Descent – Journeys in the Dark
Der Spielehersteller Milton Bradley
brachte 1989 in Zusammenarbeit mit den damals auch noch relativ jungen Citadel
Miniatures (heute mit
Es folgte die variierte Form
„Advanced HeroQuest“ („Herr des Schwertes“), die wieder mehr in Richtung
Rollenspiel abzielte (vom Brettspiel waren ein variables Stecksystem für Gänge,
Kunststoffspielfiguren und die Anregung, die Kulissen aus HeroQuest
einzusetzen, geblieben). Kurz danach versuchten sich Schmidt-Spiele mit einem
dreiteiligen Fantasybrettspiel unter der Lizenz von „Das Schwarze Auge“
(„Darkworld“) ebenfalls an den Erfolg zu hängen. Beide Nachfolgemodelle blieben
unter den Erwartungen. Zu einer Neuauflage von HeroQuest kam es (angeblich aus
rechtlichen Gründen) nicht, und um den Bereich der Fantasybrettspiele in
größerem Rahmen wurde es eine Zeit lang ruhig.
2002 erschien dann das Dungeons
& Dragons Brettspiel, das es bisher bereits auf zwei Erweiterungen gebracht
und vielleicht eine Renaissance dieses Genres eingeläutet hat.
Das jüngste Mitglied dieser
Spielefamilie ist nun „Descent [sprich: Di-sént, zu deutsch: Abstieg] –
Journeys in the Dark“. Die mehrfach angekündigte und immer wieder verschobene
deutsche Fassung lag bis Redaktionsschluss nicht vor, somit bezieht sich diese
Kritik auf die amerikanische Originalfassung aus dem Hause
Prinzip auch von „Descent“ ist es,
bis zu vier Abenteurer gegen einen (in diesem Falle Overlord genannten)
Spielleiter antreten und eine Aufgabe erfüllen zu lassen. Die Helden gewinnen
das Spiel, wenn sie in zahlreichen durch Würfeln zu entscheidenden Kämpfen ein
vom Monstermeister aufgebautes Labyrinth durchqueren, und zuguterletzt den
Hauptgegner, ein gerne lustig benanntes Meistermonster, besiegen oder
gegebenenfalls eine Artefakt-Spielkarte an sich bringen. Der Overlord trachtet
zwar danach, dies zu verhindern, um seinerseits das Spiel zu gewinnen, ist aber
doch gut beraten, im Zweifelsfalle lieber ein Auge zuzudrücken oder im wahrsten
Sinne des Wortes fünf gerade sein zu lassen, denn sonst sitzt er am nächsten
Spieleabend mit seinem mühevoll aufgebauten Spielplan und den vielen
versteckten Schätzen alleine da.
Zur Ausstattung des Spieles gehören
eine Auswahl an Kunststofffiguren (20 graue Helden, 39 weiße Monster und 21
rote Meistermonster, deren Bemalung nicht explizit empfohlen wird, aber
selbstverständlich möglich ist), Kartonsteckfelder als Spielbrett, Kartontüren
mit Aufstellfüßen, Spielkarten für Schätze, Spezialeigenschaften, Ausrüstung,
Monstereigenschaften und Ereignisse, 20 etwas größere Heldenkarten mit deren
Eigenschaften (Bewegungsreichweite, Nah- und Fernkampfstärke, Zauberkraft,
individuelle Kenntnisse oder Fähigkeiten), 12 sechsseitige Würfel in den Farben
schwarz, weiß, rot, gelb, grün und blau, sowie unzählige Kartonplättchen in
diversen Farben und Formen als Markierungssteine (Münzen, Verwundungsmerker,
Erschöpfungsmerker, sogenannte Conquest-Tokens, ja sogar achteckige
Markierungen für Familiars [das sind die Helden begleitende Tierchen], und
etliche mehr).
Zwanzig vorgefertigte Helden stehen
zur Auswahl, ein Auswürfeln der Attribute wie im klassischen Rollenspiel
entfällt. Nach der Auswahl (oder der Verlosung) der Spielcharaktere kriegt
jeder noch ein Handgeld, um Ausrüstung oder Zaubersprüche („Runes“) zu erwerben,
sowie drei zufällig zugeteilte besondere Eigenschaft(skart)en. Für ein bisschen
Individualismus bleibt also doch Platz. Die Helden (und viele Gegenstände; die
Grafik sowieso) sind übrigens fast identisch mit denen anderer Spiele des
Herstellers (zum Beispiel mit „Runebound“), eine Kombination der
Abenteuerspiele und dadurch ein gemeinsamer Hintergrund in der Fantasy
Flight-Spielwelt scheint gewünscht. Das erspart dem Verlag wohl auch eine Menge
Ausgaben für Zeichner und Namenserfinder.
Der Spielmechanismus ist einfach zu
durchschauen, und im Grundspiel beschränken sich die Handlungsmöglichkeiten der
Heldenspieler auf gehen (eine vorgegebene Anzahl von Bewegungspunkten) –
zuhauen, schießen oder zaubern (würfeln) – und Sachen aufsammeln (Karten ziehen;
die Anzahl von Gegenständen, die ein Held mitführen darf, ist begrenzt und für
alle gleich; Geld jedoch unterliegt keiner Obergrenze). In jeder Runde darf ein
Held sich zweimal bewegen, zweimal kämpfen, oder diese Aktionen beliebig
kombinieren. Andere Handlungen (wie etwa Gegenstände aufheben, mit anderen
Helden Karten tauschen oder Zauberelixiere trinken) werden in Bewegungspunkten
abgerechnet. Zum Beispiel kostet eine Türe öffnen 2 Bewegungspunkte. Da kein
Abenteurer weniger als 3 Felder pro Runde gehen darf, könnte er dann etwa einen
Gegner schlagen und danach noch ein Feld gehen. Das aus anderen Spielen
gewohnte Suchen nach Schätzen oder Geheimtüren kommt in Descent nicht vor,
Schätze liegen als Kartonmarken sichtbar auf dem Spielfeld. Ein neues und eigenständiges
Element bilden allerdings die Vorbereitungsaktionen („Ready“). Die Spieler
können auf eine reguläre Handlung verzichten, und sich stattdessen für eine von
vier Möglichkeiten („Hero Orders“) entscheiden: Zielen („Aim“ gibt die
Möglichkeit, im nächsten Kampf einen unglücklichen Würfelwurf zu wiederholen),
Ausweichen („Dodge“ gibt die Möglichkeit, im nächsten Kampf einen für den
Spieler ungünstigen Würfelwurf des Spielleiters wiederholen zu lassen), Auf der
Hut („Guard“ gibt die Möglichkeit, einen Monsterangriff zu unterbrechen und
damit eventuell das Monster vor dessen Attacke auszuschalten) sowie Ausruhen
(„Rest“ stellt die Kraft des Helden wieder her). Wie nicht anders zu erwarten,
gibt es auch hierfür Kartonmarkierungsplättchen.
Für den Spielleiter entfällt die
Option des Schätzesammelns, er oder sie muss sie nolens-volens nach einem Blick
auf die entsprechende Questenanleitung Karte vielmehr austeilen. Er legt zu
Beginn, und jedesmal, wenn die Spielfiguren einen neuen Raum betreten, den
passenden Teil des Spielplans aus (im Puzzlestil zusammenzusteckende
Kartonteile mit aufgedrucktem Felderraster; die Gang- und Raumplatten stellen
einen etwas wirr wirkenden Höhlen- oder Steinboden dar). Des weiteren zieht er
jede Runde sowie bei zahlreichen anderen Gelegenheiten der Anzahl der
Mitspieler entsprechend Markierungssteine im Totenkopfdesign (quasi das Geld
des Overlords) sowie zwei Ereigniskarten nach. Diese Ereigniskarten kosten,
wenn ausgespielt, eine bestimmte Menge an Totenkopfchips, dann aber treten
meist für die Abenteurer unangenehme Geschehnisse ein (Fallen tun sich auf,
zusätzliche Monster erscheinen, der Overlord darf noch mehr Totenkopfchips
nachziehen, und ähnliches). Außerdem muss er oder sie darauf achten, dass die
Stärke seiner Ungeheuer je nach Spieleranzahl variiert – treten nur ein oder
zwei Helden gegen die Bewohner der Unterwelt an, sind diese im Kampf schwächer
als gegen drei oder gar vier Abenteurer.
Das Spiel läuft in Runden ab – erst
die Helden, dann die Monster. Dieser Ablauf ändert sich nur, wenn es die
Angaben zu einem Abenteuer explizit vorschreiben. Für die Helden besteht anders
als in den meisten vergleichbaren Dungeon-Crawl Spielen die Möglichkeit, ihre
Reihenfolge in jeder Runde neu zu bestimmen.
Da die Helden praktisch in jedem
größeren Raum eines Abenteuers auf sogenannte „Glyphs“ (Transporterrunen)
stoßen, mit deren Hilfe sie sich in die Stadt (erraten, ein eigenes, diesmal
rundes Kartonfeld, und das Anfangs- und Endfeld jeder Queste) teleportieren
können, um dort neue Waffen und Heiltränke einzukaufen oder gefundene Schätze
beim lokalen Hehler zu Geld zu machen, wird der Spielfluss bisweilen
unterbrochen. Für die Helden freilich bietet das die Chance, allzu harten
Gegnern flugs zu entwischen, und das Abenteuer ein andermal und frisch gerüstet
erneut aufzunehmen.
Die Queste endet, wenn die Helden entweder ihre Mission erfüllt haben, oder das letzte Conquest-Token abgeben mussten. Im letzteren Fall hat die Monsterseite gewonnen. Conquest-Tokens, das Descent-Äquivalent zu Erfahrungspunkten in Rollenspielen, erwerben die Helden jedoch ständig (wenn sie einen Teleporter-Glyph entdecken und in Betrieb setzen, wenn sie Truhen öffnen, wenn sie gewisse Monster ausschalten), und verlieren diese nur, wenn ein Held stirbt (der jedoch sofort in der Stadt wiederbelebt wird und erneut ins Geschehen eingreifen kann), oder der Spielleiter den Ereigniskartenstapel aufgebraucht hat, und neu mischen muss, um wieder Karten ziehen zu können.
Das ausführliche Regelwerk enthält
knapp 22 Textseiten und viele (nötige) Illustrationen. Trotz dieses Umfanges
findet sich der Leser nicht leicht zurecht. Um eventuelle und sicher beim
Neueinstieg auftretende Detailfragen im Spielverlauf zu klären, wäre ein Index
oder zumindest eine einheitliche Textgliederung durchaus angebracht. Eine
Kurzfassung der Regeln ist auf dem Questenbuch abgedruckt. Hier finden sich
auch Vorschläge, die Helden Erfahrungswerte von Spiel zu Spiel sammeln und
somit aufsteigen zu lassen, beziehungsweise die neun Grundspiele als fortlaufende
Kampagne (ein zusammenhängendes Abenteuer) zu gestalten. Diese Anmerkungen
erwartet man eigentlich im Regelheft selbst, die Regelkurzfassung wäre als
eigenständiger Referenzbogen ebenfalls viel praktischer. Vermittels eines
Kopierers kann dieses Problem freilich leicht gelöst werden.
Die neun mitgelieferten Grundspiele sind wiederum eher schwer zu bewältigen. Das erste Abenteuer (Quest 1: „Into the Dark“), als Probelauf gedacht, beinhaltet bereits eine Vielzahl an Kreaturen und sogar (starke) Meistermonster, die den Helden das Leben unter Tage reichlich vergällen. Wenigstens unseren Spieltestern, darunter auch ein Fantasyspieleneuling, erging es so. Wohl als Ausgleich dazu findet sich praktisch in jedem Raum eine Vielzahl an meist unverhältnismäßig machtvollen Ausrüstungsgegenständen. Mit einem glücklichen Händchen kann ein Heldenspieler schon mal ein fast unbezwingbares Schwert, einen magischen Flitzebogen oder eine mächtige Zauberrune ziehen. Doch dies dient keineswegs der Beschleunigung des Spielablaufes, eher der gegenteilige Effekt tritt ein. Das liegt am System der Kampfwürfel, die, wie gesagt, in mehreren Farben für Verwirrung sorgen. Jede Seite eines Würfels kann bis zu drei Informationen enthalten: die Entfernung, auf die der Angriff wirkt; die Trefferanzahl, welche dem Gegner zugefügt wird; ein zusätzlicher Energieschub („power surge“). Die schwarzen Würfel („power dice“) können das Gesamtergebnis beeinflussen, einige der bunten Würfel tragen auf einer Seite eine X-Markierung. Wirft man diese, so schlägt der gesamte Wurf fehl. Einige Helden(eigenschaften), die Aktion „Zielen“ („Aim“) oder manche Ausrüstungskarten geben dann die Chance, einen oder mehrere Würfel erneut zu werfen. Das verzögert den Einsatz des nächsten Spielers bisweilen nicht unerheblich.
Ebenfalls störend wirken die unzähligen Spielmarken. Bei Fantasy Flight Games scheint dies zur Methode geworden zu sein. Wo man sich früher mit Zettel und Bleistift behelfen konnte, gibt es nun für alles eigene Kartonplättchen. Für Schatztruhen oder Felsbrocken auf dem Spielbrett mag das ja noch angehen, für jede einzelne Wunde, jeden Heiltrank oder gar die eigene Währung für den Spielleiter (Totenkopfchips) – das ist nur mehr ärgerlich.
In vergleichbaren Fantasyspielen bestimmt der Meisterspieler gleichsam alles. In „Descent“ sind die Handlungen des Spielleiters in gewissem Maße an das Ziehen von Ereigniskarten gekettet. Seine Kreativität wird ein wenig eingeschränkt, dafür sind aber auch seiner Willkür Grenzen gesetzt. Die Anhäufung von Spielmarken, die im Austausch für das Auslösen von Fallen oder Monstervermehrung bezahlt werden müssen, trägt jedoch zusätzlich zur Verwirrung bei. Vermutlich wird dies spätestens beim achten Abenteuer Routine geworden sein, aber dann sind die vorgegebenen Questen ohnedies aufgebraucht und das Warten auf Erweiterungssets (deren erstes, „Well of Darkness“ mit neuen Monstern etc., bereits erschienen ist) oder selbst entwickelte Aufgaben kann beginnen.
Die angegebene Spieldauer von zwei bis vier Stunden stellt die unterste Grenze dar, will man ein Abenteuer in einem Zug durchspielen. Zumindest am Anfang einer „Descent“ Helden- oder Overlordkarriere ist eher mit einer Spielzeit von fünf bis sechs Stunden zu rechnen, mindestens fünfeinhalb Stunden müssen bei der vollen Spieleranzahl kalkuliert werden. Spielspaß kann garantiert werden, wenn man sich auf diese Dauer einlässt und lieber eine Regelbestimmung vergisst, als peinlich genau jeden Schritt nachschlagen lässt. Ein eigenes Ordnungssystem für die wirklich zahlreichen Markierungsplättchen (da genügen schon zwei leere Kunststoffinnenleben einer Kekspackung, wenn nicht zu hohe ästhetische Ansprüche gestellt werden) oder der Griff zu Zettel und Bleistift erleichtern das Spiel. Die vorherrschenden Themen Horror und Gewalt legen ein höheres als das angegebene Spieleinstiegsalter nahe, ab zwölf Jahren sollte es aber durchaus verträglich sein.
Äußerst
erfreulich hingegen kommt die Unterstützung des Spieleverlags daher. Wie bei
allen seiner Spiele, so stellt
Martina & Martin Lhotzky
Spieler : 2-5
Alter : ab 9 (12) Jahren
Dauer : 5-6 Stunden
Autor : Kevin Wilson
Grafik : J. Ejsing, J. Goodenough, L. Frank
Vertrieb :
Preis : ca. € 59.89
Verlag :
www.fantasyflightgames.com
Genre : Fantasy-Abenteuerspiel
Zielgruppe : Freunde
Mechanismen : würfeln, ziehen, Aufgaben erfüllen
Strategie : **
Taktik : ***
Glück : *****
Interaktion : ****
Kommunikation : ****
Atmosphäre : *****
Kommentar :
nicht unbeingt für Einsteiger ins
Genre
vom Spielleiter mit eigenen
Szenarien zu modifizieren
zu viele Kartonmarken
recht unterhaltsam
Martin und Martina:
Mit einem glücklichen Händchen kann
ein Heldenspieler schon mal ein fast unbezwingbares Schwert, einen magischen
Flitzebogen oder eine mächtige Zauberrune ziehen.
Vergleichbar
Advanced HeroQuest, Dungeons &
Dragons Brettspiel, Doom