Trilogie
des Reisens
Zug
um Zug Märklin
Deutschland – von Kiel bis Lindau
Manchem Freund des Brettspiels mag zunächst
das Gefühl beschleichen, von einem cleveren Verlagshaus im klassischen Sinn
abgezockt zu werden, wenn schon zum wiederholten Mal ein „Zug um Zug“
Schachtelstapel die Regale füllt. Klar, das Amerika-Original hat Spaß gemacht,
war ganz zu Recht auch „Spiel des Jahres“, die Europa-Ausgabe hat immerhin
einige neue taktische Herausforderungen gestellt, und die Geldbörse konnte dies
durchaus verkraften. Aber nun schon wieder ein neues „Zug um Zug“? Märklin?
Kenner der Miniatureisenbahn schnalzen bei Nennung dieses Namens mit der Zunge.
Aber sind dies auch die Brettspielfreunde? Und umgekehrt – was hat ein
geselliger Spieler mit einem fanatischen Sammler und Bastler gemein? Nun,
eigentlich braucht uns diese Frage nicht wirklich zu kümmern, es sei denn, wir
hätten uns einen deutlichen Preisnachlass ob dieser Synergieeffekte erhofft.
Hier gibt es aber nichts zu holen. „Zug um Zug Märklin“ (stolzer Zusatz:
„Collector’s Edition“) kommt preislich auf gewohnt hohem Niveau dahergerollt.
Aber dennoch steht es für mich als Kenner dieser drei Pläne, wie auch weiterer
im Internet gespielten, außer Frage, dass hier eine Fortentwicklung des
Eisenbahnbaus geboten wird, die einen echten Höhepunkt des Spielgefühls
zulässt. Die Deutschlandausgabe bereichert den Markt, belebt den Spielabend und
begeistert die Freunde dieser Spielgattung. Bahn frei daher für eine erste
Reise!
Die Vorbereitung für den Deutschlandplan ist
um ein wenig intensiver als bei den beiden Vorgängerspielen. Denn zur üblichen
Verteilung von Zielkarten, Wagenkarten und 45 Waggons pro Spielerin müssen
diesmal auch zahlreiche Handelsgüterplättchen in richtiger Ordnung (Nummern von
2 bis 7) auf die einzelnen Städte gelegt werden. Für den Ungeübten sind daher
zwei, drei Minuten zu veranschlagen. Dann kann es aber schon losgehen.
Vom ersten Moment an gilt es, die vier Ziele
dieser Ausgabe im Auge zu haben, will man am Ende ausreichend Punkte auf seinem
Konto haben: Bahnstrecken zwischen zwei Städten legen, eine Verbindung zwischen
Zielstädten bauen, Passagiere reisen lassen (dies ist tatsächlich eine elegante
Neuerung) und möglichst viele Zielkarten erfüllen. Für diese Pläne stehen in
jedem Spielzug genau vier Möglichkeiten zur Verfügung: (1) Man nimmt bis zu
zwei Wagenkarten auf (analog den bisherigen Ausgaben), wobei diesmal zwei
unterschiedlich starke Lokomotiven zur Verfügung stehen. Außerdem gibt es
spezielle Passagierkarten (siehe unten). (2) Man nutzt eine Strecke des Plans
durch Setzen von Waggons der eigenen Farbe (wobei sofort gewertet wird). Es
muss dabei kein zusammenhängendes Netz entstehen, sondern vielmehr gilt es,
rechtzeitig die wichtigen Kurzverbindungen zu errichten, um später nicht in einen
Engpass bei den Waggons zu kommen. Auch dieses Element ist bereits hinreichend
bekannt. (3) Man zieht vier Zielkarten beliebiger Kombination von zwei Stapeln
(einer mit längeren, einer mit kürzeren Städteverbindungen). Diese Wahl lässt
ein wenig Taktik zu, denn abhängig vom Netz ist manchmal der eine, manchmal der
andere Stapel von Vorteil. (4) Man bewegt einen Passagier. Dabei dürfen nur
eigene Routen befahren werden, es sei denn, man legt so genannte
Passagierkarten aus. Jede erlaubt die Benützung genau einer Fremdstrecke. In
jeder angefahrenen Stadt darf nun das oberste, teuerste Handelsgüterplättchen
aufgenommen und sofort gewertet werden. Hier gibt es viel zu holen, so viel sei
bereits an dieser Stelle verraten. Das war auch schon der ganze Spielablauf.
Familientauglich ist sie also allemal, diese neue „Zug um Zug“-Edition. Das
Ende kommt wie gehabt, wenn es einer Spielerin gelingt, alle bis auf maximal
zwei ihrer Waggons zu setzen. Ab diesem Moment geht es in die letzte Runde des
Spiels. Und bei halbwegs zügiger Spielweise sollte bis dahin kaum mehr als eine
Stunde vergangen sein.
Auch wenn die Lust auf eine weitere Deutschlandreise
auch nach einigen Fahrten ungebrochen ist, so gibt es für den kritischen
Rezensenten doch einiges zu anzumerken. Das Positive zuerst: Grundidee, Optik,
Spielfluss und Spannung stimmen, da gibt es nichts daran zu rütteln. Wie die
beiden ersten Werke dieser Trilogie ist auch „Zug um Zug Märklin“ aus einem
Guss. Die Bautechnik Alan Moons hat alle Unebenheiten des Geländes elegant
gemeistert. Deutschland wird im Westen dichter mit Zügen belegt, wohingegen im
Osten die längeren, dafür nicht so leicht zu bauenden Strecken entstehen. Ganz
wie in der Realität, könnte man sagen. Dies jedenfalls die anerkennende
Bemerkung des Geografen. Die Spannung bleibt bis zum Aufdecken der letzten
Zielkarte intakt, denn es kommt immer wieder vor, dass eine Spielerin gleich
mehrere ihrer projektierten Zugverbindungen in der vorhandenen Zeit nicht
aufbauen kann. Eine der Mitspielerinnen beendet einfach listig durch Setzen der
letzten eigenen Züge das Spiel. Fast überraschend kann das gehen, bei dieser
Deutschlandreise. Auch die Passagiere verlangen ein ständiges Mitdenken und bisweilen
sogar Umdenken. Hier sind viele Güter zu holen, hier muss jedoch auch das
Gefühl für den optimalen Antritt der Reise stimmen. Wer zu spät kommt, den
bestraft das Leben, selbst bei „Zug um Zug Märklin“. Nun aber zu den paar negativ
anzumerkenden Kleinigkeiten. Zum einen sind die Handelsgüterplättchen, die
durch die Passagiere erworben werden können, für manchen Erwachsenen eine
Nummer zu klein. Immer wieder verrutschen die Dinger auf dem Plan, und sind die
Waggons auch noch gesetzt, dann braucht es eine ordentliche Portion Geduld beim
Einsammeln der Plättchen. Da wird ausnahmsweise mal lästig herumgefummelt. Außerdem
drückt die Spielregel nicht klar aus, wann genau ein eingesetzter Passagier ein
Handelsgut bekommt. Das Beispiel auf Seite 4 suggeriert, dass nach einer
Passagierabrechnung ein neu eingesetzter, weiterer Passagier sofort mit dem
Plättchen seines Standorts entlohnt wird. Dies ist schlichtweg falsch.
Handelsgüter gibt es nur, wenn eine Reise getätigt wird. Eine Rückfrage bei
Alan Moon hat diese Auslegung bestätigt. Zum anderen ist zwar die Idee, jede Wagenkarte
durch eine eigene Märklin-Waggons zu zieren, optisch wunderschön, und für
Eisenbahnfreunde eine wahre Freude, doch dem schnellen Erkennen ist dies
keineswegs förderlich. Das Auge des Normalspielers wird bisweilen über die
Gebühr strapaziert. Noch dazu, wo die schwarzen Wagenkarten und Lokomotiven
eine stilistische Nahverwandtschaft haben. Hier hat der Verlag Eleganz über
Effizienz gestellt. Nun, dies sei verziehen, denn nach ein, zwei Reisen gewöhnt
man sich an die „zeichentechnische“ Vielfalt.
Mein persönliches Fazit: Wie immer man zu zweiten und dritten Aufgüssen
eines guten Themas auch stehen mag, bei „Zug um Zug Märklin“ wird die alte
Weisheit, dass nichts Besseres nachkommt, für einmal außer Kraft gesetzt. War
für manche Kenner schon die Europaausgabe eine taktisch erfreuliche Erweiterung
des einfachen, wie genialen Grundgedankens der Amerika-Edition, so fordert der
Deutschlandplan eine nochmals deutlich erhöhte Bereitschaft zum planvollen
Linienbau. Zudem dürfen die Passagiere nicht vergessen werden. Denn zwanzig,
dreißig Punkte für eine lange Reise sind ein willkommener, oft Spiel
entscheidender Lohn für den rechtzeitigen Transport. Und das Timing ist das Um
und Auf beim Streckenbau auf diesem Deutschlandplan. Nicht nur die Reisenden
wollen genau zur richtigen Zeit einsteigen, auch die Waggons müssen mit Bedacht
auf die Verbindungsstrecken gesetzt werden. Bei vier oder fünf Mitspielern wird
es bald eng, bei zwei oder drei wiederum stehen nicht alle Doppel- und
Dreifachverbindungen zur Verfügung. Endlos Waggonkarten auf der Hand sammeln
und dann irgendwann mit Masse loslegen, spielt es hier keinesfalls. Auch das
Erreichen der Zielbahnhöfe ist bei der Märklin-Ausgabe eine teuflisch
schwierige Angelegenheit. Denn durch die Trennung von Lang- und Kurzstrecken
werden die Spielerinnen animiert, auf Risiko die eine oder andere Extrakarte
aufzunehmen. Bis zur Showdownphase bleibt es daher ungemein spannend. Zug um
Zug wird gesetzt, immer mit der Hoffnung, dass es sich gerade noch ausgeht. Und
doch fehlt dann oft nur ein einziger Waggon, um die Reise erfolgreich zu
beenden. Dass dies letztlich niemanden stört, spricht für den hohen Spielreiz –
und der nächste Zug rollt auch ganz bestimmt, vielleicht sogar noch am selben
Abend!
Hugo
Kastner
Wieder besticht der
Deutschlandplan von „Zug um Zug Märklin“ durch ausgewogene Linienführung,
taktische Möglichkeiten mittels der Passagiere sowie eine sehr spannende
Showdownphase.
ÜBERBLICK
Autor: Alan
Moon
Grafik: Julien
Delval
Fotos: Märklin
Vertrieb: Fachhandel
Preis: ca.
25 Euro
Verlag: Days
of Wonder 2006
Spieler: 2-5
Alter: 8
Dauer:
30 - 60
BEWERTUNG
Genre: Aufbauspiel
Zielgruppe: Familie
Mechanismus: Verbinden
von Zielorten
Strategie: ***
Taktik: *****
Glück: ***
Interaktion: *******
Kommunikation: ***
Atmosphäre: ******
Kommentar:
Sehr ansprechender Spielplan
Ausreichend taktische Elemente
Spannende Showdownphase
Hohes Maß an Interaktion
Wenn auch von manchem Kritiker als „nur eine
weitere Variante“ des Originalspiels abgetan, enthält „Zug um Zug Märklin“
deutliche eigenständige Elemente, die noch stärkeres taktisches Geschick
erfordern als der Amerika- oder der Europaplan.