Wir bauen gemeinsam
an der Serenissima
Venedig
Brücken für San
Marco
Venedig sehen und
sterben – dieser bekannte Satz sagt wohl am besten etwas über dieses Juwel an
der nördlichen Adria aus. Das Flair einer Stadt, die ins Wasser gebaut wurde
und auf Holzpfählen ruht. Rialtobrücke, Dogenpalast, Seufzerbrücke, der
Campanile und die verschiedenen sehenswerten Kirchen und natürlich auch die
Glasbläser von Murano, das sind Gebäude und Einrichtungen die man mit der Stadt
verbindet und an die man sich immer wieder erinnert wenn man Venedig einmal
besucht hat.
Von Flüchtlingen
besiedelt, die auf der Flucht vor den Hunnen A.D. 452 und Langobarden A.D. 568
waren und sich dort in den Sümpfen versteckt hatten. Die Losung, Erkennung und
Gruß der Flüchtigen war „Veni etiam“ (Auch ich bin hierher gekommen) aus dem
dann der Name Venedig abgeleitet wurde. Neuesten Grabungen und Funden zufolge
sollen dort aber schon die Römer gesiedelt haben.
Zu Beginn dem
byzantinischen Reich zugehörend, entwickelte sich die Stadt bald zu einer
selbstständigen Macht im Mittelmeerraum die durch Monopole im Handel ihren
Reichtum mehrte. Das Wahrzeichen Venedigs, der geflügelte Löwe, ist das
Attribut des Apostels Markus, dessen Gebeine nach Venedig gebracht und wofür
der Markusdom errichtet wurde.
Mit der Entdeckung
der Seerouten über den Atlantik, um Afrika herum und nach Amerika, verschwand
der Einfluss dieser See- und Handelsmacht. 1797 verlor sie ihre
Selbstständigkeit und wurde Österreich angeschlossen. Von 1805 bis 1815 war es
Teil Italiens und ab 1815 wurde es wieder Österreich angeschlossen. 1866 kam
Venedig endgültig zu Italien.
Die Stadt ruht auf
mehreren Millionen Pfählen die in den sandigen schlammigen Untergrund gerammt
wurden. Darunter befindet sich fester Lehmboden. Die Bäume kamen aus dem
heutigen Kroatien, wo sehr viele Inseln in den Kornaten heute nur noch
Buschwerk tragen. Als Beispiel wie viele Bäume man brauchte: Die Rialtobrücke
ruht auf 12.000 Pfählen, der Campanile auf 100.000 und die Kirche Santa Maria
della Salute auf 1,1 Millionen. Das sind nur Schätzungen, aber die Zahlen
stimmen im Großen und Ganzen.
Nachdem ich wieder
einmal viel zu weit ausgeholt habe, möchte ich mich dem Spiel widmen. Venedig
ist ja eine beliebte Stadt für Spieleerfinder und Verlage. Die Stadt mit ihren
vielen Inseln, Kanälen und Vierteln eignet sich hervorragend für
Mehrheitenspiele und die Geschichte der Stadt für so manches Wirtschafts- oder
Kriegsszenario.
Auf der Schachtel
prangt der geflügelte Löwe in goldener Farbe mit dem Hintergrund der
Lagunenstadt. Der Spielplan zeigt Venedig, allerdings nur wie er in der
Fantasie der Erfinder des Spiels aussieht. Er hat mit der Realität so gut wie
nichts zu tun. Die 5 Viertel sind in 6-eckige Felder unterteilt und die Viertel
durch Kanäle getrennt. Auf manchen Feldern sind Gebäude abgebildet und auf
anderen Ziegel mit Hammer und Meißel.
Auf die bereits
abgebildeten Gebäude kommen die passenden Bauwerke sofort darauf. An jeden
Spieler werden 3 Gebäudekarten ausgeteilt und die restlichen verdeckt bereit
gelegt. Auf die freien Felder kommen so genannte Sumpfplättchen die auf der
verdeckten Seite eine Zahl anzeigen. Die Schatzplättchen, die ebenfalls auf der
verdeckten Seite eine Zahl anzeigen werden verdeckt bereit gelegt.
Die folgenden drei
Aktionen sind exakt in dieser Reihenfolge durchzuführen: In der ersten Aktion
kann der Spieler Karten vor sich spielen. Sobald eine Karte eines Gebäudes
ausgespielt wurde, ist der Bau dieses Gebäudes eröffnet. In den oberen Ecken
der Karte ist ein Zahl von 1 -4 vermerkt. Diese gibt an wie viele Karten einer
oder mehrere Spieler vor sich liegen haben müssen, um dieses Gebäude zu bauen.
Wenn ein Spieler
die erste Karte eines Gebäudes auslegt, bekommt er die Baumeisterfigur dieser
Gebäudefarbe. Sollte ein anderer Spieler mehr Karten dieses Gebäudes ausliegen
haben als der Spieler mit der Baumeisterfigur, dann wechselt diese den
Besitzer. Es dürfen aber nie mehr Karten ausliegen als benötigt werden. Liegen
für ein Gebäude alle erforderlichen Karten aus, wird dieses gebaut.
Jedes Gebäude
benötigt eine bestimmte Anzahl (1-3) an Feldern, um gebaut zu werden. Zu Beginn
sind diese zum größten Teil durch Sumpfplättchen verdeckt. Baut jemand das Haus
(Casa) benötigt er 1 Feld und 1 Karte und bekommt sofort einen Siegpunkt. Der
Palast (Palazzo) benötigt 2 Felder und 3 Karten und man bekommt einen Punkt pro
unbebautem angrenzenden Feld, also max. 8. Der Platz (Campo) benötigt 1 Feld
und 3 Karten und man bekommt für jedes benachbarte bebaute Feld einen Punkt.
Die Kirche (Basilika) benötigt 3 Felder und 4 Karten und man bekommt 7 Punkte.
Die Brücke (Ponte) benötigt 2 Felder, die einen Kanal überbrücken müssen und
durch eine weiße gestrichelte Linie verbunden sind, und 3 Karten und man
bekommt für jedes Haus in einem der beiden Stadtviertel, der Baumeister
entscheidet welches Viertel, einen Punkt.
In zwei Fällen kann
ein Spieler auch alleine bauen. Er hat bereits eine vor sich liegen und spielt
alle anderen benötigten Karten aus der Hand vor sich. Im zweiten Fall spielt
der Spieler alle Karten von der Hand, auch wenn bereits ein anderer Spieler
Karten für dieses Gebäude gespielt hat. In zweiten Fall bekommt er den
Baumeister nicht.
Danach werden die
Gebäude auf den Spielplan platziert. Die dazu benötigten Baufelder müssen
unbebaut und ohne Sumpfplättchen sein. Baut ein Spieler alleine platziert er
das Gebäude, sind mehrere beteiligt baut der Spieler mit der Baumeisterfigur.
Die Karten die man für den Bau benötigt, werden abgelegt.
Ist der Spieler
alleine am Bau beteiligt, bekommt er die vollen Punkte. Ansonst erhält der
Spieler mit der Baumeisterfigur die vollen Punkte und alle anderen den halben
Punktewert, abgerundet. Nach jedem abgeschlossenen Bauvorhaben werden die
Punkte gezogen. Dazu besitzt jeder Spieler eine Gondel und die Siegpunkteleiste
geht in diesem Spiel durch die Kanäle von Venedig.
Beginnend bei dem
Spieler, der das Gebäude platziert hat, werden die Punkte mit den Gondeln
gezogen und Felder, auf denen andere Gondeln stehen, werden übersprungen und
nicht mitgezählt. Steht vor diesem Ziehen eine Gondel eines am Bau beteiligten
Spielers benachbart an ein Viertel wo das Gebäude gebaut wurde, bekommt dieser
Spieler ein Goldschatzplättchen. Erst danach werden die Gondeln gezogen. Die
Baumeister von gebauten Gebäuden werden zurück auf deren Platz gestellt.
Am Ende der ersten
Aktion darf ein Spieler nicht mehr als zwei Bauvorhaben vor sich liegen haben.
Überzählige Bauvorhaben werden abgelegt. In der 2. Aktion kann der Spieler vom
Plan 1 oder 2 Sumpfplättchen nehmen. Er schafft somit neue Bauplätze. Die
Sumpfplättchen legt er vor sich ab. Diese Plättchen zeigen auf der verdeckten
Seite den Wert 0 – 2 und die Schatzplättchen den Wert 4 - 6 an. Fünf dieser
Punkte können jederzeit im Spielzug des Spielers in einen Siegpunkt umgewandelt
werden.
In der 3. Aktion
zieht der Spieler Karten nach. Entweder er zieht eine Karte aus dem offen
ausliegenden Kartenpool, der zu Beginn noch nicht existiert und erst geschaffen
werden muss oder er zieht die oberste Karte vom verdeckten Zugstapel. Die 2.
Möglichkeit an Karten zu kommen ist, eine Karte offen in den Pool legen und
drei Karten entweder vom Pool und/oder vom Nachziehstapel zu nehmen. Die
Gebäudeart die der Spieler in den Pool legen möchte, darf dort noch nicht
liegen und beim Nachziehen muss der Spieler zuerst aus dem Pool ziehen. Die
soeben gelegte Karte darf man nicht zurücknehmen.
Das Handkartenlimit
ist 5 und daher kann man die 2. Nachziehmöglichkeit nicht nutzen wenn dadurch
das Limit überschritten wird. Liegen danach 4 Gebäudekarten im Pool wird dieser
geleert und die Karten abgelegt.
Das Spiel ist
beendet, wenn eine Gebäudeart komplett verbaut wurde, oder sobald eine Gondel
das Feld mit der Zahl 60 erreicht hat oder darüber hinweg zieht. Die Punkte für
das letzte Gebäude dürfen noch alle beteiligten Spieler ziehen. Das Umtauschen
der Sumpf- und Schatzplättchen in Siegpunkte ist die letzte Aktion. Es gewinnt
der Spieler mit den meisten Punkten.
Im Spiel zu zweit
spielt ein imaginärer dritter Spieler mit, der keine Karten und auch keine
Gondel bekommt. Wann immer ein Spieler am Zug ist kann er vor oder nach seinem
Zug eine Karte für diesen Spieler aufdecken. Dieser Spieler darf ebenfalls nur
2 Gebäudearten vor sich liegen haben und deckt man eine dritte auf wird diese
abgelegt. Besitzt der imaginäre Spieler den Baumeister, bestimmt der Spieler am
Zug wo gebaut wird.
Die Regel ist klar
geschrieben und lässt keine Fragen offen. Es finden sich in der Regel auch
ausreichend Beispiele, die unterstützend wirken. Was ich an der Regel
kritisiere ist ihre Langwierigkeit. Sie trägt zuviel Ballast mit sich herum.
Für ein Familienspiel ist sie zu lange und es finden sich darin zu viele
Regelpassagen die nicht notwendig gewesen wären. Der Baumeister zum Beispiel,
in allen Partien hat er vielleicht 4 mal den Besitzer gewechselt und in den
anderen Fällen hat immer derjenige die vollen Punkte erhalten, der den Bau
begonnen hat. Da hätte man auch gut darauf verzichten können und man hätte sich
eine umständliche Regel erspart.
Die zweite Regel,
die absolut umsonst ist, ist, dass ein Spieler wenn er auf eine Aktion
vergessen hat, diese auf keinen Fall nachholen darf. Für ein Familienspiel, wo
es darum gehen sollte, dass alle Spaß haben, ein Stolperstein. Die dritte
Regel, die ich für entbehrlich halte sind die Punkte auf den Sumpf- und
Schatzplättchen. Warum – darauf komme ich später nochmals darauf zu sprechen.
Man bekommt für
seine ca. 23 Euro ein gut ausgestattetes Spiel mit sehr vielen
Holzspielsteinen. Die Gebäude und Gondel sind gut verarbeitet und sehr schön
anzusehen. Die Karten sind von griffiger Qualität und grafisch schön gestaltet.
Es liegt für jeden Spieler eine Kurzspielregel bei, was mich besonders freut.
Der Kritikpunkt an dieser Stelle ist der Spielplan. Abgesehen davon, dass Venedig
nicht erkennbar ist, würde ich den Spielplan als hässlich und langweilig
bezeichnen. Da wäre grafisch sicherlich mehr zu machen gewesen. Aber der Verlag
hat dies bereits erkannt und denkt laut über eine Änderung für die 2. Auflage
nach.
Der Spielfluss ist
von Beginn an flüssig, wenn man auch ständig auf die Aktion Sumpfplättchen
nehmen vergisst. An dieser Stelle die Empfehlung, dies nicht so genau zu nehmen
und die Spieler diese Aktion auch nachholen zu lassen. Die Dauer des Spieles
liegt bei den angegebenen 60 Minuten. Bei ein wenig Übung ist es in 45 Minuten
bei voller Besetzung zu schaffen.
Mit Venedig bekommt
man leider ein beliebiges Spiel, von dem Standpunkt des Vielspielers aus.
Taktische Tiefe ist nicht vorhanden oder so seicht, dass sie kaum wahrnehmbar
ist. Noch am ehesten zu dritt kann man seinen Zug ein wenig planen, zu viert
und zu fünft wird man nur noch gespielt. Es beeinflussen einfach zu viele nicht
beeinflussbare Komponenten die Züge der Spieler.
Nehmen wir die
Regel der Sumpf- und Schatzplättchen her, die man ja 5 zu 1 für einen Siegpunkt tauschen kann. In der
Hälfte aller Partien hatte ich immer einen Spieler in der Runde der bei den
Schatzplättchen keinen 5er und 6er Wert erhalten hat. Nachdem die
Schatzplättchen uns regelmäßig ausgegangen sind, obwohl in der Regel steht das
dies nur selten passiert, hat sich der Fall ergeben, dass die Spieler die hohe
Werte hatten, zu Beginn des Zuges ein 5er oder 6er Plättchen abgaben und einen
Siegpunkt erhielten. Dieses Plättchen haben sie sich durch Bauen in der
gleichen Runde wieder zurückgeholt. Diejenigen Spieler, die nur niedrige Werte
erhielten mussten so mindestens zwei Plättchen abgeben und waren dadurch klar
im Nachteil.
Was wir auch
beobachten konnten, war das sich Spieler verbündet hatten und mit der
Übersprungregel sich von Rest des Feldes absetzten oder sogar einen einzelnen
Spieler abhängten. Das ist für ein Familienspiel für meine Begriffe zu
destruktiv, und wird den oder die Betroffenen sicher nicht zu einer weiteren
Partie bewegen.
Wenn sich aber in
einer Partie gleichwertige Spieler einfinden, dann ist das Ende des Spieles
nicht durch besseres Spielen erreicht worden sondern immer nur zufällig. Die
Endergebnisse waren immer um die 4 Punkte Differenz zwischen allen Spielern und
ausnahmslos alle Sieger meiner Testpartien wussten nicht warum sie gewonnen
hatten.
Ich habe das
Gefühl, dass hier mit Gewalt ein Spiel auf den Markt gebracht wurde und die
Überlegungen welche Zielgruppe man ansprechen möchte nicht ausreichend diskutiert
wurde. Für geübte Spieler ist es zu langweilig und für Familien die eher
weniger spielen hat es zuviel Regelballast und unnötige Stolpersteine.
Was man dem Spiel
aber nicht vorwerfen kann, ist dass es keinen Spaß machen kann. Den Familien
die eher ungeübt im Spiel sind, mit denen ich gespielt habe die hatten Spaß
daran, wären aber an den Regeln ohne meine Hilfe gescheitert und hätten so nie
ins Spiel gefunden. So haben wir wieder einmal ein Spiel das für die breite
Masse geschaffen wurde (kein Vorwurf, jeder muss Geld verdienen) und wenn die
Regel auch noch dafür gemacht wäre dann könnte damit der Verlag auch Geld
verdienen.
Spieler
: 2-5
Alter
: ab 10 Jahren
Dauer
: 60 Minuten
Autor :
Grafik : Oliver
Freudenreich
Vertrieb : Berg Toy
Preis
: ca. € 26,00
Verlag : Amigo
2007
www.amigo-spiele.de
Genre
: Bau- und Zugspiel
Zielgruppe
: Familie
Mechanismen
: Karten ausspielen, Gebäude bauen und Punkte bekommen
Strategie : *
Taktik : **
Glück : *****
Interaktion : ***
Kommunikation : *
Atmosphäre : ****
Kommentar:
langwierige
Regel mit zuviel Ballast
geringe
taktische Tiefe
langweilige
Grafik des Spielplans
wenn
einfachere Regel dann klassisches Familienspiel
Vergleichbar:
Manhattan, Hans im Glück
Kurt
Schellenbauer:
Für
ein dermaßen beliebiges Spiel eine derart komplizierte und langwierige Regel zu
schaffen ist ein Kunstgriff für den der Verlag und der Autor einen Preis
verdienen. „Weniger ist mehr“ – wäre hier angebracht und die Zielgruppe Familie
käme sicher damit besser zurecht.