Versunkene Stadt

 

 „Vor Hunderten von Jahren wurde die Stadt von einer rieseigen Flutwelle getroffen. Aber das Schicksal meinte es gut mit ihr. Während andernorts das Wasser alles zerstörte, versank die Stadt nahezu ohne Schaden zu nehmen in einem See. Dort ruht sie noch heute mitsamt ihren Schätzen, bewacht vom alten Wassermann.“

 

Mit dieser Einleitung beginnt die Regel von „Versunkene Stadt“. Ob die Autoren Kramer/Kiesling Rungholt an der Nordsee, Vineta an der Ostsee oder sogar Atlantis als Vorbild für ihr Spiel nahmen, das können die beiden wohl nur selbst beantworten. Wenn ich den Schachteldeckel aber genau betrachte, dann sind im Hintergrund schneebedeckte Berge zu sehen und das erinnert mich mehr an eine Sage vom Bodensee an die ich mich erinnere. Aber das genauer nachzuvollziehen, dass wäre eine glatte Themenverfehlung, denn wir wollen uns dem Spiel widmen.

 

Die Illustration ist von Franz Vohwinkel und wie schon in der Vergangenheit hat er wieder einmal gezeigt, dass er es wunderbar versteht ein Thema grafisch darzustellen. Der Wassermann ist beeindruckend und erinnert ein wenig an Poseidon aus der griechischen Mythologie. Das Spielbrett zeigt einen See in den Ausmaßen von 9x9 Quadraten, da würde wohl eher die Sage vom Bodensee passen. An den Ecken des Sees befinden sich 4 Dörfer die nur über das Eckfeld Zugang zum See haben, die restlichen Randfelder sind durch Felsen abgegrenzt. Die Wasserfelder sind unterteilt in helle und dunkle Felder und in der Mitte ein spezielles Feld. Auf der linken Seite des Bretts sind die Ablagefelder für die Häuser, die sogenannten Grotten,  und die sind absolut sehenswert. Dreidimensionale quadratische Würfel mit den Maßen 4x4 cm, wo auf jeden eine Zahl steht von 1 bis 10. Sicherheitshalber hat der Verlag zwei Reservewürfel in die Schachtel getan, da es als Familienspiel gedacht ist und dementsprechenden Verschleiß unterworfen ist, eine gute und nachahmenswerte Idee.

 

Auf der rechten Seite des Bretts befinden sich 6 Felder zum Ablegen der Strassen, nummeriert von 1 – 6. Auf das Feld 1 werden bei 4 Spielern 22 Straßen gelegt. Bei weniger Spielern auch weniger Strassen, aber das steht ausführlich in der Regel. Je eine Strasse kommt verdeckt auf das Feld 2 – 5. Die Häuser 1 – 9 kommen an ihren Platz und das Haus 10 auf das spezielle Feld in die Mitte des Bretts. Die Spieler erhalten je eine Figur, die sie in ihrem Dorf platzieren, 6 Bewegungskarten, eine Abenteuertafel mit 11 verdeckten Schätzen und gelobt sei der Verlag eine Kurzspielregel. Der Wassermann wird auf das Dach des Hauses mit der Nummer 10 gestellt und bei 4 Spielern wird der violetten Würfel verwendet. Bei weniger Spielern die anderen, aber auch das steht genau in der Regel.

 

Wenn der Spieler an die Reihe kommt, spielt er eine seiner Karten aus. Jeder Spieler hat einen gleichen Satz Karten die nacheinander in beliebiger Reihenfolge gespielt werden und erst wenn alle gespielt wurden, darf man sie wieder auf die Hand nehmen und erneut aus allen wählen. Auf den Karten sind drei Aktionen vermerkt. Die Reihenfolge ist beliebig. Mit der obersten Aktion MUSS man Strassen und/oder ein Haus bauen (im Spiel spricht man von auftauchen). Wieviel insgesamt gibt die Zahl an, die daneben steht. Die beiden anderen sind Kann-Aktionen und es handelt sich dabei um den Zug des Wassermanns und den Zug der eigenen Figur. Für den Wassermann würfelt man und für die eigene Figur sind die maximalen Schritte auf der Karte angegeben.

 

Bei der ersten Aktion müssen genausoviele Teile gelegt werden wie angegeben, aber immer nur maximal ein Haus, und die Häuser müssen auf den dunklen Teilen gebaut werden oder auf dem Mittelfeld. Strassen decken immer zwei Quadrate des Bretts ab und man darf niemals so bauen, dass ein Spieler nicht die Möglichkeit hat sein Dorf zu verlassen oder zu betreten. Auf dem Mittelfeld darf ebenfalls niemals eine Strasse gebaut werden. Wenn man Häuser auftauchen lässt, nimmt man ein beliebiges vom linken Brettrand und setzt es auf ein dunkles Wasserfeld. Häuser dürfen sich niemals berühren, auch nicht über die Ecken. Wann immer ein Spieler Strassen oder Häuser auftauchen lässt, kann er es auf dem gesamten Brett tun und es muss keine Verbindung zwischen dem bestehenden und den gerade gelegten Teilen bestehen.

 

Die zweite Aktion ist das Bewegen des Abenteurers. Ich möchte aber nochmals betonen, dass das Kombinieren der Aktionen untereinander erlaubt ist. Ich sage es deswegen so deutlich, denn dies ist nur im Kleingedruckten zu lesen. Nein, ernsthaft, die Erwähnung dieser wichtigen Regel steht an einem Platz wo man sie leicht überliest und uns ist es zu Beginn so gegangen und wir haben die ersten Partien falsch gespielt. Der Abenteurer darf maximal soviele Felder weit gezogen werden wie Zahl auf der Karte angibt. Nebenbei angemerkt ist das Verhältnis Bauen/Ziehen auf der Karte abgestimmt. Wer viel baut, kann nur kurz ziehen und umgekehrt. Der Abenteurer kann nur auf Strassen und Häusern ziehen. Jedes Strassenfeld und jedes Haus ist ein Zugpunkt, auch das ist ein wenig verwirrend, da ja eine Strasse zwei Quadrate beansprucht und daraus ergibt sich auch eine Unsicherheit bei wenig geübten Spielern das im Kopf umzusetzen. Die Abenteurer können in einem Zug vorwärts und rückwärts ziehen und wenn sie das eigene Dorf betreten haben auch gleich wieder weiterziehen.

 

Das Ziel des Spieles ist es aber Schätze zu sammeln. Jedes Haus hat eine Zahl vermerkt und vor jeden Spieler liegt eine Tafel mit 11 Schätzen. Wenn der Abenteurer ein Haus betritt, dann darf er den Schatz auf seiner Tafel umdrehen. In Sicherheit ist der Schatz aber erst, wenn er sich in seinem Dorf befindet, dann nimmt man die gefundenen Schätze und legt sie auf dem dafür vorgesehenen Platz ab. Aufmerksame Leser fragen sich sicher schon warum 11 Schätze bei nur 10 Häusern. Wenn der Abenteurer das Haus in der Mitte betritt dann erhält er als Bonus den 11. Schatz, der übrigens die Zahl 12 trägt.

 

Zu einem beliebigen Zeitpunkt seines Zuges kann der Spieler den Wassermann bewegen. Wie weit ist davon abhängig, wo der Wassermann steht. Jedes Dorf hat von seinem Eckfeld aus ein Gebiet von 4x4 Feldern. Steht der Wassermann in diesem Gebiet und ist der Spieler an der Reihe, dann darf er ihn bis zu 3 Felder weit bewegen, ansonst wird gewürfelt und die Zugmöglichkeiten sind von 0 – 3. Der Wassermann kann nicht gezogen werden wenn er rundum von Wasser umgeben ist.

 

Wann immer der Wassermann ein Haus oder eine Strasse verlässt, dann versinkt es. Die Häuser kommen auf ihren Platz zurück und die Strassen verdeckt auf das nächste Ablagefeld auf der rechten Seite des Bretts. Sollte das Haus 10 in der Mitte versunken sein, kann man in weiterer Folge jedes andere Haus dort auftauchen lassen. Die Abenteurer können am Wassermann vorbeiziehen und auch das Feld mit ihm teilen. Sollte der Wassermann ein Feld verlassen auf dem sich ein Abenteurer befindet, fällt dieser ins Wasser und verliert seine noch nicht in Sicherheit gebrachten Schätze. Die Schätze auf der Tafel werden wieder umgedreht und der Spieler erhält einen Wassermannchip. Nur wenn der Spieler sich selbst versenkt bekommt er keinen Chip. Wenn der Spieler wieder an die Reihe kommt kann er pro Zug max. einen Chip einsetzen. Er bekommt dafür zusätzliche Zugpunkte für seinen Abenteurer. Die Anzahl bestimmt die Tafel der Schätze, denn er bekommt einen Punkt pro nicht gefundenen Schatz. Da es meistens einen Spieler erwischt, der mit vielen Schätzen ins Wasser fällt, ist dies ein guter Mechanismus, damit man nicht zu stark ins Hintertreffen gerät. Wer immer vom Wassermann versenkt wird, hat es schon sehr schwer wieder um den Sieg mitzuspielen.

 

Ist der Strassenstapel von Feld 1 aufgebraucht, werden die abgelegten Strassen von Feld 2 umgedreht und diese können dann gebaut werden. Abgelegt wird dann auf Feld 3. Dies geschieht so bis zu Feld 5. Ist der Stapel von Feld 5 aufgebraucht endet das Spiel wenn alle Spieler gleich oft an der Reihe waren. Die zweite Möglichkeit das Spiel zu beenden ist es alle 12 Schätze in Sicherheit zu bringen. Das passiert aber eher in einem 2er oder 3er Spiel. Zu viert haben wir es nie geschafft. Wer die meisten Schätze in seinen Dorf hat gewinnt, bei Gleichstand werden die Zahlen der Schätze addiert und der die höchste Summe hat gewinnt.

 

Aus dem Internet haben wir uns auch eine sogenannte Profiregel organisiert und ich möchte sie der Vollständigkeit halber auch noch beschreiben. Der Unterschied liegt darin, dass der Wassermann nicht wie oben beschrieben gezogen wird. Es gibt eine Auftauch- und eine Abtauchphase. Zu Beginn des Spieles befinden sich alle Häuser ausserhalb des Bretts und der Wassermann wird neben das Haus 10 gestellt. Man spielt nur mit insgesamt 22 Strassen also 4 weniger als im Grundspiel. Im Gegensatz zur Grundregel kann man bauen und ziehen untereinander vermischen. Ich muss aber gestehen, dass ich darin keinen Vorteil oder Nachteil sehe. Es hilft eher Spielern die nicht vorrausdenken können.

 

Der Zug des Spielers besteht daraus, dass man nur Strassen oder Häuser auftauchen lässt bis der erste Stapel mit Strassen aufgebraucht wurde. Der Wassermann kann währenddessen in den Grotten versetzt werden aber nur dann wenn ein Abenteurer das Haus betritt in dessen Grotte der Wassermann steht. Dann darf er ihn in eine andere Grotte versetzen. Sobald die letzte Strasse von Feld 1 genommen wurde, taucht der Wassermann bei dem Haus auf in dessen Grotte er soeben stand. War der Wassermann in einer Grotte wo das Haus noch nicht gebaut wurde startet er bei der nächsthöheren gebauten Zahl.

 

In der Abtauchphase wird nicht gebaut sondern die Bauzahl ist die Zugweite des Wassermanns. Die Abtauchphase endet wenn der Wassermann auf einem Feld steht das von Wasser umgeben ist oder er nicht mehr ziehen kann. Die abgetauchten Strassen kommen auf Feld 2 und die Häuser in ihre Grotten. Der Wassermann kommt, wenn er sich nicht mehr bewegen kann, unter Abgabe eines Punktes in eine beliebige Grotte und es beginnt sofort die Auftauchphase. Auftauchen und Abtauchen wechseln sich immer ab, so die Strassen aufgebraucht sind. Das Ende und die Siegbedingungen sind ident mit dem Grundspiel. Das Verwenden der Wassermannchips ist optional aber nur empfehlenswert bei guten Verlierern, denn wenn ein Spieler vom Wassermann erwischt wird, spielt er nur noch eine Statistenrolle.

 

Kennen Sie das Gefühl wenn sie 10 trockene Kekse auf einmal essen? So trocken ist das Spiel. Eines kann man den beiden Autoren nicht absprechen, dass es funktioniert. Der Mechanismus ist einwandfrei und durch Verwendung der Wassermannchips wurde ein Reglement gefunden, mit dem auch versenkte Spieler um den Sieg mitreden können. Aber wie bei vielen Spielen dieser Autoren ist der Mechanismus das oberste Gebot und darunter leidet oft die Unterhaltung.

 

Ich habe noch nie ein Spiel so oft gespielt um eine Rezension zu schreiben wie „Versunkene Stadt“. Ich war sehr unschlüssig was ich von diesem Spiel halten soll. Irgendwie hatte ich das Gefühl, das Spiel hat was, ich war mir nur nicht im Klaren darüber, was es ist. Die Ausstattung ist toll, auf Grund der schönen Häuser und der tollen Graphik. Die Regel lässt wie immer keine Fragen offen und ist reich an Bildern und Beispielen. Mit der Profiregel aus dem Internet hat man auch für Tüftler eine Möglichkeit geschaffen das Spiel Ernst zu nehmen. In der Grundversion ist es ein nettes Familienspiel ohne wirkliche Höhepunkte, vor allem zu zweit gut spielbar, aber leider sehr davon abhängig wie oder ob der Wassermann gezogen wird.

 

Ich habe mit Wenigspielern die Erfahrung gemacht, dass man sich nicht gegenseitig weh tut und deswegen den Wassermann erst dann bewegt, wenn ich als Führender feststehe. Da haben sich zwei Spieler zusammengetan und mich versenkt. Gewonnen hat derjenige der den Wassermann nie berührt hat. Darin liegt auch das Problem bei diesem Spiel. Wenn nicht alle bereit sind, die ganzen Möglichkeiten eines Zuges, und da gehört auch dazu, dass man gegen die anderen spielt, auszuschöpfen wird aus diesem Spiel eine 45 minütige Langweiligkeit. Wie das allerdings Familien mit Kindern sehen, wo sich die Kinder vielleicht gegen den Vater oder die Mutter verbünden kann ich nicht sagen. Ich kann mir aber lebhaft vorstellen, was passiert wenn man einen 10-Jährigen 2 Felder vor seinem Dorf auf den Grund des Sees schickt und mit ihm seine ganzen Schätze. Damit disqualifiziert sich dieses Spiel auch als Familiespiel, denn es sollte nicht nur damit funktionieren, wie garstig behandle ich meine Mitspieler.

 

In der Profiregel hängt es sehr davon ab wie die Spieler aufpassen, wann der Stapel mit den Strassen aufgebraucht ist und welche Karten die Spieler noch auf der Hand halten. Man muss ab und zu über seinen Schatten springen und nicht nur für sich bauen sondern vielleicht auch einmal das 1er Haus vor in die Nähe des Gegners platzieren, damit er dort keine hochwertiges haus hinstellen kann. Aber diese taktischen Tipps möge jeder für sich herausfinden. Die Profiregel ist ausgewogener und hat keinen Glücksanteil. Die Bewertung des Spieles bezieht sich nur auf das Grundspiel und die 5 bei Interaktion hat nur Gültigkeit, wenn alle Spieler den Wassermann bewegen.

 

Sie sehen, bei jeden Absatz gibt es ein Für und ein Wider zu diesem Spiel und ich glaube ich könnte noch hundert Partien spielen und würde nicht gescheiter sein als jetzt. Trotzallem ist der Kaufpreis für dieses Spiel gerechtfertigt und Fans von Kramer/Kiesling kommen voll auf ihre Rechnung. Ob man dieses Spiel in Geschenksverpackung unter Weihnachtsbäume oder auf Geburtstagstische legt sollte man erst nach einer Proberunde, zum Beispiel am österreichischen Spielefest oder im Spieleclub, entscheiden.

 

Versunkene Stadt

 

Spieler                      : 2-4

Alter                        : ab 8 Jahren

Dauer                       : ca. 60 Minuten

Verlag                      : Clementoni, 2004

                                 www.clementoni.de

Vertrieb                    : Piatnik

Autor                       : Wolfgang Kramer und Michael Kiesling

                                 www.kramer-spiele.de

Grafiker                    : Franz Vowinkel

Preis                        : ca. € 32

 

Win Wertung

Genre          :        Zug- und Sammelspiel

Zielgruppe    :        Familie

Mechanismus:        Karten spielen, dadurch bauen und ziehen

Strategie                **

Taktik                    ***

Glück                    *

Interaktion             *****

Kommunikation      *

Atmosphäre           **

 

Kommentar:          

tolle Ausstattung

funktionierender Mechanismus

trockene Materie

abwechslungsreich, wenn alle den Wassermann bewegen

 

Kurt Schellenbauer:

Es ist nur dann ein gutes Spiel wenn alle bereit sind das Spiel zu gewinnen.

 

Wenn Sie gerne Drachendelta spielen, dann wird Ihnen

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