Kleopatra und die
Baumeister
Day of Wonder,
Halle 10.1,
Das Warten hat
nicht lange gedauert, Anfang April kommt das Paket – eine quadratische
Schachtel in edlen Ocker- und Brauntönen, unter der Folie wölbt sich der
Deckel. Beim Öffnen wird klar warum, die Schachtel ist bis zum letzten
Millimeter gefüllt und dann liegen da noch die Stanzbögen und die Regel und ein
Katalog obenauf, das Material darunter ist von einem klaren Plastikeinsatz
abgedeckt und gesichert. Bei so viel Material lieber vorsichtig angehen, also
lesen wir uns zuerst einmal die Regel durch. Sie beginnt wie gewohnt mit der
Hintergrundgeschichte:
Kleopatra hat
einen Preis für denjenigen Baumeister ausgesetzt, der ihr den schönsten Palast
entwirft, viele Baumeister wollen sich ein Stück von Reichtum holen und
dementsprechend groß ist der Konkurrenzkampf, so dass Korruption und der
Krokodilgott Sobek ins Spiel kommen. Wir nehmen diese Geschichte mal so wie sie
gedacht ist, als stimmige Überleitung zum Spiel mit Sphingen und Obelisken.
Die nächsten
beiden Seiten der Regel sind dem Spielaufbau gewidmet, wir leeren also die
Schachtel sorgfältig aus: Zuerst heben wir das Tableau mit den Bauteilen
heraus, es fungiert später im Spiel als Steinbruch und hat auch Platz für die
Mosaike der Götter, die wir aus dem Stanzrahmen brechen, genau wie die
Korruptionsamulette und die Talente als Geldeinheiten in 1er, 2er, 5er und 10er
Stückelung. Der leere Schachtelboden wird umgedreht, er stellt den halbfertigen
Palast dar, die Spieler müssen ihn im Spielverlauf dann nur noch mit Tor und
Säulenwänden sowie dem Thron und seinem Sockel vollenden. Der Garten wird
obendrauf gelegt, und der Vorhof des Palastes mit Platz für Sphinx, Obelisken
und den Pfad der Kleopatra wird vor dem Palast ausgelegt. Kleopatra steht vor
dem ersten Feld des Pfades, und der leere Altar des Hohepriesters liegt vor dem
Platz. Nun muss nur noch jeder Spieler sein Material bekommen, eine Pyramide
zum Einwerfen der Korruptionsamulette, 5 Talente Anfangskapital, 2
Anubisstatuen und 3 Händler vom Nil.
Bisher eine
beeindruckende Fülle von Material, und der Kartenstapel hält nun die erste
Überraschung für uns bereit. Er besteht aus 75
Und schon können
wir spielen, denn das Spiel hat eigentlich nur eine Regel: Wer dran ist geht
zum Markt und nimmt Karten oder in den Steinbruch und baut. Alles Weitere sind
nur genauere Definitionen dieser Regel.
Geht ein Spieler
zum Markt, nimmt er eine der drei Karten oder Kartenreihen komplett auf und
legt in jede Reihe eine Karte vom Stapel nach. Überschreitet er damit sein
Handkartenlimit von 10 Karten, hat er drei Möglichkeiten: Er reduziert auf 10
Karten und wirft ein Korruptionsamulett in seine Pyramide, oder er behält alle
Karten und wirft für jede überzählige Karte ein Korruptionsamulett ein oder er
spielt den Schmuggler und darf die Karten straffrei behalten, er muss nur für
das Spielen des Schmugglers das auf der Karte abgebildete Korruptionsamulett
einwerfen. Damit ist der Zug zu Ende. Die Sobek-Anbeter dürfen übrigens
jederzeit während eines Zuges gespielt werden, auch solche, die man soeben erst
aufgenommen hat.
Entscheidet sich
der Spieler für den Gang in den Steinbruch und damit das Bauen, gibt er die
entsprechende Anzahl Karten ab und nimmt sich das oder die Elemente seiner Wahl
aus dem Steinbruch. Er darf überzahlen, gewechselt wird nicht, er darf aber
doppelte Rohstoffkarten auf zwei Elemente verteilen, oder darf statt einer
Karte einen seiner Händler abgeben, dieser ersetzt auch einen Handwerker. Für
den Bau eines Gebäudes bekommt er die entsprechende Anzahl Talente ausbezahlt,
immer den Grundwert des Elements plus einen eventuellen Bonus für den Bau von
mehr als einem Element in einem Zug oder für bestimmte Positionen des
Elementes. Eine besondere Bedeutung haben die Mosaike der Götter – sie sind
übereinander gestapelt, man sieht immer nur das oberste und muss dieses
verbauen, außer man setzt den Schreiber ein, er erlaubt für zwei
Korruptionsamulette, ein Mosaik aus dem Stapel herauszusuchen und dieses statt
des obersten zu verbauen, dabei gibt es Bonuspunkte für überbaute Palmfelder.
Die
Wahlmöglichkeit für ein Mosaik kann ganz wichtig sein, denn wer durch das Legen
eines Mosaiks einen abgegrenzten Bereich schafft, in den kein anderes der
Mosaike hineinpasst oder für den das passende Mosaik schon anderswo verbaut
wurde, hat ein Heiligtum gebildet und darf eine seiner beiden Anubis-Statuen
hineinsetzen und am Ende des Spiels für jedes im Heiligtum enthaltene
Gitterfeld ein Korruptionsamulett zurückgeben. Weiters wird nach dem Bau jedes
Mosaikteils geprüft, ob das nun zuoberst liegende Element noch auf der freien
Fläche gebaut werden kann, wenn nicht kommt es aus dem Spiel und das nun
zuoberst liegende Element wird überprüft bis alle aus dem Spiel sind oder ein
noch passendes obenauf liegt.
Dies ist
entscheidend für die Bewegung von Kleopatra, denn kann kein Mosaik mehr gebaut
werden, ist die Elementgruppe der Mosaike verbraucht und Kleopatra geht einen
Schritt vorwärts. Dies tut sie auch, wenn eine andere Elementgruppe
aufgebraucht ist, alle Sphingen, beide Obelisken, alle Säulenwände, beide
Torflügel oder der Thron samt Sockel.
Egal ob Kleopatra
sich bewegt hat oder nicht, wer gebaut hat, würfelt am Ende seines Zuges mit allen
noch verbliebenen Hohepriester-Würfeln. Diese haben 5 leere Seiten und ein
Hohepriester-Symbol. Jeder Würfel, der nach dem Wurf ein Hohepriester-Symbol
zeigt, wird auf den Altar gelegt, die restlichen Würfel bleiben für den
nächsten Wurf liegen. Wird das fünfte Symbol gewürfelt, müssen alle Spieler ein
Opfer bringen.
Sie nehmen eine
beliebige Summe Talente verdeckt in die Hand, wer am meisten geopfert hat, darf
drei Korruptionsamulette abgeben, die anderen Spieler nehmen in absteigender
Reihenfolge ihrer Gebote eins, zwei, drei oder vier Amulette. Gleichstände
werden so aufgelöst, dass alle daran Beteiligten das bessere Ergebnis bekommen,
die nächste Stufe oder Stufen entfallen, sind zwei Spieler am Höchstgebot
beteiligt, geben beide drei Amulette ab, der Spieler mit dem nächst niedrigen
Gebot muss dafür aber schon zwei Amulette nehmen. Dann werden alle fünf Würfel
wieder auf die leere Seite gedreht und für den nächsten Wurf bereit gelegt. Alle
eingesetzten Talente aller Spieler gehen verloren. Der Schreiber hat auch hier
die Möglichkeit einzugreifen: Ohne ein Amulett nehmen zu müssen, kann ein
Spieler in seinem Zug einen Würfel auf eine beliebige Seite drehen, kann also
ein Opfer herbeiführen oder ein Hohepriester-Symbol wegdrehen, allerdings nicht
außerhalb der Zugreihenfolge, um ein unmittelbares Opfer zu vermeiden, das ein
anderer Spieler erwürfelt hat.
Auch die anderen
Sobek-Anbeter haben einiges zu bieten, mit der Kurtisane kann man sich eine
Karte aus dem Ablagestapel aussuchen, der Bettler holt von jedem Spieler 2
Talente oder eine
Hier muss man der
Redaktion bzw. den Autoren des Spiels ein ganz großes Lob aussprechen: Die für
jeden Spieler vorhandenen Übersichtskarten liefern eine fantastische
Zusammenfassung des Spiels und die Sobek-Anbeter erklären sich durch den Text
selbst, man braucht nicht in der Regel nachzuschauen, um sie einsetzen zu
können. Auch Baukosten und Talentertrag für die einzelnen Bauelemente und die
Folgen des Hohepriester-Opfers sind bestens erklärt.
Erreicht Kleopatra
das Wegfeld 5, sind also fünf der sechs Elementgruppen verbaut, endet das Spiel
sofort. Jeder Spieler darf aus seiner Pyramide so viele Amulette zurückgeben,
wie in seinen Heiligtümern Felder enthalten sind und nimmt noch ein Amulett für
jede in seiner Hand verbliebene Korruptionskarte, egal ob Ressource oder
Charakter. Dann zählt jeder seine Korruptionsamulette, der Spieler mit den
meisten davon wird von Kleopatras Lieblingskrokodil gefressen und scheidet aus,
die verbliebenen Spieler bekommen für jeden ihnen verbliebenen Händler noch drei
Talente, der reichste Spieler gewinnt.
Meistens gibt es
an diesem Punkt das große Aha-Erlebnis, denn niemand schafft es wirklich, bei
den Korruptionsamuletten mitzuzählen, bei den eigenen nicht, und bei denen der
anderen Spieler schon gar nicht, aber das ist nur eine von den vielen Unwägbarkeiten
im Spiel. Was man baut, hängt von den Karten ab, die man hat, und das hängt
davon ab, was in der Auslage liegt, und das ist oft gar nicht oder nur zum Teil
zu sehen, je nachdem ob die Karten offen oder verdeckt liegen. Wer das Glück
hat den Schmuggler zu erwischen kann möglicherweise sehr viel auf einmal bauen,
manchmal wartet man rundenlang auf die eine passende Karte und muss womöglich
zuschauen, dass das geplante Element von jemand anderem verbaut wird. Soll man
für eine mögliche Opferung Geld scheffeln, das dann doch nicht gebraucht wird,
weil nie die Hohepriester-Symbole gewürfelt werden, hab ich genügend Platz im
Heiligtum um ein kleines Opfer zu riskieren?
Hier stellt sich
auch ein wenig die Frage nach der Zielgruppe, für ein einfaches Familienspiel
erscheint es auf den ersten Blick, und der ist oft entscheidend, doch eher
komplex, und für die so genannten Vielspieler mag der Glücksfaktor ein Manko
sein. Wer sich aber an dieser grundsätzlichen und doch sehr Spielbestimmende
Zufallskomponente der Kartenverteilung nicht stört, bekommt mit Kleopatra und
die Baumeister ein sehr schönes rundes Spiel, bei dem alle Mechanismen sehr gut
zusammenspielen. Die Regeln lassen nicht die geringste Frage offen, allerdings
muss man manchmal nach der Antwort suchen, da die Regel quasi nichtsequentiell
geschrieben ist, so findet man die Erklärung für die Bildung eines Heiligtums
unter der Beschreibung der Bauelemente. Die Ausstattung des Spiels kann man
eigentlich nur sehr unelegant aber treffend mit WOW beschreiben, sie ist
wunderschön und funktionell zugleich und bietet auch eine Herausforderung beim
Wiedereinräumen allen Materials. Ein Spiel zum Anschauen, Angreifen, und
Wiederspielen. Kein großes Spiel, aber ein tolles Spiel!
Spieler : 3-5
Alter : ab 10 Jahren
Dauer : ca. 60 Minuten
Verlag : Days of Wonder 2006
www.daysofwonder.com
Vertrieb : Piatnik
Autor : Bruno Cathala und Ludovic Maublanc
Grafik : Julien Delval
Preis : ca. € 40,00
Genre : Bau- und Entwicklungsspiel
Zielgruppe : Familie, Freunde
Mechanismen : Karten sammeln, damit Palastteile
bauen
Strategie : **
Taktik : ***
Glück : ******
Interaktion : ****
Kommunikation : ***
Atmosphäre : *******
Kommentar :
Extrem schönes
Material
Üppige Ausstattung
An sich einfache
Regeln
Regeln nichtlinear
geschrieben
Wenn Sie Spiele mit
Kartensammel- und -tauschmechanismus und hohem Glücksfaktor mögen, wird Ihnen „Kleopatra
und die Baumeister“ gut gefallen.
Dagmar de Cassan:
Kleopatra ist ein
sehr schönes, gelungenes Spiel, bei dem alle Mechanismen wunderbar ineinander greifen.