UNSERE REZENSION

 

Hypnosestrahl oder Flickenmonster

 

Nefarious

 

The Mad Scientist Game

 

Dominion, Dominion, Dominion, jeder Gelegenheitsspieler, der mehr als Uno und Monopoly kennt, an dem ist Donald X. Vaccarino’s Meisterwerk samt seiner gefühlten 47 großen und kleinen Erweiterungen und etlichen Promokarten nicht spurlos vorüber gegangen. Immerhin konnte er damit 2009 den Preis “Spiel des Jahres” gewinnen. Dutzende weitere Preise folgten. Aber der Erfinder des Deckbuilding-Genres kann auch anders.

 

Mit Nefarious - The Mad Scientist Game - ist ein weiteres Kartenspiel von ihm zur Messe Essen 2011 bei Ascora Games, einem kleinen amerikanischen Verlag, veröffentlicht worden. Bisher gibt es nur eine englischsprachige Version mit englischer Anleitung und Kartentexten. Angeblich ist eine deutsche Version geplant. Fragt mich aber nicht, wann und bei wem die erscheint.

 

Wie der Name schon sagt sind wir “ruchlose“ verrückte Wissenschaftler. Unser Ziel ist es, durch möglichst viele, wenn möglich hochwertige, gebaute Erfindungen zu 20 oder mehr Siegpunkten zu kommen. Dazu erhält jeder eine Spieltafel mit 4 sogenannten Investmentbereichen und einem Safe zur Geldablage. Außerdem ist darauf netterweise noch der Rundenlablauf abgebildet, der lediglich aus 4 Phasen besteht, wobei die letzte Phase nur dazu dient, zu prüfen, ob es einen Gewinner gibt. Jeder startet mit 3 Erfindungskarten auf der Hand, 10 Geld und 5 sogenannte Minions (sehen aus wie der buckelige Igor, dargestellt von Marty Feldman in Mel Brooks Frankenstein Junior, Danke an Christoph Proksch für diesen Hinweis), kann auch als Lakai übersetzt werden, die außerhalb der Spieltafel platziert werden und den 4 Aktionskarten.

 

In Phase 1 wählt jeder entsprechend seines gewünschten Vorhabens in der später folgenden Aktionsphase eine seiner Aktionskarten „Spekulieren“, „Erfinden“, „Forschen“, „Arbeiten“ (Bedeutung dieser Karten folgt gleich) aus, die dann von allen Spielern gleichzeitig umgedreht werden. In Phase 2 prüft jeder, ob die gespielte Aktionskarte seines linken bzw. rechten Nachbarn mit gegebenenfalls in Vorrunden platzierten Minions in seinen Investmentbereichen übereinstimmt. Für jede Übereinstimmung gibt es je Minion ein Geld von der Bank. Da man bis zu 5 Minions platziert haben kann, wenn man möchte auch auf ein einziges Feld, kann da ein ganz schöner Patzen Geld, normalerweise maximal 10, zusammen kommen.

 

In Phase 3, der eigentlichen Hauptphase, werden die Aktionskarten entsprechend ihrer Nummer von 1 bis 4 abgehandelt. Mit 1 - „Spekulieren“ kann man genau einen Minion gegen Bezahlung in einen Investmentbereich seiner Wahl setzen. Die Kosten dafür gehen von 0 bis 2, je nach Bedeutung im Spielverlauf. Mit 2 - „Erfinden“ wird eine Erfindungskarte aus der Hand als Erfindung herunter gelegt. Die meisten Erfindungen kosten etwas, je teurer, desto mehr Siegpunkte gibt es dafür. Die Kosten reichen von 0 bis immerhin 24, mehr als 20 Geld muss man allerdings erst mal haben, das dauert seine Zeit und kostet etliche Runden. Wie bereits erwähnt bringt jede Karte Siegpunkte, diese reichen von 1 bis 8, es gibt aber auch einige Karten mit variablen Siepunkten und zwar einen Punkt pro gebauter Erfindung. Welche Karten man in der Hand hat, hängt natürlich vom Zufall ab, denn im Gegensatz zu Dominion gibt es keine offene Auslage, aus der man etwas kaufen kann. Sobald eine Erfindung gebaut ist, werden gegebenenfalls einmalig bestimmte Effekte, die auf der Karte abgebildet sind, ausgelöst. Grüne auf den Spieler zeigende Pfeile führt jeder unabhängig von den Anderen für sich selbst aus, das kann z.B. Gewinn oder Verlust von Erfindungskarten auf der Hand, ein oder mehrerer Geldsäcken, das gratis Einsetzen oder Wegnehmen eines bereits platzierten Minions oder auch diverse Kombinationen daraus bedeuten. Sehr beliebt sind die sogenannten „Pro“-Aktionen, die z.B. das gratis Einsetzen eines Minions, das Nehmen von Geldsäcken oder das Ziehen von Karten pro bereits gebauter Erfindung ermöglichen. Nach den grünen Pfeilen werden alle roten Pfeile auf soeben gebauten Erfindungen abgehandelt, diese betreffen alle anderen Spieler. Da kommt natürlich große Schadenfreude auf, wenn alle anderen Spieler einen mühsam erarbeiteten Minion wieder entfernen müssen, Geld oder Handkarten verlieren. Es gibt aber auch rote Pfeile, bei denen die anderen Spieler etwas bekommen. Diese Erfindungen spielt man natürlich nur sehr ungern runter. Aber was soll’s, die anderen Spieler sollen sich ja schließlich auch mal freuen dürfen. Das Erfinderleben ist schließlich schwer genug.

 

Die Aktion 3 - „Erforschen“  bringt eine neue Erfindungskarte auf die Hand und 2 Geld. Es gibt übrigens kein Handkartenlimit. Mit der Karte mit der Aktion 4 - „Arbeiten“ kann man sich 4 Geldsäcke aus der Bank nehmen. Danach werden alle gespielten Aktionskarten wieder auf die Hand genommen, geprüft, ob es bereits einen Sieger mit 20 Punkten gibt und schon kann wieder eine neue Runde beginnen.

 

Klingt alles bis hierher nach einem sehr durchschnittlichen Spiel. Die Regeln sind einfach, die Aktionskarten und ihre Funktion leicht zu verstehen, jedes Spiel wird ungefähr gleich ablaufen, nach 2 bis 3 Partien werde ich das Spiel wieder in der Schachtel verstauen und wenn ich sonst nichts Besseres zu tun habe, mal wieder auf den Tisch bringen. Doch HALT, jetzt kommt’s. Dieser Problematik dürfte sich auch der Autor bewusst gewesen sein und hat die „grenzgenialen“ sogenannten Twistkarten erfunden. 36 Stück hat er uns die Schachtel gelegt, von denen in jedem Spiel zwei zufällig gezogen werden. Die Mathematiker unter uns können sich ausrechnen, wie viele mögliche Kombinationen das ergibt, ich sage es sind 630, kann aber auch sein, dass ich mir irre. Diese Twistkarten können den Spielverlauf ganz schön durcheinander wirbeln. Gibt es neben ein paar harmlosen Karten - jeder startet mit 5 statt 3 Handkarten, man beginnt mit 20 statt 10 Geld, usw., doch einige Karten, die den Spielverlauf gravierend zur vorhergehenden Partie ändern können. So kann z.B. die unmittelbar zuvor gewählte Aktion in der Folgerunde nicht gewählt werden; alle Aktionen können doppelt ausgeführt werden; es können immer 2 Aktionen gewählt werden; die Effekte der gebauten Erfindungen werden verdoppelt; nach jeder gebauten Erfindung muss man sein ganzes Geld abwerfen; das Geld muss zu Beginn jeder Runde auf den nächsten durch 5 teilbaren Wert reduziert werden; man spielt auf 30 statt 20 Siegpunkte. Dies waren nur einige Beispiele. Dank der Twistkarten habe ich schon einen Spieleabend erlebt, an dem wir fünf Stunden nichts anderes gemacht haben, außer Nefarious zu spielen und das muss ein Spiel, bei dem eine Partie je nach Spieleranzahl zwischen 15 und 30 Minuten dauert, einmal hergeben. Da blitzt wieder mal das Genie des Autors durch.

 

Darum kann ich nur Eines sagen, wer mit der englischen Sprache kein Problem hat, muss sich irgendwann ein Exemplar besorgen (obwohl es derzeit sehr schwer zu bekommen ist). Der Spielspaß und Wiederspielreiz von Nefarious ist einzigartig. Jede Partie verläuft anders. Ich habe es bestimmt bereits 40 bis 50 mal gespielt. Die Grafiken auf den Erfindungskarten sind sehr schön anzusehen. Es kann ohne Probleme auch in der Familie gespielt werden. Zwischen 2 und 6 Spieler können dabei sein, ab 5 Spielern wird’s etwas turbulent, da alle beim Erfinden wegen der Effekte mit den roten Pfeilen durcheinander reden. Außerdem schreit dieses Spiel förmlich nach Erweiterungen: Neue Erfindungskarten, neue Twistkarten, evtl. zusätzliche Aktionen. Daher „Kaufen, Kaufen, Kaufen“.

 

Gert Stöckl

 

Spieler: 2-6

Alter: 13+

Dauer: 60+

Autor: Donald X. Vaccarino

Grafik: Glenn Gustafson, Jason Flack, Terence Tong, Scott Tepper

Preis: ca. 35 Euro

Verlag: Ascora Games 2011

Web: www.ascoragames.com

Genre: Kartenspiel mit Aktionswahl

Zielgruppe: Mit Freunden

Version: en

Regeln: en

Text im Spiel: nein

 

Kommentar:

Kurze und einfache Regeln

Enormer Wiederspielreiz durch wechselnde Zusatzregeln

Nette Adaption des „Nachbar spielt mit“-Prinzips

 

Vergleichbar:

Grundsätzlich alle Spiele mit Aktionswahl aus identischen Handkarten, 7 Wonders für Einbeziehen der unmittelbaren Nachbarn, insgesamt erstes Spiel dieser Art

 

Andere Ausgaben:

Derzeit keine

 

Meine Einschätzung: 7

 

Gert Stöckl:

Enorm hoher Wiederspielreiz, kurze Spieldauer, kein Spiel wie das andere - was will man mehr außer es haben!

 

Zufall (rosa): 2

Taktik (türkis): 2

Strategie (blau): 2

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 0

Kommunikation (rot): 0

Interaktion (braun): 2

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0