Unsere Rezension
Schiffe, Gebäude und Aktionen
Antarctica
Mehrheiten im Eis
Antarctica ist ein Spiel von Charles Chevallier für zwei bis vier Spieler, erschienen beim Argentum Verlag. Laut Schachtel ist das Spiel ab 10 Jahren geeignet – dem kann ich mich grundsätzlich recht gut anschließen, wobei derartige Altersangaben natürlich immer sehr subjektiv sind. Aber Antarctica ist wohl doch schon eher in die Expertenrichtung einzuordnen, andererseits von den Mechanismen doch nicht wirklich schwierig.
Mir persönlich liegen Grafiken nicht sehr am Herzen, aber ich habe bei Antarctica doch schon mehrmals bemerkt, dass sowohl bei der Schachtel als auch beim Spielplan die Grafik von Dennis Lohausen doch sehr ansprechend ist. Vor allem bei der Schachtel wird offensichtlich hohes Augenmerk am Detail gelegt. Passend zum Thema ist die vorherrschende Farbe blau wie eben Eis oder Kälte.
Thematisch spielt das Spiel in einer vermutlich nicht mehr allzu fernen Zukunft in der Antarktis, nachdem aufgrund der Erderwärmung die Meeresspiegel gestiegen sind, und man neues Land nutzen muss. Dort errichtet man Forschungsstationen und gewinnt Energie.
Während des gesamten Spiels bewegt sich die Sonne im Uhrzeigersinn über den Plan und schmilzt dadurch immer andere Schiffe frei, mit denen man dann Aktionen durchführen kann. Und auch in anderen Situationen werden Aktivitäten der Spieler jeweils gegen den Uhrzeigersinn abgewickelt.
Bei Betrachtung des Spieles fällt auf, dass von einem Aufbauspiel gesprochen wird. Tja man muss sich schon irgendwie aufbauen, letztendlich ist es aber jedenfalls ein Mehrheitenspiel, und Ziel des Spieles ist es möglichst viele lukrative Mehrheiten zu erspielen.
Aber nicht wie in den meisten Mehrheitenspielen sind auch 2. Plätze noch relativ interessant, sondern man sollte jedenfalls an erster Stelle bei einer Mehrheit liegen, denn der Erste erhält, um es allgemein so auszudrücken, alles, und die nachfolgenden Spieler dann nur noch den geringen Anteil, den der davor liegende Spieler beigetragen hat. Das sind z.B. Werte von 18 Punkte für den ersten Platz, drei Punkte für den zweiten und zwei Punkte für den Dritten und Vierten. Aber, auch das im Gegensatz zu vielen anderen Mehrheitenspielen, muss man sich die volle Punktezahlen beim ersten Platz nicht halbiert teilen, sondern bekommt bei Gleichstand die volle Punktezahl. Immerhin gibt es bei vier Spielern 15 Gelegenheiten für Mehrheiten, wobei dann doch die Mehrheiten für die acht Sektoren am Spielplan noch meist etwas lukrativer sind.
Ich denke, man sollte bereits sehr früh, also bereits in einer zweiten Partie, mit dem variablen Spielbeginn spielen, da man sich da dann doch bereits recht taktisch positionieren kann, und eigentlich kaum eine Schwierigkeit darin liegt.
Jedenfalls spielt sich das Spiel wie viele andere je nach Spieleranzahl doch recht verschieden. Ich werde daher in Folge meine Eindrücke des Spieles in voller Besetzung, also mit 4 Spielern, niederschreiben. Ich denke auch, dass die Attraktivität bei 4 Spielern doch am größten ist.
Zum Spielablauf: Bei Spielbeginn setzt jeder Spieler jeweils 2 Schiffe (ähnlich wie bei Catan) reihum und dann zurück. Bereits hier wird zu Beginn reihum gegen den Uhrzeigersinn gespielt. Man kann sich daran aber recht schnell gewöhnen. Schon jetzt hat man dann das Dilemma, dass man einerseits irgendwelche Aktionen planen oder machen will, aber andererseits doch immer eher früh am Zug sein will. Dieses Dilemma zieht sich dann über das ganze Spiel und verlangt immer wieder aufs Neue die beste Entscheidung. Aber gerade bei Spielbeginn und auch bei den ersten Partien ist man dann doch eher planlos und entscheidet sich fürs früh am Zug sein, denn sobald dann das Spiel losgeht, wandert wie erwähnt die Sonne jeweils immer einen Sektor gegen den Uhrzeigersinn weiter, und ermöglicht dem dort der Sonne am nächsten liegenden Schiff (das ist das, welches im Sektor am frühesten gesetzt wurde) eine Aktion. Das funktioniert derartig, dass das Schiff genommen und in einen der anderen sieben Sektoren gesetzt wird, sofern dort noch einer der drei Plätze frei ist.
Man hat dann folgende Aktionsmöglichkeiten: Man baut ein Gebäude, und zwar eines der 14 verschiedenen Gebäude. Voraussetzung dafür ist, dass man die Bedingungen zum Bau des Gebäudes erfüllt. Die Bedingung ist meist Zugang zu einem bestimmten Gebäude (in einem Fall zwei Gebäude) bzw. Zugang zu den erforderlichen Ressourcen, welche eben durch die Gebäude produziert werden; man muss dazu einen Wissenschaftler im persönlichen Vorrat haben (bei einem Gebäude zwei) und darf dann noch auf den Forschungsleisten entsprechende Schritte machen.
Bei Spielbeginn hat man zwei von insgesamt zwölf (bei vier Spielern) Forschern im persönlichen Vorrat. Weitere Forscher muss man sich mit entsprechenden Aktionen lukrieren.
Gebäude gehören nie irgendeinem Spieler, sie stehen immer allen Spielern zur Verfügung. Es gibt grundsätzlich fünf verschiedene Arten von Gebäuden. Die Scheibengebäude ermöglichen mir entweder ein neues Schiff oder neue Forscher in den persönlichen Vorrat zu bekommen. Von den Ressourcen-Gebäude steht bereits jeweils eines zu Spielbeginn am Spielplan, ich brauche sie für den Bau weiterer Gebäude – ähnlich wie die Know-How-Gebäude, welche zu Spielbeginn noch nicht da sind. Dann gibt es noch weitere Scheiben-Gebäude, welche Forschungsstationen verkörpern, mit denen ich mich später auf den Forschungsleisten entwickeln kann. Dann gibt es noch die Prestige-Gebäude, welche keine weitere Funktion haben.
Ich muss gestehen, dass ich bei den ersten Spielen das Spielmaterial etwas kritisch betrachtet hatte, da vor allem die Prestige-Gebäude aus Pappe irgendwie suspekt sind. Mittlerweile habe ich erkannt, dass die Gestaltung der Gebäude, bzw. das Material (Holz, Pappe bzw. Pappplättchen) doch sehr sinnvoll ist.
- Die Aktion Gebäudebau ermöglicht mir, Wissenschaftler in die Sektoren zu stellen, welche dann für die Mehrheitenwertungen am Spielende von Bedeutung sind. Aber auch um die Aktionen Wissenschaftler anwerben, bzw. wissenschaftlicher Fortschritt auf den Forschungsleisten effektiver zu machen, sind Wissenschaftler von Bedeutung. In keinem Sektor darf ein Gebäude doppelt vorhanden sein, was vor allem gegen Spielende etwas knifflig werden könnte, da man vielleicht doch noch einen Wissenschaftler in einem bestimmten Sektor unterbringen will, das dann aber nicht möglich ist, da dort die zur Auswahl stehenden Gebäude bereits stehen. Grundsätzlich gibt es drei Gebäudestapel und stehen daher drei Gebäude zur Auswahl. Sollte jedoch ein Stapel aufgebraucht sein, reduziert sich die Auswahl!
Um das Bauen vor allem in der Anfangsphase etwas zu vereinfachen, verfügt man bereits zu Spielbeginn über eine Ressourcenkarte, die einmalig (allerdings kann man sie bei auf der Position der entsprechenden Forschungsleiste neuerlich bekommen), anstelle des Zugangs zum erforderlichen Gebäude genutzt werden darf. Auch für die beiden Know-How-Gebäude könnte man durch „Erforschen“ eine Ressourcenkarte haben.
- Eine weitere Aktionsoption ist das Anwerben neuer Wissenschaftler für den persönlichen Vorrat. Dies macht man in einem Sektor, in welchem sich das Gebäude Camp (Plättchen) befindet, und zwar so stark wie man dort mit Einheiten vertreten ist (Einheiten sind dann Schiffe - auch das gerade gesetzte - und Forscher) also mindestens eine. Wer früh alle seine Wissenschaftler hat, löst dann vermutlich auch das Spielende aus, denn das Spiel endet entweder, wenn ein Spieler alle seine Wissenschaftler eingesetzt hat, oder alle Gebäude verbaut sind. Ob das Spielende durch den Bau aller Gebäude überhaupt möglich ist, habe ich nicht durchgerechnet, aber da bei Bau von Gebäuden auch Wissenschaftler gesetzt werden, ist das wohl das übliche Spielende.
- Schiff bauen: Sobald sich das Plättchen/Gebäude Werft am Spielplan befindet, kann man ein neues Schiff vom Feld „unbenutzte Spielsteine“ in den Sektor mit der Sonne setzen. Dies bringt einerseits mehr Aktionen, aber auch leichter Zugang zu Gebäuden oder auch mehr Einheiten in den Sektoren.
- Auch auf den Forschungsleisten – es gibt insgesamt 5 – steigt man je nach Stärke im dem Sektor auf, in dem die gewollte Forschungsstation bereits vorhanden ist. Es gibt drei Arten von Forschungsstationen, welche jeweils zwei Leisten zugeordnet sind, nur einer Forschungsleiste sind zwei Forschungsstationen zugeordnet. Auch auf den Forschungsleisten gibt es bei Spielende eine Mehrheitenwertung. Dort überschreitet man Punktewerte – der Erste bekommt die Summe aller vertretenen Spieler, und die dahinter platzierten jeweils die Punkte ihres Vordermannes (sorry ich werde sicher nicht gendern, wenn ich männlich schreibe, dann gilt das auch für Damen, aber nicht mangelnden Respekts sondern wegen der Lesbarkeit!)
Wenn auf den Forschungsleisten bestimmte Felder be- oder überschritten werden, löst das entweder eine bestimmte Aktion für alle (blau), oder eine bestimmte Aktion für den jeweiligen Spieler (rot) aus. Diese Aktionen sollten in den Planungen auch bedacht werden. Das kann ein neuer Wissenschaftler sein, man kann ein Schiff am Spielplan versetzen, das könnte auch eine Ressourcenkarte sein, das kann eine begehrte Werftkarte sein, Schritte auf einer Forschungsleiste, oder gar ein neues Schiff.
Immer wenn ein Spieler ein neues Schiff einsetzt, bekommen, solange noch vorhanden, die anderen Spieler eine Werftkarte. Die Werftkarten ermöglichen eventuell eine Aktion in einem Sektor mit einem Schiff an zweiter Stelle durch den Eisbrecher, zwei Wissenschaftler in den persönlichen Vorrat, einen Wissenschaftler in einen Sektor oder drei Schritte auf einer Forschungsleiste.
Schritte auf den Forschungsleisten werden derart gemacht, dass nur Felder gezählt werden, an welchem sich noch kein Würfelchen eines Mittspielers befindet. Das kann bedeuten, dass man, wenn man spät einsetzt, schon ziemlich weit kommen kann.
Von nicht außer Acht zu lassender Bedeutung ist auch die Aktion, welche man entweder vor oder nach seiner Aktion machen kann, und zwar dass man einen Spielstein (das kann einer der zur Verfügung stehenden Würfel für die Forschungsleisten sein, ein Schiff von den unbenutzten Spielsteinen oder auch ein Schiff vom Spielplan) auf das Feld „freigegebene Spielsteine“ legt. Diese Spielsteine sind dann zwar aus dem Spiel, man bekommt dafür aber einen Wissenschaftler in den persönlichen Vorrat, und es gibt auch auf diesem Feld eine Wertung bei Spielende.
Die letzte noch nicht erwähnte Wertung erfolgt für Gebäudekarten, welche vor den Spielern abgelegt werden, und eigentlich keine Funktion mehr haben. Es gibt Karten mit, und Karten ohne Sternchen. Die Sternchen werden gewertet – wie die anderen Wertungen: 1. (der/die Spieler mit den Meisten) die Summe aller Sternchenkarten die anderen so viele Punkte wie der Spieler davor….
Etwas eigenartig ist bei den Gebäudekarten, dass die Bedingungen zum Bau gleicher Gebäude unterschiedlich sind und auch die Sternchen scheinbar willkürlich (jedenfalls habe ich bis dato noch kein System erkannt) auf den Karten angeordnet sind.
Etwas schwierig ist auch zu erkennen, welche Gebäude auf der Karte Teil der Bedingung sein soll. Hier ist die Grafik meines Erachtens ein wenig verbesserungsfähig.
Ich finde Antarctica ein doch gelungenes Spiel, welche das ganze Spiel über, überlegte Entscheidungen bedarf. Das Spielende kommt zwar oft überraschend, ist aber doch auch durch Beobachtung der Mitspieler kalkulierbar. In dieser Endphase muss man die Entscheidung fällen wo man noch versucht Mehrheiten zu übernehmen oder zu verteidigen. Wobei wenn man nicht der Spieler ist, der selbst das Spielende auslöst, immer der Gefahr aufläuft, dass man doch noch überboten werden könnte. Bei meinen Testspielen hat der Spieler, welcher das Spielende verursacht hat, auch meist gut bis bestens abgeschlossen, zumal dieser Spieler ja auch die meisten Wissenschaftler eingesetzt hat!
Der Mechanismus ist doch eher ungewöhnlich und erlaubt viele Optionen, wo es eben gilt die möglichst gewinnbringendste zu suchen.
Da die Gebäudekarten anfangs gemischt sind, und die Gebäude daher bei jedem Spiel in anderer Reihenfolge zur Verfügung stehen, verläuft jedes Spiel damit auch anders, und kann man vermutlich keiner einzigen gewinnbringenden Strategie vertrauen!
Der Einsatz von Karten (man darf pro Aktionsfeld immer nur eine Karte einsetzen) kann von großer Bedeutung sein!
Auch wenn bisherige Mitspieler teilweise ein nochmaliges Mitspielen verneinten, finde ich persönlich den Wiederspielreiz sehr groß! Und es gäbe sicher auch Möglichkeiten für interessante Erweiterungen.
Hans Mostböck
Spieler: 2-4
Alter: 10+
Dauer: 90+
Autor: Charles Chevallier
Grafiker: Dennis Lohausen
Preis: ca. 35 Euro
Verlag: Argentum Verlag 2015
Web: www.argentum-verlag.de
Genre: Aufbau, Mehrheiten
Zielgruppe: Mit Freunden
Version: de
Regeln: de en fr
Text im Spiel: nein
Kommentar:
Funktionelles Material
Design passt gut zum Thema
Ungewöhnlicher Mechanismen-Mix, vor allem die Mehrheitenwertung
Vergleichbar:
Mehrheitenspiele mit Aufbauelementen
Andere Ausgaben:
Argentum Verlag (en, fr)
Meine Einschätzung: 5
Hans Mostböck:
Für mich ein reizvolles Spiel mit hohem Wiederspielwert, das während des gesamten Spiels wohlüberlegte Entscheidungen verlangt.
Zufall (rosa): 1
Taktik (türkis): 3
Strategie (blau): 1
Kreativität (dunkelblau): 0
Wissen (gelb): 0
Gedächtnis (orange): 0
Kommunikation (rot): 0
Interaktion (braun): 2
Geschicklichkeit (grün): 0
Action (dunkelgrün): 0