Nacht der Diebe

 

Nacht der Diebe

Fantasy Forest 1990

von Valentin Herman

3-6 Spieler

 

Da dies mein erster Versuch ist mich als Spiele-Kritiker zu betätigen, und da ich nicht gleich beim ersten Mal durch meine sarkastischen Bemerkungen unangenehm auffallen möchte, habe ich mir überlegt, daß es das Beste sei, wenn ich ein Spiel rezensiere, welches mir, dies sei jetzt schon vorweg genommen, im Prinzip recht gut gefällt.

 

Nacht der Diebe ist laut Schachtelaufdruck ein 'phantastisches Spiel für 3-6 Diebe', erschienen im Fanfor-(Klein-) Verlag. Auf der Rückseite ist die Spiellänge mit 2-3 Stunden angegeben. Dem sollte man aber nicht allzuviel Beachtung schenken. Weiters befindet sich hier noch eine höchst interessante Eigenbewertung des Spieles; die Taktik wird hier als eher mäßig angegeben, die Interaktion als recht groß und der Unterhaltungswert erreicht das Maximum der Skala.

(Auch dieser Bewertung sollte man nicht unbedingt Glauben schenken.)

 

Die Schachtel an sich ist, für einen Eigenverlag sehr schön und relativ robust. Beim Öffnen des Deckels fällt sofort auf, daß die Schachtel keinen Einsatz besitzt. Was natürlich den Vorteil hat, daß man diesen nicht wegwerfen muß da für ihn ja sowieso kein Platz wäre, denn, die Schachtel ist voll! In ihr findet man viele viele bunte Holzsteine, zwei Dutzend Würfel, eine Menge Spielkarten, einige größere Karten, das Regelheft, sowie ein paar kleine Säckchen, in denen dies alles fein säuberlich aufbewahrt werden kann.

 

Vor Spielbeginn erhält jeder Spieler einen Satz von 11 Karten und 25 Spielsteine seiner Farbe. Da es pro Farbe sowieso nur 25 Steine gibt, sollte dies zu keinem großen Zahlerischen Aufwand führen. Auf den Karten sind Diebe (bei der Arbeit) abgebildet und mit Werten zwischen -10 und +10 versehen. Die sechs Ortskarten werden zu einem Spielplan auf dem Tisch aufgelegt. Auf jeden dieser Orte kommt die entsprechende Schatzkarte, welche Werte von 25 bis 200 haben. Allgemein ist die Graphik all dieser Karten recht gut gelungen, obwohl sie jeweils nur einfärbig ist.

 

Jeder Spieler stellt Oberhaupt einer Diebesgilde dar; den Gildenmeister. Ziel des Spieles ist es, am Ende der festgelegten Rundenanzahl die meisten Punkte (=Goldstücke) 'geklaut' zu haben. Der Spieler mit den größten Händen (Regelzitat) nimmt nun alle Würfel, schüttelt sie ordentlich und wirft sie auf den Tisch, aber möglichst so, daß sie auch alle dort liegen bLeiben. (Die größten Hände lassen sich leicht dadurch ermitteln, daß man jeweils eine rechte und eine linke Hand zweier Spieler gegeneinander hält und vergleicht). Schaut man sich nun die auf dem Tisch liegenden Würfel an, so wird man verwundert feststellen daß sich auf diesen nicht wie sonst üblich 1-6 kleine Punkte befinden, sondern auf jeder Seite eines jeden Würfels sich nur ein einziger großer farbiger Punkt befindet. Durch einfaches Zählen und Multiplizieren errechnet jetzt jeder Spieler die Anzahl der Diebe (=Spielsteine), die er für diese Runde zur Verfügung hat. Spieler, deren Pech in der Liebe durch Glück im Spiel kompensiert wird, können somit bis zu 25 Diebe bekommen. Spieler die sowohl als auch Pech haben, erhalten immerhin mindestens 6 Diebe.

 

Nun, da die Mächtigkeit aller Gilden festgelegt wurde, schreiten wir zur Plazierung der Diebe auf die einzelnen (Tat) Orte Jetzt triff - laut Regel - der Spieler mit dem größten Mund in Aktion, und verkündet irgendwelche Diebesanzahlen der einzelnen Spieler. (Konnte man die Größe der Hände noch durch Gegeneinanderhalten feststellen, so könnte diese Methode hier, wo es den größten Mund zu finden gilt, zu eventuellen Komplikationen führen. Da ich aber den Sinn dieses Zahlenausrufens nicht ganz verstanden habe, und man auch ohne zurechtkommt, kann man diesen Satz in der Regel getrost ignorieren.) Jeder Spieler verteilt nun alle seine Diebe in der, wie in den Regeln sehr sehr ausführlich beschriebenen Reihenfolge auf die 6 Orte. Haben das alle getan, beginnt die Raub und Klauphase. Hier werden alle sechs Orte nach einander durchgespielt:

 

Angefangen wird mit der Gasse, wo sich der Schatz mit dem Wert 25 befindet. Jeder Spieler, der zumindest mit einem Dieb in der Gasse vertreten ist, nimmt aus seinen 11 Karten zwei auf die Hand. Spieler die durch keinen Dieb in der Gasse vertreten sind, sind in dieser Phase zum Zuschauen verdammt. Der Spieler mit den wenigsten Dieben nimmt zusätzlich noch die Schatzkante auf die Hand, und hat somit drei Karten. Jetzt ist der Spieler, der die meisten Diebe in der Gasse hat an der Reihe. Er nimmt einen Dieb aus dem Spiel und zieht dafür von irgendeinem Spieler verdeckt eine Karte. Wahrscheinlich wird er von dem Spieler die Karte ziehen, der die Schatzkarte aufgenommen hat. Hat er nun immer noch die meisten Diebe, so nimmt er wieder einen von ihnen weg, und zieht dafür wieder eine Karte von einem Spieler. Dies tut er solange, bis ein anderer Spieler genauso viele Diebe hat wie er; dann nämlich ziehen sie beide abwechselnd, und zwar so lange bis ein dritter Spieler gleich viele Diebe hat wie sie; dann wiederum ziehe alle drei abwechselnd, bis ein vierter .....

 

Hat nun kein Spieler mehr einen Dieb, kommt es zur Wertung: Jeder addiert einfach die Werte der Karten die er auf der Hand hält zusammen, und erhöh somit seine Punkte. Hat man Karten von anderen Spielern auf der Hand, so wird der Wert der jeweiligen Karte von den Punkten dieses anderen Spielers abgezogen. Das heißt, daß es durchaus vorteilhaft ist, wenn andere Spieler Karten mit negativen Werten von einem selbst haben. Ist die Wertung zu Ende wird der nächste Ort nach dem gleichen Schema durchgespielt, mit dem Unterschied, daß die Schatzkarte hier einen höheren Wert hat. Nachdem alle sechs Orte durchgespielt wurden, beginnt die zweite Runde.

Es wird neu gewürfelt etc. Das Spiel kann, je nach Übereinkunft, beliebig viele Runden haben.

In der Praxis schaut das dann so aus: Die ersten drei Karten werden von dem Spieler gezogen, der die Schatzkarte aufgenommen hat. Dieser hat dann keine Karten mehr. Sollte er, wenn er dann an der Reihe ist, die Schatzkarte durch einen glücklichen Zufall von einem Mitspieler ziehen, so nimmt dieser sie ihm in seinem nächsten Zug garantiert wieder weg. Das heißt, viele Diebe zu haben ist ein (zu) großer Vorteil. Dadurch besteht dann die Gefahr, daß man die Spielphasen, die zwischen zwei Würfelwürfen stattfinden mangels Bedeutung ausläßt, da durch die Anzahl der Diebe schon sehr sehr viel vorherbestimmt ist.

Glücklicherweise ist dies auch dem Autor aufgefallen; es gibt nämlich eine Zusatzregel, durch welche das Spiel fast die Spannung von Schwarzer Petert erlangt, wenngleich es diese Niveau nicht erreichen kann. Diese Regel besagt nun, daß jeder Spieler, der KEINE Karte mehr auf der Hand hat, eine beliebige aus seinem Kartensatz nachnehmen darf. Dadurch fällt erstens die 100 Prozent Wahrscheinlichkeit weg und es kommen zweitens mehr Karten ins Spiel. Sollten nun aber einige Leute das Bedürinis haben einen gewissen Spaß an dem Spiel zu haben, so sollten sie aus oben genannter Zusatzregel den Buchstaben 'k' vor dem Wort 'eine' als bloßen Druckfehler ansehen. Dadurch ergibt sich nämlich, daß jeder Spieler der nur mehr EINE Karte auf der Hand hat, sofort eine nachziehen darf. Das heißt, jeder hat immer mindestens zwei Karten.

 

Dieses kleine Akt, inmitten eines 8-seitigen Regelwerks, bewirkt durch sein Verschwinden eine ungeheure Metamorphose des gesamten Spielgeschehens: das Spiel bekommt einen vorher nicht zu erkennbaren Unterhaltungswert, ohne das es von den Spielem besondere geistige Höchstleistungen erfordert. Jetzt ist es nämlich nicht mehr so entscheidend viele Diebe zu besitzen, und dadurch wird eine Runde nicht primär durch den Würfelwurf entschieden. In dieser Version kann ich das Spiel wirklich empfehlen(, sofern man die richtigen Mitspieler findet), da es, obwohl sehr vom Glück beherrscht, eine gewisse Spannung und Spielspaß bietet.

Die Form, in der die Regel verfaßt ist, möchte ich aus Gründen der Höflichkeit lieber nicht kommentieren, wohl aber ein sehr nettes Detail bemerken: Auf der ersten Seite das Regelheftes ist der Inhalt der Schachtel angegeben, mit der Bemerkung: " Jedes dieser Spielbestandteile kann beim FANFOR-VERLAG nachbe-

stellt werden ...

 

Win-Wertung

* Nacht der Diebe WWW P lll M UU M 3-6 (4-6)