UNSERE REZENSION
Wie Amerika noch bei Spanien war
Mundus Novus
Handel und Wandel von Kolonialwaren
Eine „neue Spielwelt“ in einer kleinen Schachtel; nach deren Öffnen ist man zunächst über die sehr schön gestalteten Warenkarten entzückt, welche uns all das vor Augen halten, womit wir Europäer die „Kolonien“ ausgebeutet haben: Zuckerrohr, Kaffee, Vanille, Tabak, Kakao, Mais, Kartoffeln, Baumwolle, Indigo und auch Inka-Gold. Mit dem Weiterverkauf dieser Waren sollen wir unser Glück bzw. am meisten Geld machen. Als Grundversorgung erhalten die Mitspieler jede Runde eine zufällige und bunte Mischung von jeweils fünf dieser Karten. Das Ziel ist es, jede Runde mit den eigenen Karten Kombinationen aus identen und/oder verschiedenen Waren zu bilden. Zu diesem Zweck hat der Co-Autor Serge Laget den bereits aus seinem „Mare Nostrum“ bekannten Tauschmechanismus übernommen: Der jeweilige Startspieler der Runde (hier heißt er „Handelsherr“) nennt eine Zahl von zwei, drei oder vier Karten, die alle Mitspieler runterzulegen und gleichzeitig aufzudecken haben. Der (alte oder neue) Handelsherr nimmt dann als Erster eine Karte eines Mitspielers in seine Hand, daraufhin nimmt dieser Mitspieler eine Karte von irgendeinem Mitspieler, etc., bis alle Karten verteilt sind (also etwa nimmt A von B, B von C, C von B, B von A, usw). Zuletzt sollten wieder alle Mitspieler über jeweils fünf Karten verfügen.
Bereits ab der zweiten Runde können die jeweiligen Starthände eine unterschiedliche Zahl von Karten aufweisen. Damit der Tauschhandel dann nicht versehentlich ein „unfair trade“ wird, muss man nur aufpassen, ob die letzte Karte vom Startspieler/Handelsherrn genommen wurde – ist das nicht der Fall, muss dieser dem letzten Mitspieler eine seiner Handkarten als Ausgleich übergeben. Zu beachten ist noch, dass zwei Mitspieler nur einmal ununterbrochen hin- und hertauschen dürfen (also wenn A von B und B von A nimmt, muss A dann von C oder D nehmen – im Spiel zu zweit gilt diese Einschränkung natürlich nicht).
Der große Vorteil an diesem (wirklich feinen) Tauschmechanismus: Alle sind nahezu gleichzeitig am Spielgeschehen involviert und es geht zügig voran. Es ist jedoch nur bedingt möglich, dabei auch mehr als die eigenen Interessen im Auge zu behalten. Zum einen lässt sich nur schwer abschätzen, welche Karten die Mitspieler tatsächlich sammeln wollen, zum anderen kann sich natürlich kaum jemand merken, was die Mitspieler bereits zu sich genommen haben (aber natürlich bietet es sich an, nachdem sich ein Mitspieler etwa eine Baumwolle genommen hat, vorsorglich die zweite ausliegende Baumwolle zu sich zu nehmen, sofern einem das ohnehin in den eigenen Plan passt).
Unterschiedliche Karten darf dann jeder zu Geld (= Siegpunkte) machen. Vor allem in der ersten Spielhälfte ist es jedoch interessanter, eine der Entwicklungskarten zu kaufen: Dafür braucht es (zumindest) einen Drilling. Abhängig von der Häufigkeit der Ware bzw. der Anzahl der identen Karten dürfen diese gegen die erste, gegen eine der ersten drei, oder gegen irgendeine der (stets fünf ausliegenden) Entwicklungskarten eingetauscht werden (etwa sind drei Vanille in diesem Fall wertvoller als drei Kakao). Die Häufigkeit der Waren braucht man sich aber nicht zu merken, das ist leicht an den jeweiligen auf den Warenkarten (auch) aufgedruckten Zahlen und Farben zu erkennen. Inka-Gold darf entweder gesondert verkauft oder als Joker für einen Drilling, Vierling oder Fünfling verwendet werden – nicht jedoch als Joker für den Verkauf von unterschiedlichen Karten!
Im Zusammenhang mit dem Verkauf der Waren gibt es eine (schlecht formulierte) Regelunklarheit (welche sich auch nicht durch einen Vergleich mit der englischen bzw. französischen Regel aufklären lässt): Jedenfalls darf jeder Mitspieler – sofern möglich – bis zu drei Verkäufe pro Runde durchführen: Also etwa mit acht Handkarten einen Drilling für eine Entwicklungskarte, vier unterschiedliche Karten für Geld und ein Inka-Gold (ebenfalls) für Geld. Karten dürfen nämlich grundsätzlich nicht in die Folge-Runde mitgenommen werden, alles verdirbt in diesem „waste land“ (sogar das Gold).
Im Wesentlichen bringen die Entwicklungskarten jede Runde weitere Warenkarten (eine pro Schiff), man darf sich mit einem Lager ein oder zwei Warenkarten für die Folge-Runde(n) aufheben bzw. erlaubt ein Händler vor dem Verkauf die Umwandlung einer Karte in eine andere (also etwa Kakao in Vanille bzw. eine 1 in eine 9). Weiters gibt es noch neun Personen – welche im Zuge der Verdrängung der Ureinwohner durch mehr oder weniger grausame Taten aufgefallen sind – die gewisse Sondervorteile gewähren.
Neben dem Sammeln von Geld gibt es noch eine reizvolle zweite Möglichkeit, das Spiel zu gewinnen, nämlich mit der „perfekten Kombination“: Das sind 10 unterschiedliche Karten (von 1 bis 9 und ein Inka-Gold – hier darf dieses aber nicht auch noch als Joker verwendet werden). Das ist natürlich nicht so leicht zu bewerkstelligen, neben Schiffen und Lagern braucht es auch den einen oder anderen Händler sowie eine Portion Glück. Immerhin ist man nicht gezwungen, sich durchwegs für die eine oder andere Strategie entscheiden zu müssen, deren Wechsel ist auch noch im Spielverlauf möglich (vier bis neun verschiedene Warenkarten können ja auch problemlos zu Geld gemacht werden).
Spielerisch ist das Ganze im besten Sinne allgemeintauglich (nachdem auch noch weitere Regelunklarheiten beseitigt sind) und geistig angenehm entspannend. Zwar macht man jede Runde im Wesentlichen das Gleiche, doch sind alle Mitspieler fast durchwegs gleichzeitig beschäftigt, sodass sich die Spieldauer grundsätzlich nicht als zu lang anfühlt. Die Kartenverteilung kann jedoch – solange man nur fünf Karten zur Verfügung hat – derart nachteilig und frustrierend ausfallen, dass ein Mitspieler zum Rundenende vielleicht gar keine sinnvolle Kombination zustande bringt und erfolglos alle seine Karten abwerfen muss. Wenn die anderen dann bereits mit Entwicklungskarten „davon ziehen“, wird das den Spielspaß des Betroffenen natürlich beträchtlich reduzieren. Ansonsten ist es eine durchaus spannende Angelegenheit, die eigenen Handkarten bestmöglich zusammenzustellen und auf viel Geld oder die „perfekte Kombination“ zu spielen bzw. zu hoffen – häufig fällt diese Endentscheidung sogar recht knapp aus. Neben dem Kartenglück gibt es auch noch ein gewisses Zufallselement im Zusammenhang mit diversen Ereignissen, welche jede Runde eintreten können – doch bestehen dabei taktische Möglichkeiten, das Ereignis zum eigenen Vorteil zu beeinflussen. Als Ergänzung zum Spiel liegen übrigens bereits fünf Promo-Karten vor (welche die Geld-Strategie begünstigen dürften).
Zu guter Letzt gibt es am Spielmaterial leider doch einiges zu bemängeln: Die Ereignismarker sind zu klein ausgefallen, die Münzmarken nur einseitig bedruckt. Bei mehreren Personenkarten fehlt die Angabe, ab welcher Spieleranzahl diese zu verwenden sind („Francisco de Coronado“ soll nämlich offenbar erst zu sechst in den Entwicklungskarten-Stapel gemischt werden). Unstimmig ist außerdem, dass Kakao und Tabak als häufige, Erdäpfel und Indigo jedoch als seltene Waren gehandelt werden; und eigentlich ist die Spielschachtel doch etwas zu groß ausgefallen.
Spieler: 2-6
Alter: 13+
Dauer: 45+
Autor: Bruno Cathala und Serge Laget
Grafik: Vincent Dutrait und Stéphane Gantiez
Preis: ca. 20 Euro
Verlag: Asmodee 2011
Web: de.asmodee.com
Genre: Set-Sammelspiel mit Karten
Zielgruppe: Mit Freunden
Version: de
Regeln: de en fr
Text im Spiel: nein
Kommentar:
schöne Karten-Grafik
flotter und origineller Tauschmechanismus
Frustpotential möglich
Abgleich der Spielanleitung mit der englischen bzw. französischen Fassung erforderlich
Vergleichbar:
Mare Nostrum für den Tauschmechanismus, Rummy, Poker und andere für Set sammeln
Andere Ausgaben:
Englische und französische Ausgaben
Meine Bewertung: 5
Harald Schatzl:
Ein Kartentausch- und sammelspiel, das ob der schönen Grafik und des angenehmen Spielgefühls auch für Experten sowohl eine entspannende als auch spannende Abwechslung bieten kann.
Zufall (rosa): 2
Taktik (türkis): 2
Strategie (blau): 1
Kreativität (dunkelblau): 0
Wissen (gelb): 0
Gedächtnis (orange): 1
Kommunikation (rot): 1
Interaktion (braun): 2
Geschicklichkeit (grün): 0
Action (dunkelgrün): 0