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Horror-Immobilie
Mansions of Madness
Etwas ist faul im Hause Lynch!
Knarrendes Parkett, summende Generatoren, flackernde elektrische Beleuchtung und Augen, die aus der Dunkelheit starren – willkommen im Gruselhaus (eines von fünf)! Das Grundkonzept ist an sich schon aus dem alten Horrorspaßspiel „Höllenhaus“ (Troy Denning, 1985) bekannt – einer oder mehrere mutige Abenteurer erforschen ein Anwesen, in welchem Hinweise auf die Identität des gruseligen Hausherrn schließen lassen. Die Abenteurer müssen die richtigen Hilfsmittel aufspüren, um dem Spuk ein Ende zu bereiten. Durch üble Machenschaften können sie sogar in den Bann des Bösen gezogen werden und von da an nolens volens sein schmutziges Handwerk verrichten. Der ursprüngliche Auftrag dieser bedauernswerten Opfer (oder doch willigen Helfer?) ist vergessen, welche Seite als Sieger hervorgeht entscheidet sich oft erst in letzter Minute.
In „Mansions of Madness“ ist die Ausgangssituation ähnlich, allerdings weitaus komplexer. Wie es sich für ein Spiel aus dem Hause Fantasy Flight Games gehört, genügen auch nicht drei oder vier Kartensätze und ein paar weitere Ausstattungselemente – das S
piel ist selbstverständlich vollgepackt mit Karten, Kärtchen, Kartonmarkern, Plastikmonstern und Plastikabenteurern sowie Heften mit Spielregeln, Szenarien und speziellen Anweisungen für den Hausherren und Monstermeister (diese vernünftigerweise in einem eigenen Heft). Wie es bei diesem Verlag gleichfalls Standard ist, sind die einzelnen Komponenten sehr schön und in guter Qualität produziert (lediglich der verwendete Kunststoff ist nicht jedermanns Geschmack). Man benötigt auch beinahe alle diese Elemente, allerdings könnte man sich bei einigen der Kartonteile (etwa Verwundungs-, Schreckens- oder Glücksmarker) durchaus mit Zettel und Bleistift aushelfen.
Das Spiel selbst ist, wenngleich komplex, doch recht einfach zu beherrschen. Der größte Aufwand muss zu Beginn mit dem Aufbau der Spielarena erledigt werden. Dem Lageplan im gewählten Szenario entsprechend wird aus bis zu fünfzehn (zweiseitig und unterschiedlich) bedruckten Kartonteilen das Anwesen (manchmal mit Garten) zusammengestellt, auf dem die Abenteurer ihre Ermittlungen durchführen werden und der Monstermeister seine Fallen auslegt und Monster dirigiert. Sodann wählt der „Keeper“ genannte Hausherr im Geheimen aus verschiedenen Optionen, die das Abenteuer bietet und stellt seine Kartensätze nach dieser Anleitung zusammen. Neben den speziellen Hinweis- und Raumkarten nimmt er sich auch seine Handlungskarten (Keeper Action Cards, manche davon bislang nur in einem Abenteuer, andere immer wieder zu verwenden) und sonstigen Handkarten (Mythoskarten enthalten Anweisungen für Fallen, Begegnungen, Missgeschicke und ähnliches für Abenteurer, Trauma- und Verletzungskarten verursachen psychischen und physischen Schaden bei ihnen, usw.) sowie die fünf passenden Ereigniskarten dieses Szenarios, die jeweils nach einer vorgegebenen Rundenzahl (zwischen drei und sechs) allen Mitspielenden enthüllt, also vorgelesen werden. Um Zeit zu sparen, lesen die Abenteurer in ihrem Abenteurerheft die kurze Vorgeschichte zu diesem Szenario (der Hausherr sollte sie ebenfalls, am besten schon vor Spielbeginn, gelesen haben), während der Keeper die Raum- und Hinweiskarten (logischerweise verdeckt) an die vorgegebenen Orte verteilt. Erst wenn die Aufgabe bekannt ist, sollten die Abenteurer (acht Charaktere stehen zu Verfügung, bereits bekannt aus anderen Spielen des Verlages in seiner „Arkham Horror“-Reihe, wozu eben „Arkham Horror“, erschienen 2005, zahlreiche Erweiterungen, sowie Kartenspiele und ähnliches gehören) gewählt und ihre variablen Eigenschaften (Geschicklichkeit, Intelligenz, Geistesstärke, etc.) festgelegt werden – man kann aber auch einfach seinen Lieblingscharakter durch jedes Szenario hetzen. Zum Abschluss dieser Vorbereitungen liest auch der Keeper einen kurzen Text vor, und die Charaktere beginnen mit der Suche. Zu diesem Zeitpunkt weiß allerdings nur der Keeper, was die Abenteurer erwartet und was die Siegbedingungen für die jeweilige Seite sind. Die Karte (Objective Card) mit dieser Information muss für die Abenteurer geheim bleiben, bis entweder eine der Siegbedingungen erfüllt ist, oder eine Ereigniskarte (gewöhnlich die vierte, also vorletzte) oder (sehr selten) eine andere Karte zur Aufdeckung auffordert.
Das Spiel verläuft in Runden. Zuerst sind jeweils die Abenteurer dran in beliebiger, verhandelbarer Reihenfolge. Bis zu zwei Felder dürfen sie sich bewegen und eine Aktion durchführen. Dies kann eine weitere Bewegung, meist aber eine Suchaktion, das Einsetzen eines Gegenstandes oder die Durchführung eines Rituals (Kartentext befolgen), manchmal auch ein Kampf sein. Sollten Abenteurer auf Monster stoßen – oder Monster sie überraschen – ist ein Test der Willenskraft (Würfeln gegen den Wert der entsprechenden Eigenschaft) nötig. Bei einem Fehlschlag verliert man einen Punkt an Geistesstärke – bei einem Verlust der gesamten Geisteskraft kann eine Übernahme des Charakters durch den Keeper (oder in manchem Szenario gar noch Schlimmeres) folgen. Anders als bei ähnlichen Spielen ist ein Kampf keinesfalls verpflichtend. Auch der Keeper kann entscheiden, ob er seine Ungeheuer angreifen lässt, oder lieber dafür sorgt, dass die Abenteurer durch ständig neuen Schrecken an den Rand des Wahnsinns und darüber hinaus getrieben werden. Das ist in manchem Abenteuer sogar die bessere Wahl. Kämpfe werden mittels Karten entschieden, und zwar zieht stets der Keeper so lange eine Karte vom entsprechenden Monsterstapel (die Kategorien sind menschliche, tierische oder überirdische Gegner), bis der Kartentext der Situation ungefähr entspricht. Oft ist danach ein Test einer Charaktereigenschaft (immer mit dem zehnseitigen Würfel, wobei übrigens „1“ automatisch Erfolg und „10“ Fehlschlag bedeutet) durchzuführen – eine ungewöhnliche, aber recht unterhaltsame Art, Zwistigkeiten auszutragen. Haben alle Charaktere ihre Züge vollführt, ist der Keeper an der Reihe. Er nimmt sich der Charakteranzahl entsprechend Bedrohungsmarker, die er sodann für Aktionen wieder ausgeben oder auch ansammeln kann, um zum Beispiel teurere, für die Charaktere bestimmt schmerzlichere Handlungen (geregelt durch die Keeper Action Cards) setzen zu können. Bisweilen – und wenn er dies auch bezahlen kann – darf der Keeper Mythoskarten ausspielen, die gleichfalls selten Gutes für die Abenteurer verheißen. Sollte ein Charakter wodurch auch immer einen körperlichen oder seelischen Schaden erleiden, kann der Keeper auch passende Schadenskarten auf diese Figur spielen. Das mag bedeuten, dass sich dieser Charakter nur mehr eingeschränkt bewegen kann oder plötzlich unter Klaustrophobie leidet und ähnliche Nettigkeiten mehr. Sollte die auf der Ereigniskarte aufgedruckte Rundenzahl erreicht sein, deckt der Keeper am Ende seines Zuges noch die entsprechende Karte auf, und liest die Anweisungen vor. Ist noch keine Siegbedingung erfüllt, beginnt die nächste Runde.
„Mansions of Madness“ ist – trotz kleinerer Pannen und Fehler, gehäuft übrigens im fünften Szenario – ein Horrorabenteuerspiel, das beinahe perfekt funktioniert. Die meisten anderen Spiele in der auf den Geschichten von Howard Phillips Lovecraft (1890 – 1937) basierenden Welt(en), angefangen beim Rollenspiel „Call of Cthulhu“ (Chaosium, seit 1981) bis hin zu „Arkham Horror“, vielleicht mit der kleinen Ausnahme des aber nur vage daran angelehnten „Der Hexer von Salem“ (Kosmos 2008), scheitern letztendlich daran, dass über kurz oder lang als Endgegner ein Großer Alter, eine übermächtige, an sich unbesiegbare Wesenheit auftritt und, wenn man der inneren Logik dieser dystopischen Welt folgt, der Untergang der Erde unaufhaltsam herbeigeführt wird. Corey Konieczka gibt es da in seinem Spiel eine Nummer kleiner. Auch in Lovecrafts Geschichten taucht nur ganz selten so ein Gottwesen auf – und dies sind sogar eher die schlechtesten seiner Erzählungen. Offen gesagt, literarisches Genie war Lovecraft keines; wenn, dann ein Meister der unheimlichen Stimmungen in oft doch sehr banalen Handlungen. In den besseren seiner Werke sind die Gegner des Helden – meist ein alternder Gelehrter, Naturwissenschaftler, Ingenieur oder auch Schriftsteller, selten ein Polizist oder Privatdetektiv – übergeschnappte, zur Verehrung übernatürlicher, oft namenloser Wesen („namenlos“ und „verboten“ sind neben „schrecklich“ und „degeneriert“ vielleicht die meistverwendeten Adjektive in Lovecraftgeschichten) geneigte Menschen, Hinterwäldler oder Mischlinge, wie er hübsch rassistisch selten anzumerken vergaß. Bisweilen taucht auch eine durch unbekannte Strahlung („Die Farbe aus dem All“, „The Dunwich Horror“) verursachte Mutation oder ein weniger mächtiges außerirdisches Wesen auf. Beliebte Unholde aus seinem Repertoire sind sodann Nachfahren von Hexen und Hexern der Hexenprozesse von Salem, die Lovecrafts Heimatstaat Massachusetts am Ende des 17. Jahrhunderts erschütterten (wobei er uneingeschränkt die Partei der Verfolger und Hexenjäger ergreift), sowie Untote und Ghoule.
All diese Typen tauchen in „Mansions of Madness“ auf. Zwar gibt es im Figurenvorrat auch außerirdische Mi-Go (gleichsam technikaffine Libellen aus dem Weltraum), die fürchterlichen Hunde von Tindalos (zeitreisende, drachenartige Überirdische, von Lovecraft nur einmal erwähnt) und sogar Shoggoths (massive, amöbenhafte Riesenwesen) und Chthonier (riesige Regenwürmer mit tentakelbewehrten Mäulern, nicht ursprünglich von Howard Phillips Lovecraft, sondern von Brian Lumley), aber um diese zum Einsatz zu bringen, muss der Keeper schon alle Register des jeweiligen Szenarios besonders heimtückisch ziehen.
Jedes der fünf Abenteuer in „Mansions of Madness“ bietet mehrere Möglichkeiten, wie die Geschichte bei gleicher Ausgangslage weiter verläuft. So können geheimnisvolle Stromausfälle in einem Universitätsinstitut ein mehr oder minder harmloser Studentinnenspaß mittels Hexerei oder aber die bedrohlichen Auswirkungen sinistrer Experimente außerirdischer Eindringlinge sein. Die Suche nach einem verschwundenen Geschäftspartner kann im Aufdecken eines wahnsinnigen Mordkomplottes oder im Versuch enden, ein Portal in eine andere Dimension zu öffnen oder zu schließen.
Die Spielregeln sind relativ klar strukturiert, gut mit Beispielen illustriert, nicht übermäßig kompliziert und daher leicht zu erlernen. Wieder ist das Fehlen eines funktionierenden Indexes zu beklagen. In der zum Test vorliegenden ersten Auflage sind einige Karten verdruckt oder nicht klar genug beschriftet, Ersatzkarten liegen aber bei und auf der Seite von Fantasy Flight Games zu „Mansions of Madness“ finden sich sehr aktuell gehaltene Errata und Frequently-Asked-Questions-Listen, die tatsächlich hilfreich sind, etwaige Unklarheiten zu beseitigen. Ein bisschen geschludert wurde allerdings beim fünften Abenteuer – darauf beziehen sich die meisten Korrekturen, ohne deren Hilfe dieses Abenteuer leider kaum gespielt werden kann. Eine zweite Auflage soll diese Fehler zum Großteil aber bereits korrigiert haben.
Die einzelnen Abenteuer sind narrativ logisch aufgebaut und bemerkenswert detailreich ausgearbeitet. Ein relativ neues Element des Spieles, das Lösen von Rätseln, das hauptsächlich dazu dient, die Abenteurer aufzuhalten, ist meist gut in die Handlung eingebaut, wird aber doch etwas zu häufig strapaziert. So sehen sich die Charaktere etwa mit einem Stromausfall konfrontiert, der nur mittels Reparatur eines Schaltkreises (ein Wiring-Puzzle) behoben werden kann. Für die Lösung des Puzzles hat ein Charakter gleich viele Versuche, wie der Anzahl seiner Intelligenzpunkte entsprechen, doch bevor so ein Rätsel gelöst ist, dürfen die Hinweiskarten im Raum nicht angeschaut werden. Auf diese Hinweiskarten lohnt es sich zu achten, denn sonst verlieren die Abenteurer wertvolle Spielzeit, die den Keeper unweigerlich seinem Ziel näher bringen.
All das funktioniert ziemlich gut, trägt zu einer konzentrierten Atmosphäre bei und ist selbst für den oder die Verlierer der Partie noch unterhaltsam. Kein Spiel endet in Würfelorgien, der Zufallsfaktor ist auf das gerade Notwendige beschränkt, und es besteht sogar manchmal die Möglichkeit, dass alle Beteiligten verlieren, und trotzdem einen aufregenden Spielabend hinter sich gebracht haben.
Martina & Martin Lhotzky, Marcus Steinwender
Spieler : 2 – 5
Alter : ab 13 Jahren
Dauer : ca. 150 – 200 min
Autor : Corey Konieczka, Tim Uren
Grafik : Henning Ludvigsen, Kevin Childress und andere
Titel : Mansions of Madness
Preis : ca. 57 Euro
Verlag : Fantasy Flight Games 2010
Genre : Abenteuerhorrorspiel
Zielgruppe : Mit Freunden
Version : en
Regeln : en
Text im Spiel : ja
Kommentar:
Stimmige Ausstattung
Grundsätzlich gute Regeln
Hoher Spielspaß und Wiederspielwert
Deutsche Ausgabe Villen des Wahnsinns bei Heidelberger in Vorbereitung
Vergleichbar: Betrayal at House on the Hill, Höllenhaus
Meine Bewertung: 7
Martina, Martin und Markus
Liebevoll gestaltetes, leicht zu erlernendes, rundum stimmiges Abenteuerspiel im Lovecraft-Universum, das allen Beteiligten gleichviel Spielspaß bereitet
Zufall 2
Taktik
Strategie__ 3
Kreativität
Wissen_
Gedächtnis
Kommunikation
Interaktion 3
Geschicklichkeit
Action