Puerto Rico
Das Spiel:
Entwicklungs- und Wirtschaftsspiel
für 3-5 Spieler ab 12 Jahren
von Andreas Seyfarth
alea, 2002
Win-Wertung:
*** IIIUUUAAASSTTK 3-5 (3-5) h
Letztes Jahr ist in Essen Puerto Rico zum ersten Mal der breiten
Öffentlichkeit vorgestellt worden und seit
kurzem ist das Spiel auch im Handel erhältlich. Ich muß ehrlich zugeben,
dass ich schon lange nicht mehr ein Spiel so sehnlich erwartet habe. Okay, ich
habe eine Vorliebe für Wirtschaftsspiele und wenn diese ein Thema noch sehr gut
umsetzen, dann steht für mich dem Spielspass nichts mehr im Wege. Andreas
Seyfarth hat einen ungewöhnlichen Weg gefunden, wie die Produktion von Waren in
einem Spiel verwirklicht werden kann und mit alea-Spiele wurde der ideale Partner
für eine ansprechende und hochwertige Ausführung gewonnen.
Ziel des Spieles ist, im Gegensatz zu anderen
Wirtschaftsspielen nicht das Anhäufen von Geld, sondern das Sammeln von
Siegpunkten. Damit wurde gewährleistet, dass nicht ein monetärer Vorteil am
Beginn des Spieles sich als uneinholbarer Vorsprung durch das ganze Spiel
zieht.
Die zweite Innovation ist der Spielmechanismus, der
verhindert, dass alle möglichen Aktionen in jeder Runde auch wirklich immer
durchgeführt werden können. Das funktioniert mit verschiedenen Rollen, unter
denen die Spieler auswählen. Der Startspieler (= Gouverneur) hat so die Auswahl
zwischen dem Siedler, Baumeister, Bürgermeister, Aufseher, Händler, Kapitän und
bei 4 oder 5 Spielern dem Goldsucher. Hat ein Spieler sich eine Rolle
ausgesucht, so führt er die Aktion sofort aus. Alle anderen Spieler können
diese Rolle nach ihm ebenfalls ausführen. Danach kommt der nächste Spieler mit
dem Wählen einer der verbleibenden Rollen an die Reihe. Haben alle Spieler eine
Rolle gewählt, wird auf die verbleibenden Rollen je eine Dublone als
zusätzlicher Bonus für die nächste Runde gelegt und der Gouverneur wechselt zum
nächsten Spieler. Auf diese Art und Weise werden die verschiedenen Funktionen
im Spiel je nach Bedarf der Spieler durchgeführt und man muss immer abwägen
zwischen “ich brauche diese Rolle jetzt unbedingt” und “diese Rolle bringt
einem anderen Spieler mehr Vorteile als mir”. Ja, und der Spieler, der eine
Rolle ausgesucht hat, der bekommt noch ein persönliches Privileg zu dieser
dazu. Doch nun mal zu den einzelnen Rollen im Detail:
Der Siedler. Der Siedler fügt eine weitere Plantage zu
seinem Besitz hinzu. Er kann als Aktion aus den offen ausliegenden Plantagen
wählen oder eine verdeckt ziehen. Als Privileg für den Siedler kann dieser
statt der Aktion einen Steinbruch wählen. Jeder kann auf seiner ganz
persönlichen Insel bis zu 12 Plantagen bauen und mit diesen Plantagen setzt man
die Grundlage für die Produktion von Mais, Indigo, Zucker, Tabak oder Kaffee.
Damit die Plantage zum arbeiten beginnt muss sie noch mit einem Kolonisten
versehen werden. Dies geschieht dann in der Bürgermeisterphase.
Der Baumeister. Der Baumeister kauft sich eines der
verfügbaren Gebäude und legt es auf eines seiner 12 Stadtfelder. Als Privileg
bekommt der Baumeister einen Rabatt von einer Dublone auf die Baukosten eines
Gebäudes. Es gibt fünf große Gebäude, die zwei Felder in der Stadt einnehmen
und nur je ein Mal vorhanden sind. Die kleinen Gebäude sind mehrfach vorhanden,
dürfen aber pro Spieler nur einmal gebaut werden. Ja und mit Steinbrüchen, die
auch mit einem Kolonisten besetzt sind, wird ein Gebäude auch billiger. Jedes
Gebäude hat auch eine Funktion, aber auch für die Gebäude gilt: Damit sie ihre
Funktion ausüben können, müssen sie in der Bürgermeisterphase mit Kolonisten
besetzt worden sein. Die einzelnen Gebäude werde ich weiter unten genauer
beschreiben.
Der Bürgermeister. In der Bürgermeisterphase erreicht das
Kolonistenschiff endlich sein Ziel und jeder Spieler nimmt sich reihum, bis das
Schiff leer ist, immer einen der Kolonisten und platziert ihn auf einen seiner
Gebäude oder Plantagen. Als Privileg bekommt der Bürgermeister einen
zusätzlichen Kolonisten aus dem Vorrat. Jetzt ist auch der richtige Zeitpunkt,
um die Kolonisten zwischen den Plantagen und Gebäuden neu zu verteilen. Zum
Schluss werden noch die unbesetzten Stellen in den Gebäuden gezählt (nicht in
den Plantagen!) und ein neues Kolonistenschiff mit der entsprechenden Anzahl an
Kolonisten macht sich auf den Weg.
Der Aufseher. Endlich geht es ans Herstellen von neuen
Waren! Beginnend mit dem Aufseher bekommt jeder Spieler die entsprechende
Anzahl der Waren, die er auf seinen Plantagen und Gebäuden erzeugt. Für jeden
Mais ist nur eine besetzte Plantage notwendig, für Indigo, Zucker, Tabak und
Kaffee muss neben der Plantage auch ein entsprechendes besetztes Gebäude
vorhanden sein. Ist eine Ware nicht mehr im allgemeinen Vorrat vorhanden, so
kann diese Ware auch nicht produziert werden. Am Schluss nimmt sich der
Aufsehen noch als Privileg eine weitere Ware, die er gerade erzeugt hatte.
Der Händler. Hier bietet sich eine der wenigen
Gelegenheiten tatsächlich zu Geld zu kommen. Der Händler kann eine einzige
seiner Waren in das Warenhaus verkaufen und bekommt als Privileg eine Dublone
extra. Das Warenhaus gehorcht aber seinen eigenen Gesetzen, und so ist hier nur
Platz für maximal vier Waren und jede Ware darf nur ein einziges mal im
Warenhaus liegen. Erst wenn das Warenhaus mit vier Waren belegt ist, wird es am
Ende einer Händlerphase geleert. So kann es vorkommen, dass in einer
Händlerphase nur eine einzige Ware verkauft werden kann.
Der Kapitän. Es gibt drei Schiffe, die Waren in die Alte
Welt transportieren. Jedes dieser Schiffe befördert allerdings nur eine einzige
Art von Ware (die auch nicht auf einem anderen Schiff bereits geladen sein
darf) und läuft erst aus, wenn das Schiff voll beladen ist. In der
Kapitänsphase liefert reihum jeder Spieler alle seine Waren einer Sorte auf ein
Schiff, sofern der Platz am Schiff auch dafür vorhanden ist. Pro Ware bekommt
man einen Siegpunkt. In dieser Phase kommen die Spieler mehrfach an die Reihe
und sie müssen auch ihre Waren liefern, wenn sie dazu in der Lage sind. Als
Privileg bekommt der Kapitän bei seiner ersten Lieferung einen Siegpunkt extra.
Am Ende der Kapitänsphase wird kontrolliert, ob bei den Spielern verbliebene
Waren gelagert werden können. Wenn kein Lagerhaus vorhanden ist, so kann nur
ein einziger Warenstein aufgehoben werden, alle anderen werden in den Vorrat
zurückgegeben. Ja und jedes volle Schiff läuft jetzt aus, dass heißt die
geladenen Warensteine werden in den Vorrat wieder zurückgegeben.
Der Goldsucher. Der Goldsucher ist die einzige Rolle, die
nur dem Spieler, der sie wählt einen Vorteil verschafft. Man bekommt eine Dublone.
Bei 4 Spielern ist ein, bei 5 sind zwei Goldsucher vorhanden. So sind immer
drei Rollen mehr als Spieler im Spiel.
Das Spielende ist mit einem von drei Kriterien erreicht: Entweder
es sind nicht genügend Kolonisten für das Kolonistenschiff vorhanden, oder die
Siegpunktechips sind aufgebraucht oder die Stadt eines Spielers ist zur Gänze
belegt. Die Spielrunde wird noch zu Ende gespielt und dann erfolgt die
Abrechnung. Die Siegpunkte der bis dahin geheim gehaltenen Chips werden zu
denen der Gebäude addiert. Bei Gleichstand zählt man Geld und Waren.
Jetzt noch kurz zu den versprochenen Gebäuden. Es gibt
davon zwei Arten. Die Produktionsgebäude sind für die Erzeugung von Indigo,
Zucker, Tabak und Kaffee notwendig. Für Indigo und Zucker sind sowohl ein
kleines (für einen Kolonisten) als auch ein großes (für drei Kolonisten)
vorhanden. Tabak und Kaffee wird nur en gros erzeugt. Die zweite Gruppe sind
Gebäude mit einer speziellen Funktion in einer Phase des Spieles oder bringen
bei Spielende zusätzliche Siegpunkte. So erlaubt die Bauhütte in der
Siedlerphase dem Besitzer statt einer Plantage auch einen Steinbruch zu wählen.
Mit der Hazienda kann eine weitere Plantage verdeckt gezogen werden und mit dem
Hospitz bekommt man in der Siedlerphase gleich einen Kolonisten dazu. Die
Universität liefert zu einem frisch gebauten Gebäude auch gleich einen
Kolonisten dazu. Die Manufaktur bringt in der Aufseherphase etwas Geld ein. Mit
einer kleinen oder großen Markthalle bekommt man ein oder zwei Dublonen mehr
beim Verkauf in der Händlerphase und mit dem Kontor kann auch eine bereits im
Handelshaus befindliche Ware an dieses nochmals verkauft werden. Der Hafen
liefert in der Kapitänsphase einen zusätzlichen Siegpunkt beim Beladen jedes
Schiffes und die kleine oder große Lagerhalle gestattet das zusätzliche Lagern
von allen Waren einer oder zweier Sorten. Die Werft stellt dem Spieler in der
Kapitänsphase ein eigenes Schiff zur Verfügung. Die großen Gebäude bringen bei
Spielende zusätzliche Siegpunkte, so erhält man die Punkte mit der Zunfthalle
für Produktionsgebäude, mit der Residenz für Plantagen, mit der Festung für
Kolonisten, mit dem Rathaus für sonstige Gebäude und mit dem Zollhaus für
gesammelte Siegpunkte.
Soviel zu den Spielregeln. Wie jeder gleich ersehen kann,
sind diese zwar etwas umfangreicher als bei anderen Spielen, doch hat es der
alea-Verlag geschafft, die Spielregeln trotzdem übersichtlich und straff zu
gestalten und ausreichend mit Beispielen zu versehen. Es sind für mich keine
Regelfragen offen geblieben. Etwas ungewohnt ist die aufwendige
Startaufstellung, die jedoch ab dem zweiten Mal Spielen schon schneller geht.
So werden je nach Spieleranzahl unterschiedlich viele Kolonisten und Siegpunkte
benötigt. Auch die Größe der Schiffe ändert sich mit der Spielerzahl. Diese
“Einstellungen” sind allerdings eines der Geheimnisse, weshalb man mit
unterschiedlichen Strategien Erfolg im Spiel haben kann. Ich habe festgestellt,
dass das Spiel immer schon aus ist, bevor der erste Spieler nicht mehr weiß,
was er noch tun soll.
Die möglichen Strategien für das Spiel sind vielfältig. Es
gibt aber bestimmte Grundregeln, die für ein erfolgreiches Spielen notwendig
sind: Das wichtigste ist wohl, das Geld nie aus den Augen zu verlieren (nur
beim Spiel zu dritt hatte ich weniger Geldprobleme). Man sollte sich irgendeine
Einnahmequelle suchen, sei es auch nur Rollen zu wählen, die Dublonen anbieten.
Wichtig ist es auch, dass Gebäude, die man frühzeitig baut, auch wirklich
genutzt werden (Gegen Ende werden Gebäude auch nur wegen den Siegpunkten
gebaut). Das Spiel ist zu kurz, um Gebäude nur zum Spaß zu bauen. Man kann ja
nur ein Gebäude in der Baumeisterphase bauen und Geld ist ja auch wie gesagt
knapp. Bei den Steinbrüchen scheiden sich schon die Geister: “Unbedingt einen
am besten zwei oder drei!” versus “Bis die anderen ihre Steinbrüche besetzt
haben, habe ich schon viel geliefert!”. Und wie schon oben erwähnt: Eine Rolle
nur dann wählen, wenn sie wirklich ein Vorteil für mich ist. Die beste Rolle
bringt mir nichts, wenn alle anderen mehr davon profitieren. Wichtig ist es
wahrscheinlich auch, dass man sich eine Strategie aussucht, bei der man nicht
in direkter Konkurrenz zu den anderen Mitspielern steht. Ich möchte noch einige
mögliche Strategien kurz anreissen, die Bezeichnungen habe ich kurzerhand
erfunden um einen Eindruck zu vermitteln.
Die Spezialist. Spezialisierung auf Indigo oder Zucker mit
kleinem und großem Produktionsgebäude. Als Rollen sollte man öfters Aufseher
und Kapitän wählen, um möglichst viele Siegpunkte am Schiff unterzubekommen.
Lagerhaus und auch Werft wird hier Pflicht sein. Ist für sich wahrscheinlich
noch nicht genug, kann aber mit einer anderen Strategie kombiniert werden.
Der Universalist. Mais, kleine Indigo- und Zuckerproduktion
und Manufaktur, später dann Kaffee oder Tabak und Hafen. Durch die Manufaktur
kommt Geld ins Haus, durch den Hafen wird jede Lieferung mit einem zusätzlichen
Siegpunkt belohnt. Lässt sich auch gut mit Werft kombinieren. Als Rollen
anfangs die, die Geld haben, später Käpitän, um die Schiffe optimal befüllen zu
können. Als Abschluss noch als großes Gebäude die Zunfthalle oder das Zollhaus.
Mit der Strategie hat man sich allerdings ein umfangreiches Pensum vorgenommen.
Der Sparefroh. Frühzeitig Bauhütte und 3 bis 4 Steinbrüche.
Mit der Bauhütte ist man vom Siedler unabhängig, mit der Wahl des Baumeisters
bekommt man noch einen zusätzlichen Bonus aufs Bauen. Ziel sollte es sein mit
mehreren großen Gebäuden die Stadt als erster voll zu haben und hauptsächlich
über die Gebäude zu punkten. Der Bürgermeister garantiert, dass die Gebäude
auch besetzt werden, oder man nimmt die Universität.
Der Großgrundbesitzer. Ziel ist es das große Gebäude
Residenz oder Festung zu haben. Am Anfang Hazienda und Hospiz und flexibel auf
die gezogenen Plantagen reagieren. Für Festung sollte man öfters den
Bürgermeister nehmen, damit man viele Kolonisten bekommt.
Der Händler, oder das Recht Geld zu drucken. Frühzeitig
Markthalle und Tabak oder Kaffee organisieren. Dann das Kontor dazu, damit man
immer Hochpreisiges im Handelshaus verkaufen kann. Geld ist dann im Überfluss
vorhanden. Der Baumeister braucht nicht gewählt werden, eher der Händler. Was
man mit dem Geld macht, muss man sich allerdings noch überlegen.
Der Professor. Frühzeitig eine Universität, damit sind
immer alle neuen Gebäude gleich besetzt und man muss nicht auf den
Bürgermeister warten. Diese Strategie ist natürlich auch mit andere zu
kombinieren und bietet vor allem im 5-Personen-Spiel Vorteile.
Der Taktiker. Man schaut einfach, was die anderen so
machen, stellt fest, welche Strategie nicht verfolgt wird und wählt sich diese
aus. Dabei ist auch zu beachten, dass man mit dem Baumeister den Mitspielern
wichtige Gebäude wegschnappt, den Bürgermeister dann nimmt, wenn ein oder zwei
Kolonisten mehr als Spieler vorhanden sind, mit dem Kapitän dann verschifft,
wenn man andere zum Vernichten von Waren zwingen kann, den Händler, wenn
niemand was zum verkaufen hat und vor allem, dass man die Rollen nimmt, die
mehrere Dublonen schon angehäuft haben, auch wenn man sie gar nicht brauchen
kann.
Dieses Spiel hat wahrscheinlich so viele Facetten, wie es
Spielertypen gibt. Je nachdem, mit wem man das Spiel spielt, es wird immer abwechslungsreich,
spannend und am Ende sehr knapp sein. Die gewinnbringende Strategie wird wohl
eine Kombination aus den oben angeführten Strategien sein, aber sicher bin ich
mir da auch nicht. Das einzige, bei dem ich mir sicher bin, das Puerto Rico wohl
eines der besten Spiele seit Jahren ist. Ich wünsche dem Spiel viel Erfolg und
euch Spaß beim Spielen.