Age of Renaissance
Besprechung:
Franz Neumann
Age of Renaissance
Avalon Hill
3-6 Spieler
Spieldauer 3-7 Stunden
Entgegen anders lautenden Gerüchten produziert die Fa. Avalon Hill immer
noch dann und wann ein Brettspiel, Klasse statt Masse möchte man meinen. Das
ist umso erfreulicher, da nicht die wenigsten der von mir bevorzugten
"Klassiker" aus selbigem Hause stammen. Diesmal also musste das
(ausgeweitete) Zeitalter der Renaissance als Aufhänger herhalten. Der erste
Eindruck war: groß, bunt, üppig und schön (zumindest im Vergleich zum eher missglückten
Colonial Dippy). Das es als
Nachfolger von Civilization gehandelt wurde,
erschwerte seine Position eher, als dass es sie förderte. Nun, meines Erachtens
kann es diesem Vergleich nicht standhalten, muss es aber auch nicht, denn die
Ähnlichkeiten beruhen eigentlich nur auf der Eigenschaft, dass gesellschaftliche
Entwicklungen möglich sind (wenn auch in abgewandelter Form). Vergleichbar wäre
es (vom Handelsprinzip) am ehesten mit einer im GENERAL (Hauszeitschrift von
AH) veröffentlichten, unausgegorenen Variante von Civilization,
deren Grundprinzip die Bindung der Handelsgüter an bestimmte Provinzen
darstellte. Weitere "Ähnlichkeiten" können genauso gut zu x-beliebigen
anderen Produkten ausgemacht werden. Viel deutlicher hingegen die
Andersartigkeit: keine Bewegung und Vermehrung, kein Handel (in diesem Sinne),
Ereigniskarten, Kampfentscheid durch Position und Würfelwurf, Wohlergehen der
Bevölkerung etc.! Soviel also zu seiner Positionierung.
Auf den Ablauf möchte ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen und
verweise auf die "Sonderbeilage" in der Heftmitte, die allen
Interessierten den Einstieg leichter machen soll, denn, ja denn: die Regel ist
leider äußerst unübersichtlich gestaltet und zählt zu den "Ärgeren",
zwingt aber zum genauen lesen, da so manch' Wesentliches nur in einem kurzen
("Under-")Statement angerissen wird, und
oft nicht dort, wo man es vermutet, schade. Der Anhang beschreibt die Karten
und Entwicklungen, hinter deren Geheimnisse man erst nach mehrmaligem
lesen/spielen kommt.
Das Material ist zufriedenstellend bis gut,
einzig die Karten (wie bei Adv.Civ. gelingt es
scheinbar nicht, Rückseiten wirklich gleichmäßig neutral herzustellen) sind von
eher unterdurchschnittlicher Qualität. Das Ausfüllen von Begleitbögen während
des Spiels ist nicht sonderlich erbauend, wenn wohl auch praktikabel. Vom
Design mißfallen der Spielplan (während des Spiels,
da auf Grund der allgemein kräftigen Farbwahl die Übersichtlichkeit mehr oder
weniger verloren geht; als Wandbild wäre er sehr wohl hübsch) und das bereits
erwähnte Formular, welches unglücklich gestaltet und von mikroskopischen
Inhalten geprägt ist.
Um mich nun doch zu einer Wertung durchzuringen möchte ich sagen, daß die einzelnen Mechanismen gut aufeinander abgestimmt
sind und die Balance (soweit nicht durch Fehlinterpretation der Regeln
torpediert) über das gesamte Spiel gegeben ist (z.B. durch den Misery-Index, wenn er auch etwas schärfer hätte ausfallen
können). Die Tatsache, daß es ein Handelsspiel ist,
wird scheinbar durch die geringfügige Interaktion (Schade, bei einem Multi-Player-Game wäre etwas mehr wünschenswert) und das
Fehlen des Handelsvorgangs (gib du mir deins geb ich
dir meins) an sich aufgeweicht, aber es geht wohl doch mehr um Märkte und deren
Beherrschung (wie wohl auch die Spielsteine entsprechend zu deuten wären). Wer
also gerne Kärtchen tauscht soll sich weiter an Civilization
halten, hierfür braucht es keinen Clone.
So wird auch klar warum auf Vermehrung (und eigentlich auch Bewegung) keine
Rücksicht genommen wurde. Nun, es ist eben ein eigenständiges Spiel, nicht mehr
und nicht weniger. Das die Komplexität (wie von AH angegeben) minder sein soll,
kann ich nicht nachvollziehen, das Spiel zeigt sich dermaßen vielschichtig, dass
es sich einem erst nach mehrmaliger Beschäftigung einigermaßen erschließt -
dies verringert auch den vorhandenen Glücksfaktor deutlich. Allen Unkenrufen
zum trotz sag' ich mal: schön, daß es so'was NOCH gibt!
WIN-Wertung:
** Age of Renaissance W T SS I AA U KK