SAMURAI

 

Honor of the SAMURAI

Scott Kimball

Karten-, Würfelspiel

für 3 - 6 Spieler

Gamewright, 1996

 

Draußen regnet es in Strömen. Ich sitze auf dem Boden meiner offenen Veranda und betrachte das 'Tanto', mein Kurzschwert aus dem Hause des Meisterschmieds Murasama. Von diesen Klingen wird gesagt, daß sie sich gegen ihren Besitzer richten, wenn man sie aus der Scheide zieht, ohne sie Blut kosten zu lassen. Was für ein Hohn! Nun werde ich sie wohl ohnehin gegen mich selbst richten müssen, denn was für eine Wahl bleibt mir denn noch....

Dabei hatte doch alles so vielversprechend angefangen: als erster Samurai meines 'Daimyos', des hochverehrten Kriegsherrn Takeda Shingen stieg das Ansehen meines Hauses unaufhaltsam, wie es schien, doch dann entschloß sich mein Herr, die Bürde des 'Shogun' auf sich zu nehmen, was seinem und damit auch meinem Haus zwar noch mehr Ehre, aber auch den Neid des nichtswürdigen Emporkömmlings Oda Nobunga einbrachte. Er war es, der meinem armen Herrn einen 'Ninja', einen Meuchelmörder, ins Haus schickte, um... ich mag mich gar nicht an diese feige Tat zurückerinnern. Wie oft hatte ich meinen Kriegsherrn gebeten, doch einen Wächter zum Schutze seines Hauses einzustellen, aber er wollte ja nicht auf mich hören.

Und nun friste ich mein eintöniges Dasein als 'Ronin', als 'Mann der Wellen', ein Samurai ohne Herr, nur noch nütze, um... Doch was höre ich da? Ist das nicht die Stimme meiner lieblichen 'Okugata', meines hochehrbaren Weibes O-Ichi, der einzige Lichtblick meiner tristen Existenz? Was sagt sie da zu ihrer Dienerin? Tokugowa Ieyasu, der berühmte Kriegsherr, ist mitsamt seinem Gefolge in unserem armen Bergdorf abgestiegen? Worauf warte ich denn da noch? Ich ergreife mein Schwert, springe auf und eile ins Dorf hinab, um ihm meine Dienste als zweiter Samurai anzubieten. Die Sonne scheint wieder, die Vögel zwitschern, und ich überlege, ob ich nicht vielleicht später einmal die Stelle des ersten Samurai,... natürlich nur auf höchst ehrenhafte Weise,... das versteht sich ja von selbst,...

Die Bostoner Firma Gamewright ist nun, nach 'Quests of the Round Table' (Artussage) mit einem weiteren Kartenspiel in Erscheinung getreten. Diesmal geht es darum, als Samurai des 16. Jahrhunderts sein Ehrenkonto durch den Dienst bei einem Kriegsherrn (Daimyo) auf 400 Punkte zu bringen. Die meisten der 110 Karten weisen drei Eigenschaften in unterschiedlicher Höhe auf: Ehre (um die geht es!), Ki (geistige Kraft) und Stärke (körperliche Kraft).

Jeder der 3 - 6 Spieler erhält zu Beginn einen Samurai (6 Ki-Punkte) und einen der 10 unterschiedlich begabten Daimyos. Sie werden untereinander gelegt und stellen die beiden Häuser des Spielers dar, die es mit Hilfe anderer Karten zu stärken und zu schützen gilt. Außerdem erhält er noch 7 Karten aus dem

Deck. Zu Beginn seines Zuges addiert der Spieler die Ehrenpunkte seiner beiden Häuser, erhält die entsprechenden Ehrenchips von der Bank und legt sie oberhalb seiner Daimyo-Karte auf den Tisch. Sollte er im Laufe des Spieles mehr

Ehrenpunkte verlieren, als er hat, so werden diese Negativ-Punkte durch Chips unterhalb seiner Samurai-Karte angezeigt (ja, der Schande sind keine Grenzen gesetzt).

Dann addiert er die Ki-Punkte und erhält für jeweils drei davon einen Aktionspunkt, den er zum Ankauf von Karten aus dem Deck bzw. zum Ausspielen oder Abwerfen verwenden kann. Diese Aktionen sind mit 5 pro Zug limitiert. Weiters ist zu beachten, daß das Maximum von 7 Handkarten nie überschritten werden darf.

Das Abwerfen der Karte 'Save Face' ist gratis, das Ausspielen der Karte 'Dishonor' kostet zwei Aktionspunkte.

Als letzten Teil seines Zuges kann der Spieler noch eine Ansage ('Declaration') machen:

1) er kann seinen Kriegsherrn zum Shogun erklären, falls dieser Titel noch nicht vergeben ist; 2) sein Daimyo kann den Shogun angreifen, oder einen anderen Daimyo, der aber im Besitz eines Schlosses sein muß. Zu diesem Zweck addiert er die Stärke-Punkte seiner beiden Häuser, dividiert wieder durch drei und erhält so die Anzahl der Würfel d6, die er im Kampf verwenden kann. Der Gegner verfährt entsprechend und der Spieler mit der niedrigeren Augenzahl verliert die Daimyo-Karte und alle Karten seines Hauses; der Sieger erhält die Schloß- und/oder die Shogun-Karte;

3) ein 'Ronin', also ein Samurai ohne Kriegsherren, kann sich einem fremden Daimyo als zweiter Samurai unterordnen, was ihm jedesmal zu Beginn seines Zuges sowohl die Hälfte der Ehrenpunkte des fremden Daimyo-Hauses wie seines eigenen Hauses einbringt. Sollte der erste Samurai im weiteren Verlauf einem Ninja-Anschlag zum Opfer fallen, so avanciert der zweite Samurai sofort zum ersten und übernimmt das Haus des Kriegsherren mit all seinen Karten. Zurück bleibt der Verlierer mit seiner einzelnen (wiedergeborenen) Samurai-Karte, der sich überlegt, was er in der Zwischenzeit bis zum Ende des Spieles anstellen kann, denn gewinnen wird er so wohl nicht mehr, außer es fehlen ihm nur mehr wenige Ehrenpunkte zum Sieg, die er nun selbst als Ronin durch Unterordnung erlangen kann. Merke: Ein Samurai ohne Kriegsherren erhält nie Ehrenpunkte!

4) sollte den zweiten Samurai sein Schritt zur Unterordnung später reuen, kann er die Allianz wieder lösen, was ihn 25 Ehrenpunkte kostet und eine Runde lang dauert; der fremde Daimyo kann die Karten des abtrünnigen Samurai jedoch in dieser Runde noch nutzen.

Da die Existenz des zweiten Samurai eine ständige Bedrohung für den ersten darstellt, wird dieser versuchen, ihn auf drei mögliche Arten loszuwerden:

1) er sendet einen Meuchel-Ninja (da der Einsatz eines Ninjas aber als schandbar gilt, und schon gegen fremde mit einem Ehrabzug von 25 Punkten geahndet wird, verliert jeder Spieler, der ihn gegen einen Verbündeten einsetzt, die doppelte Punkteanzahl, also 50;

2) er entläßt ihn unehrenhaft ('Dishonor'), falls es ihm nicht gelingt, sich zu rehabilitieren ('Save Face');

3) er spielt für ihn eine weitere Daimyo-Karte, die er als neuen Herren akzeptieren muß.

Die Shogun-Karte ('By Imperial Decree') ist die wichtigste im Spiel. Sie wird in die Mitte gelegt und bringt dem Spieler, der sich stark genug fühlt, sie seinem Daimyo zuzuordnen, jedesmal zu Beginn seines Zuges 50 - 150 Ehrenpunkte (je nach Anzahl der Mitspieler).

Die überzähligen Daimyos werden in das Deck gemischt, das sich aus ehrbaren Ehefrauen (Okugatas), Hütern des Hauses (zum Schutz vor Ninjas), 3 Schlössern, und Besitzkarten (zu denen auch die verschiedenen Armee-Karten zählen) als erster Gruppe zusammensetzt. Karten dieser Gruppe dürfen den beiden Häusern zugeordnet werden, und zwar mit folgenden Einschränkungen: maximal eine Ehefrau und 5 Armeen pro Haus, nur der Daimyo kann ein Schloß erhalten, das jedoch durch ein höherwertiges ersetzt werden kann, wenn das erste abgeworfen wird.

Mit Hilfe der Karten aus der zweiten Gruppe des Decks wird versucht, die Gegner zu schwächen, sei es durch Diebstahl ('Ninja-Spion' und 'Elite-Ninja-Spion': stiehlt einen bzw. zwei Besitzkarten), Meuchelmord ('Assassinen-Ninja': der Mord gelingt bei 1d6 von 3, 4, 5 oder 6, jedoch nur bei 1d6 von 5 oder 6, wenn ein Hüter das Haus beschützt; dieser Hüter wird nach einmaligem Einsatz in jedem Fall abgeworfen) oder Ehrverlust ('Dishonor': der betroffene Daimyo oder Samurai verliert 75 Ehren-Punkte). Um sein Gesicht zu wahren, kann dagegen sofort die Karte 'Save Face' gespielt werden, wodurch der Ehrverlust auf 30 Punkte verringert wird. Diese Karte ist übrigens die einzige, die ausgespielt werden kann, wenn man nicht an der Reihe ist; sie kostet keinen Aktionspunkt und wirkt auch als eine Art 'deus ex machina', wenn sie nach einem verlorenen Kampf gespielt wird: der Verlierer überlebt und mit ihm alle seine Karten, außer sein Schloß, das übernimmt der Sieger trotzdem. Dem Shogun ist als einzigem das Ausspielen der Karte 'Save Face' für sich selbst verwehrt, er kann sie jedoch, wie jeder andere Spieler auch, zum Schutz von Leben oder Ehre eines anderen Kriegsherrn oder Samurai einsetzen, sollte das in seinen Intentionen liegen.

Als wir dieses Spiel am letzten Spieleabend - natürlich gleich zu sechst, auch wenn die Spielregel davon abrät, was soll das, wir sind doch Profis - zum ersten Mal spielten, wollte keine rechte Stimmung dabei aufkommen, möglicherweise auch, weil einer von uns, den ich nicht nennen will, vergessen hatte, die überzähligen 4 Daimyo-Karten wieder in das Deck zu mischen,... jedenfalls klappte es beim zweiten und dritten Mal am selben Abend (!) bedeutend besser; insbesondere das Aufbauen der beiden Häuser und das erzwungene Unterordnen unter einen fremden Daimyo, mit der Möglichkeit, selbst an die Stelle des ersten Samurai zu gelangen und damit den Kriegsherrn zu übernehmen, bringt einiges an Spannung mit sich. Natürlich ist es ein Glücksspiel, denn im richtigen Moment die geeigneten Karten zu haben oder hoch zu würfeln ist nicht jedermanns Sache (stimmt's, Bernd?). Die Grafik ist sehr gelungen, es ist keine Mogelpackung, und auch die Spielregel mit jeder Menge Hintergrundinformation ist sehr zu loben. Alles in allem ein unterhaltsames Familienspiel für zwischendurch.

WIN-Wertung:

* Honor of the SAMURAI AAA II SS UU WWW 4-5 (3-6?) h