UNSERE REZENSION
Leben und sterben lassen
Village
Geschichte eines Dorfes
Village, ein Spiel vom Autorenduo Inka und Markus Brand, das 2011 von eggertspiele und Pegasus Spiele veröffentlicht wurde und 2012 durch die Auszeichnung Kennerspiel des Jahres geadelt wurde. Höchste Zeit also, einen genaueren Blick darauf zu werfen.
Die beiden Autoren haben mittlerweile zahlreiche Spiele verschiedener Genres veröffentlicht, unter anderem auch andere "Kennerspiele" bei eggertspiele: Guatemala Café und Im Schutze der Burg.
Auch Village gehört zweifelsohne in dieses Genre. Das erschließt sich schon nach einem Blick in die hübsch gestaltete und übersichtliche Spielregel, denn die ist immerhin 12 Seiten lang.
Der Spielplan schreckt auf den ersten Blick mit zahlreichen Piktogrammen ab, diese erweisen sich aber schon nach einem ersten Regellesen als sehr hilfreich und der Spielplan bleibt übersichtlich.
Thematisch schaut Village auf den ersten Blick wie eine von vielen mittelalterlichen Wirtschaftssimluationen aus. Aber der Eindruck täuscht! Denn Village ist weit innovativer als es aussieht.
Die Spieler schreiben die Geschichte ihrer Großfamilien, die versuchen, über mehrere Generationen hinweg, einen bleibenden Eindruck in ihrem Dorf zu hinterlassen. Dazu ergreifen ihre Familienmitglieder verschiedene Berufe, wie Handwerk, Politiker oder Geistlicher, versuchen dort Karriere zu machen und ganz entscheidend ist, hier steckt der Witz, rechtzeitig zu sterben, aber dazu später mehr. Gewonnen hat jedenfalls wer am meisten Ruhmespunkte für seine Familie ansammeln konnte.
Das Spiel läuft in Runden ab, in denen zunächst die sieben Aktionsfelder mit einer festgeschriebenen Anzahl an Einflusssteinen bestückt werden, welche zufällig aus einem Beutel gezogen werden. Diese Einflusssteine gibt es in fünf Farben.
Danach kommen die Spieler reihum, beginnend beim Startspieler, an die Reihe. In einem Zug führt man eine Aktion, in deren Feld noch ein Einflussstein liegt aus, und nimmt einen beliebigen Einflussstein aus dem Aktionsfeld.
Die verfügbaren Aktionen sind:
ñ
Familie
Hier bekommt man ein neues Familienmitglied auf den Hof.
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Getreideernte
Hier bekommt man zwei Getreidesäcke, hat man Pferd- und Pflugplättchen,
oder gar Ochsen- und Pflugplättchen, bekommt man drei, beziehungsweise vier Getreidesäcke.
Bedingung ist, dass mindestens ein eigenes Familienmitglied noch am Hof
verweilt.
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Handwerk
Hier kann man Pferde-, Ochsen-, Pflug-, Schriftrollen- und
Planwagenplättchen oder Münzen erwerben. Grundsätzlich gibt es zwei
Möglichkeiten diese zu bezahlen, mit Zeit oder mit Einflusssteinen,
beziehungsweise Getreidesäcken. In letzterem Fall gibt man einfach die
passenden Ressourcen ab. Hingegen bedeutet Zeit, dass man ein eigenes
Familienmitglied aus dem Hof auf dem passenden Gebäude platziert, die notwendige
Zeit dafür investiert, es auszubilden und dann nochmals Zeit investiert um das
entsprechende Gut zu produzieren. Hat man schon eine Figur dort stehen, erspart
man sich natürlich die Ausbildungskosten. Was es mit dem Zeit bezahlen auf sich
hat wird noch später erläutert.
ñ
Markt
Am Markt können Güter, wie jene die durch Handwerk produziert wurden, für
Ruhmespunkte verkauft werden.
ñ
Reise
Hier können Familienmitglieder aus dem Hof auf Reisen in ferne Städte und
Dörfer geschickt werden. Dies kostet Zeit, Planwagenplättchen und
unterschiedliche Einflusssteine und bringt verschiedene Formen der Belohnung,
vor allem aber Ruhmespunkte.
ñ
Ratsstube
Hier kann ein Familienmitglied platziert werden um für Zeit und
Schriftrollenplättchen oder grüne Einflusssteine (grün steht für
Überzeugungskraft) im Stadtrat Karriere zu machen, was unterschiedliche
Privilegien und Ruhm einbringen kann. Unter anderem wird hier der
Startspielervorteil vergeben.
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Kirche
Hier können Familienmitglieder in den schwarzen Beutel geworfen werden, was
wieder Zeit oder braune Einflusssteine (braun steht für Glaube) kostet. Der
schwarze Beutel wird am Rundenende wichtig, wenn zur Messe gerufen wird.
Sobald ein Spieler den letzten Einflussstein von einem Aktionsfeld genommen hat und die damit verbundene Aktion durchgeführt hat, endet die Runde mit einer Messe.
In der Messe werden vier Spielfiguren aus dem schwarzen Beutel gezogen. Dies geschieht im Normalfall blind und somit zufällig. Allerdings haben die Spieler die Möglichkeit ihr Glück per Geldspende zu begünstigen.
Die gezogenen Figuren sind dazu auserkoren in der Kirche Karriere zu machen. Durch die Abgabe von Getreidesäcken können die Spieler ihre Figuren aufsteigen lassen. Ist dies geschehen findet eine Wertung statt in der die Ränge und die Anzahl der Figuren betrachtet werden und die am stärksten vertretene Familie mit zwei Ruhmespunkten gewürdigt wird.
Soweit ein grober Überblick über die verschiedenen Aktionen und die Möglichkeiten zu Ruhm zu gelangen. Allerdings habe ich eine wichtige Option noch ausgelassen, nämlich die des Sterbenlassens. Hier spielt die schon mehrmals erwähnte Zeit eine Rolle. Jeder Spieler hat eine Lebenszeitleiste für seine Familie, die im Wesentlichen aus im Kreis angeordneten Feldern besteht. Immer wenn mit Zeit bezahlt wird, muss der Marker auf der Leiste um entsprechend viele Felder weitergezogen werden. Bei jeder vollen Umrundung stirbt ein Familienmitglied der ältesten noch im Spiel befindlichen Generation, die Figuren sind entsprechend markiert.
Ist noch Platz in der Dorfchronik, in dem Kapitel das der Berufsgruppe des Gestorbenen entspricht, wird er dort verewigt und bringt der Familie Ruhm ein. Andernfalls landet er am Friedhof der Bedeutungslosen. Über das Füllen von Chronik und Friedhof wird auch das Spielende gesteuert.
Ich denke, es ist schon aus dieser Beschreibung ersichtlich dass es in Village viele Möglichkeiten gibt zu Ruhm zu kommen. Dementsprechend vielfältig sind auch die Strategien, die ausprobiert werden möchten. Ich bin mir nicht sicher ob das Balancing perfekt ist, aber zumindest gibt es nach den paar Partien die ich bereits gespielt habe, keine klaren Auffälligkeiten, was schon mal ein gutes Zeichen ist. Klar erscheint mir lediglich, dass es keinen Sinn macht in allen Bereichen mitmischen zu wollen. Somit stellt sich vor jeder Partie die Frage was man machen will. Viel und früh sterben? Dann sollte man aber rechtzeitig für Nachwuchs sorgen und die Karrieren in Kirche oder Ratsstube könnten zu früh beendet werden um ruhmreich zu werden. Auf Reise gehen? Dann sollten aber möglichst alle Städte besucht werden, was viele Ressourcen verschlingt und die Verkaufsoptionen am Markt einschränkt.
Über Sieg und Niederlage entscheiden sicher auch die lieben Mitspieler, denn wer alleine auf Reisen geht, oder alleine am Markt handelt, hat sicher ein leichteres Spiel als mit Konkurrenz. Denn schließlich ist auch die Anzahl der Optionen stark begrenzt.
Alles in allem also ein Spiel wie für mich gemacht!
All jenen die sich nicht durch etwas längere Regelerklärung und eine Spieldauer jenseits der Stundengrenze abschrecken lassen und sich gerne mit Entscheidungen welche Aktion nun zuerst gemacht werden muss quälen, kann ich Village nur wärmstens empfehlen. Zumindest mittelfristig sollte Village interessant bleiben. Ob es auch noch in fünf oder zehn Jahren regelmäßig am Spieltisch landet, traue ich mich noch nicht abzuschätzen. Jedenfalls erscheint es mir ein würdiger Preisträger für die Kategorie Kennerspiel des Jahres zu sein.
Markus Wawra
Spieler: 2-4
Alter: 12+
Dauer: 90+
Autor: Inka und Markus Brand
Grafik: Dennis Lohausen
Preis: ca. 35 Euro
Verlag: eggertspiele / Pegasus 2011
Web: www.pegasus.de
Genre: Aufbauspiel
Zielgruppe: Für Experten
Version: de
Regeln: bg cz de en es fr it nl pl sk
Text im Spiel: ja
Kommentar:
Übersichtliche Gestaltung
Viele strategische und taktische Möglichkeiten
Viel Interaktion durch Aktionen wegnehmen
Vergleichbar:
Aufbauspiele mit Aktion-auswählen-Mechanismus wie Agricola, Caylus, ...
Andere Ausgaben:
Descendance, Gigamic, Frankreich; Het Dorp, 999 Games, Holland; La Villa, Ludonova, Frankreich, Fantasmagoria, Bulgarien; Kronika panmstvi, Albi, Tschechien, Tasty Minstrel Games, USA, Uplay.it Edizione, Italien, Hobbity, Polen, Albi, Slovakien
Gesamt: 6/7
Markus Wawra:
Ich liebe Spiele wo ich viele Strategien ausprobieren kann und bei jedem Zug überlegen muss was nun taktisch der beste Zug ist. Da bin ich bei Village genau richtig! Zudem kommt noch die nette Idee, wenn auch etwas makaber, seine Leute "strategisch" (früh) sterben zu lassen. Ob es sich auch langfristig halten kann wird vor allem das Balancing der verschiedenen Strategien zeigen. Das kann ich aber (noch) nicht beurteilen.
Zufall (rosa): 1
Taktik (türkis): 2
Strategie (blau): 3
Kreativität (dunkelblau): 0
Wissen (gelb): 0
Gedächtnis (orange): 0
Kommunikation (rot): 0
Interaktion (braun): 2
Geschicklichkeit (grün): 0
Action (dunkelgrün): 0