Mit Freunden

 

Der Pikte muss sterben!

ALBION

Materialschlacht für Eroberer mit Durchhaltevermögen

 

Kid                       

Family                  

Friends         ein    

Expert                           

 

Alter                    

Spezial                 

 

 „Das sieht aber gar nicht schön aus“. Nach diesem ersten Kommentar einer Mitspielerin der Testgruppe beim Ausbreiten des Spielplans zwinge ich mich zur Ruhe und fahre mit den Vorbereitungen des neuen Wrede-Spiels ALBION fort. Ich habe jede Menge Zeit, mich zu beruhigen, denn schließlich wollen 304 (!) winzige Pappteilchen aus dem Stanzbogen gedrückt, nach Farben, Form und Funktion sortiert und schließlich unter den Mitspielern verteilt werden. Bewegungsmarker, Befestigungsanlagen, Siedlungen, Rohstoffbetriebe und Kastelle liegen letztlich fein säuberlich gestapelt vor uns – und das in jeweils drei bis vier Ausbaustufen, die sich nur durch die römische Zahl und die winzigen Grafiken darauf voneinander unterscheiden lassen. Ich blicke endlich auf und sehe in drei missmutige Augenpaare. „Kann es jetzt endlich losgehen?“ Ich schüttle den Kopf, denn vor die Eroberung Englands hat der liebe Wrede den Aufbaufleiß gesetzt, der nun noch durch den letzten Feinschliff auf dem etwas uninspiriert grün in grün gehaltenen Spielplan mit dem Umriss Englands seinen Abschluss findet. Dort nämlich werden nun noch zufällig 35 Pikten verteilt – repräsentiert durch abermals Pappplättchen, dieses Mal runde – die entweder friedliche Zeitgenossen mit der Abbildung eines Handschlags zeigen, oder ein kriegerisches Ansinnen besitzen, was durch eine Streitaxt symbolisiert wird. Wie viele Pikten wo anzusiedeln sind, ist von der Regel vorgegeben, welche es sein werden, weiß aber niemand, denn die Plättchen werden zunächst verdeckt gelegt.

Da man bei Erobern auch auf Nahrung angewiesen ist, starten die Spieler außerdem bereits mit je einem Rohstoffbetrieb „Fischerei“ und „Holzlager“ der Stufe eins in wiederum vorgegebenen Rohstofffeldern. Stufe eins bedeutet, diese Betriebe bringen dem Spieler je einen Fisch bzw. ein Holz, die, wie könnte es anders sein, ebenfalls aus Pappe bestehen, aber wenigstens in der Form der Rohstoffe, die sie darstellen, gestanzt sind. Wird im Laufe des Spiels die Stufe ausgebaut, bringen die Betriebe entsprechend mehr Ertrag ein. Von Süden aus soll das Land besiedelt werden, also werden letztlich am unteren Ende des Spielplans von jedem Spieler jeweils eine Befestigung der Stufe eins und ein Siedler (der immerhin zur Abwechslung aus echtem Holz ist) platziert. Mit zwei Bewegungsmarkern und einem bestimmten Grundstock an Rohstoffen starten die Teilnehmer nun ins Spiel.

 

Und los!
Nach diesem Aufbaumarathon machen sich erste Ermüdungserscheinungen bei den Mitspielern breit, die noch nichts gemacht haben, aber schon jetzt auf einen prallvollen, recht unübersichtlichen Spielplan schauen. Ich versuche, die Motivation zu heben, indem ich die im Grunde, zumindest für Vielspieler, recht einfachen, lediglich aus sechs Seiten bestehenden, Regeln zusammenfasse und inständig hoffe, dass doch noch ein nettes Spiel zustande kommen wird.

„Wer am Zug ist, bewegt entweder einen Siedler oder einen Legionär (die einzigen anderen Figuren aus Holz in diesem Spiel) und errichtet dann ein Bauwerk – oder er nimmt sich die Rohstoffe, die seine Betriebe zum aktuellen Zeitpunkt produzieren.“ Verfügt ein Spieler also beispielsweise über eine Fischei Stufe 2, ein Holzlager Stufe 1 und eine Goldmine (die ebenso wie der Steinbruch erst später ins Spiel kommt) Stufe 3, erhält er zwei Fische, ein Holz und drei Gold.

„Das ist ja einfach“, lacht Silvia, „dann ist das ja doch nicht so kompliziert.“

Ich freue mich über den Zuspruch und erläutere nun auch noch die andere Zugmöglichkeit, die dann doch ein wenig komplexer ist.

 

Schaffe, schaffe, Häusle baue

Alternativ kann ein Spieler auch einen oder mehrere Siedler oder Legionäre um insgesamt so viele Gebiete weiter bewegen, wie er Bewegungsmarker vor sich liegen hat und darf dann mit jedem Siedler ein Bauwerk errichten oder um eine Stufe ausbauen. Allerdings nur in dem Gebiet, in dem sich ein Siedler gerade befindet. Nun wird auch klar, wofür die Rohstoffe, benötigt werden, denn für ein Gebäude der Stufe 1 muss ein Spieler einen beliebigen Rohstoff bezahlen, für Stufe 2 zwei verschiedene, für Stufe 3 drei verschiedene und für Stufe 4 vier verschiedene. Hochwertige Ausbauten sind also potenziell schwieriger zu realisieren. „Und warum sollte ich überhaupt Gebäude bauen“, will Silvia wissen. Ganz einfach, um zu gewinnen! Wer nämlich zuerst seine dritte Siedlung auf Stufe 4 ausgebaut hat, beendet das Spiel und wird als erfolgreichster Gesandter des römischen Kaisers zum Sieger ernannt. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg. Gut, dass mit jeder gebauten Gebäudestufe Vorteile winken, wie zum Beispiel zusätzliche Bewegungsmarker (bei Kastellen der Stufen 1 und 2), die auch den Vorstoß in weiter entfernte Gebiete ermöglichen, weitere Siedler- und Legionärsfiguren (Siedlung Stufe 1 und 2), die Möglichkeit, ein Gebäude kostenlos um eine weitere Stufe zu erhöhen oder der Schutz vor den Angriffen der Pikten durch den Bau von Befestigungen. Alles hängt also irgendwie voneinander ab. Ohne Bau kein Vorstoß, ohne Vordringen keine weiteren Rohstoffe, die nur in entfernten Gebieten verfügbar sind, ohne Rohstoffe kein (Aus-)bau von höherwertigen Gebäudestufen. Wer die Zusammenhänge nicht schnell genug erfasst, wird leider ein zähes Spielvergnügen vor sich haben.

„Jetzt lass uns doch endlich anfangen, bevor dir die Zunge ab fällt“, drängelt Carmen. Wird schon irgendwie klappen. Ich beuge mich dem Druck, obwohl ich doch noch gar nicht dazu gekommen bin, zu erläutern, wieso beim Bau unter Umständen ein zusätzlicher Obolus gezahlt werden muss und wie ein Angriff der Pikten vonstatten geht und wie man sich dagegen verteidigen kann. Aber das wird sich sicher zeigen, wenn es soweit ist. Wir legen also los und nachdem Stephan zwei Schritte mit seinem Siedler gezogen ist, will er im Zielfeld eine Siedlung bauen. Er legt also ein Holz zurück in den allgemeinen Vorrat und legt die Gebäudestufe in das Gebiet. „Halt!“ rufe ich, „erst verdeckt legen, denn es kann noch zu einem Angriff der Pikten kommen und dann darfst du das Gebäude gar nicht bauen.“ Stephan schaut mich ungläubig an. „Na gut, und wie geht das jetzt wieder?“

Ich schaue mir das Feld an. Silvia hat dort schon eine Siedlung der Stufe 1, also kommt der Rohstoff gar nicht zurück in den Vorrat, sondern als Obolus zu Silvia, die bereits ein höherwertiges Gebäude im selben Gebiet liegen hat. So sind nun mal die Regeln. Silvia freut sich und ich erkläre weiter. Stephan muss jetzt sofort den Siedler, mit dem er das Gebäude bauen will, zurück auf das Startfeld stellen. Vor dort aus darf er dann später wieder starten. Warum? Nun, so sind nun mal die Regeln.

Nun wird einer der im Baugebiet verdeckt liegenden Pikten aufgedeckt. Die Streitaxt ist zu sehen und es kommt zum Angriff. Weil dies bislang der einzige aufgedeckte kriegerische Pikte ist, bedroht er das Gebiet mit einer Stärke von 1. (Wären zwei Pikten mit Äxten zu sehen, läge der Wert bei 2 usw.). Alle Spieler mit Gebäuden in dem Gebiet müssen sich nun verteidigen, wobei ein Legionär im Gebiet des Angriffs einen Verteidigungspunkt bringt und zusätzlich jede Befestigung mit ihrer Stufe zu Buche schlägt, egal wo sie sich auf dem Spielplan befindet. Warum das so ist? Auch das steht eben in den Regeln. Da zu Spielbeginn jeder eine Befestigung der Stufe 1 besitzt, sind sowohl Silvia als auch Stephan in dem Gebiet gegen den einen Pikten geschützt, Stephan baut seine Siedlung und kann ab sofort die Vorteile nutzen. Für den Bau nimmt er sich einen Legionär, den er auf das Startfeld stellt, und der nächste Spieler ist an der Reihe.

„Und was wäre gewesen, wenn ich mich nicht hätte verteidigen können“, fragt Silvia. „Dann hättest du deine höchste Stufe wieder zurückbauen müssen oder Stephan hätte das Gebäude gar nicht erst bauen dürfen. Wer zurückbauen muss, verliert übrigens auch die Gebäudeeigenschaften und muss z.B. Bewegungsmarker wieder abgeben oder bereits eingesetzte Siedler oder Legionäre wieder vom Spielplan nehmen.“ Dies verleitet Stephan zum leidenschaftlichen Ausruf: „Es gibt also nur eine Lösung: Der Pikte muss sterben!“

Ich schüttele den Kopf und wir quälen uns noch ein paar Züge durch das Spiel. Nachdem mehrere Spieler mehrfach Pech hatten und geplante Gebäude wieder zurückbauen mussten, macht sich Unmut breit. Man fühlt sich gespielt, wurstelt ständig am Anfang herum und kommt einfach nicht voran. Das Ganze wird als zäh und langweilig bezeichnet und letztlich erfährt ALBION die spielerische Höchststrafe: Wir müssen abbrechen!

 

Satz mit X?

Wie ist es nun, dieses ALBION von Klaus-Jürgen Wrede? Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht. Die Regel liest sich spannend und eingängig, der eigentliche Spielablauf bis zum Abbruch war hingegen unendlich mühsam und wenig befriedigend. Es ist ein ständiges Abstrampeln, bis man endlich soweit aufgerüstet hat, um auch in entlegenere Winkel vordringen zu können, nur um dann nach einem Bauvorhaben wieder auf dem Startfeld zu beginnen. Trotz des anfänglichen Überraschungsmoments durch die zufällig aufgedeckten Pikten ist der Ablauf gleichförmig und letztlich langweilig. Auch weitere Versuche einer Partie in unterschiedlichen Besetzungen brachten dasselbe Spielgefühl. Auch die Piktenbedrohung ist so groß nicht, ist doch abzusehen, dass deren Angriffsstärke nie mehr als die Summe der bereits liegenden Pikten plus dem beim Bauvorhaben Aufzudeckenden betragen kann. Spätestens ab dem zweiten Spiel wird man sich also hüten, ein Gebäude in einem Gebiet zu bauen, in dem man den Pikten unterlegen wäre. Sind alle Pikten aufgedeckt, greifen sie nie wieder an, die Gebiete sind also sicher. So artet das Spiel in den letzten Zügen lediglich in ein Wettrennen aus, wer am schnellsten die drei Siedlungen ausgebaut hat, die nun völlig ohne Gefahr und ohne Einflussnahme der Mitspieler nach und nach gebaut werden können.

Habe ich falsch erklärt? Haben wir falsch gespielt? Ich weiß es nicht. Wenn man sie bislang erschienenen Rezensionen betrachtet, ist da von einem „weiteren großen Wurf“ die Rede, von „Spaß und Spannung pur“, von „schönem Material“ und „anmutender Grafik“. All dies konnte die Testgruppe so nicht bestätigen. Der grün in grün gehaltene Plan mag ja funktional sein, mehr Farbe wäre bei dem Gewusel an Plättchen auch kaum auszuhalten, wirklich schön ist er aber nicht. Holzstücke aus echtem Holz sind haptisch ansprechend, flache Plättchen in der Form von Baumstämmen eher weniger. Wenigstens die Siedler sehen aus wie eine Spielfigur mit Kopf, oder zumindest wie ein Pöppel, aber warum die Legionäre einfache Holzscheiben sind, wird wohl auf immer ein Geheimnis bleiben.

Natürlich kann man anfangs etwas taktieren, natürlich lässt sich mit der Option, bei der Bewegung eines Legionärs einen verdeckten Pikten einfach mitzunehmen und in einem anderen Gebiet zu positionieren, zumindest bis etwa zur Hälfte des Spiels den anderen Mitspielern ins Handwerk pfuschen, natürlich greifen die Elemente funktional ineinander und vielleicht macht das Spiel auch in der richtigen Runde wirklich Spaß. Dennoch lässt ALBION in seiner Gesamtheit die Elemente vermissen, die einen erstklassigen Wrede ausmachen. Es fehlt die Einfachheit bei gleichzeitiger Spieltiefe seines Geniestreichs CARCASSONNE, es fehlt die Geschichte, die ein „POMPEJI“ erzählt, es fehlt die stimmungsvolle Umsetzung mit schönem Material bis ins Detail eines MESOPOTAMIEN. So ist die Eroberung Britanniens letztlich ein Feldzug mit fadem Beigeschmack.

 

stefan@pierrot.tobit.net

 

Spieler: 2-4

Alter: ab 12 Jahren

Dauer: ca. 75 Min

 

Autor           : Klaus-Jürgen Wrede

Grafik          : Dennis Lohausen

Vertrieb A    : Berg Toy

Preis            : ca. 30,- Euro

Verlag          : Amigo 2009

                     www.amigo-spiele.de

 

Bewertung:

Genre          :Taktisches Aufbau- und Entwicklungsspiel
Zielgruppe    : Mit Freunden

Mechanismus: Gebäude bauen, um eigene Fähigkeiten zu stärken

Kommentar:

Grafisch uninspiriert und langweilig
Geringer Aufforderungscharakter durch fietzeliges Material
Unübersichtliches Gewusel auf dem Spielplan
Gleichförmiger Ablauf mit gegen Ende abfallender Spannungskurve
Interessant verwobene Mechanismen, aber ohne große Innovation

Zufall                     : 5

Wissen/Gedächtnis  :

Planung                 : 4

Kreativität              :

Kommunikation      : 3

Geschicklichkeit      :

Action                   :

 

Vergleichbar: diverse Aufbau- und Eroberungsspiele

 

Atmosphäre: 1

Stefan Olschewski

Trotz interessanter Mechanismen leider langweiliges Aufbauspiel ohne jeden Höhepunkt oder Spannungsbogen.