REZENSION
Noria
Fremde Welten, seltene Erden
Am Anfang war das Rad
Das Erstlingswerk von Sophia Wagner führt uns in phantastische Welten mit fliegenden Inseln und lässt uns mit exotischen Rohstoffen handeln, jedoch müssen wir bald feststellen: sogar in dieser Phantasiewelt geht nichts ohne Lobbying, sonst bleibt das eigene Unternehmen auf der Strecke. Somit wären wir wieder auf den Boden der Realität zurückgebracht. Spieletechnisch hat sich Sophia Wagner einiges Interessantes einfallen lassen, von Aktionsrädern bis zum Wandeln auf politischen Pfaden. Ersteres scheint nach mehreren Spielepartien sehr gut geglückt, zweiteres ist nicht jedermanns Sache.
Noria ist ein Spiel für 2 bis 4 Spieler. Als Besitzer eines Handelsimperiums versuchen die Spieler ihren Reichtum zu vermehren und diesen in Projekte im Rathaus zu investieren, um an der Zukunft Norias mitzuwirken. Wichtig dabei ist auch die Politiker zu unterstützen, die in den Kammern sitzen und die dort die Wichtigkeit der Projekte bestimmen. Damit ist das Ziel des Spiels schon zusammengefasst: Die Spieler bauen ihr Handelsimperium auf, in dem sie Transportschiffe für Rohstoffe kaufen und Fabriken für Waren bauen, um mit diesen beiden Elementen Rohstoffe und Waren zu erarbeiten. Danach geben sie diese aus, um in die vier Projekte zu investieren. Die Wichtigkeit der einzelnen Projekte bestimmen sie dabei gemeinsam über die Politik. Wer am Ende des Spiels die richtigen Projekte am meisten unterstützt hat, hat gewonnen.
Es stellt sich also erst im Laufe des Spiels heraus, welche von den vier Projekten die richtigen sind, d.h. viele Siegpunkte am Ende bringen. Leider verfolgen die Mitspieler hier aber oft ein anderes Ziel als man selbst. Spieletechnisch wird ein Projekt durch einen Pfad dargestellt. Auf dem Pfad wandern die Spieler mit ihrem Spielstein, dem Gesandten, nach oben, immer dann, wenn sie in das Projekt investieren.
Jedes der vier Projekte verlangt seine eigene Investition, für zwei Projekte genügen bereits bestimmte Rohstoffe, für die anderen beiden Waren, einmal einfache, das andere Mal komplexe. Waren müssen Spieler produzieren, durch Verarbeitung von Rohstoffen in eigenen Fabriken, natürlich müssen auch diese erst gebaut werden. Auf diesen letztgenannten beiden Projekten ist es also schwieriger voranzukommen, der Vorteil liegt aber darin, dass hier mehr Siegpunkte gewonnen werden können. Dies gilt allerdings nur in der Theorie: denn zu jedem Projekt gehört auch eine Kammer, in der die Politiker sitzen, die die Projekte fördern. Die Spieler beeinflussen im Spiel diese Politiker, die dann schlussendlich bestimmen, wie viele Siegpunkte eine Stufe am Pfad dieses Projektes bringt. Vorweg gesagt, dieser Teil des Spiels ist destruktiv, denn wenn ein Spieler sich entscheidet, eine Kammer zu unterstützen muss er gleichzeitig auch einer anderen schaden. Dazu verschiebt er in einer Kammer einen Politiker in den Bereich der Kammer, wo der Politiker die Siegpunkte pro Stufe erhöht, während er bei einer anderen Kammer einen Politiker aus der Kammer entfernt, wodurch sich die maximal mögliche Anzahl an Siegpunkten in dieser Kammer reduziert, da während des Spiels keine Politiker in eine Kammer gebracht werden können.
Abgesehen von der Beeinflussung der Politiker ist das Spiel komplett aktionsgesteuert. Aktionen müssen ausgegeben werden, um Rohstoffe zu sammeln, Waren zu produzieren, zum Bau von Fabriken, zum Erwerb von Transportschiffen, zur Unterstützung der Projekte und sogar um den eigenen Aktionen-Pool auszubauen. Damit kommen wir auch schon zum wesentlichen und einzigartigen Spielelement von Noria: der Pyramide mit ihrem Aktionsräderset aus drei Ringen. Jeder Spieler hat sein eigenes Aktionsräderset, die Räder platziert er in drei Ebenen auf seiner Pyramide. Jedes Aktionsrad hat freie Plätze für die Platzierung von Aktionsscheiben, die erst die eigentlichen Aktionen ausmachen, jede Aktionsscheibe ihre eigene Aktion. Im Laufe des Spiels füllen sich die Aktionsräder, wieder durch Aktionen selbst, mit den Aktionsscheiben. Sieben Aktionsscheiben ermöglichen dem Spieler sechs verschiedene Aktionen sowie eine Bonusaktion.
Zu Beginn des Spiels erhält jeder Spieler sechs verschiedene Aktionsscheiben, die er auf seinen Aktionsrädern nach Regeln verteilen muss. Für den Spieler entscheidend ist nun einerseits, dass er seine Aktionsräder mit den für ihn richtigen Aktionsscheiben befüllt und andererseits, dass er sie in geeigneter Form anordnet. Denn auch die Anordnung der Aktionsscheiben muss bedacht werden:
Jedes Aktionsrad hat eine bestimmte Anzahl an Plätzen an denen Aktionsscheiben angeordnet werden können. Das oberste Aktionsrad hat nur zwei Plätze für Aktionsscheiben, das mittlere Aktionsrad hat bereits vier und das unterste Aktionsrad sogar sechs Plätze für Aktionsscheiben. Für den Spieler ist aber immer nur eine Hälfte jedes Aktionsrades aktiv, d.h. nur im aktiven Teil angeordnete Aktionsscheiben können für eine Aktion genutzt werden. Der aktive Teil der Aktionsräder ändert sich am Ende jedes Zugs des Spielers, da nun jedes Aktionsrad um eine Position weitergedreht wird.
Für die Auswahl von Aktionsscheiben bestehen noch weitere Einschränkungen, die die richtige Positionierung der Aktionsscheiben noch wichtiger machen: So darf ein Spieler in seinem Zug nur eine Aktionsscheibe pro Aktionsrad nutzen und es dürfen nur solche Aktionsscheiben in benachbarten Ebenen ausgewählt werden, die, wenn man eine gedankliche Linie zwischen ihnen zieht, auf dieser Linie keine andere Aktionsscheibe bzw. keinen leeren Platz berühren. Durch diese Einschränkungen der auswählbaren Aktionsscheiben ist eine überlegte Anordnung der Aktionsscheiben ein wesentlicher Aspekt im Spiel, eine nachträgliche Umordnung ist zwar eingeschränkt möglich, hat aber ihre Kosten!
Über die Aktionsscheiben werden die Aktionen im Spiel ausgeführt, zwei davon wirken auf die Aktionsmöglichkeiten des Spielers selbst. Dazu zählt die Bonus-Aktionsscheibe. Wählt ein Spieler diese in seinem Zug, dann darf er eine andere gewählte Aktionsscheibe nochmals ausführen. Die andere Aktionsscheibe ähnlicher Art ist die Werkzeug-Aktionsscheibe. Mit ihr kann der Spieler eine seiner Aktionsscheiben auf die Rückseite drehen. Alle Aktionsscheiben haben zwei Seiten, eine normale und eine aufgewertete. Zeigt eine Aktionsscheibe die aufgewertete Seite, darf deren Aktion zweimal ausgeführt werden. Das klingt sehr mächtig, hat aber eine Einschränkung: egal wie viele aufgewertete Aktionsscheiben der Spieler in seinem Zug wählt, die Doppelaktion darf er immer nur bei einer nutzen.
Die Werkzeug-Aktionsscheibe kann auch anstelle dessen für eine andere Aktion genutzt werden, nämlich zur Produktion von einfachen und/oder komplexen Waren. Durch Abgabe der erforderlichen Rohstoffe darf der Spieler seine leeren Lager, die er durch gebaute Fabriken bekommt, auf die volle Seite drehen, entweder bis zu alle eines Warentyps oder pro Warentyp ein Lager.
Eine weitere Aktionsscheibe mit Doppelfunktion ist die Stadt-Aktionsscheibe. Sie ermöglicht dem Spieler entweder eine neue Aktionsscheibe vom Markt für seine Aktionsräder zu erwerben oder in ein Projekt zu investieren. Die Aktionsscheiben sind nach Typ am Markt angeordnet, die Zuordnung auf die einzelnen Plätze am Markt erfolgt zufällig in der Spielevorbereitung. Dadurch entsteht eine Varianz in den Spielepartien, da die Kosten der Aktionsscheiben vom jeweiligen Platz abhängig sind, bezahlt wird immer mit Rohstoffen. Für die Investition in ein Projekt muss der Spieler genauso die geforderten Kosten zahlen und darf dann den betroffenen Gesandten am Pfad um eine Stufe nach oben verschieben. Hier ist zu beachten, dass Zusatzkosten entstehen, wenn sich andere Gesandte bereits weiter vorne auf dem Pfad des Projektes befinden.
Drei Aktionsscheiben-Typen dienen ausschließlich der Rohstoff-Produktion, für jede der drei Rohstoff-Arten (Obsidian, Energie, Myzel) gibt es eigene Aktionsscheiben. Bei dieser Aktion liefert jedes eigene Transportschiff des zur Aktionsscheibe korrespondierenden Rohstoffes einen Rohstoff, bei einer aufgewerteten Aktionsscheibe natürlich zwei.
Jetzt braucht es nur noch eine Aktionsscheibe für die Vermehrung der eigenen Transportschiffe und den Bau von Fabriken, dies ist die Reise-Aktionsscheibe. Die Transportschiffe sind in Noria eigentlich Raumschiffe, denn Noria besteht aus mehreren verschiedenen fliegenden Inseln, die im Raum schweben und auf denen die Minen liegen, von denen die Rohstoffe mittels Transportschiffe zum Spieler gebracht werden. Diese Inseln werden zu Spielbeginn zufällig ausgewählt und sind zu Beginn des Spiels noch verdeckt. Ein Charakteristikum dieser Inseln ist unter anderem die Anzahl der Transportschiffe, die von dieser Insel durch Spieler erworben werden können, wobei jede Insel immer nur zwei verschiedene Rohstoffsorten versorgt. Wie kann ein Spieler nun ein Transportschiff erwerben? Indem er seinen Gesandten mit der Reise-Aktion zu einer Insel schickt. Jeder Spieler hat eine Spielfigur, den Botschafter, der von Insel zu Insel reist, wobei immer alle Inseln erreichbar sind. Eine neue Insel wird vor der Reise einfach aufgedeckt und mit Transportschiffen bestückt. Reisen ist grundsätzlich kostenfrei, beendet der Spieler die Reise aber auf einer Insel, wo bereits andere Botschafter stehen, ist dies mit Kosten verbunden. Der so gereiste Botschafter hat auf der erreichten Insel nun zwei Möglichkeiten, entweder er nimmt sich eines der noch vorhandenen Transportschiffe zu sich, um zukünftig seine Produktion dieses Rohstoffs zu steigern oder er baut dort eine Fabrik. Dazu hat jeder Spieler ein eigenes Tableau mit sieben Fabriksplättchen. Er nimmt also das oberste und platziert es auf der Insel. Die Insel wiederum bietet Platz für vier Fabriken, wobei immer zwei die gleiche Ware produzieren und jeweils eine dieser beiden Fabriken immer zwei Waren und die andere nur eine Ware. Der Spieler legt also sein Fabriksplättchen auf den gewählten freien Platz auf der Insel und erhält dafür Lagerplätze, die er zu sich legt, je nach gewähltem Platz auf der Insel einen oder zwei der dort abgebildeten Ware. Der Lagerplatz hat eine leere und eine volle Seite, bei Erhalt muss der Lagerplatz auf die leere Seite gelegt werden. Immer dann, wenn der Spieler diese Ware mit der Werkzeug-Aktionsscheibe produziert, sprich die erforderlichen Rohstoffe abgibt, dreht er das Lager auf die volle Seite und hat damit eine einzelne Ware verfügbar.
Ein Spielelement wurde bisher noch nicht erwähnt und kommt auch erst so richtig durch den Bau der Fabriken ins Spiel: die Wissensplättchen. Denn nach jedem zweiten Fabriksbau eines Spielers kommt auf seinem Fabrikstableau ein abgebildetes Wissensplättchen zum Vorschein. Am Ende des Zuges erhält der Spieler so viele Wissensplättchen, wie sie auf seinem Fabrikstableau zu sehen sind.
Wissen wird in Noria auf verschiedene Weise als Bezahlung genutzt. Mit Wissen kann der Spieler zu Beginn seines Zuges Aktionsscheiben auf seinen Aktionsrädern untereinander austauschen, auch mehrfach mit sich steigernden Kosten, oder eines seiner Aktionsräder um eine Position weiterdrehen. Oder er kann nach der Aktionsphase in seinem Zug intrigieren, d.h. er bezahlt Wissen an Politiker um diese in den Kammern zu verändern: ein Politiker wird in einer Kammer in den Wertungsbereich verschoben, ein anderer, der noch nicht für die Wertung zählt, wird aus einer beliebigen Kammer entfernt. Diese Option wird im Verlauf des Spiels immer teurer.
Wissen kann der Spieler erlangen, in dem er sich in seinem Zug dazu entscheidet auf das Ausführen einer gewählten Aktionsscheibe zu verzichten oder über die Tauschfunktion, die keine Aktion erfordert. Hier kann Wissen in Rohstoff getauscht werden oder Waren in Wissen.
Noria wird mit einer fixen Anzahl Runden gespielt, pro Runde ist jeder Spieler einmal am Zug und kann zuerst Wissen ausgeben um seine Aktionsräder zu verändern, spielt danach seine maximal drei Aktionsscheiben durch, kann dann optional intrigieren und beendet seinen Zug mit dem Erhalt neuer Wissensplättchen auf Basis seines Fabrikstableaus.
Am Spielende werden nun die vier Pfade der Projekte ausgewertet. Jeder Spieler multipliziert die Position seines Gesandten am Pfad mit dem dortigen Siegpunktewert einer Stufe, der sich durch die Politiker in der zugehörigen Kammer ergibt. Anschließend werden noch zwei weitere Kammern ausgewertet, die nicht mit einem Projekt verbunden sind. Mit diesen Kammern wird nochmals der Gesandte eines Spielers gewertet, mit dem er auf einem Pfad am weitesten voran gekommen ist und derjenige, mit dem er am wenigsten vorangeschritten ist. Für die zweite Wertung muss allerdings der Spieler alle vier Gesandten bereits auf Pfaden haben. Nach dieser Schlusswertung steht der Sieger fest.
Noria überzeugt durch den Mechanismus der Aktionsräder. Hier gilt es gut voraus zu planen, der Spieler muss bedenken, welche Aktionen er haben möchte, wie oft er sie benötigt und in welcher Kombination. Dementsprechend muss er sich seine Aktionsräder zusammenstellen. Dies ist eine spannende Herausforderung und eine Spielkomponente, die mir in ähnlicher Form noch nicht untergekommen ist, aber gut gefällt. Das Spiel lässt hier auch Fehler zu, denn sollte hierbei etwas schief gegangen sein, kann man immer noch durch den Einsatz der zwar spärlichen Wissensplättchen seine Aktionsräder umbauen. Der Freiheitsgrad bei der Wahl der Aktionsscheiben und deren Anordnung ist zwar sehr hoch, allerdings gibt es eine bestimmte Auswahl an Aktionen, die man immer braucht, daher wird man wahrscheinlich seine Aktionsräder nach einigen Spielepartien immer wieder sehr ähnlich aufbauen. Gut gefällt mir auch der Markt, durch die unterschiedlichen Kosten und die zufällige Anordnung der Aktionsscheiben kann eine Spielpartie schon ganz anders laufen, je nachdem welche Art von Aktionsscheiben diesmal teuer ist und welche billig.
Ein paar Regeln geben Möglichkeiten vor, die mir etwas zu unerschwinglich bzw. zu ineffizient scheinen, so dass diese in einer Spielpartie wahrscheinlich nie genutzt werden, wie zum Beispiel der Tausch von drei (!) Wissensplättchen in einen einzigen Rohstoff. Diesbezüglich könnte man das Regelwerk noch anpassen.
Der Teil des Spiels, der aus meiner Sicht nicht so gelungen ist, ist die Beeinflussung der Politik, die ja dazu führt, dass ein Spieler nicht nur seine präferierten Projekte unterstützt, sondern auch destruktiv Projekten schadet. Das kann dazu führen, dass mühsam aufgebaute Fortschritte auf den Pfaden durch die Mitspieler zerstört werden. Ich denke, dass hier anstelle der destruktiven Spielkomponente ein Bonus-System auf den Pfaden wie z.B. bei Terra Mystica interessanter gewesen wäre.
Bernhard Czermak
Spieler: 2-4
Alter: 12+
Dauer: 120 Min
Autor: Sophia Wagner
Grafik: Michael Menzel
Preis: 50 EUR
Verlag: Pegasus Spiele
Web: www.pegasus.de
Genre: Wirtschaft, Aufbau
Zielgruppe: Für Experten
Version: multi
Regeln: de en + cn en es fr it jp nl pt ru
Text im Spiel: nein
Kommentar:
Wirtschaftsspiel wegen Siegpunkten aus Waren
Aufbauspiel aus Ausbau der Aktionsmöglichkeiten
Politikeinfluss eher destruktiv
Aktionsräder neu und innovativ
(c) Bild JoergBoerg
Vergleichbar:
Erstes Spiel dieser Art
Andere Ausgaben:
Meine Einschätzung: 5
Bernhard Czermak:
Der Reiz von Noria liegt im Handling der Aktionsräder, sich diese so zusammenzustellen, dass im eigenen Zug immer passende Aktionen zur Verfügung stehen. Das macht nicht nur die Auswahl sondern auch die Anordnung der Aktionen notwendig. Die destruktive Komponente passt aber nicht zu einem Aufbauspiel.
Zufall (rosa): 0
Taktik (türkis): 1
Strategie (blau): 3
Kreativität (dunkelblau): 0
Wissen (gelb): 0
Gedächtnis (orange): 0
Kommunikation (rot): 0
Interaktion (braun): 3
Geschicklichkeit (grün): 0
Action (dunkelgrün): 0