Big City
Das Spiel:
Big City
von Franz-Benno Delonge
für 2 bis 5 Spieler
ab 12 Jahren
Goldsieber Spiele 1999
60 bis 90 Minuten
Vergleichbare Spiele:
Big Boss (M)
Acquire (M)
Zwei der Hauptgötter des Hinduismus
sind Brahma, der "Schöpfer" und Shiva, der "Zerstörer".
Laut der indischen Mythologie können beide nicht ohne den anderen bestehen.
Beides, das Schaffen und das Zerstören, sind Eigenschaften, die dem Menschen
angeboren zu sein scheinen. In der Spielkultur überwiegt in der letzten Zeit
eher das kreative, aufbauende Element. Denn nie zuvor gab es so viele Spiele,
in denen es um Bauen, Konstruieren, Erschaffen und Errichten geht, seien es
Mauern, Burgen, Kathedralen oder Häuser.
Beim mir vorliegenden Spiel
"Big City" werden sogar ganze Stadtviertel gebaut. Und zwar mit
allem, was zu einer richtigen Stadt dazugehört: Wohnhäuser, Geschäftshäuser,
Parkanlagen, Fabriksgebäude, Rathaus, Kirchen und diversen städtischen
Einrichtungen. Das Besondere bei "Big City": Die Stadt entsteht vor
unseren Augen dreidimensional. Alle Bauten sind in fein modellierten, aber
dadurch ein wenig filigranen Plastikmodellen vorhanden. Da gibt es kleinere
Gebäude, die nur eine Bauparzelle einnehmen, mittlere (2) und solche, die sogar
drei Parzellen beanspruchen.
Die Bauplätze wiederum
finden sich auf 8 verschiedenen Plättchen. Die Plättchen stellen Stadtviertel
dar und haben neben einer allgemeinen Bezeichnung (z.B. "Midtown")
entweder neun Parzellen in quadratischer Anordnung oder acht Parzellen in
Rechteckform (4 mal 2). Jede Parzelle hat dabei ihre ganz spezifische Nummer,
so finden sich im bereits genannten Viertel "Midtown" die Parzellen
11 bis 19.
Jetzt haben wir die
Grundstücke und die Bauobjekte erklärt, bleibt nur mehr die Frage offen, wie
letztere auf erstere hinkommen. Dazu dienen als Motor des Spiels Karten, genau
eine Karte für jede vorhandene Parzelle. Für jeden Stadtteil - die Karten sind
auf der Rückseite deutlich mit der entsprechenden Zahl gekennzeichnet - werden
die Karten separat gemischt und anfangs jedem Spieler je eine von den ersten 5
Stadtteilen ausgeteilt. Man baut dann, indem man 1 - 3 Karten ausspielt und ein
Gebäude auf die betreffenden Grundstücke stellt. Selbstverständlich müssen bei
größeren Gebäuden die Grundstücke nebeneinander liegen. Als Belohnung für das
Bauen erhält man Punkte für das neue Gebäude. Wie viele Felder man auf der
Zählleiste vorrücken darf, hängt von Größe und Art des Gebäudes, sowie von der
Nachbarschaft gemeinnütziger Bauten und der Lage des Gebäudes ab. So ist der
Basiswert für ein doppeltes Wohnhaus beispielsweise 6. Liegt es am Stadtrand,
zählt es schon 7, liegt dazu noch ein Park in unmittelbarer Nachbarschaft, ist
es schon 8 Punkte Wert. Eine Straßenbahn, die am Wohngebäude vorbei führt,
verdoppelt zudem noch den Wert.
Alle Punkte und
Modifikationen hier anzuführen, würde den Rahmen dieser Spielebeschreibung
sprengen und wäre zudem äußerst unnötig. Ein gut aufgebauter, aber viel zu
großer Übersichtsplan gibt den Spielern ohnehin Aufschluss über all dies.
Wichtig ist jedoch, dass
man nicht jedes Gebäude einfach so drauf los bauen kann. Während Wohn- und
Geschäftsgebäude zwar Modifikationen, aber sonst keinerlei Auflagen haben, ist
für den Bau aller anderen Gebäude und Einrichtungen der Bau eines Rathauses
unerlässlich.
Der Bau eines Rathauses
bringt einem Spieler zwar primär nichts ein (0 Punkte), aber erst durch das
Rathaus wird das Spiel interessant. Nicht nur dass ein benachbartes Rathaus
wieder als Multiplikator des Grundwerts dient, auch alle Sonderbauten, die ab
nun gebaut werden dürfen, wie Post, Kino oder Bank, bringen relativ viele
Punkte ein. Zudem erlaubt die Anwesenheit des Rathauses die Inbetriebnahme
einer Straßenbahn, die wiederum - wie bereits erwähnt - den Wert von Gebäuden
erhöht. Und last but not least können ab sofort Anlagen wie Parks und Fabriken
errichtet , und sogar die Stadt um neue Stadtviertel erweitert werden.
Somit ist die Marschroute
für die Spieler klar: Anfangs Plättchen so legen, dass bereits benachbarte
Grundstücke laut eigener Kartenhand vorkommen, später Karten aus bestimmten
Stadtvierteln "bunkern", versuchen, ihren Wert durch Sonderbauten,
Parks, Straßenbahn etc. zu steigern, sowie ab und zu Jagd auf lukrative
Grundstücke beim Nachziehen zu machen. Und dann natürlich den Mitspielern das
Leben so schwer wie möglich zu machen! Dies geht am besten mit den so genannten
Anlagen, von denen es vier gibt: 2 verschieden große Parks und 2 verschieden
große Fabriken. Sie kommen auf vier Karten vor, die man in bestimmten
Stadtviertel-Stapeln vorfindet. Beide Anlagentypen bringen keine sofortigen
Punkte, aber ihre Nachbarschaft hat Auswirkungen auf spätere Gebäude. Parks
erhöhen den Wert, Fabriken hingegen sind für jeden Bau in der Nachbarschaft
schlichtweg eine Katastrophe:- 2 Punkte!
Hier liegt zwar der
interaktivste Teil des Spiels - so richtig schön zum Ärgern -, aber auch die
größte Schwäche. Denn meiner Meinung hat ein Spieler mit einer Anlage einen zu
großen, spielentscheidenden Einfluss. Wie kann man sinnvoll in Stadtvierteln
planen, wenn dann ein Spieler, ohne dass er bestimmte Bedingungen erfüllen
muss, so mir nichts dir nichts - eine Fabrik drin errichtet? Nicht nur, dass
man jetzt Parzellen mit deutlich vermindertem Wert besitzt, die Karten von Parzellen,
auf denen nun die Fabrik steht, sind nun zu absolut nichts mehr zu gebrauchen.
Selbst vom logischen Verständnis her passt dies nicht zum Spiel. Während man
sich durch das Ziehen von Karten die "Rechte" für bestimmte
Grundstücke erwirbt, werden beim Bau von Anlagen derartige Besitzrechte einfach
übergangen. Eine kleine Abschwächung dieser Regel täte dem Spiel meiner Ansicht
nach ganz gut. Zum Beispiel: Beim Bau einer Anlage muss man selbst mindestens
ein Grundstück besitzen und dafür hergeben.
Von diesem Manko abgesehen
lässt sich "Big City" recht angenehm spielen. Natürlich ist der
Einfluss des Einzelnen - wie bei vielen Spielen - umso größer, je weniger
Spieler mitspielen. Beim Spiel zu fünft ändert sich zu viel, bis man wieder an
der Reihe ist. Als großartiges Taktikspiel würde ich es nicht einstufen, aber
für einen interessanten Spieleabend reicht es auf jeden Fall. Vor allem ist es
optisch schön anzuschauen, wie die Stadt wirklich wächst. Es gewinnt übrigens -
aber dies bräuchte ich wahrscheinlich nicht erwähnen - der Spieler, der die
meisten Punkte auf der Zählleiste gemacht hat.
Das Spielmaterial ist wie
gesagt gelungen, aber beim Schachteleinsatz hat der Verlag übertrieben: Drei
Inlets sind in der Schachtel, derart gemacht, dass jedes einzelne Gebäude
seinen eigenen Platz vorfindet! Das hört sich zwar ganz gut an, erweist sich in
der Praxis aber als hinderlich, da erstens die Schachtel kaum mehr zugeht und
zweitens die feinen Plastikteile beim Versuch, sie aus den Ausbuchtungen zu
holen, leicht brechen können. Auf diesen Luxus hätte Goldsieber verzichten
können. Ansonsten kann man dem Verlag bescheinigen, dieses Jahr ein
attraktiveres Spielprogramm als 1998 auf die Beine gestellt zu haben, aber zu
den Spitzenspielen der Anfangszeit fehlt noch einiges, und da bildet "Big
City" keine Ausnahme.
Meine Wertung:
* Big City W SS UU AAA 3 -
4 (2 - 5) h