Diplomacy
Ein Spiel für 2-7 Spieler
im Kampf um die Vorherrschaft in Europa um 1900
Das Spiel:
Diplomacy
2-7 Spieler ab 16 Jahren
von Alan B. Calhammer
erschienen bei Gibsons, Parker, Avalon Hill
neu: Avalon Hill,
2000
Die Besprechung:
Erik Adenstedt
bearbeitet und ergänzt von
office@spielen.at
Ähnliche Spiele:
Keine – das erste seiner Art
WlN-Wertung:
*** DIPLOMACY SSS III PPP K A 7(2-7) hh
Diplomacy heißt das Spiel und die hohe Kunst der Diplomatie ist ein wichtiger Bestandteil. Zwar kann Diplomacy als Kriegsspiel oder Konfliktsimulation angesehen werden, doch geht es nicht so sehr um groß angelegte Manöver oder Truppenbewegungen auf einem in unzählige Felder unterteilten Spielbrett sondern eher um geschicktes Verhandeln und Paktieren aber auch um Lug und Betrug.
Taktik - Strategie - Verhandlungsgeschick, das sind die Elemente, die dieses Spiel bestimmen. Seit fast dreißig Jahren erfreut sich das Spiel ungebrochener Beliebtheit - Diplomacy war das erste Spiel seiner Art, es beruht auf einer - damals - neuen Idee und wurde zum Vorläufer unzähliger anderer Spiele. Diplomacy ist ein Spiel für 7 Spieler, dies ist die optimale Spieleranzahl, 5 geht noch, alles darunter ist nicht mehr vernünftig und wenig interessant, die Regeln von Diplomacy sind einfach und einfach zu erlernen.
Das Brett hat 75 Felder (56 Land- und 19 Seefelder), es können sich höchstens 34 Einheiten auf dem Spielplan befinden. Die Ähnlichkeit zu Schach mit 64 Feldern und 32 Einheiten war vom Erfinder beabsichtigt.
Das Spielbrett zeigt eine Landkarte von Europa. Europa und die angrenzenden Meere sind in Felder (Gebiete) geteilt: Binnen- und Küsten-Landgebiete und Meeresgebiete. 34 dieser Felder sind besonders gekennzeichnete Versorgungszentren. Jeder Spieler repräsentiert eine der 7 Großmächte im Europa vor dem 1. Weltkrieg: England, Deutschland, Österreich, Russland, Italien, Frankreich und Türkei.
.Zu Beginn verfügt jeder Spieler über die Versorgungszentren seines Heimatlandes - In jedem dieser Zentren steht eine Einheit: Flotten oder Armee. Die restlichen 12 Zentren sind neutral. Alle Mitspieler notieren schriftlich und geheim die Befehle für ihre Einheiten. Vor jeder Zugabgabe steht eine Verhandlungsrunde, in der es allein vom Verhandlungsgeschick der Spieler abhängt, die anderen dazu zu bringen, Befehle abzugeben, die die eigenen Pläne unterstützen oder wenigstens nicht verhindern. Interessant wird das Spiel dadurch, dass solche Abkommen nicht bindend sind, es liegt dann wiederum am Geschick des jeweiligen Spielers, dem Partner den Vertragsbruch plausibel zu machen.
Es gibt genau vier Befehle: Ziehen = Angriff, Unterstützen, Halten, Übersetzen = Konvoi:
- Halten (= Stehenbleiben) der Einheit
- Angriff (= Ziehen) einer Einheit auf ein benachbartes Gebiet (Armeen nur auf Landgebiete, Flotten nur auf Meeres- und Küstengebiete)
- Halten mit gleichzeitigem Unterstützen einer Einheit bei einer Aktion:
-- beim Halten: die Einheit muss in das Gebiet der haltenden Einheit ziehen dürfen
-- beim Angriff: die Einheit muss in das angegriffene Gebiet ziehen dürfen
- Halten und Convoy (nur bei Flotten auf Meeresgebieten): Transport einer Armee - Angriff einer Armee über See (d.h. per Konvoi): von einem Küstengebiet in ein anderes Küstengebiet.
Da in jedem Gebiet nur eine einzige Einheit stehen darf, ergeben sich bei den Befehlen häufig Widersprüche, die je nach Stärke des Angriffs- oder Haltebefehls aufgelöst werden: Die Stärke eines Angriffs- oder Haltebefehls ist gleich der Befehl plus die Zahl der durchführbaren Unterstützungsbefehle.
Ein Angriff ist erfolgreich, d.h., die Bewegung darf durchgeführt werden, wenn er stärker als der Haltebefehl und/oder die anderen Angriffsbefehle ist. Wird die Durchführung eines Angriffs durch einen gleich starken Angriff (Stand-Off) verhindert, so bleibt ein Haltebefehl auch dann erfolgreich, wenn er schwächer war. Ist ein Angriff durchführbar, so wird eine altfällige haltende Armee zum Rückzug gezwungen. (Rückzüge werden nach den Bewegungen durchgeführt. Ein Rückzug erfolgt in freie Nachbargebiete mit Ausnahme solcher, die infolge eines Stand-Offs freigeblieben sind und dem Gebiet, aus dem der Angriff erfolgt ist.) Eine Bewegung per Konvoi kann nur durchgeführt werden, wenn der Befehl für die Bewegung (mit Angabe der benützten Flotten und der Befehl für die benützten Flotten übereinstimmen, – diese Befehle können auch von verschiedenen Spielern kommen - keine dieser Flotten vertrieben wird, und nur wenn der Angriff der Armee durchführbar ist.
Weiters gelten noch folgende Regeln:
- Eine Einheit, die eine ihr befohlene Bewegung nicht durchführen konnte, hält mit der Stärke 1 (- sie kann im Halten nicht unterstützt werden).
- Gleich starke Angriffe von A nach B und von B nach A werden nicht durchgeführt. Ist einer der beiden Angriffe stärker, so vertreibt er die andere Armee.
- Ein Angriff auf eine eigene Einheit, oder eine Unterstützung eines solchen Angriffs, kann diese nicht vertreiben, wird also gegebenenfalls nicht ausgeführt.
Das Spiel besteht aus Jahren, jedes Jahr aus vier Phasen:
1. Frühjahr: Bewegungen - wie beschrieben
2. Sommer: Rückzüge
3. Herbst: Bewegungen
4. Winter Rückzüge und Winterberichtigungen
Auch die Rückzugsbefehle erfolgen simultan, man hat die Wahl zwischen einem gültigen Rückzugsgebiet oder dem Auflösen der betreffenden Einheit. Wollen sich zwei Einheiten in dasselbe Gebiet zurückziehen, so werden beide aufgelöst. Bei den Winterberichtigungen wird festgestellt, wie viele Versorgungszentren jede Großmacht beherrscht. Man beherrscht ein Zentrum, wenn man es nach den Winter-Rückzügen besetzt hat. Die Herrschaft bleibt solange aufrecht, bis sie durch eine andere Macht übernommen wird, also auch wenn man das Zentrum nicht besetzt hat, und sogar, wenn es im Frühjahr oder Sommer durch eine fremde Einheit besetzt wird! Die Zahl der Zentren ist zugleich die Höchstzahl an Einheiten, mit denen die Macht das nächste Jahr beginnen darf. Hat sie mehr Einheiten, müssen Einheiten bis zur erlaubten Höchstzahl aufgelöst werden, hat sie weniger, darf aufgebaut werden, eine pro unbesetztem Zentrum des Heimatlandes. Im Frühjahr verlorene Einheiten können also frühestens im Herbst wieder ersetzt werden! Auch die Winterberichtigungen werden simultan durchgeführt.
Ein Spieler hat gewonnen, wenn er mehr als die Hälfte der Zentren beherrscht - also mindestens I8.
Trotz dieser Einfachheit der Regeln ist Diplomacy ungemein komplex. Es gibt unzählige Zugmöglichkeiten und taktische Varianten. Hinzu kommt die Komplexität der Persönlichkeiten der einzelnen Mitspieler, die jedes Spiel anders gestalten. Es gibt keine "absoluten' Wahrheiten oder Strategien in diesem Spiel, man muss jederzeit flexibel sein und bereit umzudenken.
Ein weiteres wichtiges Element ist die Spannung, die kaum in einem Spiel fehlt. Obwohl eine Partie meist mindestens vier Stunden (oft viel länger), wird es selten langweilig. Dauernd ist man aktiv, man muss verhandeln, mitdenken, wach bleiben – was wird aus meinem Plan, welche Befehle gibt mein Gegner, hält mein Bündnis oder soll ich es lieber gleich präventiv brechen, und wie mache ich ihm das plausibel? Der Glücksfaktor ist in Diplomacy kaum vorhanden, bis auf die Zulosung der Länder, alles andere ist eine Frage von Taktik und Verhandlungsgeschick und den eigenen Entscheidungen. Man kann das Spiel nicht ohne Verbündete gewinnen, aber auch nicht ohne Feinde.
Diplomacy ist kein harmloses, nettes Familien-Spiel. Lügen und Betrügen sind wesentliche Bestandteile. Wer seinen Verbündeten nicht in den Rücken fallen kann, kann wird selten gewinnen. Wer das aber persönlich nimmt, sollte auch nicht Diplomacy spielen, denn Spiel ist nach wie vor das entscheidende Wort, und da kann man Dinge tun, die man sonst im Leben nicht machen würde.
Heute gibt es Spiele, die die Taktik und die Konfrontation in Diplomacy ohne die lange Spieldauer und die Notwendigkeit von mindestens 5 Mitspielern bringen, aber Diplomacy ist DER Klassiker unter den Verhandlungs- und Strategiespielen, es sollte in keiner Spielesammlung fehlen.
An dieser Ausgabe ist besonders die Ausstattung hervorzuheben, die Armeen und Flotten sind kleine Metallfiguren bunten Farben, nicht immer optimal vom Hintergrund der Karte zu unterscheiden, aber jedenfalls wunderschön.