Unsere Rezension

 

Dämonen, Kamele und Dämonen

 

Five Tribes

 

Die Dschinn von Naqala

 

Der Autor Bruno Cathala ist in der Spielbrettszene kein Unbekannter. Seit dem Jahre 2000 gehen rund 30 Spiele auf ihn zurück. Darunter unter anderen Boom Town, Schatten über Camelot, Jamaika, Flinke Feger sowie Kleopatra und die Baumeister. Er war damit auch durchaus erfolgreich, fünf Mal landete eines seiner Spiele auf der Empfehlungsliste für das Spiel des Jahres. Weitere Auszeichnungen gab es in Japan, in Frankreich mit dem As d´Or und nicht zuletzt von der Wiener Spiele-Akademie. Sehr oft arbeitet er mit Co- Autoren zusammen, wie Serge Laget und Ludovic Maublanc. In Essen war Cathala heuer sogar mit insgesamt fünf Neuerscheinungen vertreten. In diesem Spiel zeichnet er aber alleine als Autor und hat für meinen Geschmack sein bisher bestes Ergebnis abgeliefert. Damit habe ich bereits meine positive Einschätzung abgegeben.

 

Kommen wir zum Titel. Tribes“ bedeutet Sippe und wir haben fünf zur Auswahl, auf die ich später zurück komme. Die zusätzliche Bezeichnung lautet „Die Dschinns von Naqala“. Dschinns – der Begriff kommt aus dem Arabischen – sind unsichtbare, dämonische Wesen aus dem Feuer. Im Gegensatz zu Engeln, die aus dem Licht stammen. Sie sind sogar im Koran erwähnt, in der Sure 72. Wir kennen sie aber auch aus der 1001 Nacht Erzählung von „Aladin und die Wunderlampe“ als guten Geist. Im Spiel gibt es davon 22 Stück. Sie sind ein wesentlicher Faktor, der über Sieg oder Niederlage entscheiden kann.

Der Begriff „Naqala“ – er stammt ebenfalls aus dem Arabischen –bedeutet im Englischen „deliver“ also transportieren bzw. verteilen. Und damit sind wir beim Spielsystem. Hier hat sich der Autor von dem Spiel Mancala inspirieren lassen. Die meisten kennen es als „Bohnenspiel“ wo aus „Kalahs“ sprich Mulden, die dort liegende Anzahl von Steinen oder eben Bohnen in die angrenzenden Mulden verteilt werden. Dieses Spiel wurde im 17. Jh. erstmals beschrieben, aber bereits im 4. Jh. n. Chr. wurden in Ägypten und Äthiopien Spielgeräte gefunden. Sein Ursprung aus dem afrikanisch/arabischen Raum reichte bis in die Karibik. Dort ist es den Männern vorbehalten, während es in Asien vorwiegend Frauen und Kinder unterhält. In Amerika wurde es durch den Sklavenhandel verbreitet. Die Spielregel hat über 800 Varianten und der Titel läuft unter diversen Namen. Es gibt - zwar unbewiesen - Vermutungen dass es über 5000 Jahre alt ist und somit das älteste Spiel der Welt wäre.

 

Nun habe ich euch hoffentlich neugierig genug gemacht um zum eigentlichen Spiel zu kommen. Der Spieler leitet bzw. benutzt fünf Sippen und besetzt mit Hilfe von Dschinns ausreichend genug Orte um Siegpunkte zu ergattern. Das Machtverhältnis über letztere wird mit eigenen Kamelen dokumentiert. Jeder Vergleich mit lebenden Politikern ist sicher rein zufällig und nicht geplant.) Weitere Siegpunkte erlangt man durch Gold bzw. Palmen und Paläste auf den Plättchen in eigenem Besitz.

Der Karton im Kosmos-Format enthält reichlich Inhalt. Da sind vorerst 30 Plättchen mit verschiedenem Punktewert in den Farben rot und blau. Sie ermöglichen diverse Optionen, auf die ich noch zurück komme und verkörpern das eigentliche Spielfeld. Durch die willkürliche und zufällige Anordnung wird jedes Spiel garantiert variabel – und das ist nicht die einzige Methode der Einzigartigkeit.

 

Weiters gibt es eine Reihenfolgeleiste, auf der durch Zuganzeiger die Zugreihenfolge mittels Bietmechanismus bestimmt wird. Außerdem sind 12 Palmen und 10 Paläste aus Holz vorhanden, die wie schon erwähnt im Laufe des Spiels platziert werden. Und natürlich die titelgebenden Sippen:

Also 16 gelbe „Wesire“, je 18 blaue „Baumeister“, grüne „Kaufleute“, rote „Meuchelmörder“ und 20 weiße „Älteste“. Schließlich gibt es noch 54 Rohstoffkarten bei denen Elfenbein, Edelstein und Gold 2 mal, Papyrus, Seide und Gewürze 4 mal, Fisch, Getreide, und Töpferwaren 6 mal vorhanden sind. Sie alle dienen im weiteren Spielverlauf zur Goldbeschaffung. Die Karten werden gemischt und bei Spielbeginn wird eine Reihe von 9 Karten ausgelegt. Außerdem gibt es 18 Sklavenkarten.

 

Wahrscheinlich finden dies wieder ein paar nicht „politically correct“ aber in dem Zeitraum, in dem das Spiel angesiedelt ist, war Sklavenhandel durchaus üblich. Die 22 Dschinnkarten hatte ich schon erwähnt. Auch hier gibt es verschiedene Werte, so 2 Karten mit 4, eine mit 5, zehn mit 6, fünf mit 8 und zwei mit 10. Auch diese sind für die Schlusswertung von Bedeutung. Auch hier werden zu Beginn 3 Karten offen ausgelegt. Abgerundet wird alles durch 98 Goldmünzen – leider nur in Form von Pappe.

 

Kommen wir zum Spielablauf. Dieser wird durch 4 große und übersichtliche im DINA4 Format gehaltene Spielübersichtblätter erleichtert. Jeder Spieler erhält vorerst Münzen im Wert von 50 Gold und 8 Kamele in seiner Farbe, es gibt sie in blau, schwarz, orange und rosa. In der ersten Runde werden die Zuganzeiger willkürlich auf die Bietreihenfolgeleiste gesetzt. Der erste hat die Auswahl zwischen 9 Feldern zum Preis von 1,3,5,8,12 und 18 bzw 3 Mal 0. Maximal 3 können daher ihrer Sparsamkeit frönen. Wer sicher vorne ziehen will, muss entsprechend Gold locker machen. Der jeweils Erstplatzierte ist in der nächsten Runde auch wieder als Erster an der Reihe um für die Zugreihenfolge zu bieten. Nun hat er die Möglichkeit, sich eines der 30 Ortplättchen als Startpunkt auszusuchen. Vor dem Start werden allerdings alle farbigen Sippenfiguren blind aus dem Beutel gezogen und jeder Ort mit 3 Meeples versehen.

Jetzt setzt das Mancala-Prinzip ein. Man nimmt alle Figuren eines Orts in die Hand und verteilt sie einen nach dem anderen auf die benachbarten Plättchen unter Beachtung folgender Regeln: Niemals diagonal, sowie kein vor und zurück, aber vor allem muss die letzte Figur auf einem Feld mit zumindest einer Figur der gleichen Farbe landen. Damit gibt es vorerst mindestens 2 Meeples gleicher Farbe. Der zuletzt gesetzte Meeple und sein gleichfarbiger „Bruder“ bzw „Brüder“ werden auf die Hand genommen. Je nach Farbe gibt es nun mehrere Möglichkeiten. Sind es gelbe Wesire, so werden sie behalten und bringen bei Spielende pro Wesir einen Siegpunkt und 10 Punkte extra für jeden Mitspieler, der eine geringere Anzahl Wesire gehortet hat. Weiße „Älteste“ bringen sogar 2 Siegpunkte, aber dafür keinen Bonus. Sie können aber während des Spiels zum Erwerb von Dschinns eingesetzt werden. Grüne Figuren am Zugende kommen in den Beutel und scheiden damit aus. Entsprechend ihrer Anzahl darf man von der ausliegenden Reihe Güter bzw. Sklaven nehmen und zwar vom äußersten Ende der Reihe. Ähnlich verfährt man mit den blauen Baumeistern. Sie scheiden aus, verhelfen aber vorher entsprechend ihrer Anzahl zu Gold. Falls man Sklavenkarten auf der Hand hat kann man durch Abgabe derselben den Betrag noch vermehren. Diese Menge wird nämlich mit der Anzahl der blauen Orte rings um das Ende der Bewegung multipliziert. Haben wir bei Zugende rote „Meuchelmörder“ in der Hand, darf man nach Abwurf derselben 1 Figur in Reichweite eliminieren. Die Zugweite ergibt sich durch die Anzahl der roten Meeples plus eventuellen Sklavenkarten. Alternativ darf man auch einen Wesir oder Ältesten eines Mitspielers meucheln. Benötigt man Gold so kann man dieses durch den Verkauf eines Satzes verschiedener Güter erlangen. Je nach Anzahl gibt es 1 bis zu 60 Gold (bei 9 verschiedenen Produkten)

 

Ergibt es sich, dass der Ort nach Entnahme der letzten Figuren leer ist, so wird er durch ein Kamel der eigenen Farbe in Besitz genommen. Damit kommen wir zur Bedeutung der Ortplättchen. Jedes weist eine Zahl in einem roten oder blauen Feld auf und ermöglicht eine Aktion. Endet der Zug auf einer roten 8, muss eine Palme auf das Feld gestellt werden. Bei einer blauen 5 gibt es einen Palast. Beide Aktionen sind zwingend. Bei anderen Feldern ist die Anwendung frei gestellt. So erlaubt die rote 6, der „kleine Markt“ für 3 Gold von den drei vordersten Güterkarten eine auszusuchen. Bei der 4, dem „großen Markt“ darf man gegen 6 Gold zwei der sechs vorne liegenden Karten wählen.

Es gibt auch sogenannte „heilige Orte“ mit den Zahlen 6,10,12 und 15. Hier kann man gegen Abgabe von 2 „Ältesten“ oder einem plus einem Sklaven einen der 3 ausliegenden Dschinn erwerben. Es würde die Rezension sprengen, die verschiedenen Vorteile der 22 Dschinns aufzuzählen. Einige sind sofort einsetzbar, andere verlangen zusätzlich Meeples und Sklaven um wirksam zu werden. Wiederum andere bringen erst am Spielende Nutzen. Damit sind wir schon am Ende. Dies tritt ein, sobald ein Spieler sein letztes Kamel einsetzt oder keine reguläre Meeple-Bewegung mehr möglich ist. Ein mitgelieferter Block erleichtert die Erfassung der acht verschiedenen Siegpunktmöglichkeiten. Punkte gibt es für Gold, Wesire und Älteste, Summe der Dschinns und Ortplättchen, Gütersets sowie für Palme und Paläste an eigenen Orten.

An dieser Stelle möchte ich dem Designer Clement Masson höchstes Lob aussprechen. Sowohl die Optik wie die Funktionalität der Spielelemente sind ausgezeichnet. Mit Hilfe der Piktogramme und der ausgezeichneten Spielübersichten findet man sehr einfach und rasch in das sicher komplexe Spiel. Durch die jeweils zufällige Anordnung der Orte wie die ebenfalls in jedem Spiel andere Pöppelplatzierung ist jede Partie anders und nicht vorhersehbar. Haben sie allerdings einen Grübler oder Tüftler in ihrer Spielrunde, kann es sein dass sie wahnsinnig werden oder es zu Mord und Totschlag kommt bei der Fülle von Überlegungen und Zugmöglichkeiten. Die Menge der Siegpunktmöglichkeiten macht das Spiel bis zum Schluss spannend und kann durchaus ein überraschendes Ergebnis hervorbringen.

 

Nicht so gut kommt bei mir die Redaktion weg. Es gibt da einige mir nicht verständliche Dinge. So waren zum Beispiel die Sippen einzeln verpackt – ein Unsinn da sie ja ohnehin im Beutel gemischt werden um als Zufallsgenerator auf die Orte platziert zu werden. Dafür kamen die 4 Kamelfarben gemischt im Säckchen an. Umgekehrt wäre besser gewesen. Genauso hätte man sich die beidseitige Bedruckung der Ortplättchen sparen können. Besser wäre dies beim Gold angebracht gewesen, denn hier ist die Rückseite von 5 und 1er Münzen gleich und daher nicht unterscheidbar. So positiv die Verwendung von Holz auch ist, an Stelle der dreidimensionalen Palmen und Paläste hätten es sicher auch Plättchen getan. Hier wollte man das Spiel zusätzlich aufmotzen, wohl um den nicht unerheblichen Preis von rund 50 Euro zu rechtfertigen.

 

Das alles schmälert aber in keiner Weise die Qualität des Spiels, das sicher zu den Highlights des heurigen Jahrgangs zählt. Auf der Scoutliste von Fairplay in Essen war es stets auf den vorderen Plätzen zu finden.

 

Rudolf Ammer

 

Spieler: 2-4

Alter: 13+

Dauer: 80+

Autor: Bruno Cathala

Grafiker: Clement Masson

Preis: ca. 50 Euro

Verlag: Days of Wonder 2014

Web: www.daysofwonder.com

Genre: Setz- und Sammelspiel

Zielgruppe: Mit Freunden

Version: de

Regeln: de en fr

Text im Spiel: ja

 

Kommentar:

Mechanismus wurzelt in Mancala

Viele Ergänzungen für variable Partien

Schönes Design

Einfache Regel

Gefahr zu langen Nachdenkens

 

Vergleichbar:

Mancala für Grundmechanismus, ansonsten Setz- und Sammelspiele.

 

Andere Ausgaben:

Rebel.pl, angekündigt

 

Meine Einschätzung: 6

 

Kommentar des Rezensenten:

Ein Spiel mit sehr vielen Möglichkeiten und mit einer stets geänderten Ausgangslage. Sehr schön gestaltetes Design und einfache Regel verhelfen einem zu einem spannenden und positiven Spielerlebnis.

 

Zufall (rosa): 0

Taktik (türkis): 2

Strategie (blau): 1

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 0

Kommunikation (rot): 0

Interaktion (braun): 2

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0