Wer stimmen ab, wer aus dem Boot ins Wasser fällt!
Seenot im Rettungsboot
Ein basisdemokratisches Katastrophenspiel
Die Santa Timea sinkt und die Spieler versuchen, mit
möglichst vielen ihrer eigenen Seeleute die rettenden Inseln zu erreichen, egal
in welchem Boot. Ein Boot wird jede Runde weiterkommen, aber das Schicksal
entscheidet nach freier und geheimer Abstimmung. Alle Katastrophen werden
beraten und demokratisch abgestimmt, aber Kapitänskarten können
Mehrheitsbeschlüsse außer Kraft setzen.
So vielversprechend
fängt die Spielregel an und alle, die schon 1995 am Spielen interessiert waren,
erinnern sich natürlich sofort an „Rette sich wer kann“ aus der Spielewerkstatt
In der optisch
sehr attraktiven Schachtel findet sich für jeden Spieler ein farbiges Boot und
dazu passend 2 Steuermänner in Form großer Pöppel und 4 Matrosen als kleinere
Pöppel und dazu 10 Abstimmungskarten, 7 in den Bootsfarben und drei
Kapitänskarten. Spielen nur drei oder vier Spieler, bekommt jeder Spieler fünf
Matrosen. Das siebte schwarze Boot gehört zunächst niemandem, es liegt neben
dem Spielplan bereit, genau wie die Löcher in Form blauer Setzsteine.
Hier finden wir
schon die ersten Abweichungen bzw. Verbesserungen gegenüber dem ursprünglichen
Spiel, dort gab es für jeden Spieler eine Drehscheibe zur Abstimmung, man
stellte die Bootsfarbe oder die Kapitänsmütze darauf ein. Der Baumstamm als
Startspielermerkmal wurde hier durch eine schwarze Scheibe ersetzt.
Am Spielplan geht
am unteren Rand die Santa Timea unter, am oberen Rand finden sich die drei
rettenden Inseln, offensichtlich mit Punktewerten für Steuermänner und Matrosen
versehen, und am rechten Planrand sind Bootsteile von 1 bis 7 nummeriert, die
Boote beginnen auf der untersten Reihe von Wellenkämmen, jeder setzt reihum
sein Boot, der Startspieler zuletzt noch das schwarze Boot, damit ist immer ein
Boot mehr im Spiel als es Mitspieler gibt. Hier muss man schon gut aufpassen,
den später ist Spurenwechsel nicht erlaubt, man fährt gerade auf die Insel zu, und
die haben doch recht unterschiedliche Punktewerte. Die Farben der Boote haben
im weiteren Verlauf des Spieles eigentlich keine Bedeutung mehr, sie dienen nur
am Ende als Tiebreaker – sollt es gleiche Punktezahlen geben, gewinnt der
Spieler, dessen Boot als erstes eine Insel erreicht hat. Nun beginnt wieder der
Startspieler mit dem Setzen von Figuren in die Boote, solange bis alle
Steuermänner und Matrosen untergebracht sind, in jedem Boot ist Platz für
höchstens sechs Insassen.
Damit können wir
anfangen, die rettenden Inseln anzusteuern, gespielt wird in Runden, die
ihrerseits wieder aus Phasen bestehen:
Es gibt drei
Phasen:
In Phase Eins
bekommt EIN Boot ein Leck
In Phase Zwei
fährt EIN Boot
In Phase steigen
die Seeleute um
Und hier geht es
schon los – kein Würfeln, kein Karten ausspielen, gar nix – es wird einfach
abgestimmt, das heißt, jeder wählt aus seinen Karten die für das Boot aus, das
untergehen soll, und legt es verdeckt vor sich ab. Alle können natürlich
drohen, Bündnisse anbieten, taktische Hinweise geben, Versprechungen machen und
so hoffen, die anderen zu beeinflussen, es sei jedoch ausdrücklich
festgehalten, dass all diese Zusagen, Angebote und Versprechungen nicht bindend
sind und bei erster sich bietender Gelegenheit ignoriert werden können. Absolut
nicht erlaubt ist es jedoch, eine einmal aufgedeckte Karte zurückzunehmen.
Für eine Runde
diskussionsfreudiger Spieler empfiehlt sich das Bereithalten und auch Verwenden
einer Sanduhr!
Der Beschluss
wird mit einfacher Mehrheit gefasst, gibt es einen Gleichstand, entscheidet der
Startspieler zwischen den am Gleichstand beteiligten Booten. Wer sich gar nicht
auf Versprechungen, Zusagen etc. verlassen will, kann natürlich auch eine
Kapitänskarte spielen und den Mehrheitsbeschluss außer Kraft setzen, damit
sollte man aber sparsam umgehen, denn man hat nur drei Kapitänskarten und im
Gegensatz zu den Bootskarten geht eine benutzte Kapitänskarte aus dem Spiel.
Auch noch bedenken muss man, dass auch die Kapitänskarte keine Garantie dafür
ist, dass man die eigenen Interessen durchsetzt, denn hat ein zweiter Spieler
oder gar mehrere Spieler die gleiche glorreiche Idee, dann wird es nix mit dem
allein Entscheiden, die Karten gelten nicht und es bleibt beim
Mehrheitsentscheid, und im eher unwahrscheinlichen Fall, dass alle eine
Kapitänskarte spielen, hat wieder einmal der Startspieler das Sagen.
Hat man es nun
geschafft, zu einem Entschluss zu kommen, wobei sich die Chronik und die
Spielregel darüber ausschweigt, wer inzwischen Sturm und sonstige Leck begünstigende
Einflüsse anhält – und nein, wir wollen darüber jetzt nicht auch noch
debattieren – wird in das betroffene Boot ein blauer Stein gelegt, der das Loch
sprich Leck markiert. Ist in diesem Boot noch Platz, dann ist halt jetzt
einfach ein Sitz durch Wasser belegt und damit hat es sich für den Moment,
allerdings bleibt dieser Platz dauerhaft nass und kann nie mehr von einem
Seemann besetzt werden.
Sollte allerdings
ein Boot leckschlagen, in dem kein Platz mehr frei ist, dann geht das Abstimmen
von vorne los, welcher Seemann muss weichen damit das Wasser eindringen kann.
Abstimmen dürfen jetzt allerdings nur mehr Spieler, von denen mindestens eine
Figur im Boot sitzt und jeder Steuermann hat zwei Stimmen und jeder Matrose nur
eine, Gleichstände werden wie üblich durch den Startspieler entschieden. Ein
Steuermann geht nur über Bord, wenn kein gleichfarbener Matrose vorhanden ist.
Und jetzt geht’s
um das Schicksal der Boote – denn hat ein Boot am Ende einer Phase mehr Löcher
als Figuren, dann hilft alles nix, es geht unter und wird mit allen Insassen
aus dem Spiel genommen.
Geschafft, wir
sitzen alle in mehr oder weniger löchrigen Booten, aber wir sitzen, und jetzt
geht die Debattiererei von vorne los, denn nun wird zur Abwechslung wieder mal
abgestimmt, welches Boot einen Wellenkamm nach vorne fährt, ohne Spurenwechsel,
und wieder einmal darf bei Stimmengleichheit der Startspieler entscheiden.
Erreicht das Boot mit dem Zug eine Insel, werden die Insassen auf die Insel
verfrachtet und das Boot kommt auf den mit 1 markierten Platz am Spielplanrand,
um die Reihenfolge des Einlaufs zu dokumentieren.
Warum dann die
Seeleute in Phase drei anfangen, ihre Boote zu wechseln, ist seetechnisch nicht
ganz klar, punktetechnisch schon, den man ergattert ja so vielleicht einen
Platz in einem Boot, das eine höherwertige Insel ansteuert. Beginnend beim
Startspieler nimmt jeder eine seiner Figuren aus einem Boot und stellt sie ins
Wasser – bitte nicht darüber nachdenken! – und dann in umgekehrter Reihenfolge
wieder in ein anderes Boot ein, keine Figur darf in das Boot zurück aus dem sie
kam – wem das nicht gelingt, der muss seien Figur aus dem Spiel nehmen. Sind
nach dem Einsteigen mehr Löcher als Seeleute in einem Boot? Richtig, es
versinkt! Und nun wird der des Gleichstands entscheiden schon etwas müde
gewordene Startspieler abgelöst, der nächste reihum ist dran und eine neue
Runde beginnt.
Haben alle Boote
eine Insel erreicht oder sind versunken, zählen alle ihre Siegpunkte zusammen
und der Spieler mit den meisten Punkten gewinnt.
Und wer jetzt
noch reden kann, bestellt wahrscheinlich einen Karibik-Cocktail und freut sich
auf die nächste Partie, sofern ihm das Spiel gefallen hat. Und das ist nicht
unbedingt ein Muss, denn Seenot im Rettungsboot ist ein reines Verhandlungsspiel,
davon können Ausstattung und Thema nicht ablenken – Fans von Diplomacy haben
hier eine einfache, schnelle, leichte Version vor sich, in der man genauso
sticheln, hetzen, Versprechen geben und brechen kann. Mimosen sei zur Vorsicht
geraten und nicht jeder Freund oder Lebenspartner erträgt es mit Gleichmut,
wenn seine Matrosen vom Freund oder Partner ins nasse Grab gestimmt werden.
Logiker kommen hier besonders auf ihre Kosten, denn es ist doch nur logisch,
dass du nicht für mein grünes Boot stimmst, da wir in Boot blau und rot
gleichwertig vertreten sind und ich dir in nächster Runde im gelben Boot helfen
werde … wer’s glaubt wird vermutlich nass! Trotz aller Verhandlungen kommt es
auch auf Geschick und Taktik an, schon beim Einsetzen der Boote und dann vor
allem beim Umsetzen, da kann man andere Spieler oft ganz schön behindern.
Alles in allem
ein Spiel, das man unbedingt einmal probieren sollte, es macht großen Spaß und
hat mehr Tiefgang und Raffinesse zu bieten als man zu Beginn vermutet. Ein Danke
an Argentum für die Neuauflage!
Dagmar.de.cassan@spielezeit.at
Spieler : 3-6
Alter : ab 10 Jahren
Dauer : ca. 90 Minuten
Autor : Ronald Wettering
Grafik : Matthias Catrein
Vertrieb : Fachhandel
Preis : ca. € 27,00
Verlag : Argentum 2006
www.argentum-verlag.de
Genre : Verhandlungs- und Abstimmungsspiel
Zielgruppe : Freunde
Mechanismen : über Positionen der Figuren verhandeln
Strategie : **
Taktik : ****
Glück : *
Interaktion : *******
Kommunikation : *******
Atmosphäre : *******
Kommentar :
Neuauflage von „Rette sich wer kann“
Sehr hübsches Material
Material etwas abgeändert
Gelungene Grafik
Vergleichbar:
Rette sich wer kann
Diplomacy
Dagmar de Cassan:
Ein lupenreines Verhandlungsspiel, ideal für Taktiker mit diplomatischem Geschick oder Durchsetzungsvermögen!