erfinden im Renaissance-zeitalter

Maestro Leonardo

 

Hommage an die Genialität Leonardo da Vincis

 

Die besten Erfinder der Renaissance-Zeit haben sich in Florenz versammelt und wetteifern um Ruhm und Reichtum. … Mit diesen Worten eröffnet die Spielregel ein gehaltvolles, den Geist der Erfinder, pardon: Spielerinnen, forderndes Streben nach lukrativen Erfindungen, um den Säckel mit verdientem Lohn zu füllen. Wer am Ende die meisten Gulden hat, gewinnt die Anerkennung des großen Maestro Leonardo, der am Cover mit einladender Geste und wissendem Blick den Weg zum Ziel anzeigt. Wenn auch vor allem die rätselhafte Mona Lisa für Leonardo da Vinci Unsterblichkeit brachte, so ist sein Ruf als Universalgenie vor allem durch Arbeiten als Bildhauer, Architekt, Musiker, Anatom, Mechaniker, Ingenieur, Naturphilosoph und letztlich Erfinder völlig unbestritten. Geboren wurde Leonardo am 15. April 1452 in Anchiano bei Vinci, gestorben ist er am 2. Mai 1519 als wohlbestallter Mann auf Schloss Clos Lucé in Amboise. Er hat wie kein anderer die Renaissance geprägt. …

 

Vorbereitung & Spielziel: Sofort drauflos zu spielen, ist bei Maestro Leonardo nicht denkbar, zu umfangreich ist das Spielmaterial auf den ersten Blick: Meister, Lehrlinge, Laboratorien, mechanische Menschen, Erfindungen, Materialien, Gulden, Markierungspfeile, Stellfiguren und Übersichtstafeln wollen erstmal auf und um den Spielplan platziert werden. Noch dazu bekommen die Mitspielerinnen ein unterschiedliches  Paket von Grundutensilien zugeteilt – ziemlich atypisch für ein Spiel dieser Art und doch wunderbar aufeinander abgestimmt. Wenn aber mal alles seinen Platz hat, wird der Weg zum Ziel sofort deutlich erkennbar: Die richtigen Erfindungen zum richtigen Zeitpunkt gemacht und dabei noch so wenige Gulden wie möglich ausgegeben, das ist die genial simple Losung. Einfacher gesagt als getan, so meine Erfahrung aus den bisherigen Spielen, denn es herrscht überall in der Stadt der Erfinder ein immenses Gedränge. Sie bekommen übrigens Runde für Runde Nachschub an Gulden, beim Vorzeigen vollendeter Erfindungen oder eventuell auch noch im Rat (davon später). Das Spielende bringt schließlich noch einen Bonus für möglichst unterschiedliche Kategorien von Schaffenswerken. Aber das Geld schreit auch gleich wieder nach Investitionen, denn selbst Künstler und Denker unterliegen diesem ökonomischen Prinzip, wollen sie im Renaissance-Wettstreit bestehen. Am Ende jedenfalls zählt nur der bare Gulden – wer dann genug davon hat wird, so steht es im Regelheft, „vom großen Maestro Leonardo zum Sieger gekrönt!“

 

Spielablauf & Spieltipps: Maestro Leonardo geht über exakt 9 Runden zu je 4 Phasen. Klingt vielleicht spröde, doch Erfinder lieben ja diese mathematische Abzirkelung. (1) Phase 1 gibt die Gelegenheit ein neues Werk zu beginnen – oder frustriert ein halbfertiges abzubrechen. Wehe dem, der sich hier verplant hat! Eine unvollendete Erfindung bringt nichts außer Sorgen. (2) Die nächste Phase ist das Kernstück dieses Optimierungsspiels. Der Meister (er zählt doppelt so viel wie ein Lehrling) und die vorhandenen Lehrlinge dürfen auf die acht Stadtbereiche oder in die eigenen Laboratorien platziert werden. Dabei sind allerdings findige  Spezialregeln zu beachten, die eine ungeheure Interaktion ins Spiel bringen. An dieser Stelle ist nicht der Platz, die Details zu diskutieren. So viel sei jedoch gesagt: Das Autorenteam hat meiner Meinung nach wahrlich für Spielqualität gesorgt. Wer immer sich zuerst in einem Bereich festsetzt, hat gute Chancen auf den erhofften Lohn. Garantien gibt es jedoch keine, denn die Mitspielerinnen werden nicht tatenlos zusehen. Ständig ist jede Spielerin in der Zwickmühle, wohin denn mit den wenigen Lohnarbeitern. Jedenfalls darf niemals einer der Stadtbereiche völlig vergessen werden. Der Rat, zum Beispiel, bietet ganz unterschiedliche Funktionsmöglichkeiten: Neubestimmung des Startspielers, Umsetzen eines Lehrlings, Entnahme von Sondergulden, Neuordnung der obersten vier Erfindungen oder schließlich billiges Einsacken einer Materialkarte um einen Gulden. Ein attraktives Plätzchen also! In der Werkstätte werden neue Laboratorien eröffnet, in der Akademie Lehrlinge ausgebildet und schließlich in den fünf Läden (Schmiede, Glaserei, Schreinerei, Ziegelei und Seilerei) Arbeitsmaterial erworben. Sie sehen schon, die Stadt ist dicht an Aktivräumen. Besonders wichtig scheint es mir auch, zumindest bei der einen oder anderen Erfindung derselben Art (es gibt 5 unterschiedliche davon) der Erste zu sein, denn nur dabei ist höchster Lohn fällig. Wer zahlt schon für ein Plagiat? (3) Phase 3: Die Auswertung der Stadtbereiche bringt die verdienten Erträge, wieder mit kleinen Tricks, was die Reihenfolge der Spielerinnen anbelangt. Und außerdem laufen in dieser Phase die Laboratorien auf Hochtouren. Wer hier stark ist, wird sein Werk zeitgerecht vollenden. Zudem bildet dieser Zeitfaktor – es wird in Wochen gerechnet – einen dynamischen Hintergrund, der das Spiel in eleganter Weise trägt. Wieder ein Zwischenlob ans Autorenteam. (4) Abschließend werden in der letzten Spielphase die Erfindungen fertig gestellt. Gelingt dies mehr als einer Spielerin, muss noch schnell um die entsprechende Belegkarte (Erfindungskarte) geboten werden. Geheim, versteht sich, denn die Welt der Renaissance hat vieles nur versteckt zugelassen. Eine einmal erworbene Erfindungs-Karte bleibt für alle sichtbar offen vor der betreffenden Spielerin liegen. Sonderregeln gelten für die letzten beiden sogenannten Forschungsrunden. Hier wird noch schnell in den Laboratorien gewerkelt – und schon ist alles bereit für den finalen Showdown: das Vergleichen der erwirtschafteten Gulden. Wir zelebrieren diese Phase durch langsames Stück-für-Stück-Einwerfen in einen zentralen Pott. Was für ein Gefühl … Mitspielerin um Mitspielerin aussteigen zu sehen. Das letzte winzige Scheinchen wird den Ausschlag geben! Grandissimo!

 

Kritik & Anmerkungen: Ich habe nur einen echten Kritikpunkt, der jedoch nichts mit dem Spielrhythmus zu tun hat. Der Stadtplan ist ein wenig hausbacken und die Materialkarten sind in der ersten Partie nicht optimal auseinander zu halten. Zu ähnlich scheinen mir die Symbole.  Das ändert sich allerdings, sobald Sie als Erfinder mehr Übung haben. Sie sehen schon, ich mache eine versteckte Aufforderung zu einer Matchserie. Alles andere passt bei diesem Renaissance-Knüller. Keine Sekunde darf man sich ablenken lassen, denn durch das abwechselnde Setzen der Lehrlinge und Meister sind alle allzeit außerordentlich aktiv. Nichts geht von alleine – und doch ist der Ablauf, sobald er mal erfasst wurde, leicht eingängig. Dafür sorgt auch die gut geschriebene Regel, die eigentlich keine Fragen offen lässt. Selbst der Startspieler jeder Runde – er erhält die Leonardo-Figur – mag wohlüberlegt zugeordnet werden. Dieses Amt bringt gewisse Vor- aber auch Nachteile. Wiederum  haben Flaminia Brasini, Virginio Gigli, Stefano Luperto und Antonio Tinto exzellente Arbeit geleistet. Maestro Leonardo ist in allen Besetzungen attraktiv. Bei zwei Erfindern kommen taktische und strategische Überlegungen stärker zum Tragen, bei fünf Wissenschaftlern um den Spieltisch ist ein hohes Konfliktpotenzial vorhanden. Jeder Geschmack kann also befriedigt werden. Erfahrenden Maestro Leonardo-Spielerinnen wird im Anhang eine veränderte Startphase empfohlen. Ich kann mich dem nur anschließen. Experimentieren Sie doch ein bisschen mit den Möglichkeiten dieses Optimierungs-Meisterwerks!  

 

Mein persönliches Fazit: maestro leonardo (auch als „Leonardo da Vinci“ im Handel zu haben; Verlag: Da Vinci Games) ist für leidenschaftliche Spielerinnen – steht hier für Expertinnen – ein absolutes Muss. Von der ersten Sekunde weg wird jeder voll gefordert, seine wenigen Spielfiguren optimal und gewinnbringend zu platzieren. Das Ganze noch dazu mit einem wachsamen Blick auf die Mitspielerinnen, die oft den besten Plan durch ihr Quertreiben Makulatur werden lassen. Im Grunde ist die Regel dieses Spiels einfach zu erfassen, doch im Detail des Setzmechanismus liegt die eigentliche Würze: Soll man einen Lehrling oder gleich ein ganzes Arbeitsteam in die Werkstatt setzen? Genügt der Meister im Stadtrat für die anfallende Arbeit? Welches Material ist für die offenen Erfindungen unabdingbar? Und kann man dieses billig genug erwerben? Der Gulden war schon vor 500 Jahren knapp – selbst Leonardo da Vinci weiß davon ein Lied zu singen.   

         

Hugo Kastner

Jeder Meister, jeder Lehrling, sie alle suchen ihren Platz in der Stadt der Erfinder ... Jeder muss seinen optimalen Beitrag bringen … sonst bleibt der Plan wohl unvollendet … Komplex, interaktiv, fordernd, spannend, taktisch … ein Meisterwerk!

 

ÜBERBLICK

Autor:                  Acchittocca
                            (Flaminia Brasini, Virginio Gigli, Stefano Luperto, Antonio Tinto)

Grafik:                 Stefano De Fazi

Vertrieb:              Fachhandel

Preis:                            ca. 40 Euro

Verlag:                Abacus Spiele 2006

                            www.abacusspiele.de

Spieler:               2-5 

Alter:                           12+

Dauer:                 60-90

 

BEWERTUNG

Genre:                 Optimierungsspiel 

Zielgruppe:                   Experten

Mechanismus:     Platzieren von Spielfiguren

Strategie:            ****           

Taktik:                ******                

Glück:                  *       

Interaktion:                  *******               

Kommunikation: ***            

Atmosphäre:       *****         

 

Kommentar:

Komplexes Optimierungsspiel

Exzellent abgestimmter Mechanismus

Anforderung an strategisch-taktisches Denken

Steigender Spannungsbogen

Als Leonardo da Vinci bei daVinci Games

 

Maestro Leonardo lebt von einer Mixtur aus bekannten Spielelementen, einer überaus exquisiten Mischung, wohlgemerkt! Sofort werden Erinnerungen an Die Fürsten von Florenz oder Caylus wach, um nur zwei der hoch gelobten Werke der letzten Jahre zu nennen. Und in der Tat werden Spielerinnen, die bei diesen Gewinnern des Deutschen Spielpreises freudvolle Stunden erlebten, nicht enttäuscht werden. Für mich persönlich ist Maestro Leonardo fast einen Tick anspruchsvoller als die „Fürsten“ und eine Stufe einfacher zu erfassen als „Caylus“. Prädikat wertvoll!             

    

Hugo.Kastner@spielen.at