewöhnliches Thema

Mäßig taktisch, eher glücksabhängig, aber gelungene Simulation

 

Vergleichbar:

Historische Simulationen mit Aktions- und Ereigniselementen

 

Andere Ausgaben:

Derzeit keine

 

Meine Einschätzung: 5

 

Dr. Christoph Proksch:

Ein wunderschön gestaltetes Spiel über Schmuggel im alten England (Cornwall), etwas chaotisch, für Spezialisten und gute Freunde. Deutlicher Glücksfaktor. Stimmungsvoll und sympathisch mit mittlere Spieldauer.

 

Zufall (rosa): 2

Taktik (türkis): 1

Strategie (blau): 1

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 0

Kommunikation (rot): 1

Interaktion (braun): 2

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0