Kontor
Kontor
von
für 2 oder 4 Spieler
ab 10 Jahren
Goldsieber Spiele 1999
30 bis 60 Minuten
WIN-Wertung:
** Kontor W SS II UU AA 2 oder 4
m
Vergleichbare Spiele:
Entdecker (K, M)
Die Siedler von Catan Kartenspiel (K, M)
Ich war noch nie in Amsterdam. Leider. Denn man hört so viele
interessante Sachen der Hauptstadt. Von blühenden Tulpenfeldern. Von Museen
voller Gemälde niederländischer Meister. Von den Grachten, welche die Stadt
durchziehen. Und natürlich auch von seiner historischen Bedeutung als
Handelsplatz, wo vor allem Tabak, Kaffee, Tee, Kakao, Reis und Kautschuk aus
den Kolonien die wirtschaftliche Vormachtstellung im Europa des 17.
Jahrhunderts gründeten.
Wissen über Letzteres könnte ich nun gerade brauchen, um meinen
geschätzten Lesern noch mehr vom geschichtlichen Hintergrund des Spiels
"Kontor" berichten zu können. So aber müssen sie sich mit den kargen,
einleitenden Worten begnügen. Dafür habe ich mehr Platz für eine genauere
Betrachtung des Spieles selbst, und das ist ja auch nicht so schlecht, oder?
Prinzipiell geht es um den Bau eines neuen Hafens in Amsterdam. Und da
versuchen zwei mächtige Händler - die Spieler - die Vormachtstellung zu
erlangen. Dazu verfügt jeder über einen eigenen Stapel an Hafenkarten in seiner
Farbe. Auf den meisten sind die Handelswaren Tee, Wein und Gewürze in
unterschiedlichen Konstellationen abgebildet. Durch das Legen (jawohl:
"Kontor" ist ein Legespiel!) der Hafenkarten werden Hafengebiete
gebildet, mit entsprechenden Lagerhäuser der Spieler. Sobald ein Gebiet
vollkommen von Wasser umschlossen ist, werden die Warenvorräte beider Spieler
verglichen. Es kommt dabei auf den "Warenvorteil" an, das ist die
Differenz, die ein Spieler mehr Waren einer Sorte in einem Gebiet hat als sein
Gegenspieler. Der Spieler mit dem größeren Warenvorteil, gewinnt die Insel.
Sollte kein Spieler einen größeren Warenvorteil besitzen, zählt die größere
Anzahl an Warenvorteilen. Bei neuerlichem Gleichstand - und das kommt häufig
vor - entscheidet der Wert der Ware nach dem Prinzip "Schere - Stein -
Papier".
Der mitdenkende Leser wird sofort wissen: wo ein Hafen ist, da ist auch
Wasser. Und richtig, wir finden es in Form von Wasserkarten. Im Gegensatz zu
den Hafenkarten gibt es aber nur einen einzigen, neutralen Stapel, von dem sich
beide Spiele bedienen. Anfangs hat jeder Spieler drei seiner eigenen
Hafenkarten sowie zwei Wasserkarten in der Hand.
Wie kommen diese Karten nun ins Spiel? Jeder Spieler wählt sich eine
seiner Handkarten aus und legt sie verdeckt vor sich ab. Dann werden die Karten
aufgedeckt. Der Spieler, dessen Karte den höheren Wert aufweist, hat zuerst das
Recht, seine Karte anzulegen. Die Karte muss dabei an mindestens einer Kante an
eine bereits ausliegende Karte anliegen(zu Beginn liegen schon einige
Wasserkarten auf dem Tisch), eine diagonale Verbindung genügt also nicht. Im
Großen und Ganzen gibt es sonst keine Legevorschriften, bis auf jene, dass das
Spielfeld eine maximale Größe erreichen darf (im Grundspiel 6 x 6 Felder).
Um eine eindeutige Rangfolge festzustellen, tragen übrigens sämtliche
Karten unterschiedliche Werte (von 1 bis 89). Die Wasserkarten sind im
Allgemeinen höher, die Werte der Hafenkarten hingegen zumeist niedriger und
nach einem guten System gleichmäßig auf die beiden Kontrahenten verteilt. Eine
Besonderheit stellen die Baukräne dar, von denen jeder Spieler 2 in seinem
Stapel besitzt: An einen Baukran dürfen nur gleichfarbige Hafenkarten und
Wasserkarten angelegt werden, gegnerische Hafenkarten sind tabu!
Den Wasserkarten kommt neben der Gebietstrennung eine weitere Rolle zu:
Sie bringen von der Amsterdamer Stadtkasse einen Zuschuss in Form einer Münze.
Und diese Zuschüsse sind nicht zu unterschätzen. Man muss nämlich wissen, dass
es auch in der niederländischen Hauptstadt nicht ohne Steuern zugeht. Einige
der Karten (sowohl Hafen- als auch Wasserkarten) tragen zu diesem Zwecke ein
Münzsymbol. Wer so eine Karte wählt, zwingt den Gegenspieler zur Abgabe einer
Münze. Das kann ein äußerst unangenehmes (oder wirkungsvolles, je nach
Standpunkt) Druckmittel sein, denn kann man nicht zahlen, darf man in dieser
Runde gar nicht legen.
Am Ende einer Runde zieht jeder wieder eine Karte nach, und eine neue
Runde beginnt mit dem Auswählen einer Karte. Wenn nach ein paar Runden das
Spielfeld voll ist, endet das Spiel. Es
gewinnt der Spieler mit dem meisten Gebieten, bei Gleichstand kommt es
auf die Münzen an.
Soweit das Grundspiel. Auch wenn der Mechanismus sehr interessant ist - das
richtige Timing beim Einsatz der Wasser- und Hafenkarten scheint mir das
Herzstück des Spiels zu sein - so blieb bei unseren ersten Partien doch ein
schaler Nachgeschmack übrig. So gespielt hat "Kontor" nämlich einen
nicht unerheblichen Glücksfaktor: Von den 21 Karten, die jeder hat, kommt nur
ungefähr die Hälfte ins Spiel, wodurch derjenige sich glücklich schätzen kann,
der öfter Hafenkarten mit mehreren Waren erwischt.
Gott sei Dank gibt es da noch das Profispiel. Da erreicht das Spielfeld
ein größeres Ausmaß (7 x 7 Karten), was allein schon eine beträchtliche Senkung
des Glücksfaktor bringt. Zudem tritt das "Amsterdamer Kontrollschiff"
auf den Plan, welches darauf achtet, dass die Bauvorschriften eingehalten
werden. Die Karten mit "Schiff"-Symbol (im Grundspiel ohne Bedeutung)
haben dabei eine aktive und passive Funktion. Wer so eine Karte ausspielt, darf
das Kontrollschiff bewegen und dann eine an das neue Feld angrenzende
Hafenkarte mit Schiffssymbol abreißen, was für einen zusätzlichen Reiz sorgt. Schließlich
- um das Spiel noch um eine Facette reicher zu machen, zählen nur mehr die fünf
größten Gebiete! Da bleibt dann genug Raum für taktische Überlegungen,
raffinierte Kniffs und ein wenig Bluff. Das Profispiel konnte mich wirklich
überzeugen (lediglich die unnötigen Hafenkneipen habe ich ganz aus den Stapeln
entfernt, weil sie sowieso nur in einer Variante zum Tragen kommen und auch
dort eine eher spielzerstörende Wirkung haben).
Das oben beschriebene reicht bereits für das Prädikat: Empfehlenswert!
"Kontor" ist ja auch zu Recht auf der diesjährigen Auswahlliste zum
Spiel des Jahres vertreten. Aber mit den noch im Anhang angeführten Varianten -
im Internet findet man noch einmal ein paar mögliche Spielarten - kann dann
wirklich keine Langeweile mehr aufkommen. Ich will in dieser Rezension nicht
auf jedes einzelne Szenario eingehen, aber eines sei verraten: Jedes Szenario
erfordert eine andere Taktik und bringt noch mehr Abwechslung auf den
Spieltisch!